Quandt, Carl Wilhelm Emil - Micha - Das sechste Kapitel.

Quandt, Carl Wilhelm Emil - Micha - Das sechste Kapitel.

In Jesu Namen. Amen.

Der Grundton der Weissagung von der erlösenden Barmherzigkeit Gottes zieht sich, wie durch die beiden vorigen, so auch durch dies Kapitel. Hatte Micha im 4. Kapitel die zukünftige Offenbarung der Erlösungsgnade des Herrn im Allgemeinen geschildert und im 5. Kapitel den Mittler und Heiland gezeigt, durch den sich Gottes Gnade auf Israel ergießen sollte; so schreitet er nunmehr zur ausführlicheren Schilderung des Israels rechter Art vor, dem die messianischen Segnungen zu Gute kommen werden. Nicht durch äußerliche Gottesdienstlichkeit, sondern durch innerliche, herzliche, bußfertige Frömmigkeit wird Israel würdig und wohlgeschickt werden, den Offenbarungen der Barmherzigkeit Gottes zu begegnen; alles Volk hingegen, das in Unbußfertigkeit sich verhärtet, fällt den Gerichten Gottes anheim ohne Barmherzigkeit. Näher gliedert sich der Inhalt des Kapitels also: 1) V. 1-5. Israels Undank gegen Gottes frühere Gnade. 2) V. 6-8. Wie Israel Gott danken solle. 3) V. 9-16. Wie Gott das undankbare Israel strafen werde.

V. 1. 2. „Höret doch, was der Herr sagt: Mache dich auf und schilt die Berge, und laß die Hügel deine Stimme hören. Höret, ihr Berge, wie der Herr strafen will, sammt den starken Grundvesten der Erde; denn der Herr will sein Volk schelten und will Israel strafen.“ - Der Prophet, ehe er im Namen Gottes dem Volke die Wohlthaten vorhält, die es mit Undank vergolten, sucht durch feierlichen Eingang sich und seinem Gotte Gehör zu verschaffen. Darum berichtet er, wie er die Aufforderung von Gott erhalten habe, die Berge und die Hügel zusammenzurufen, damit sie vernehmen, was Gott redet. Die Berge und Hügel versinnbilden die aus dem gemeinen Volk hervorragenden Häupter, die Fürsten, Mächtigen und Reichen. Mit ihnen und dem Volke will der Herr verhandeln; er will sie strafen und schelten, d. i. er will seine Rechtssache wegen Israels Undankbarkeit und Treulosigkeit verhandeln, um das Volk zur Buße zu leiten. Der Inhalt dessen, was der mit seinem Volk verhandelnde Herr redet, ist in V. 3-5 gegeben.

