Sartorius, Karl - Elia und Elisa (2).

Sartorius, Karl - Elia und Elisa (2).

II. Elias und Elisas Werk.

Wir haben uns in unsrer letzten Zusammenkunft das großartige Bild vergegenwärtigt welches die heiligen Geschichtsbücher uns von dem Leben und Wirken des Propheten Elia entwerfen, sein gottgesandtes Auftreten in Israel zu einer Zeit als das nackte Heidenthum der vorderasiatischen Völker die Verehrung des unsichtbaren Gottes im Zehnstämmereich mit offener Gewalt zu verdrängen suchte und zum Theil schon verdrängt hatte, den gewaltigen Kampf in welchen der Prophet, angethan mit der Waffenrüstung des Herrn vor dem er stand, einem Ahab und einer Isebel und Hunderten von Baalspropheten gegenüber für den Gott Israels eintrat, die majestätischen Zeichen durch welche er es vor dem ganzen Volk kund werden ließ, wer der lebendige Gott sei, und endlich den herrlichen seligen Ausgang welchen der Herr seinem Knechte nach heißen Anfechtungen von außen und von innen bereitete zur Versieglung daß sein Werk in Gott gethan sei.

Heute fragen wir zuerst nach dem Erfolg von Elias Wirken. Zum Theil ist derselbe uns schon in der Betrachtung des Lebens entgegengetreten. Ja, Elia durfte scheiden mit dem Bewußtsein doch nicht, wie er in einer Zeit innerer Verdunklung gemeint, umsonst für den Herrn geeifert zu haben. Jenes Gottesgericht auf Karmel zumahl das wir als den Höhepunct von Elias Wirksamkeit ansehn dürfen, es war doch nicht vergeblich gewesen. Nicht nur waren die Pfleger und Förderer des Götzendienstes, die Baalspropheten, wenigstens ihrer großen Mehrzahl nach damahls mit des Schwertes Schärfe hinweggeräumt worden, sondern auch in dem Volke war ein nachhaltiger Eindruck haften geblieben von jenem feierlichen Augenblick, da sie von der Majestät des Gottes, der mit Feuer antwortete, überwältigt zur Erde stürzten und riefen: „der Herr ist Gott! der Herr ist Gott!“ Ja selbst Ahab und Isebel mit ihrem Hause, wenn sie für sich freilich auch nicht daran dachten, von Baal zu dem Herrn sich zu bekehren, sie wagten doch zum zweiten Mahle nicht wieder trotz Isebels zürnender Drohung gegen Elia zur Ausrottung der Propheten des Herrn zu schreiten. Vielmehr auf jenen Sieg Elias treten nun die verborgenen Siebentausend in Israel die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt, wieder hervor aus ihren Schlupfwinkeln; ein Naboth wagt es sogar um der Treue gegen das Gesetz des Herrn willen dem Drängen des gewaltthätigen Königs festen Widerstand entgegenzusetzen und eine Menge von Propheten und Prophetenschülern sehen wir gegen das Ende von Elias Laufbahn auftauchen, ja ihrer etliche in unmittelbarer Nähe des Hofes, von dem Könige selbst obwohl unwillig hie und da zu Rathe gezogen, ganze Niederlassungen von Propheten aber an den altgeheiligten Oertern Gilgal, Bethel, Jericho, und in der unmittelbaren Nähe des großen Heerführers über diesen Zeug des lebendigen Gottes Elisa, den Sohn Saphats, welchem Elia vom Herrn selber geheißen sein Werk zu treuen Händen übergeben konnte.

So hatte Elias Saat schon in den Tagen seines Kämpfens noch angefangen Frucht zu bringen: aber freilich vollendet war sein Werk noch nicht. Ahab zwar war todt; seinem Sohn und Nachfolger Ahasja hatte Elia gleicher Weise selbst noch (nach kaum zweijähriger Regierung) das Todesurtheil auf dem Krankenlager angekündigt und er war gestorben und Joram, sein Bruder, nahm nun den Thron ein. Aber wenn dieser König auch, erschreckt durch den Ausgang den es mit Ahab und Ahasja genommen, in so weit sich besserte, daß er die Säule Baals welche sein Vater vor dem Tempel des Gottes in Samaria hatte aufrichten lassen, hinwegthat und des öffentlichen Götzendienstes sich enthielt, so war doch auch Joram keineswegs gemeint mit dem abgöttischen Wesen gründlich zu brechen: nicht nur blieb er hangen in der Sünde Jerobeams, sondern er ließ auch den Baalstempel stehn welchen sein Vater gebaut, und gestattete dem Baal zu dienen in der bisherigen Weise, ja diente ihm wohl selbst noch fortwährend heimlich, und noch war ja Isebel da umgeben von ihren Propheten und ließ nicht ab ihren verderblichen Einfluß geltend zu machen. War es doch dahin gekommen, daß der sonst gottesfürchtige König Josaphat von Juda, um mit dem mächtigen nördlichen Reich Israel fest verbündet zu sein, Athalja, eine Tochter Ahabs wohl auch von der Isebel, seinem Sohne Joram zum Weibe gegeben hatte, und als nun im fünften Jahr des israelitischen Joram der Sohn Josaphats nach des Vaters Tode den Thron in Jerusalem bestieg, da, heißt es (2. Kön. 8, l8), „wandelte Joram auf dem Wege der Könige Israels, wie das Haus Ahabs that: denn Ahabs Tochter war sein Weib. “

So war die Macht des Hauses Ahab bei Elias Abschied noch keineswegs gebrochen, und es galt noch einen harten Kampf, wenn in Israel und in Juda der Glaube an den lebendigen Gott zum entscheidenden Sieg hindurchdringen sollte. Indessen Elia hatte im Auftrage des Herrn die Axt dem Baume der Abgötterei an die Wurzel gelegt, und der in seinem Geist das Begonnene fortführen und durchhauen sollte, er war schon da bei seinem Hingang und ward eben bei diesem Anlaß zu seiner Aufgabe ausgerüstet, Elisa, der Sohn Saphats, aus Abel-Mehola. Sein Wirken haben wir uns nun auch in etwas zu vergegenwärtigen, wenn wir die Bedeutung Elias für die Geschichte Israels richtig würdigen wollen: denn nicht umsonst rief Elisa dem scheidenden Meister nach: „mein Vater! mein Vater!“ Elisa war Elias Sohn, gezeugt aus seinem Geist, wirkend in seinem Geist, als der den Antheil des Erstgebornen von ihm empfangen.

