Preiswerk, Samuel - Jona und Nahum.

Preiswerk, Samuel - Jona und Nahum.

Von
S. Preiswerk,
Pfarrer zu St. Alban.

Die beiden Propheten Jona und Nahum, obwohl der Zeit nach ein Jahrhundert aus einander liegend, schließen sich doch zu Einem Ganzen zusammen durch die gemeinschaftliche Eigenthümlichkeit ihrer Sendung. Ihr Auftrag ist nicht, wie bei den übrigen Propheten1), sich zunächst oder gar ausschließlich an Israel zu wenden, und in ihren Mund ist keine der tröstlichen Verheißungen von dem Heiland ihres Volkes gelegt. Gen Ninive ist ihr Blick und ihr Wort gerichtet; sie haben der Weltstadt das Gericht Gottes anzusagen. Erst dadurch werden sie mittelbar - freilich darum nicht minder kräftig und nachhaltig - für ihr eigenes Volk zu Boten der Erlösung und des Heiles. Sie sind beide an die äußerste Peripherie des israelitischen Lebens gewiesen, und leben und reden doch aus dessen innerstem Mittelpunkte heraus. Diese merkwürdige Stellung trachten wir uns nun zu vergegenwärtigen, indem wir den einen und den andern Propheten in seiner Zeit und seiner Aufgabe genauer ansehen.

Der Inhalt des Büchleins, das den Namen des Propheten Jona an der Stirne trägt, ist uns allen schon von Kindheit auf wohlbekannt, freilich mehr nur von Seite der auffallenden Ereignisse, welche es enthält, als in Hinsicht auf die Bedeutung des Mannes, sofern sein Auftreten einen Ring in der Kette der Offenbarungen Gottes bildet. Auch ist uns nicht fremd, wie viel Zweifel und Spott gerade diese kleine Schrift vor manchen andern Theilen der Bibel auf sich gezogen hat. Was dieß letztere betrifft, so würde es schwerlich zweckmäßig sein, in Erörterungen darüber einzutreten, bevor wir uns überhaupt näher mit dem Gegenstand vertraut gemacht, um den es sich handelt; denn es wird uns wohl mehr Befriedigung gewähren, wenn wir uns bemühen, ein wohlbegründetes und auf möglichst genauer Sachkunde beruhendes Urtheil zu gewinnen, als wenn wir es bei oberflächlichem Absprechen und Streiten bewenden ließen. Wir befolgen im täglichen Leben den Grundsatz, jeden Menschen als einen ehrlichen anzusehen, so lange er uns nicht nöthigt, das Gegentheil zu glauben; wir lassen jedem Schriftsteller, welcher mit dem Anspruch auf Wahrhaftigkeit auftritt, die Gerechtigkeit widerfahren, daß wir sein Buch als in guten Treuen geschrieben aufnehmen, bis wir etwa gegründete Ursache finden, zu mißtrauen. - Doch ganz ohne alle vorgefaßten Gedanken werden wir nicht an das Buch Jona treten können; es enthält Berichte von Wundern; stellen wir nun von vorne herein den Satz auf, daß jeder Wunderbericht Unwahrheit (Sage oder Fabel) sei, so thun wir überhaupt besser, von einer genaueren Betrachtung abzustehen.2) Diese Frage ist aber nicht nur derjenigen Schrift eigen, von der wir eben reden, sondern wir begegnen ihr, unter verschiedenen Verhältnissen, in der ganzen Geschichte der Offenbarung Gottes, und es handelt sich hiemit um einen allgemeinen Grundsatz, dessen Erörterung hier nicht möglich, aber auch nicht nöthig ist, indem wir in dieser Hinsicht auf die Ergebnisse christlicher Philosophie verweisen, welche bei früherer Gelegenheit an diesem Orte uns von kundiger Hand sind vorgelegt worden. Wir befolgen demnach bei der Behandlung unsres Gegenstandes den Rath, welchen ein Bibelforscher schön und einfach so ausdrückt: „Versuch' es einmal und laß der heiligen Schrift die Ehre und Würde, die sie seit Jahrtausenden hat; siehe dann, ob nicht alles einfacher, würdiger, klarer, zusammenhangender sich darstellt, als wenn du mit den Zweifeln, die nur zerstören aber nicht aufbauen, Hand anlegst. Dieser innere, in deiner eigenen Ueberzeugung sich bildende Beweis soll der einzige sein, den wir gegen dich führen. “ Wenn wir zugleich uns erinnern, daß Jesus sich mit unzweideutigen Worten auf die Schicksale Jonas als auf wirklich geschehene Geschichte beruft, so wird dieser Umstand ein Grund mehr sein, uns vor leichtfertigem Absprechen zu hüten, das Buch mit dem würdigen Ernste zu behandeln, welchen es beansprucht, und dann erst unser Urtheil zu bilden, dessen Freiheit wir uns immerhin vorbehalten.