V. 3-5. „Was habe ich dir gethan, mein Volk? Und womit habe ich dich beleidigt? Das sage mir. Habe ich dich doch aus Egyptenland geführet und aus dem Diensthause erlöset und vor dir hergesandt Mose, Aaron und Mirjam. Mein Volk, denke doch daran, was Balak, der König in Moab, vorhatte, und was ihm Bileam, der Sohn Beors, antwortete, von Sittim bis gen Gilgal; daran ihr ja merken solltet, wie der Herr euch alles Gutes gethan hat.“ - Erschütternde Worte der klagenden und anklagenden Liebe Gottes, ähnlich der Klage des Heilandes über Jerusalem: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“ Zuerst fragt der Herr, was er denn seinem Volke Uebels gethan habe, und fährt dann fort: Habe ich dir nicht vielmehr Gutes gethan? Von dem unzähligen Guten, das Gott an Israel gethan hat, hebt Gott nur die ältesten Grundwohlthaten hervor, die er dem Volke beim Auszuge aus Egypten und beim Einzuge in Canaan erwiesen hat. Aus der Sklaverei Egyptens hat Gott Israel erlöst durch die Hand der drei Geschwister Mose, den königlichen Mann, Aaron, den Hohenpriester, Mirjam, die Prophetin. Balak war jener abgöttische Moabiterkönig, der Israel durch Bileam verfluchen lassen wollte; aber Bileam antwortete ihm (4 Mose 23, 8): „Wie soll ich fluchen, dem Gott nicht fluchet? Wie soll ich schelten, den der Herr nicht schilt?“ - eine Antwort, die mit ihrer darauf folgenden geschichtlichen Bewährung die Gnade Gottes gegen Israel in ein helles Licht setzt. „Von Sittim an bis gen Gilgal“, nämlich, denke, o Israel, an den Weg von Sittim an bis gen Gilgal! Der Weg von Sittim nach Gilgal triefte von Gottes Barmherzigkeiten. Sittim (auf Deutsch „Akazienaue“), im Moabiterland nicht fern vom Jordan gelegen, ist der merkwürdige Ort, in dessen Nähe eben Bileam, der das Volk Israel verfluchen wollte, es auf Gottes Befehl segnen mußte, wo Moses das Volk zum Einzug in das gelobte Land vorbereitete und die Vertheilung desselben anordnete. Nahe lag der Berg Nebo; auf demselben starb Mose, und Josua führte die Israeliten in das heilige Land gen Gilgal; der Name bedeutet „Abwälzung“, und der erste Lagerort Israels im heiligen Lande empfing diesen Namen deswegen, weil die Schande Egyptens hier abgewälzt wurde durch die in der Wüste unterlassene Beschneidung des Volkes. Die Erinnerung an Sittim und Gilgal und an die Wegesstrecke zwischen beiden Orten sollte Israel sagen, was es von Gott in alten Tagen Gutes erfahren, und ihm die schwarze Sünde seines Undanks zu Gemüthe führen, da es seinerseits gegen seinen Gott gehandelt, als ob es lauter Böses von ihm empfangen hatte.

Diese Anrede Gottes an sein Volk ist seit alten Zeiten von den frommen Vätern viel beachtet und betrachtet worden. Der Prophet Jeremias 2, 5 - 9 verflicht diese Worte in seine Rede und legt sie weiter aus. Die römische Kirche stellt auf Grund dieser Michastelle in ihrer Charfreitagsliturgie Gottes Wohlthaten und des Volkes Uebelthaten also zusammen: „Ich habe dich vierzig Jahre lang durch die Wüste geleitet, dich mit Manna gespeist und in ein gutes Land geführt, und du hast dafür deinen Heiland gekreuzigt. Was sollte ich mehr an dir thun und hätte es nicht gethan? Ich habe dich gepflanzt als meinen schönen Weinberg, und du bist mir gar bitter geworden; denn mit Essig hast du mich in meinem Durst getränkt und mit einem Speer hast du deinem Heiland die Seite durchstochen. Ich habe um deinetwillen Egypten und seine Erstgeburt gegeißelt, und du hast mich geißeln lassen u. s. w.“ Auch evangelische Christen können sich die Mark und Bein durchdringenden Gewissensfragen von Micha 6, 3-5 nicht oft genug vorlegen; man sollte dem abgefallenen Geschlechte dieser Tage nicht aufhören zu predigen: Was hat dir dein Gott gethan und womit hat er dich beleidigt? ,

Was hat dich doch, mein Volk, sag' an,
Von deinem Gott gelenket?
Was hat Er dir denn Leid's gethan
Und womit dich gekränket?
Warum ist dir Sein Wort nicht recht.
Warum ist dir Sein Haus zu schlecht?
Warum gehst du mit Stolz und Hohne
Vorüber Seinem Kreuz und Throne?

Hat Er dich nicht in alter Zeit
Erlöst vom Wahn der Heiden?
Gab Er nicht mit Barmherzigkeit
Dir Kost auf grünen Weiden?
Hat Er dich nicht in Seinem Blut
Beschenkt mit reichem Himmelsgut?
Hat Er durch Seinen Geist und Gnade
Dir nicht gesegnet deine Pfade?