Treten wir aber den Nachrichten über Elisas Geschichte, wie sie uns im 2. Buch der Könige aufbewahrt sind, etwas näher, so erkennen wir bald daß seine Stellung eben in Folge von Elias Wirken und damit auch die Art seines Auftretens nach Einer Seite hin eine andere war als die seines Vorgängers. Elisa hatte nicht erst wieder, wie es Elias Beruf gewesen, den Glauben an den Gott Israels zu wecken oder ihm da, wo er vorhanden war, Anerkennung zu erzwingen. Diese grundlegende Arbeit hatte Elia gethan: es war in den Propheten und den Prophetenschulen die unter dem Schilde von Elias mächtiger Wirksamkeit wieder erstanden, ein heilsames Salz des Lebens unter das Volk gebracht worden das nun nur selbst vor dem Dummwerden mußte bewahrt und bei Kraft erhalten werden, damit ganz im Stillen Segen von ihm ausgehe. Und diese Keime des neu erwachten Lebens aus Gott zu hüten, zu Pflegen und zu kräftiger Entfaltung zu bringen, das war nach der einen Seite hin die Aufgabe Elisas, welchen die untergeordneten Propheten wiederum als ihren Vater verehrten in ähnlicher Weise, wie Elisa selbst zu Elia aufgeschaut. Daher treffen wir Elisa in den Zeiten, wo ihn sein Beruf nicht in den Kreis des öffentlichen Lebens führte, nicht wie den Elia in einsamer Wüste, sondern mitten unter dem Volke, besonders in der Nähe der Prophetenniederlassungen weilend; und während Elias Wirken in einer Reihe von Strafgerichten bestand die er, wie ein Sturmwind aus seiner Verborgenheit hervorbrechend und wieder verschwindend, über König und Volk im Namen des Herrn verhängte: sehn wir Elisas Lebensgang nach Einer Seite hin durch eine Reihe segnender Wunder bezeichnet durch welche ihm gegeben war über die Bekenner des wahren Gottes Leben und Wohlthat auszubreiten. In dieser Beziehung sind uns von dem heiligen Gcschichtschreiber eine Anzahl ganz besonders lieblicher und erquickender Züge aus Elisas Wirken aufbewahrt worden. So gleich im Beginne seiner Thätigkeit, da er zu Jericho eine Quelle gesund machte indem er Salz hineinwarf und sprach: „so spricht der Herr: Ich mache das Wasser gesund; es soll hinfort kein Tod noch Unfruchtbarkeit daher kommen. “ (2. Kön. 2,19-22. ) So in der Hilfe die er der armen Wittwe eines Propheten verschaffte, indem er ihr weniges Oehl zu einer solchen Fülle werden ließ, daß der Erlös daraus mehr als hinreichend war den drängenden Schuldherrn zu befriedigen (2. Kön. 4,1 -7). So in der unvergleichlich schönen Erzählung (2. Kön. 4,8-37) von der gottesfürchtigen Frau in Sunem die dem öfter durchreisenden Propheten mit liebenswürdiger Gastfreundschaft ein Gemach in ihrem Hause zur Verfügung stellte und die für diese Liebe von dem Manne Gottes damit gesegnet wurde, daß er ihr nicht bloß einen Sohn vom Herrn erbat sondern als der Knabe im spätern Alter von einem Sonnenstich getroffen, plötzlich gestorben war, denselben unter inbrünstigem Flehen wieder zum Leben erweckte. So als Elisa in Gilgal ein giftiges Coloquintengericht durch eingestreutes Mehl für die Prophetenkinder unschädlich machte, ebenso da er einst in wenige Gerstenbrote eine solche Kraft legte, daß hundert Mann davon aßen und noch übrig blieb (2. Kön. 4,38-44), und wiederum als er einem der Prophetenschüler das in den Jordan gefallene entlehnte Beil auf wunderbare Weise wieder verschaffte (2. Kön. 6,1-6). Die bekannteste, auch in anderer Hinsicht mehrfach bedeutsame Wunderthat Elisas von dieser Art aber ist die Heilung des syrischen Feldhauptmanns Naeman. Dieser gewaltige, von seinem König hochgehaltene und auch vor Gott werth geachtete Mann war aussätzig und kein Arzt konnte ihm helfen. Da kam einem Mägdlein seiner Gemahlinn, einer kriegsgefangenen Dirne aus dem Lande Israel, der Gedanke: „ach, daß mein Herr wäre bei dem Propheten zu Samaria, der würde ihn von seinem Aussatz losmachen. “ Und von der Noth getrieben giebt Naeman diesem Gedanken Folge und zieht hinüber nach Israel mit reichen Geschenken und mit einem Brief von des Königs Hand an König Joram des Inhalts: „wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe so wisse: ich habe meinen Knecht Naeman zu dir gesandt, daß du ihn von seinem Aussatze losmachest. “ Der König von Israel aber, des Propheten welchen er in seinem Reiche hat nicht gedenkend, sieht diesen Brief nur an als einen Fallstrick den ihm der König von Damascus gelegt um eine Ursache wider ihn zu finden und zerreißt in höchster Bestürzung darüber seine Kleider. Da sendet Elisa zu ihm und läßt ihm sagen: „laß den Mann zu mir kommen, damit er inne werde daß ein Prophet in Israel ist. “ Und Naeman kommt mit Rossen und Wagen und hält vor der Thür am Hause Elisas. Nun läßt der Prophet durch einen Boten ihm sagen: „geh hin und wasche dich sieben Mahl im Jordan: so wird dein Fleisch dir wieder erstattet und rein werden“. Naeman aber, erzürnt daß der Prophet nicht zu ihm herausgekommen sei und unter Anrufung des Herrn seines Gottes seine Hand auf ihn gelegt habe, mit der stolzen Frage „sind nicht die Wasser Amana und Pharphar zu Damascus besser denn alle Wasser in Israel, daß ich mich drin wüsche und rein würde?“ ist im Begriff unverrichteter Sache heimwärts zu ziehn. Indessen das freundliche Zureden seiner Knechte „lieber Vater, wenn dich der Prophet etwas Großes hätte geheißen, solltest du es nicht thun? wieviel mehr, so er zu dir sagt: wasche dich, so wirst du rein“ bestimmt ihn dem Befehle des Propheten, der ihm zeigen wollte daß nicht das Wasser sondern das Wort des Herrn das ihn zum Jordan weise, ihn reinigen könne, Gehorsam zu leisten: er steigt ab und taucht sich im Jordan sieben Mahl und sein Fleisch wird gesund als eines jungen Knaben. Damit aber gelangt er zugleich auch zum Heil seiner Seele in der Erkenntnis welche er dankerfüllt gegen Elisa ausspricht: „siehe, ich weiß daß kein Gott ist in allen Landen ohne in Israel“. Das angebotene reiche Geschenk will Elisa nicht nehmen; hingegen gestattet er der kindlichen Anschauung des eben erst für den Glauben gewonnenen Heiden Rechnung tragend, demselben zwei Maulthierlasten Erde vom Boden des heiligen Landes mitzunehmen um zu Hause dem Herrn einen Altar darüber zu bauen, und auch als Naeman mit aufrichtigem Herzen ihn bittet, wenn er mit dem König ins Haus Rimmons des syrischen Götzen gehen müsse daselbst anzubeten, daß der Herr ihm das zu gute halten wolle, entläßt ihn Elisa in der sichern Hoffnung daß sein Glaube allmählich genugsam erstarken werde um auch dieses letzte Band des Heidenthums zu sprengen, mit dem , Segenswunsche: „zieh hin mit Frieden!“ Gehasi aber, der Diener Elisas, ein Mensch unlautern Herzens, der von schnöder Geldgier beseelt, sich nicht entblödet dem treuherzigen Syrer nachzujagen und unter dem lügnerischen Vorwand, Elisa könnte nun doch für zwei Prophetensöhne vom Gebirge Ephraim von den angebotenen Geschenken etwas brauchen, von dem gütigen Manne zwei Talente Silbers und zwei Feierkleider zu erhaschen, wird von dem Propheten entlarvt und mit dem Aussatz Naemans bestraft.

So wirkte Elisa segnend auch an einem dem Fleische nach nicht zu Israel gehörenden, durch den Glauben aber dem Bundesvolk eingepflanzten Manne, und wir erinnern uns wie ein Arzt größer denn Elisa in der Schule zu Nazareth die auf ihre Heimatverwandtschaft mit ihm pochenden Juden warnend auch auf dieses Exempel der Vorzeit verwiesen hat: „und viele Aussätzige waren in Israel zu des Propheten Elisa Zeiten, und derer keiner ward gereinigt als allein Naeman aus Syrien“ (Luc. 4, 27. vgl. 2. Kön. 5).

Wie aber eben dieß Wort des Heilandes in dem Nichtgerettetwerden so Vieler in Israel gegenüber dem einen geheilten Fremdling uns schon etwas Gerichtliches in der Wirksamkeit des Elisa merken läßt und wie dieß Gerichtliche seiner Sendung uns noch stärker darin entgegentritt, daß ein unlauterer Sohn Israels, ja ein Prophetensohn selbst und dazu der vertrauteste von allen Schülern Elisas die dem redlichen Heiden abgenommene Plage durch seine Verschuldung sich aufladet: so wäre es eine sehr einseitige und unrichtige Auffassung von Elisas Wirksamkeit, wenn wir nur seine milde wohlthucnde segnende Thätigkeit in Betracht ziehn wollten und darum, wie hie und da geschehen ist, im Gegensatz zu Elias verzehrendem Feuereifer in Elisa bereits das auf dem Horeb zuletzt verheißene stille sanfte Sausen verwirklicht meinten. Es ist eine solche Auffassung auch schlechterdings nicht zu vereinigen mit der in jener Offenbarung von dem Herrn selbst gegebenen Ankündigung: „und soll geschehen daß wer dem Schwerte Hasaels entrinnt, den soll Jehu tödten, und wer dem Schwerte Jehus entrinnt, den soll Elisa tödten“ (1. Kön. 19,17). Es wird da die Mission Elisas aufs Bestimmteste als eine gerichtliche, ähnlich wie die des Elia, in Verbindung mit den beiden andern Gotlesgeißeln Hasael von Damascus und Jehu von Israel bezeichnet. Und diese seine richterliche Sendung, Elisa hat sie, obwohl mit trauerndem Herzen, erfüllt so gut als Elia, auf dessen Schultern er stand.

Wir werden uns davon aufs Gewisseste überzeugen, wenn wir uns nun von der aufbauenden heilenden helfenden Thätigkeit Elisas unter den Gotteskindern, den stillen Gläubigen im Lande, zur Betrachtung seines Eingreifens in die öffentlichen Angelegenheiten Israels hinwenden.

Als ein warnendes Zeugnis wie auch durch dieses Propheten Wort Verderben komme von der Hand des Herrn über Alle die an der Majestät des lebendigen Gottes sich vergreifen, haben wir schon die Strafe anzusehn welche gleich im Beginne seines Auftretens sein Fluchwort über jene Knaben von Bethel verhängte, die ihm höhnend nachriefen: „Kahlkopf, komm herauf!“ und von denen zwei und vierzig sofort durch zwei aus dem Walde hervorbrechende Bären zerrissen wurden. Eine Strafe deren entsetzlicher Ernst sich uns erklärt, wenn wir unter diesem Spotte der Knaben uns nicht einen unüberlegten kindischen Muthwillen denken, sondern einen von den Einwohnern Bethels, einer Hauptstätte des Kälberdienstes, angelegten Plan um gleich von vornherein das Ansehen des Propheten öffentlich herabzuwürdigen, indem Kahlköpfigkeit in Israel als eine vorzügliche Schmach galt, wie ja kein Priester sich eine Glatze scheeren durfte (3. Mos. 21,5), oder gar wenn es sich erweisen ließe, wie Neuere wollen, daß der Ruf der Knaben gewesen wäre „Kahlkopf, fahre auf!“ - also ein gotteslästerlicher Spott über die wunderbare Entrückung Elias. Genug, was dort an den Kindern einer abgöttischen Stadt gewissermaßen in vorbildlich weißagender Weise geschehen war, es brach, als die Zeit der Langmuth zu Ende gieng, mit erschütternder Gewalt herein über das in seiner Unbußfertigkeit verstockte Königshaus und die Genossen seiner Frevel im ganzen Volk.

Zwar eine Zeitlang ließ der Herr durch seinen Propheten auch dem abgöttischen Könige Joram noch Gnade widerfahren, damit es auch an ihm sich erweise daß der Herr nicht Lust habe am Tode des Gottlosen sondern daß er sich bekehre von seinem bösen Wesen und lebe. Das Ansehn des mächtigen Gottesmannes war auch so hoch gestiegen unter dem ganzen Volk und selbst in den heidnischen Nachbarländern, daß der schwache König Joram nicht anders konnte als ihm mit einer gewissen Achtung begegnen und in geheimer Furcht vor dem starken Gott, dessen Diener Elisa war, sich scheute ihn irgendwie zu verletzen. Ein sprechender Beweis hiefür ist uns die freundliche Behandlung welche Joram um Elisas willen jener Sunamitinn angedeihen ließ. Elisa hatte der inzwischen zur Wittwe gewordenen Frau gerathen um einer bevorstehenden langjährigen Theurung willen in die Fremde zu ziehn und sieben Jahre lang hatte sie in der Philister Lande gewohnt. Nach ihrer Rückkehr fand sie ihr Haus und ihren Acker in fremden Händen und wandte sich nun um Hilfe an den König. Das geschah gerade in dem Augenblicke, als Joram den Gehasi, Elisas ehemaligen Diener, aufgefordert hatte ihm alle großen Thaten Elisas zu erzählen und dieser dem König eben berichtete wie Elisa hätte einen Todten lebendig gemacht. Da stellte Gehasi dem Könige das Weib vor sammt ihrem einst durch den Propheten vom Tode erweckten Sohn, und der König, nachdem er sich jene wunderbare Begebenheit von ihr selbst hatte erzählen lassen, gab ihr einen Kämmerer mit und gebot, ihr Haus und Acker und dazu alles Einkommen des Ackers während der Zeit ihrer Abwesenheit wieder zuzustellen (2. Kön. 8, 1-6).