Vor allem fällt uns bei Jona auf, daß sein Buch nicht Weissagungen, sondern reine Geschichtserzählung enthält; was er im Auftrag des Herrn zu sagen hatte, das wird uns nur seinem allgemeinsten Inhalt nach ganz kurz, ja sogar nur sehr unvollständig angedeutet; das Gewicht wird recht mit Absicht ausschließlich auf das gelegt, was er gethan und besonders was er erlebt hat. Er gehört also zu denjenigen Männern Gottes, deren prophetische Bedeutung nicht in ihren Worten, sondern in ihrer Persönlichkeit liegt; man könnte ihn daher etwa mit David vergleichen. Doch nimmt er wieder eine ganz eigenthümliche Stellung ein, schon dadurch, daß er - wenigstens höchst wahrscheinlich - selber der Verfasser seiner Geschichte ist; denn wenn wir nach dem vorhin ausgesprochenen Grundsatze sein Buch zunächst als wahre Erzählung, wofür es sich giebt, aufnehmen, so kann dasselbe kaum von einem Andern geschrieben sein, als von dem Manne selbst, der so gehandelt, gebetet, gemurrt, mit dem der Herr so geredet hat. Indem aber Jona seine Erlebnisse aufzeichnete, vielleicht auch bei seiner Rückkehr in die Heimat mündlich erzählte, tritt er doch auch mit ein unter die Reihe der Propheten, welche ihrem Volke und der Nachwelt einen Offenbarungsgedanken Gottes, einen Blick in den Erlösungsrathschluß des Ewigen zu eröffnen haben - dies aber nicht in der Form einer unmittelbar empfangenen und wiedergegebenen geistigen Eröffnung, sondern in der Gestalt eines Stückes prophetisch-vorbildlicher Lebensgeschichte.

Und dann ist es eben nur ein Stück, ein ganz ohne Zusammenhang mit dem übrigen Lebenslauf herausgenommener Abschnitt, was uns vorliegt; der Prophet wird nicht in seiner ganzen Persönlichkeit und Thätigkeit, sondern nur in einem einzelnen Ereignisse dargestellt. Das hat auch seine eigenthümliche Wirkung auf den Eindruck, welchen die Erzählung uns macht; wie wenn wir auf einem größeren Gemälde alles übrige verdecken und nur eine einzelne Gruppe dem Blick frei lassen, so tritt uns auch in dem engen ausschließlichen Rahmen unseres Büchleins das darin Enthaltene mit verstärkter Schärfe und Wirkung entgegen. Dazu kommt überdieß, daß auch hier erst noch alles nicht durchaus nöthige Beiwerk, wodurch im Leben auch außerordentliche Vorfälle etwas von ihrer Schärfe verlieren, von der Berichterstattung ausgeschlossen bleibt, und mit der sparsamsten Einfachheit der Darstellung die wesentlichen Züge Strich um Strich an einander gefügt sind.