Wer schützt dir deine Kindelein?
Dein Gott mit Seinen Armen!
Wer segnet sie für Leben ein?
Dein Gott und Sein Erbarmen!
Wer weiht der Liebe heil'gen Bund?
Wer tröstet in der Sterbestund'?
Hör' doch die Antwort tausendtönig:
Dein Heiland ist's, dein Gott und König!

Zu Gott und Seinem Wort und Haus
Mein Volk, ach kehre wieder;
Er breitet Seine Arme aus,
Sieht bangend auf dich nieder!
Ach, würd' doch nur erst Einer wach,
Er zög' wohl Andre hinten nach,
Bis alles Volk mit frommem Grüßen
Sich niederbeugt zu Gottes Füßen!

V. 6. „Womit soll ich den Herrn versöhnen? Mit bücken vor dem hohen Gott? Zoll ich mit brandopfern und jährigen Kälbern ihn versöhnen?“ - Nachdem Gott geredet hat, redet nun das Volk, aber nicht erschüttert und voll Buße, sondern frech und spöttisch. Der Prophet faßt zusammen, was auf den Gassen und Märkten zu seiner Zeit der Volksmund sagte. Das Volk schüttelt Gottes einschneidende Fragen, wie dieselben durch den Mund seiner Diener ergingen, von sich ab mit ungezogenen Redensarten. „Es ist gewiß bei allem Predigen - das ist der Sinn der Redensarten - auf Opfer und Gaben abgesehen; und doch wird uns vorgepredigt, daß durch bloße Opfer Gott nicht versöhnt werden könne.“ Sollen wir uns bücken, den Kopf hängen lassen vor Ihm? Sollen wir ein jähriges Kalb opfern, als das ausgesuchteste Brandopfer, wie das erste Opfer Aarons war, da des Herrn Herrlichkeit erschien? Aehnlich fragt der Unglaube unserer Tage: „Wozu nützt Kirchengehen und Bibellesen? Das macht Gott nicht glücklich und den Menschen auch nicht.“

V. 7. „Meinest du, der Herr habe Gefallen an viel tausend Widdern? Oder am Oel, wenn es gleich unzählige Ströme voll wären? Oder soll ich meinen ersten Sohn für meine Uebertretung geben? Oder meines Leibes Frucht für die Sünde meiner Seele?“ - Der Widder war unter dem Kleinvieh das wertheste Opferthier und wurde namentlich bei Brand-, Dank- und Schuldopfern gebraucht. Höhnisch fragt das Volk, ob es Gottes Zorn nach der Meinung des Propheten etwa abwenden könne durch Opferung vieler Tausende solcher werthen Opferthiere -, das konnte ja freilich nimmermehr geschehen, wenn blos die Widder und nicht auch die Herzen geopfert wurden. Das Oel, als das Fett der Erde, durfte bei keinem Speisopfer fehlen und bildete seine Würze und Vollendung; aber alle Ströme Oels waren ja freilich eitel, wenn nicht dem Herrn gleichzeitig die geistliche Speise des Fleißes in guten Werken dargebracht wurde. Der Hohn und die Bosheit steigern sich in den letzten Fragen. Vielleicht, wenn alles Andre nicht hilft, wird Gott, da er uns doch einmal so zürnt, versöhnt durch Opfer, die ihm sonst ein Gräuel sind, durch heidnische Menschenopfer? - Der Prophet setzt in seiner Wechselrede diesen gottlosen Fragen eine einfache, würdige Antwort entgegen in