In früherer Zeit schon hatte Joram, als auf einem Kriegszug Israels, Judas und Edoms zur Züchtigung der abgefallenen Moabiter in der Wüste Edoms dem Heere das Wasser ausgegangen war, auf Veranlassung des Königs Josaphat von Juda den in der Nähe weilenden Propheten um Rath gefragt in der großen Noth und von demselben um Josaphats willen (denn ihn selbst, den König von Israel, würde der Herr nicht ansehn noch achten: er solle zu den Propheten seines Vaters und den Propheten seiner Mutter gehen) die gnädige Verheißung empfangen, ohne Wind noch Regen solle der Bach in der Wüste voll Wassers werden und dazu sollen die Moabiter in ihre Hände gegeben werden, daß sie ihre Städte und Felder und Wasserbrunnen verderben könnten. Und es geschah: des Morgens darauf, um die Zeit des Speisopfers, kam ein Gewässer des Weges von Edom, in dessen Gebirgen Seir während der Nacht heftige Regengüsse mochten herabgeströmt sein, und durch die röthliche Farbe des Gewässers auf den Gedanken gebracht, es seien Blutlachen, entstanden aus der Niedermetzelung der verbündeten Heere unter einander, wagten die Moabiter einen Angriff, wurden aber in die Flucht geschlagen und Stadt und Land verwüstet, bis das schauerliche Opfer des erstgebornen Sohnes welches der König von Moab auf der Mauer seiner letzten Bergfeste vor Israels Augen darbrachte, einen dumpfen Schrecken über das Volk verbreitete, also daß sie ohne Moab völlig unterjocht zu haben wieder in ihr Land zogen(2. Kön. 3,4-7).

In anderer Weise gewährte Elisa dem Könige Joram Hilfe auf einem Kriegszug der Syrer gegen Israel, indem er kraft seiner Prophetengabe dem König von Israel jeweilen die Orte ansagen ließ an welchen die Feinde sich zu lagern beschlossen hatten, und immer wenn sie dahin kamen, fanden sie die Stätte von den Israeliten besetzt, also daß Benhadad Verrath unter seinen Knechten vermuthete. Da sprach aber einer derselben, und dieß Wort ist uns ein neues Zeugnis wie Elisas Thaten ihn auch über die Grenzen Israels hinaus bekannt und gefürchtet gemacht: „nicht also, mein Herr König, sondern Elisa, der Prophet in Israel, sagt es Alles dem Könige Israels was du in der Kammer redest wo dein Lager ist. “ Und nun kommt Elisa selbst in große Lebensgefahr. In der Nacht läßt der König von Syrien das Städtchen Dothan, wo der Prophet sich aufhält, mit großer Heeresmacht umstellen. Voll Schreckens gewahrt dieß Elisas Diener in der Morgenfrühe. Elisa aber spricht zu ihm: „fürchte dich nicht: denn derer ist mehr, die bei uns sind, denn derer, die bei ihnen sind“ und auf sein Gebet öffnet der Herr dem Knaben die Augen und da sieht er den Berg voll feuriger Rosse und Wagen um Elisa her. Wie diesem Knaben aber das inwendige Auge geöffnet wird, so schlägt der Herr auf das Gebet seines Knechtes die Syrer mit Blindheit, daß sie den Propheten der ihnen entgegengegangen war, nicht kennen und von ihm statt nach Dothan mitten nach Samaria hinein sich führen lassen. Da wird ihnen die Binde wieder von den Augen genommen, und der König Israels fragt den Propheten: „mein Vater, soll ich sie schlagen?“ Elisa aber wehrt ihm dieß und auf sein Geheiß werden sie mit einem reichlichen Mahle gesättigt und im Frieden entlassen.

Indessen trotz diesen widerholten Erweisungen der wunderbaren göttlichen Gnadenhilfe demüthigte sich Joram doch nicht vor dem Herrn, daß er das abgöttische Wesen in seinem Haus und seinem Reich abgethan hätte. Vielmehr ersehen wir aus seinem Verhalten während einer neuen Drangsal mit welcherlei um seiner Unbußfertigkeit willen heimgesucht ward, wie er wohl äußerlich in Zeiten der Noth freundlich thun konnte mit dem Propheten Gottes, im Herzen aber doch voll Grimm gegen ihn war wie sein Vater gegen Elia.

Als Benhadad auf einem neuen Kriegszug Samaria belagerte, brach in der Stadt zuletzt eine solche Hungersnoth aus, daß der König von Israel, als er einmahl zur Mauer gieng, von einem Weib angeschrien wurde, er möchte ihr zum Rechte verhelfen: sie und eine Andere hätten den Vertrag gemacht, sie wollten gemeinschaftlich ihre beiden Söhne essen, heute den ihren, morgen den der andern Mutter; ihren Sohn hätten sie nun gekocht und gegessen, jetzt da es an das Kind der andern komme, habe sie es versteckt! Da zerriß Joram vor Entsetzen sein Obergewand, also daß alles Volk sah wie er unter demselben einen Sack anhatte, das äußere Zeichen der Buße: aber statt nun auch sein Herz zu zerreißen und zu ergrimmen über seine Sünde die solchen Jammer über Israel gebracht, ergrimmte er über Elisa, als wäre er daran Schuld, und sprach: „Gott thue mir dieß und das, wo das Haupt Elisas, des Sohnes Saphats, heute auf ihm stehen wird!“ und sandte einen Boten den Propheten zu ergreifen. Elisa aber, um den eben die Aeltesten der Stadt zur Berathung versammelt sind, schaut im Geiste was geschehen soll, und mit dem Worte „habt ihr gesehen wie dieß Mörderkind hat hergesandt, daß er mein Haupt abreiße?“ gebietet er dem Boten die Thür zu verschließen; das Rauschen der Füße seines Herrn folge ihm nach. Und der König kommt und in einer Anwandlung von Reue und trotziger Verzweiflung zugleich erkennt er es an: „siehe, solch Uebel kommt von dem Herrn: was soll ich mehr von dem Herrn gewarten?“ Da verkündigt Elisa im Namen des Herrn, der auch die geringste Bußregung in Gnaden ansieht: „morgen um diese Zeit wird ein Scheffel Semmelmehl einen Sekel gelten und zwei Scheffel Gerste einen Sekel unter dem Thor zu Samaria. “ Und so unglaublich die Verheißung scheinen mochte, sie gieng buchstäblich in Erfüllung. In der Nacht ergriff das syrische Heer plötzlich ein Schrecken, weil sie den Anmarsch einer feindlichen Heeresmacht zu hören glaubten und zu eiliger Flucht gewendet, ließen sie das ganze Lager mit all den reichen Vorräthen die es enthielt zurück, eine willkommene Beute für die ausgehungerte Stadt, die durch etliche Aussätzige in der Frühe des nächsten Morgens von dem Geschehenen in Kenntnis gesetzt ward. Als aber das Volk durch das Thor sich drängte, da ward ein Ritter des Königs im Gedränge zertreten, der über Elisas Weißagung gespottet und dem der Prophet darauf zuvor verkündigt hatte: „siehe da, mit deinen Augen wirst du es sehen und nicht davon essen. “ (2. Kön. 6,24-7,20. )

Und nun sehn wir Elisa zur Ausführung der Gerichte sich wenden durch welche dem Hause Ahabs das schon längst durch Elia angedrohte furchtbare Ende sollte bereitet werden.

Zuerst gieng Elisa gen Damascus um den einen von den zwei noch ungelösten Aufträgen Gottes an Elia zu erfüllen, nämlich Hasael, einen Günstling Benhadads, als ein vom Herrn bestimmtes Strafwerkzeug für Israel zum Königthum über Syrien zu berufen. Es traf sich durch göttliche Schickung, daß der eben krank liegende König Benhadad, als er die Anwesenheit des nun auch in Syrien hochgeachteten Propheten in seiner Hauptstadt erfuhr, den Hasael mit reichen Geschenken zu dem Manne Gottes sandte ihn zu fragen ob er von seiner Krankheit genesen werde. Diesem Boten antwortete der Prophet auf räthselhafte Weise: „geh hin und sage ihm: du wirst genesen: aber der Herr hat mir gezeigt daß er des Todes sterben wird. “ Elisa deutete ihm damit an, die Krankheit Benhadads sei zwar keine tödtliche, aber auf eine andere Weise werde er doch ums Leben kommen. Und dabei schaute Elisa den Hasael mit durchdringendem Ernste an und seine Augen füllten sich mit Thränen. Als aber Hasael betroffen ihn fragte „warum weint mein Herr?“ - da verkündigte ihm der Prophet: „ich weiß was Uebels du den Kindern Israels thun wirst: du wirst ihre festen Städte mit Feuer verbrennen und ihre junge Mannschaft mit dem Schwert erwürgen und ihre jungen Kinder tödten und ihre schwangern Weiber zerhauen. “ Noch scheint wenigstens Hasael nicht zu fassen was Elisa meine und fragt abermahls: „was ist dein Knecht, der Hund, daß er solche große Dinge thun sollte?„ Und nun spricht der Prophet es geradezu aus: „der Herr hat mir gezeigt daß du König von Syrien sein wirst“. Da gieng Hasael hinweg zu seinem Könige und meldete ihm auf seine Frage was der Prophet gesprochen: „er sagt mir, du wirst genesen“. Des andern Tages aber starb Benhadad, nicht an seiner Krankheit sondern erstickend unter einer ins Wasser getauchten Decke die über sein Angesicht gebreitet wurde. Es geht nicht ganz klar aus dem Texte hervor und ist darum auch Streit unter den Auslegern, wer dem Könige diesen gewaltsamen Tod bereitet habe, ob Hasael oder sonst ein königlicher Diener; ja Einige nehmen an, Benhadad selbst habe aus Unvorsichtigkeit sich auf diese Weise den Tod zugezogen. Aber nehmen wir auch an, Hasael habe den König gemordet, so kann die Schuld doch unmöglich dem Elisa beigemessen werden: er verkündigte dem Hasael nur was der Herr im Gesichte ihm gezeigt balle, daß Hasael König über Syrien sein werde ohne irgendwie ihm einen Wink zu geben daß er selber mit mörderischer Hand sich auf den Thron Benhadads erheben sollte, so wenig als Samuel, da er in der Stille den Sohn Isais zum Könige salbte, ihn damit aufforderte an Saul, den Gesalbten des Herrn, Hand anzulegen. Hasael war nun in der That König von Syrien, und es gieng nicht lange, so mußte Joram und ganz Israel, ja auch Juds es erfahren, welch eine Zuchtruthe der Herr in diesem wilden kriegerischen Fürsten sich erlesen. Ahasja, der König von Juda, ein Sohn jener Ahabstochter Athalja, zog mit Joram von Israel in Streit wider Hasael: aber die Syrer schlugen Israel und der König Joram selbst trug eine Wunde davon die ihn nöthigte das Heer zu verlassen und in Jesreel Heilung zu suchen. Später aber nahm Hasael nicht bloß das ganze Ostjordanland in Besitz, sondern fiel selbst in Juda ein, drang bis gegen Jerusalem vor und konnte nur durch die Auelieferung aller Schätze und aller geheiligten Gefäße im Tempel zum Abzuge vermocht werden.