Die Erzählung führt uns sogleich mitten in den Gegenstand ein. Jona, der Sohn Amitthai's, erhält von dem Herrn Befehl, in die große Stadt Ninive zu gehn und ihr Gottes Gericht anzukündigen. Das war ein unerhörter Auftrag; denn wenn auch einst Elisa (2. Kön. 8) nach Damascus gieng, um den Hasael im Namen des Herrn als den Nachfolger Ben-Hadads zu bezeichnen, so geschah das nicht um der Syrer, sondern um des Reiches Ephraims willen; es war eine Weissagung an Hasael über und wider Israel; und überdieß war Syrien eine benachbarte, ohnehin schon mehrfach mit Israel in Berührung gekommene Macht; Jona dagegen sollte in das ferne, einstweilen mit Israel in keinem Zusammenhang stehende Ninive gehen, und dieser Stadt sollte durch ihn ein eigenes an sie gerichtetes Wort des Herrn mitgetheilt werden; er sollte in dieser Sendung sich zum Heiden-Propheten von Gott machen lassen. Das mußte allen seinen bisherigen Begriffen schnurstracks widersprechen; denn das war ja nach altisraelitischer Anschauung eben der Adel und Vorzug des Volkes Jakobs, daß in seiner Mitte Gott sich offenbare, während die gottlosen Heiden dieses Lichtes weder theilhaft noch würdig seien. Und nun sollte ein Prophet das Brot der Kinder nehmen und es den Hunden bringen, der Heidenstadt weissagen - und sei es auch das Gericht, doch es ihr weissagen, als wenn der Herr auch ihr Gott wäre! - Ebenso überraschend mußte auch für Jona der Beweggrund lauten, welchen ihm der Herr nannte: „denn ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich.“ Daraus wäre für Jona einfach der Schluß gefolgt: also solle der Herr seine flammende Strafe über Ninive senden, wie einst über den Thurmbau zu Babel - aber gewiß nicht: also möge er einen warnenden und vielleicht rettenden Propheten senden, wie seiner Zeit den Elia an das abtrünnige Reich Israel. - So wenig aber dieser Auftrag nach dem Sinne des Propheten war, so schön stimmt er überein mit dem Wesen des barmherzigen Gottes, der „ein Gott auch der Heiden“ ist (Röm. 3,29), wie er sich von da an je länger je deutlicher offenbarte. Israel freilich hatte lange und schwer zu lernen an diesem einen einfachen Satz von dem allgemeinen Erbarmen seines Gottes; und nicht nur Jona und seine Zeitgenossen hätten nimmermehr diesen Gedanken aus sich selber geschöpft, nicht nur auch den späteren Jahrhunderten blieb er trotz den immer bestimmteren Wiederholungen der Propheten ein unverdauter, sondern die Jünger Jesu selber, die erleuchteten Apostel kamen nur sehr allmählig zu der rechten Würdigung und Erfahrung dieser Wahrheit.

Aber der Befehl stand nun einmal da: die Sünden Ninives sind himmelschreiend, also soll der Stadt ein warnendes Prophetenwort vom Herrn zukommen. „Und Jona machte sich auf,“ aber keineswegs gen Ninive, um dem Herrn zu gehorchen, sondern in entgegengesetzter Richtung westwärts, „um zu fliehen gen Tarsis vor dem Herrn.“ (Luther hat mit einem allgemeinen Ausdrucke übersetzt: aufs Meer; der Grundtext giebt das Ziel Jonas genauer an: Tarsis, die phönicische Handelscolonie in Spanien, jenseits der Meerenge, ungefähr an der Stelle des heutigen Cadiz.)