V. 8. „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demüthig sein vor deinem Gott.“ - Das Volk konnte sich bei seinen thörichten Fragen nicht entschuldigen, als ob es wirklich nicht wisse, wodurch es wieder zu Gott in das rechte Verhältniß kommen könne. Es war ihm gesagt, wörtlich, der Herr hatte es ihm angezeigt, nämlich durch Mose und die Propheten, durch mündliches Wort und durch Schrift. Jeder Israelit konnte wissen, was zu seinem Heile noth war, also daß er keine Entschuldigung hatte. Drei Hauptstücke nennt Micha, als die der Herr fordere: 1) Recht thun (so ist zu übersetzen statt: Gottes Wort halten); 2) Barmherzigkeit lieben (Luther: Liebe üben); 3) sich beugen im Wandel mit seinem Gott (Luther: demüthig sein vor Gott). Das Recht, das der Israelit thun soll, ist der Wille des Herrn, wie Er ihn als Israels König und Richter geoffenbart hat; ein ernstliches Streben, in allen Geboten und Satzungen Gottes untadelig zu wandeln, mußte zur Erkenntniß der Sünde führen und somit zu einer bußfertigen Gesinnung, die dem Herrn wohlgefällt, Psalm 51, 19: Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten. Barmherzigkeit lieben ist die unmittelbare Folge des Strebens, das Recht Gottes zu thun; denn dieses Streben läßt die Sündhaftigkeit immer mehr hervortreten und treibt so in Gottes Barmherzigkeit hinein; wer aber von Gottes Erbarmen lebt, fühlt sich gedrungen, auch seinerseits Erbarmen zu beweisen gegen den Nächsten, der dessen bedarf. Daran schließt sich denn an das Sichbeugen im Wandel mit Gott, die Demuth vor dem Herrn, die täglich spricht: „Hier kommt ein armer Sünder her, der gern aus Gnaden selig wär!“ Für den Christen hat Gott noch mehr und deutlicher gesagt, was Er von uns fordert, nämlich vor allen Dingen Glauben an den Mittler, der für uns das Recht gethan und unser Unrecht gesühnt hat und uns in seinem heiligen Geiste Kraft giebt, unseren Glauben in guten Werken zu beweisen. Micha will übrigens keineswegs den äußerlichen Gottesdienst über Bord werfen; vielmehr sieht er ihn als die Schaale an, unter deren Hülle der Kern innerlicher Herzensfrömmigkeit vorhanden sein muß. Und darin stimmen die Propheten mit Mose vollkommen überein; denn schon Mose bedeutet das Volk, daß der äußerliche Wandel in Gottes Geboten und Satzungen Hand in Hand gehen muß, mit Erfüllung seiner innerlichen Anforderungen, siehe 3 Mose 10, 12: „Nun, Israel, was fordert der Herr, dein Gott, von dir, denn daß du den Herrn, deinen Gott, fürchtest, daß du in allen seinen Wegen wandelst und liebest ihn und, dienest dem Herrn, deinem Gott, von ganzem Herzen und von ganzer Seele.“

Aber wie in aller Zeit, so namentlich in der Zeit des Propheten entsprach das Volk wenig oder gar nicht den Anforderungen, die Gott mit seinem Gesetz an das Herz und den Geist des Menschen stellt. Die innerliche, herzliche, bußfertige Frömmigkeit war ein rares Ding in Israel. Der Prophet, da er weiß, daß Gottes erlösende Barmherzigkeit nur an Bußfertigen sich offenbart, versucht, die Herzen zur Buße zu locken dadurch, daß er die Strafen ausmalt, von denen alle diejenigen getroffen werden müssen, die in Unbußfertigkeit verharren. Darum fahrt er fort:

V. 9. „Es wird des Herrn Stimme über die Stadt rufen; aber wer deinen Namen fürchtet, dem wird es gelingen. Höret, ihr Stämme, was gepredigt wird.“ - Dieser Vers ist im Urtexte nicht ohne Schwierigkeit. Die richtige Uebersetzung dürfte sein: „Es ruft die Stimme des Herrn über die Stadt, und wer deinen Namen fürchtet, dem wird es gelingen. Höret die Ruthe, und wer sie drohet!“ Die Stadt ist die Stadt Jerusalem, der Mittelpunkt Israels und seine Repräsentantin; an sie ergeht die Stimme, das Wort des Herrn, nämlich das Wort der Drohung. Ehe Micha die Drohung nennt, schiebt er einen gleichsam persönlichen Seufzer des Glaubens ein: „Wer deinen Namen fürchtet, dem wird es gelingen“, es ist das die Summe von dem, was er V. 8 gesagt hatte, nur daß er hier dem Herrn sagt, was er zuvor dem Volke gesagt hatte. Nach dieser Einschiebung verkündigt er dann die Ruthe des Grimmes des Herrn, die Gott selber drohet allen denen, die seinen Namen nicht fürchten, nicht Recht thun, nicht Barmherzigkeit lieben, nicht sich beugen im Wandel mit Gott.