Indessen noch viel furchtbarer, das Gottesgericht über Ahabs verfluchtes Haus zur letzten Vollendung führend, war das schauerliche Wirken des Mannes, welchen Elisa auf den Befehl des Herrn mitten aus Israel selbst berufen mußte dem Baalsdienste mit des Schwertes Gewalt ein Ende zu machen, das Werk Jehus, des dritten Gerichtsboten Gottes.

Elisa mag schon in höherm Alter gestanden haben, da sandte er, während Joram krank an seinen Wunden zu Jesreel lag, einen seiner Prophetenschüler gen Ramoth in Gilead, wo noch das israelitische Heer stand, mit dem Auftrag Jehu, den Sohn Josaphats, den Enkel Nimsis, einen Feldobersten Israels, allein in die innerste Kammer zu führen, sein Haupt mit Oehl zu übergießen und ihm zu verkünden: „so sagt der Herr: ich habe dich zum Könige über Israel gesalbt“, dann aber sofort ohne Säumen zu entfliehen. Der Diener des Propheten vollzieht seinen Auftrag pünctlich. Wie aber Jehu nach der Salbung wieder aus der Kammer hervortritt, fragen ihn seine Gefährten: „warum ist dieser Rasende zu dir gekommen?“ Und Jehu theilt ihnen mit was geschehen sei. Da nehmen sie ihre Kleider, breiten sie auf die Stufen der Treppe vor dem Hause, blasen mit der Posaune und rufen: „Jehu ist König geworden!“ Jehu aber eilt gen Jesreel, wo Joram krank liegt und eben Ahasja von Juda zum Besuch anwesend ist. Der Wächter auf dem Thurm zu Jesreel sieht den Haufen heranstürmen und sendet auf Jorams Befehl einen Reiter aus zu fragen: „ists Friede?“ Jehu aber ruft: „was geht dich der Friede an?“ und gebietet ihm seinem Zuge sich anzuschließen. Einem zweiten Boten von Joram ergeht es nicht besser. Der Wächter sagt es dem König an: „er ist zu ihm gegangen und kommt nicht wieder. Und es ist ein Treiben wie das Treiben Jehus, des Sohnes Nimsis: denn er treibt wie wenn er unsinnig wäre!“ Jehu war nämlich im ganzen Heere bekannt durch sein tolles Fahren und Reiten. Da läßt Joram anspannen und er auf einem Wagen, Ahasja von Juda auf dem andern, fahren sie Jehu entgegen und treffen mit ihm zusammen auf dem Acker Naboths des Jesreeliten. Joram fragt den wild daher Stürmenden nun selbst: „ists Friede?“ kommst du in guter Absicht? - erhält aber die nichts Gutes verkündigende Antwort: „was Friede? so lange deiner Mutter Isebel Hurerei und Zauberei währet?“ Nun wendet sich Joram zur Flucht mit dem Ruf: „es ist Verrätherei, Ahasja!“ Aber Jehu faßt den Bogen und schießt Joram zwischen die Schultern, daß der Pfeil durch sein Herz hinausfährt und der König todt zusammensinkt. Und Jehu, selbst ergriffen davon, wie hier die vergeltende Gerechtigkeit Gottes sich offenbare, errinnert seinen Wagengefährten, den Ritter Bidekar, daran, wie sie zugegen gewesen seien, als das Wort des Herrn durch Elia dem Ahab geweißagt habe: „was gilts, ich will dir das Blut Naboths und seiner Kinder das ich gestern sah, vergelten auf diesem Acker!“ und gebietet seinem Begleiter den Leichnam Jorams zu werfen auf den Acker Naboths, nach dem Wort des Herrn. - Wie aber Joram so erreicht auch den Ahasja alsbald das Gericht: Jehu jagt auch ihm nach und läßt ihn schlagen auf der Flucht, also daß er kaum noch Megiddo erreicht und daselbst stirbt. Und nun geht der Rachezug gen Jesreel, an Isebel, der Königinn-Mutter, der Urheberinn all des Verderbens in Israel und Juda, das von Gott verhängte Gericht zu vollziehen. Vergebens schminkt das auch jetzt noch kühne Weib ihr Angesicht und schmückt ihr Haupt und sieht also zum Fenster hinaus dem tobend hereinbrechenden Rächer entgegen, vielleicht um als Königinn noch Eindruck auf Jehu zu machen; vergebens ruft sie höhnend oder warnend ihm zu: „bringt Friede Simri seinem Herrn?“ - ihn an den schnellen Untergang Simris erinnernd, der Baesa um Thron und Leben gebracht. Jehu, das Angesicht zu den Fenstern des königlichen Palastes erhoben, ruft hinauf: „wer ist mit mir hier?“ Und als etliche Kämmerer sich zeigen, gebietet er ihnen: „stürzt sie herab!“

Und sie stürzen sie hinab, daß die Wand und die Rosse von ihrem Blut besprengt werden, und die Wagen fahren über ihren Leichnam hinweg. Als aber Jehu nach dem Mahle den Befehl giebt: „besehet doch die Verfluchte und begrabet sie: denn sie ist eines Königs Tochter!“ - da finden sie nichts von ihr denn den Schädel und die Füße und ihre flachen Hände. Und Jehu, als ihm diese Kunde gebracht wird, erkennt auch darin die Hand des Herrn und spricht: „das ist es, was der Herr geredet hat durch seinen Knecht Elia, den Thisbiter, und gesagt: auf dem Acker Jesreel sollen die Hunde der Isebel Fleisch fressen“. Der heilige Geschichtschreiber aber fügt hinzu: „also ward das Aas Isebels wie Koth auf dem Felde im Acker Jesreel, daß man nicht sagen konnte: das ist Isebel. “ (2. Kön. 9. )

Noch war aber Jehus blutiges Werk nicht völlig gethan: das ganze Haus Ahabs und die Baalsdiener allzumahl waren dem Gerichte verfallen. Siebenzig Söhne und Enkel Ahabs wohnten in Samaria: deren Häupter gebot Jehu den Aeltesten von Samaria ihm bis zum nächsten Tage nach Jesreel zu liefern, und voll Furcht vor dem schrecklichen Manne gehorchten ihm diese, enthaupteten die siebenzig Nachkommen Ahabs, legten ihre Häupter in Körbe und sandten sie zu Jehu gen Jesreel; er aber ließ sie ausstellen am Thore der Stadt und das entsetzt zuschauende Volk auf dieses furchtbare Gottesgericht hinweisend, forderte erste auf: „so erkennet denn daß kein Wort des Herrn ist auf die Erde gefallen das der Herr geredet hat wider das Haus Ahabs, und der Herr hat gethan, wie er geredet hat durch seinen Knecht Elia. “ Und nun nachdem auch in Jesreel alle Anverwandten, Priester und Freunde des Hauses Ahab gefallen waren, zog Jehu selbst gen Samarien. Unterwegs stieß er auf die Brüder Ahasjas von Juda, die nichts ahnend ihre Verwandten in Israel besuchen wollten: auch sie wurden niedergemacht, 42 Mann, und auch nicht einer blieb übrig. In Samaria aber galt es nun, den Herd des unheilvollen Götzendienstes, den Tempel Baals mit all seinen Zugehörigen, niederzutreten. Dazu bediente sich Jehu einer List. Unter dem Vorgeben: „Ahab hat Baal wenig gedient, Zehn will ihm besser dienen“ versammelte er alle Propheten und Priester und Diener Baals in dem Hause des Götzen, daß es voll ward an allen Enden, versah sie alle mit festlichen Kleidern, gieng selbst hinein und nachdem er sich versichert daß kein Diener des Herrn drin sei, brachte er dem Götzen Brandopfer; dann wieder hinausgetreten, gebot er den achtzig Leibwächtern mit denen er den Baalstempel hatte umstellen lassen, hineinzudringen und die Versammelten alle niederzumachen. Hierauf stürmten sie auch das Allerheiligste, wo das große Bild des Götzen thronte, umgeben von vielen kleinern Bildsäulen, rissen dieselben heraus, zerbrachen und verbrannten und schändeten sie und zerstörten den Götzentempel gänzlich. „Also“ heißt es, „vertilgte Jehu den Baal aus Israel“. Und bis nach Juda schlugen die brandenden Wogen dieser gewaltigen Bewegung. Eben jene Athalja, welche durch Verbindung mit dem jüdischen König Joram den Baalsdienst auch nach Jerusalem verpflanzt hatte, ein Weib ähnlich der Isebel, als sie den Tod ihres Sohnes Ahasja erfahren, brachte nun um allen königlichen Samen, wohl um Rache zu nehmen für den Fall ihres Hauses, vielleicht auch um Juda an Israel zu bringen. Ein einziges Kind Ahasjas, Joas, ward aus dem Blutbad gerettet und verborgen, bis der Knabe in seinem siebenten Jahr durch den Hohepriester Jojada dem Volk als sein rechtmäßiger König vorgestellt und Athalja mit ihrem Anhang getödtet wurde.

Von dem Propheten Elisa vernehmen wir aus dieser Zeit der Gerichte über Ahabs Haus nichts mehr. Nur Eine Begebenheit wird uns noch erzählt aus seiner letzten Krankheit, wie Joas, der Enkel und zweite Nachfolger Jehus auf dem Königsthron von Israel, den kranken Propheten besucht habe und weinend ausgebrochen sei in eben den Ruf welchen Elisa dem Elia noch nachgesendet: „mein Vater, mein Vater, Wagen Israls und seine Reiter!“ und wie dann Elisa ihn habe heißen den Bogen spannen und durch das offne Fenster gegen Morgen einen Pfeil abschießen, mit der Verheißung: „ein Pfeil des Heils vom Herrn, ein Pfeil des Heils wider die Syrer: und du wirst die Syrer schlagen zu Aphek, bis sie aufgerieben sind“; Joas aber habe sich durch seinen Kleinglauben den ihm zugedachten völligen Sieg über die Feinde selbst verkümmert (2. Kön. 13, 14-20). Bald darauf starb der Prophet, nachdem er über fünfzig Jahre lang in Israel gewirkt: aber wenn ihm auch nicht ein so glorreicher Ausgang beschieden war als seinem Vorgänger Elia, so besiegelte der Herr doch auch die Wirksamkeit dieses Knechtes im Tode noch. Als während eines Einfalls der Moabiter der Leichnam eines Gestorbenen von den Trägern aus Furcht vor den umherschwärmenden Kriegsleuten in Elisas Gruft, vielleicht ein Felsengrab, geworfen wurde: da ward der Todte, sobald er die Gebeine des Propheten berührte, wieder lebendig und trat auf seine Füße, zu einem Zeugnis daß von diesem Gottesmanne auch nachdem er gestorben sei, noch Kraft des Lebens ausgehe, wenn Israel im Glauben an den Gott Elisas wandeln wolle den Weg welchen der Herr durch seinen Mund ihnen gewiesen.

Werfen wir nun einen Rückblick auf die an uns vorübergegangene Geschichte des gewaltigen Kampfes zwischen der Religion Israels, dem Glauben an den wahren einigen Gott, und der von außen eingedrungenen und aufgezwungenen Abgötterei des Baalsdienstes: so erkennen wir jetzt erst den Erfolg von Elias Wirken seinem ganzen Umfange nach: denn wie Jehu zu widerholten Mahlen sich berief auf das Wort des Herrn, welches er durch seinen Knecht Elia geredet habe: so ist in der That die ganze, mit dem völligen Untergang von Ahabs Hause sich vollendende Bewegung von jenem majestätischen Gottesmanne ausgegangen. Er hat vollbracht was er zu vollbringen gesandt war: er hat Israel noch Ein Mahl von dem Rande des Verderbens durch den Abfall von dem lebendigen Gott zurückgebracht und gerettet; er hat, zuletzt durch Jehus Hand, den bei seinem Auftreten triumphierenden Götzendienst niedergeworfen und der Erkenntnis daß der Herr Gott sei und Ihm allein Ehre und Anbetung gebühre, in Israel noch Ein Mahl den Sieg erzwungen.

Diese Thatsache steht fest und es wird von keiner Seite etwas dagegen eingewendet, daß wir in Elia und Elisa zwei der größten reformatorischen Geister Israels zu erkennen haben. Es wird ihr Verdienst auch in keiner Weise etwa dadurch geschmälert, daß Jehu, der mit solch verzehrendem Eifer den Baal niedergeschmettert, nun doch nicht völlig zu dem lautern Gottesdienst zurückkehrte, sondern den von Jerobeam eingeführten Stierdienst zu Bethel und zu Dan fortbestehen ließ, weshalb ihm bald durch einen Propheten angekündigt wurde, es sollten seine Kinder nur bis ins vierte Glied auf dem Throne Israels sitzen, und bald auch Hasael ihn schlagen und das ganze ostjordanische Land Israel abnehmen mußte (2 Kön. 10,29-33). Für diese Untreue Jehus können die beiden Propheten so wenig verantwortlich gemacht werden, als es gerecht und billig wäre, etwa Luthern die Schuld davon beizumessen, daß die von ihm begonnene Reformation nicht so rein hinausgeführt wurde, wie wir es wünschen möchten. Es ist und bleibt Elias und Elisas Ruhm, wenn hier von Ruhm die Rede sein kann wo Alles göttliche Gabe war, dem neuen Königshause sowie dem ganzen Volke die Rückkehr zu dem lautern Dienst des wahrhaftigen Gottes ermöglicht zu haben, nicht bloß äußerlich durch die Vertilgung des Hauses Ahabs und die Zerstörung des Baalstempels, sondern auch durch die von ihnen gewirkte Umwendung der Gemüther vom Baalsdienst zum Glauben an den Gott der Väter, ohne welche der Rachezug Jehus und sein Gelingen auch gar nicht denkbar wäre.

Steht aber so der siegreiche Erfolg von Elias und Elisas Wirken fest, so ergiebt sich uns daraus auch die Antwort auf zwei Fragen die in Beziehung auf diese beiden Propheten vielfach sind erhoben worden und an denen wir nicht stillschweigend vorübergehn wollen. Die eine dieser Fragen betrifft die Glaubwürdigkeit ihrer Geschichte, die andere, nahverwandte die eigenthümliche Art ihres Wirkens.

In ersterer Beziehung beginnt z. B. Niemeyer seine Betrachtung über Elia und Elisa mit den Worten: „In keiner biblischen Erzählung von dem Leben einzelner Männer ist das Wunderbare so sehr gehäuft als in dieser. Fast kein Schritt ohne ein Wunder, und nicht kleine. “ Und eben um der Wunder willen wird die Glaubwürdigkeit dieser Geschichten auch sonst beanstandet. Wir gestehn nun gerne zu daß nicht unmittelbar der Glaube an die hier vorkommenden Wunder selig mache: der Glaube, und zwar nicht der historische Glaube nur, an Christum macht uns des ewigen Lebens theilhaft, wie selbst ein Krummacher einräumt: „freilich, der Glaube an diese Pferde (die den Elia in den Himmel entführt) ist es noch nicht, der uns selig macht, sowie der Zweifel an ihrer Existenz noch Keinen verdammen würde. “ Aber es steht doch auch diese Frage nicht so vereinzelt da, und es wird deshalb einen nachdenkenden Menschen auf die Länge nicht befriedigen können, die Wunder eines Elia nur so auf sich beruhen zu lassen. Versuchen wirs denn, uns Rechenschaft darüber zu geben, ob wir nicht vernünftiger Weise glauben dürfen, daß die wunderbaren Dinge die von Elia und Elisa berichtet werden, wirklich geschehen seien.

Die eine Art mit den Wundererzählungen unserer Geschichte sich abzufinden, die im vorigen Jahrhundert die herrschende war, ist jetzt wohl ziemlich aufgegeben: es ist dieß die s. g. „natürliche Erklärung“. Dieser zufolge hat das Wunderbare in der Bibel überhaupt nur der „Unkunde der Naturkräfte“, den „mangelhaften Vorstellungen über die Bewegung und Veränderung der Himmelskörper“ oder der „poetisch-orientalischen Darstellungsweise“ seine Entstehung zu verdanken, ist aber im Grunde nichts weniger als wunderbar, sondern ganz ordinär zugegangen. So sind, um in der Sprache Niemeyers zu reden S. 355, die Raben (Orebim) die Elia Brot und Fleisch brachten, nur benachbarte Orebiten, obwohl man von der Existenz solcher Leute gar nichts weiß, der Engel der ihm Brot hinlegt, „ein menschenfreundlicher Mann den die Vorsehung zu ihrem Boten braucht“, die Todten die Elia und Elisa erwecken „im allereigentlichsten Sinn nicht todt“; „mit Blindheit schlagen ist eine auch in andern Sprachen bekannte figürliche Redensart, die Unachtsamkeit oder Mangel an Aufmerksamkeit ausdrückt“, und der feurige Wagen der den Elia entrückt, bedeutet wie der Engel mit dem feurigen Schwert vor dem Paradiese nichts Andres als „ein Gewitter mit Blitzen“. Kurz, es ist Alles so simpel zugegangen, daß man gar nicht begreift warum man sich über diese Dinge so sehr den Kopf zerbrochen hat. Diese Anschauungsweise ist in ihrer Lächerlichkeit jetzt fast allgemein erkannt und abgethan warden: man fühlte wie sehr sie dem klaren Sinn der heiligen Schrift, die unverkennbar Wunder erzählen will, zuwiderlaufe.

Dafür ist nun aber in neuerer Zeit eine andere Auffassung von den Wundern aufgekommen, die alle derartigen Erzählungen in das Gebiet der Mythe oder der heiligen Dichtung verweist. Dieser Anschauung zufolge sind Persönlichkeiten von hervorragender Bedeutung, gewöhnlich geraume Zeit nach ihrem Hinscheiden, entweder von der unbewußt dichtenden Volkssage oder absichtlich von einem begabten Manne mit allerlei wunderbaren Erzählungen gleich als mit einem Stralenkranz umwoben und diese dichterischen Zuthaten dann von den unkritischen Geschichtschreibern als historisch aufgenommen worden. Auf diese Weise hat man denn auch die Wunder Elias und Elisas sich zurecht zu legen gesucht, und wir wollen zugeben daß diese Auffassung als eine edlere, weniger gezwungene und gewaltsame, vor jener s. g. natürlichen Erklärung Manches voraus hat. Aber wie es dann mit der Glaubwürdigkeit der heiligen Schrift stehe, welche im Alten und im Neuen Testament die Wunder nicht etwa nur so nebenher erzählt sondern auf die Wunder als Zeichen des sich offenbarenden Gottes das allergröste Gewicht legt, das ist eine andere Frage. Jedenfalls wird ein Freund der heiligen Schrift ernstes Bedenken tragen einer solchen Auffassungsweise sich anzuschließen, welche ja consequent durchgeführt nicht allein diese und jene wunderbare Begebenheit in der israelitischen Geschichte sondern auch die Grundthatsachen unserer Erlösung in der Erscheinung unsers Herrn Jesu Christi ihrer historischen Realität entkleidet und zu bloßen Gedankenbildern verflüchtigt. Aber es steht ja wahrlich auch nicht so, als ob der einfache Glaube an das wirkliche Geschehensein grade auch der Wunder unsrer Propheten die Prüfung einer erleuchteten Vernunft nicht auszuhalten vermöchte. Eben die Darstellung welche einer der namhaftesten neuesten Vertreter der mythischen Ansicht, Ewald in seiner Geschichte des Volkes Israel, von dem Wirken Elias gegeben hat, ist recht geeignet die Unhaltbarkeit derselben vom Standpunct der geschichtlichen Beurtheilung aus für Alle, die nicht von vornherein alles Wunderbare verwerfen, darzuthun.