V. 10. „Noch bleibet unrecht Gut in des Gottlosen Hause und der feindselige geringe Epha.“ - Es ist das eigentlich eine Frage: Ist noch unrecht Gut im Hause des Gottlosen und das verfluchte schwindsüchtige Epha? Der Herr macht sich selbst an die Untersuchung und hebt vor Allem das schändlich verringerte Kornnmaß hervor, dessen sich die reichen Kornwucherer bedienten. Das Epha war ein bestimmtes Maß für trockene Dinge, Luther übersetzt es hin und wieder mit Scheffel; es umfaßt so viel, als für den Bedarf einer Familie von 10 Personen auf einen Tag verbacken wird. Es war eine sehr gewöhnliche Sünde der Reichen in Israel, gegen die auch der Prophet Amos 8, 5. 6 eifert, den Armen dadurch zu unterdrücken und den Elenden zu verderben, daß man „den Epha ringerte“.

V. 11. „Oder sollte ich die unrechte Wage und falsches Gewicht im Säckel billigen?“ - Wörtlich: Sollte ich bei unrechter Wage rein sein und bei falschem Gewicht im Säckel? Es ist die Frage des durch die Untersuchung des Herrn aufgeschreckten Gewissens an sich selbst. Nicht als ob die Kornwucherer sich in Wirklichkeit also frügen. Aber Micha wünscht, daß sie sich also fragen möchten, damit sie in sich gingen und Buße thaten. Der Säckel ist der Beutel, in welchem die Steine, die zum Gewicht dienten, aufbewahrt wurden, und davon das Gesetz 5 Mose 25 sagt: Du sollst nicht zweierlei Gewicht in deinem Sack, groß und klein, haben!

V. 12. „Durch welche ihre Reichen viel Unrechts thun? Und ihre Einwohner gehen mit Lügen um und haben falsche Zungen in ihrem Halse.“ - Der Anfang dieses Verses muß heißen: Denn ihre Reichen sind voll Frevels. Der Prophet giebt den Grund an, warum der Herr so fragt und warum solche Gewissensfragen nöthig seien, die ganze Stadt ist voll Luges und Truges.

V. 13. „Darum will ich auch anfangen dich zu plagen und dich um deiner Sünde willen wüste machen.“ - Wenn Gott plagt, so tastet er den Menschen mit Schmerzen an, um ihn zur Buße zu leiten. Niemals ist auf Erden die Plage eines Menschen für Gott der letzte Zweck, sondern immer das Mittel zum Zweck der Bekehrung. Wer aber unter den zeitlichen Plagen sich nur noch mehr verhärtet, fahrt endlich in die ewige Plage.

V. 14. „Du sollst nicht genug zu essen haben und sollst verschmachten. Und was du erhaschest, soll doch nicht davon kommen; und was davon kommt, will ich doch dem Schwert verantworten.“ - Die hier gedrohte Plage geht besonders auf die Wucherer und Geizigen. So viel sie auch zusammenraffen, sie haben einmal davon nicht, was das Herz sättigt; sie werden nicht reich, sie denken, sie haben's ergriffen, und was sie haben, ist nichts, als Gold; und sodann wie sie's gewonnen haben, so sehen sie's auch zerrinnen, denn unrecht Gut gedeihet nicht. Der Prophet schildert diese Plage nach der verschiedenen Gestalt, die sie im Frieden und im Kriege hat. Was du erhaschest, das ist: Was du im Kriege den beutegierigen Soldaten aus dem Wege schaffst.