Der genannte Gelehrte kann kaum Worte genug finden um die entscheidende, an Samuel, ja an Mose hinaufragende Bedeutung von Elias Persönlichkeit und Wirksamkeit für die Geschichte Israels ins Licht zu stellen; er sagt in dieser Beziehung sogar - wir führen seine eigenen Worte an -: „wirklich kann an der Wunderbarkeit des gesammten prophetischen Wirkens Elias kein Zweifel sein: der ganze Fortgang der Geschichte zeigt dieß schon stark genug, da dieser Mann allein und durch nichts als seines Geistes und Wortes Kraft das ungeheure Wunder einer völligen Veränderung der damahligen Lage des Zehnstämmereichs vollbracht hat. Und hätte er nicht das Außerordentlichste gewirkt und hätten nicht sogleich die Zeitgenossen in ihm die Thätigkeit einer wunderbaren Kraft erfahren und erkannt, so würden alle die jetzigen Erzählungen über ihn nicht entstanden sein. “ Ja, Ewald steht nicht an zu behaupten: „wie Großes auch jetzt von ihm erzählt wird, doch können alle Erzählungen nur ein schwaches Bild der ursprünglichen Größe und Alles besiegenden Kraft dieses grösten prophetischen Helden des Zehnstämmereiches geben, eben weil sie uns immer nur Einzelnes und Weniges vorführen, woraus wir erst auf das ganze wahre Wirken eines solchen Helden zurückschließen müssen. Ebenso gewiß war sein Nachfolger Elisa ein Außerordentliches wirkender Prophet, wenn auch in allen Erinnerungen wieder niedriger stehend als sein Meister“. Wir freuen uns dieser Anerkennung der Heldengröße unserer Gottesmänner. Aber wie befremdlich ist es nun, weiterhin aus Ewalds Darstellung entnehmen zu müssen, daß die Geschichte Elias, so weit sie jetzt in den Büchern der Könige uns vorliegt, erst etwa zwei Jahrhunderte nachher von einem Erzähler neu gebildet worden sei, „dessen eigner Geist“ wie Ewald sich ausdrückt, „hinter der reinsten Höhe der großen Erscheinung selbst nicht zurückblieb und dem eine wunderbar schöpferische Darstellung der erhabensten prophetischen Wahrheiten gegeben ist“. Zwar habe er sichtbar ältere Erzählungen und Schriften über die ganze Zeit benutzt: „aber indem dieser von einem echt dichterischen und zugleich echt prophetischen Anhauche getragene Erzähler allein vom Lichte jener höchsten Wahrheiten aus alles Einzelne erleuchtet sowohl als erwärmt, schafft er ein neues Ganzes welches das Höchste und Ewigste aus jener Zeit scharf zusammengefaßt in unvergänglichem Glanze wiederspiegelt. . . Nur die großen Mächte und Gegensätze bedingen die Darstellung, das Jahvethum und das Baalthum, das echte und das unechte Prophetenthum, das Prophetenthum und das Königthum, Himmel und Erde: und abgestreift ist daneben jede Fessel des niedern geschichtlichen Stoffes Also eine wenn auch noch so erhabene Dichtung!

Sehen wir aber genauer zu welche Stücke hier diesem hochbegabten spätern Erzähler oder Dichter zugewiesen werden, so sind es gerade die Hauptpartien von Elias Wirksamkeit (1. Kön. 17-19. 2. Kön. 2,1-18); es sind die den eigentlichen Nerv seines Wirkens bezeichnenden Wunder durch Elia und an Elia, gleichwie auch bei Elisa die Wunderthaten um 100 Jahre später erst sollen in der jetzigen Gestalt aufgezeichnet worden sein, und der eigentlichen Geschichte verbleibt, namentlich bei Elia, nur ein äußerst dürftiger Rest.

Wir fragen da zunächst was den Namen einer Tendenzkritik verdiene wenn nicht eine derartige Geschichtsdarstellung. Auf jene gerühmte Voraussetzungslosigkeit wenigstens wird eine Construction der Geschichte nicht Anspruch machen können welche eben die Wunder und nur die Wunder aus dem Rahmen der historisch glaubwürdigen Erzählung wegzuschieben bemüht ist: vielmehr ist da die sehr deutliche Voraussetzung maßgebend, Wunder könnten nicht geschehn und seien nie geschehen. Wir bedauern ferner daß Ewald uns nicht näher angiebt wer denn dieser zwei Jahrhunderte später gekommene „ebenso dichterische als prophetische, neuschöpferische Geist“ gewesen ist: wenn derselbe, wie Ewald sagt, dem Elia um ihn so aufzufassen, wenigstens ebenbürtig sein mußte, so ist es schwer denkbar, daß er nicht auch sonst selbstthätig in Israels Geschicke eingegriffen hätte. Wir wundern weiter uns billig, wenn zuerst zugestanden wird, alle Erzählungen die wir hätten, könnten nur ein schwaches Bild der ursprünglichen Größe und Alles besiegenden Kraft Elias geben, daß dann doch diese wenigen Erzählungen ins Gebiet der Dichtung verwiesen werden. Wir heben aber besonders das Eine hervor: wenn Elias Wundertaten nicht wirklich geschehen sind, wie läßt sich dann der unleugbare, von Ewald selbst als ein „ungeheures Wunder“ bezeichnete Erfolg seines Wirkens erklären? Daß Elia „allein und durch nichts Anderes als seines Geistes und Wortes Kraft“ bewirkt habe was als sein Werk vor uns steht, ist aus der Geschichte wenigstens nicht zu erweisen: denn diese Wirkung könnte ja doch keine andere gewesen sein als daß Ahab und sein Haus auf Elias Predigt hin den Baalsdienst aufgegeben hätte; dieß aber ist thatsächlich nicht geschehen. Und dann bestand die Wirksamkeit dieser ältern Propheten ja eben nicht in Zeugnissen bloß durchs Wort, in längern Ansprachen und ausgeführten Reden wie die der spätem Propheten, sondern in Thaten von Gott ihnen aufgetragen, in Gottes Kraft von ihnen gewirkt, die sie nur mit einem kurzen schlagenden Ausspruch als Zeichen vom Herrn in der rechten Weise verstehen lehrten. Das ist ja gewiß: wenn Elias und Elisas Wirken nicht einmahl ausschließlich, sondern nur vernehmlich in gottbegeisterten Reden bestanden hätte, so wären solche uns überliefert worden. Zudem war der Abfall jener Zeit auf eine solche Höhe gestiegen, daß die Umwendung der Gemüther nicht durch Worte nur sondern durch Machterweisungen des lebendigen Gottes mußte erzwungen werden, und diese sehn wir nun eben in den Wundern namentlich Elias vor uns. Wir sehn sie vor uns und dürfen um so unbedenklicher sie als wahrhaftige geschichtliche Realitäten glauben, als sie so ganz specifisch geeignet waren eben die Nichtigkeit des Baalscultus zu offenbaren. Es sind die Wunderthaten die Elia dem Baalsdienst entgegenstellte, ja keineswegs etwa zufällig und bunt zusammengewürfelte sondern recht eigentlich auf den Baalsdienst berechnete. War doch der ursprüngliche und allgemeine Begriff Baals, wie dieß z. B. unser Prof. Müller nachgewiesen hat (in Herzogs Realencycl. I, 637 ff. ), der des Sonnengottes. Als solcher ward er von den Phöniziern, von welchen der Baalsdienst nach Israel verpflanzt wurde, unter dem Namen Beelsamen (Himmelsgott) verehrt. Dafür spricht ferner die Zusammenstellung Baals mit Astarte der Mondgöttinn und Aschera, der obersten weiblichen empfangenden Naturkraft, der Mutter Erde, ebenso die mit dem Baalscultus verbundenen steinernen Säulen, Schattenzeiger, Sonnenuhren, Regulatoren des Jahrs und des Tages, nicht minder daß Baals menschliche Gestalt mit dem Stralenkranz des Sonnengottes versehen wurde. „Aber dieser Sonnengott“ sagt der angeführte Gelehrte, „mit seiner die Erde befruchtenden Kraft ist zum Herrn des Himmels und Regenten der Erde erhoben“, wie dieß aus den Attributen eines punischen Baalsbildes (Trauben und Granatäpfel) sich ergiebt und durch die Uebersetzung ins Griechische Heracles bestätigt wird. Zwei Feste werden ihm gefeiert, darin so recht die ursprüngliche Bedeutung Baals hervortritt, das der Selbstverbrennung des Gottes beim Aufgang des Sirius, des Vorboten der sengenden Jahreszeit, und das seiner Auferstehung im December oder im Frühling

Blicken wir nun auf die Wunder Elias hin, so ist es unmöglich, ihre augenscheinliche Beziehung auf diesen falschen Sonnen- und Himmelsgott zu verkennen: es sind lauter Wunder am Himmel und vom Himmel her. Um darzuthun wie es mit Baals befruchtender Kraft nichts sei, wie nicht Baal Sonnenschein und Regen gebe sondern Gott, verkündigt Elia gleich bei seinem Auftreten: „es soll kein Thau noch Regen fallen, ich sage es denn“ um zu erweisen daß ebensowenig Baal, der vorgebliche Himmelsgott, das Feuer des Himmels in seiner Gewalt habe, wohl aber der Gott Israels, versammelt Elia das Volk auf Karmel und läßt dort geschehen was wir wissen, und nimmt ebenso jene Hauptleute Ahasjas furchtbar bei ihrem lästernden Wort: „bin ich ein Mann Gottes, so falle Feuer vom Himmel“. Ja wir dürfen wohl auch in jener spottenden Rede Elias auf Karmel, vielleicht schlafe Baal: sie sollten lauter rufen, daß er aufwache, mit Müller eine bestimmte Beziehung auf das Schlafen des Gottes im Winter und sein Aufwachen im Frühling annehmen.

Wenn wir aber so für die im Kampf gegen den Baalsdienst vollbrachten Wunder Elias grade je genauer wir es mit der Geschichte nehmen, nur um so gewissere historische Anhaltspunkte finden, so werden wir auch an den übrigen außerordentlichen Thaten und Erlebnissen beider Propheten nicht mehr Anstoß nehmen. Einmahl nämlich wenn sie im öffentlichen Leben Wunder wirkten, warum nicht auch im verborgenen Kreis ihrer Freunde, dort strafende, hier segnende, und wenn durch sie Wunder geschahen, warum nicht auch an ihnen? Wie diese Wunder an ihnen nothwendig waren um sie in dem zu ihrem schweren Beruf unerläßlichen Heldenglauben zu stärken, ist uns ja in dem Leben Elias deutlich genug entgegengetreten: ohne das Wunder am Crith ist das Wunder auf Karmel undenkbar und ohne die Gotteserscheinung auf Horeb wäre Elias Muth gebrochen gewesen. Dann aber fürs Zweite: das gröste Wunder sind diese Männer Gottes selbst in ihren dem Herrn geheiligten Persönlichkeiten, und wenigstens Viele unter uns werden Krummacher beistimmen, wenn er sagt: „man wird mir beipflichten, wenn ich die moralischen Wunder auf dem Gebiete der heiligen Geschichte bewunderungswürdiger finde als die physischen. Mit ungleich größerem Erstaunen blicke ich in die Gemüthswelt dieser Gottesmenschen hinein als selbst in die glänzendsten Scenen ihres Außenlebens. Denn wie könnte es noch auffallend für mich sein, Männern die ich in ihrem Innern so organisiert erblicke, nicht in den Fahrgleisen einer gewöhnlichen menschlichen Thätigkeit zu begegnen, sondern sie mit ihrem Thun in höhern Bahnen sich bewegen zu sehn. Ich fühle: solche Menschen müssen Wunder wirken. “

Wir könnten außerdem für die geschichtliche Wahrheit dieser Erzählungen noch Anderes geltend machen: wir könnten fragen wie denn mitten in der historischen Zeit in welche das Wirken Elias und Elisas fällt, solch unerhörte Dinge hätten Glauben finden können, wenn sie nicht wirklich geschehen wären; wir könnten hinweisen auf die eben hier besonders einleuchtende Möglichkeit treuer Ueberlieferung durch die auch sonst vielfach mit Geschichtschreibung sich beschäftigenden Prophetenschulen; wie denn auch Niemeyer S. 353 nicht umhin kann einzugestehn: „die Geschichte wird bald allen Glauben übersteigend und dann trägt sie doch wieder die individuellsten Züge von Wahrheit und Localität an sich“. Und wiederum: „der Detail der kleinen Umstände der darin herrscht, versetzt uns selbst so ganz in die Zeit und läßt uns an der Scene als sähen wir sie, theilnehmen, daß man nur lesen darf um das Characteristische dieser Erzählungsart zu beobachten: so die Geschichte von der Sunamitinn“. Vgl. auch S. 377. „Stellen wie diese scheinen fast auf der Stelle niedergeschrieben zu sein und geben dem Beobachter der Sitten und des Tons der verschiedenen Weltalter selbst durch ihre Kleinigkeiten eine angenehme Unterhaltung“. Wir könnten hervorheben wie z. B. was das Wunder auf Karmel betrifft, ein neuerer Reisender ganz bestimmt die Stätte, wo es geschehn sein muß, hat nachweisen können, einen Ort nämlich wo alle durch die Geschichte geforderten Bedingungen eintreffen, was wenn ein solcher Ort nicht zu finden wäre, sehr gegen die Geschichtlichkeit der Erzählung sprechen würde. Wir wollen aber nur auf Eines noch aufmerksam machen: wie es denn mit der Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit der Reden unsres Herrn und Heilandes zu vereinigen wäre, wenn was von Elia und Elisa berichtet wird, nicht geschichtliche Wahrheit hätte und Er, „in dessen Mund kein Falsch erfunden ward“, beruft sich doch zu widerholten Mahlen auf Begebenheiten aus dem Leben und Wirken Elias und Elisas, eben wie sie in den Büchern der Könige uns dargestellt sind? - Wir geben diese Betrachtungen übrigens alle nicht in der Meinung, Solche, die nun ein Mahl der Schrift nicht glauben wollen, dadurch zum Glauben zwingen zu können: zum Glauben führen kann überhaupt ja nur Gott, und auch Er zwingt Niemanden. Aber darum war es uns zu thun, denen welche im Allgemeinen dem allmächtigen Gott zutrauen daß er Wunder thun könne, zu der Beruhigung zu verhelfen, daß es auch an geschichtlichen Gründen keineswegs fehle um die einfache historische Wirklichkeit dieser Wundererzählungen festzustellen.

Nun noch einige Worte über den Character unsrer Propheten und ihres Wirkens. Den Eindruck haben wir von beiden Propheten wohl Alle empfangen: es waren gewaltige nicht bloß um eines Hauptes Länge, sondern riesenhaft über das Geschlecht ihrer Tage emporragende Männer. Elias namentlich „trat auf“ wie ihn schon Sirach characterisiert hat, „ein Prophet wie Feuer und sein Wort brannte wie eine Fackel“. (Sirach 48,7. ) Die Seele seines Wirkens war flammender Eifer um die Ehre seines Gottes, die Ehre des Herrn „vor welchem er stand“ und außer welchem er keinen Herrn kannte. Im Namen dieses Herrn stand er wie eine eherne Mauer fest gegen den Andrang eines ganzen götzendienerischen Geschlechtes. Ja wie ein Blitz in der Hand Gottes selbst richtete er aus die Befehle des Herrn. Keine Freundlichkeit bethört ihn, keine Drohung schreckt ihn wo er stark in Gott und und in der Macht seiner Stärke sein Amt führt. Von Annehmlichkeit des Lebens weiß er nichts: in dem härenen Mantel, den Gurt um die Lenden, wandelt er einsam seines Weges, wo nicht der Herr ihn ruft in der Wüste betend und sinnend in stiller Betrachtung oder ringend mit dem Herrn in heißem Kampfe. „Ein Mann ist er“ sagt treffend ein neuerer Bibelforscher, „wie aus dem Fels des Sinai gehauen, wie getauft mit dem Feuer des Sinai. “ Daneben aber wie war sein Herz auch voll von heißer Liebe für sein Volk und Vaterland: um der Rettung Israels willen wagte er den ungeheuren Kampf und setzte er sein Leben ein; daß Israel sein Heil nicht erkennt und nicht will, das erweckt in Elias Seele die tiefe düstre Wehmuth die sein ganzes Leben durchzieht, ja Ein Mahl bis zur Trostlosigkeit der Verzweiflung sich steigert. Und wie dieser eiserne, im Kampf gegen die Abgötterei schroff, kalt und schonungslos auftretende Mann doch ein warmes, zart mitfühlendes Herz im Busen muß getragen haben, das wird uns ersichtlich aus seinem fürbittenden Flehen zum Herrn für jene Wittwe in Zarpath, als der Sohn ihr gestorben war, das bezeugt uns sein inniges Verhältnis zu Elisa, wie es schöner sich nicht uns darstellen könnte als in dem Schmerze des Schülers, da er seinen „Vater“ von sich scheiden sah.

Aehnlich steht Elisa vor uns da. An Glaubensmuth, an Verleugnung alles irdischen Sinns, an Hingabe für die Sache des Herrn steht er seinem Vorgänger in keiner Weise nach, obwohl Elisas Wirksamkeit, weil er eben nicht erst Bahn brechen mußte, an Großartigkeit und Furchtbarkeit der des Elia nicht gleich kommt. Aber um dem Herrn zu dienen ist auch ihm kein Opfer zu groß: willig verläßt er, der begüterte Landmann, als Elias Ruf an ihn ergeht, sein Besitzthum; unerschrocken tritt auch er den Königen entgegen und wenn auch weichern Gemüthes als der stählerne Elia und eben darum leichter versucht den Regungen unzeitigen Mitleids nachzugeben, auch Elisa thut was der Herr ihn heißt und bindet obwohl trauernden Herzens in Hasaels und Jehus Berufung die Zuchtruthen des heiligen Gottes für sein Volk. Freundlich dagegen, wohlthuend, segnend kann er wirken, was dem Elia fast nie vergönnt war, in den Kreisen der Gläubigen unter dem Volk.