V. 15. „Du sollst säen und nicht ernten, du sollst Oel keltern und dich mit demselben nicht salben; und Most keltern und nicht Wein trinken.“ - Fortsetzung der im vorigen Verse begonnenen Schilderung der Plage über das gottlose Jerusalem. Ein kurzer Auszug aus der langen und schrecklichen Drohung, die 5 Mose 28 denen gedroht ist, die der Stimme des Herrn ihres Gottes nicht gehorchen. Ein erläuterndes Beispiel ist der reiche Kornbauer im neuen Testamente, der, nachdem er gesammelt und zusammengescharrt, wie er nur konnte, zu sich selber sprach: „Habe nun Ruhe, liebe Seele, iß und trink!“ und zu dem Gott sprach: Du Narr, diese Nacht wird deine Seele von dir gefordert, und weß wird es sein, das du bereitet hast?

V. 16. „Denn man hält die Weise Amri und alle Werke des Hauses Ahabs und folgt ihrem Rath. Darum will ich dich zur Wüste machen, und ihre Einwohner, daß man sie anpfeifen soll, und sollt meines Volkes Schmach tragen.“ - Amri, bekannt durch die Verlegung der Residenz von Thirza in die von ihm gegründete Stadt Samaria, hatte 12 Jahre über Israel regiert, schlechter, als seine schlechtesten Vorgänger, also daß die Schrift von ihm sagt: „Er that, was dem, Herrn übel gefiel und war ärger, denn alle, die vor ihm gewesen waren.“ Sein Sohn war Ahab, der noch mehr that, den Herrn zu erzürnen, als sein Vater. Darum wurden ihre beiden Namen zum Sprüchwort, um ein Leben in großer Sünde und Missethat zu bezeichnen. Jerusalem - das will der Prophet sagen - ist bereits geworden, wie Samaria unter seinen schlimmsten Königen war, eine Stadt übergroßen Frevels, reif für Gottes strafende Gerichte. Diese Gerichte vollziehen sich in der Art, daß die Stadt eine Wüste wird und daß man sie anpfeift. Jerusalem hätte diese Gerichte von sich abwenden können, wenn es Buße gethan Hätte, wie Ninive, in Staub und Asche; und damit es Buße thue, enthüllt hier der Prophet die Gerichte über die Unbußfertigen. Aber Jerusalem that nicht Buße. Es dauerte wenig mehr als 100 Jahre, da saß ein anderer Prophet auf den Trümmern der Stadt und klagte in seinen Klageliedern: Alle, die vorübergehen, klappen mit den Händen und pfeifen dich an! „Ihr sollt meines Volkes Schmach tragen“, ruft Micha der gottlosen Stadt zu; und hundert Jahre später muß Jeremias sagen (Klagelieder 5): „Gedenke, Herr, wie es uns gehet; schaue und siehe an unsere Schmach; unser Erbe ist den Fremden zu Theil geworden und unsere Häuser den Ausländern; wir sind Waisen und haben keinen Vater; unsere Mütter sind wie Wittwen.“ So endet denn auch der zweite Haupttheil der Weissagungen Micha im tiefsten Ernste. Der Prophet hat in diesem zweiten Theile immer von Neuem angehoben, die erlösende Barmherzigkeit Gottes gegen die Bußfertigen zu schildern und zu preisen, aber Angesichts der großen Gottlosigkeit seines Volks muß seine Rede auch wieder und immer wieder zurückkommen auf den Satz: Gott drohet zu strafen alle, die seine Gebote übertreten. Dieser Satz aber gilt in seiner ganzen Schwere auch uns. Darum lasset uns Buße thun und uns an den anklammern, der das Gesetz für uns erfüllt hat, Jesum Christ, so wird uns die Barmherzigkeit umfangen und die Güte des Allmächtigen uns erquicken. Amen.

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