Daß es übrigens an Angriffen auf Character und Wirkungsart dieser beiden hohen Gottesmänner nicht werde gefehlt haben, läßt sich voraussetzen. Eben ihr Eifer um die Ehre des Herrn, ihre Schonungslosigkeit gegen die Diener des Baal, die furchtbaren Strafgerichte welche sie theils ankündigten theils selbst vollzogen, wurden zu ebensoviel Anklagen gegen die Reinheit ihrer Gesinnung. „Rauhigkeit der Sitten“, „zu wenig schonendes Unheil“, „blinder Eifer“, „Anmaßung“ sind noch die bescheidensten Vorwürfe die ihnen, besonders dem Elia, gemacht wurden. Man fand es eines Propheten unwürdig und überdieß einem Bürger in Gegenwart des Königs unanständig, vierhundert Diener der vom Hof anerkannten und gepflegten Religion niederzuhauen; man erachtete das rücksichtslose Auftreten Elias einem Ahab gegenüber unschicklich; man entsetzte sich daß der Prophet über Ahasjas Boten Feuer vom Himmel habe fallen lassen; man entblödete sich sogar nicht den Spott Elias über den Baal als „einem ernsten Propheten“ nicht geziemend in scheinheiliger Prüderie zu tadeln. Und ebenso konnte man es dem Elisa nicht verzeihen daß er Hasael und Jehu auf den Königsthron berufen, da er doch seinem eignen Geständnis zufolge voraussah was für schreckliche Dinge sie vollbringen würden. In Beziehung auf Jehu nun stehn wir nicht an zuzugeben, daß der wilde Eifer womit er den Baalsdienst und die Baalsdiener niederwarf, mit allerlei unlautern Elementen vermischt war, obwohl ein Merken auf das Wort des Herrn und ein Abscheu vor den Greueln der Abgötterei bei ihm nicht zu verkennen ist: denen aber, welche ihre Angriffe auf den Character der beiden Propheten selber richten, möchte jener Ausspruch Christi an die Sadducäer gelten: „ihr irret und wisset nicht die Schrift noch die Kraft Gottes“ (Matth. 22,29). Die Schrift kennen sie nicht: sonst müßten sie wissen wie diese Gottesmänner in dem, was sie an ihnen tadeln, nichts Anderes gethan haben als im Gehorsam gehandelt entweder gegen einen unmittelbaren Befehl Gottes oder ein allgemeines, schon im Gesetze gegebenes Gebot des Herrn, und daß es ihnen mitunter schwer genug mag geworden sein, zu thun was der Herr sie hieß, zeigt uns z. B. Elisas Trauer bei der Ankündigung an Hasael, daß er König sein werde: aber das war ja eben die Stellung der echten Propheten, daß sie ihre eignen Gedanken und ihre persönlichen Gefühle dem Gebote des Herrn völlig unterordneten: „der Löwe brüllt: wer sollte sich nicht fürchten? Der Herr Herr redet: wer sollte nicht weißagen?“ sagt Amos 3, 8. Und wenn Einige es nun vielleicht wagen wollen ihre Angriffe gegen den Gott der Bibel selbst zu richten daß Er solches gebieten könne: so kennen sie eben auch nicht „die Kraft Gottes“, nicht die Kraft des heiligen Gottes, der gegen unbußfertige Sünder ein verzehrendes Feuer ist und der ja oft genug auch heute noch einen Menschen für den andern, ein Volk für das andere zur Zuchtruthe braucht und den Stecken des Treibers dann wieder zerbricht, wenn seine Stunde gekommen, ebensowenig aber auch die Kraft des barmherzigen Gottes, der um seine Friedensgedanken über die Menschheit hinausführen und seine Erlösung verwirklichen zu können, nicht zugeben durfte daß das einzige Volk in welchem seine Erkenntnis noch eine Stätte hatte, von der Nacht des Heidenthums verschlungen würde, und der eben zu dieser Zeit um wo möglich das Volk zu retten das unverbesserliche Königshaus sammt seinem Anhang nach großer Langmuth und Geduld endlich dem Verderben preisgab, ja der grade aus Barmherzigkeit, um Israel nicht in dem schändlichen, alles Mark der Sittlichkeit zerstörenden Baalsdienst untergehn zu lassen, seine Knechte Elia und Elisa berief zu thun was sie gethan haben. Wir werden eben wohlthun, unsre abgeblaßte Gottesidee nach der geschichtlichen Offenbarung Gottes und nicht die Offenbarungsgeschichte nach unsrer abgeblaßten Gottesidee zu corrigieren.

Und dann vermengen wir nicht in ungeschichtlicher Weise Altes und Neues Testament. “ Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, aber die Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum geworden„.

Es ist ja freilich wahr, was Niemeyer S. 358 sagt: „wir sind an eine sanftere Art die Religion zu lehren gewöhnt“: aber daß wir das sind, daß die strafende Gerechtigkeit Gottes jetzt nicht mehr in solch vernichtender Weise hervorbricht über die Sünden unsres Geschlechts, die ja freilich zum Theil eben so arg sind als der Baalsdienst, daß wir jetzt unter göttlicher Geduld stehn, das haben wir eben der auf Golgatha uns erwirkten Versöhnung in Christo zu danken, kraft deren es jetzt noch gilt, daß des Menschen Sohn gekommen ist zu suchen und selig zu machen was verloren ist, wodurch indessen keineswegs aus- sondern vielmehr ausdrücklich eingeschlossen ist, daß bei seiner Wiederkunft zum Gericht mit dem Maße derselben unverletzlichen Gerechtigkeit wird gemessen werden denen, welche auch dem Gnadenruf dessen, der mehr ist als Jona und Elia, beharrliches Widerstreben entgegengesetzt. Es ist durch Christum eben wirklich ein neues Verhältnis der Menschheit zu Gott eingetreten. Dieß aber die alttestamentlichen Gottesmänner entgelten zu lassen, sie zu tadeln daß sie nicht schon das Evangelium der lockenden Gnade verkündigten, das wäre doch im höchsten Grade ungerecht und ungeschichtlich: sie waren geist- und kraftbegabte Träger der alttestamentlichen Offenbarung durch welche die Hand des majestätischen Gottes selbst richtend und strafend in das Leben der Menschen eingriff, und Niemeyer sagt wiederum selber ganz treffend: „wir fehlen ebenso sehr, wenn wir einen Elia zu einem heutigen Prediger machen, als der heutige Prediger fehlt wenn er den Propheten vorstellen will“ (S. 359).

Ebenso ist es im Ganzen richtig: es fehlt in der Wirksamkeit Elias und Elisas, besonders des erstern, beinah völlig jenes tröstende, Hoffnung erweckende, verheißungsvolle Element, wie es bei den spätern Propheten, namentlich einem Jesaia, in der Verkündigung des zukünftigen Messias und seines Friedensreiches die freundliche Lichtseite bildet zu den düstern Schattengemählden die auch sie entwerfen müssen: aber das war nun ein Mahl Elias und Elisas Sendung nicht: wie der Herr es selbst seinen Propheten auf Horeb gelehrt, erst mußte Sturm, Erdbeben und Feuer vor dem Herrn hergehen, ehe denn er selber nahen konnte im stillen sanften Sausen, und Sturm, Erdbeben und Feuer vor dem Herrn her, damit ist der Character dieser ganzen Periode, der Character auch unserer Propheten, der Organe des göttlichen Wirkens in dieser Zeit, bezeichnet. Uebrigens ist die Behauptung nicht einmahl richtig, es fehle die messianische Verheißung in dem Wirken dieser Propheten völlig. Wo wäre denn eine großartigere Verkündigung der durchs Gericht hindurch sich anbahnenden Heils- und Gnadenheimsuchung nachzuweisen als eben in der Gottesoffenbarung auf Horeb: Sturm, Erdbeben und Feuer vor dem Herrn her, der Herr selber aber kommt im stillen sanften Sausen! Und ist nicht Elia selbst in seinem ganzen zur Buße weckenden Wirken eine messianische Persönlichkeit als weißagender Typus zwar nicht auf den Herrn selbst wie David, aber auf den, der in Gestalt und Erscheinung, in Geist und Kraft des Propheten Elia in der Wüste am Jordan seine Stimme erhob: „thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“

Wir wollen uns durch derartige Ausstellungen, die in der That nicht sowohl die Diener als den Herrn dem sie dienten treffen, unsre Freude an diesen frommen tapfern lautern Gottesmännern nicht trüben lassen. Hat ihr Wirken auch dem Brausen des Gewittersturms geglichen: der Gewittersturm reinigt die Luft und befruchtet das Erdreich. Und wiewohl sie nicht mehr unter uns wallen und wir in der Zeit leben, da wir vor den Schrecken Horebs Bergung finden können unter dem Felsen des auf einer andern Höhe durchs Gericht hindurch uns ausgewirkten Erbarmens: Elia und Elisa reden auch noch zu uns. Sie reden auch zu uns mit feurigen Zungen von der Nichtigkeit aller Creaturvergötterung, seis nun der Cultus der Genius oder die Erhebung nicht der Naturkörper, aber des Naturgesetzes auf den höchsten Thron, wie mit dem Allem Ehre gegeben und gedient wird dem Geschöpfe mehr denn dem Schöpfer, der da gelobet ist in Ewigkeit (Röm. 1,25), aber keine Stimme noch Antwort noch Aufmerken zu finden ist wenn die Noth an den Mann geht. Sie reden zu uns von der Verächtlichkeit und Jämmerlichkeit alles halben Wesens, alles unsichern unentschiedenen Umherschwankens zwischen dem Herrn und Baal, zwischen dem Himmel und der Welt, zwischen Christo und der Sünde und mahnen uns was wir sein wollen, ganz zu sein.

Ja sie reden zu uns und zeugen was Gott aus einem Menschen machen kann der ganz und rückhaltlos sich Ihm hingiebt: denn obwohl wir versucht sind an ihnen hinaufzublicken fast als an Wesen einer höhern Welt, so wollen wir nicht vergessen was Zacobus schreibt und was sich uns auch aus der Betrachtung über Elias Leben ergeben hat - denken wir nur an Elia unter dem Wachholder in der Wüste-: „Elias war ein Mensch wie wir,“ und eben dieß Wort des Apostels macht wie Jemand gut gesagt hat, „Elias ganzes Leben, seinen Muth und seine Kleinmüthigkeit, sein Thun und sein Leiden, seinen Ernst und seine Freundlichkeit, sein Gebet und dessen Erhörung, seine wundervollen Schicksale auf Erden und seine glorreiche Verklärung erst recht anziehend und anwendbar für uns“.

Lassen wir diesen gewaltigen Bahnbrecher denn sein Werk an uns ausrichten und auf andere Weise als Ahab, zumahl in diesen Adventstagen, da der Ruf jenes andern Predigers in der Wüste, der einhergieng im Geist und in der Kraft des Propheten Elias, aufs Neue durch die Christenheit erschallt: „bereitet dem Herrn den Weg!“ - auf daß wir anbetend vor der Krippe dessen, der da gekommen ist sanftmüthig, ein Gerechter und ein Helfer, in unsern Herzen vernehmen mögen das stille sanfte Sausen das uns bezeugt: der Herr ist da und in Ihm ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen.

Vorträge über die Propheten
Gehalten auf Veranstaltung eines christlichen Vereins
Vor Zuhörern aus allen Ständen
Basel
Bahnmaier’s Verlag
1862

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autoren/s/sartorius/elias_und_elisas_werk.txt · Zuletzt geändert: von aj
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