Wir verwundern uns billig über diese Handlungsweise Jonas, nicht bloß um des Ungehorsams, sondern fast noch mehr um der Thorheit willen, die darin lag. Er war ein Prophet; er kannte seinen Herrn recht gut als den, welcher das Meer und das Trockene gemacht hat, und dennoch hoffte er, daß auf dem Meere und vollends in der fernen Fremde der Arm des Gottes, der zu Jerusalem wohne, ihn nicht erreichen werde; trotz besserem Wissen in der Theorie legte er doch unwillkürlich für die Praxis den menschlichen Maßstab an das göttliche Können, und dachte, von Tarsis aus werde Gott ihn eben doch nicht so leicht nach Ninive bringen, wie von Jerusalem her. Es liegt eine überraschende psychologische Wahrheit in diesem Zuge; und wenn unsere Geschichte eine Dichtung wäre, so müßten wir ihren Verfasser als einen Meister in Menschenkenntniß und feiner Zeichnung bewundern. - Auch die Form der Erzählung ist auffallend; mit Weglassung aller Mittelglieder stehen nur die beiden Thatsachen da: der Herr befiehlt, und der Prophet thut nach Kräften das Gegentheil. Eine kraft- und wirkungsreichere Schilderung, als uns mit diesen zwei Pinselstrichen gegeben wird, ist kaum denkbar. Wer mit der Art und Weise der biblischen Geschichtschreibung vertraut ist, wird sich übrigens erinnern, daß dieser Lapidarstyl, dem wir hier in schärfster Ausprägung begegnen, nicht eine besondere Eigenheit des Buches Jona bildet, sondern - mit verschiedenen Abstufungen - allen biblischen Erzählern gemeinsam ist. Nicht einmal über den Beweggrund des Propheten zu solchem Ungehorsam wird uns eine Andeutung gegeben. Man könnte leicht auf die Vermuthung fallen, es sei die Furcht gewesen, die ihn gen Westen trieb; eine Aeußerung aber, die er später thut, führt vielmehr auf einen andern Gedanken. Da der Herr die Niniviten um ihrer Buße willen verschont, murrt Jona: das ist es ja, das ich sagte, als ich noch in meinem Lande war, darum ich auch wollte zuvorkommen, zu fliehen gen Tarsis; denn ich weiß, daß du ein Gott bist gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte, und lässest dich des Nebels reuen. Er war anderer Meinung als der Herr, und anstatt seine Gedanken den göttlichen unterzuordnen, unternahm er es, auf eigene Faust seinen Kopf durchzusetzen. Er zeigt sich als ein harter und trotziger, zugleich aber auch als ein eben so entschieden offener und ehrlicher Charakter.

Diese Geradheit nehmen wir auch in seinem weiteren Verhalten wahr. Der Herr wirft einen großen Wind aufs Meer, das Loos bezeichnet den Jona als den Schuldigen, dem der verderbliche Sturm gelte; da verhehlt er keinen Augenblick, wer er sei und was die Ursache seiner Reise; er erkennt in dem steigenden Wüthen des Meeres die Hand des Herrn, dem er entfliehen wollte, und der ihn auf den Flügeln des Sturmes ereilt hat, und nun beugt er sich eben so offen und ganz wie er vorhin widerstrebt; fest und ergeben zeigt er den Schiffern selber die sühnende Strafe an, die er verdient habe, und leidet sie willig. Der Tod ist der Sünde Sold. Wäre er nun, da sie ihn ins Meer warfen, ertrunken, so hätten wir ein erschütterndes und zugleich befriedigendes tragisches Geschick vor uns, das die Sühne in seinem Schooße trüge; der Prophet hätte nicht nur seine Schuld gebüßt durch Erleiden der gerechten Strafe, sondern zugleich sie gesühnt, indem er die Strafe als ein gebrochener und bußfertiger Sünder willig getragen.

Nun liegt aber gerade darin der Keim seiner Rettung; den trotzenden Propheten überwältigt und zerbricht der Herr, den sich demüthigenden führt er aus der Tiefe des Todes wieder zum Leben, denn er ist ja ein Gott gnädig, barmherzig, langmüthig und von großer Güte und läßt sich des Nebels gereuen. Und zwar geschah die Rettung in solcher Weise, daß Jona den ganzen Ernst des göttlichen Gerichts in den Schrecken des Todes zu erfahren bekam, um desto augenscheinlicher zu erkennen, daß es die Hand des Herrn sei, die ihn wieder aus dem Rachen der Unterwelt zum Leben geführt. Ein großer Fisch verschlang den Untersinkenden, und warf ihn am dritten Tage wieder aus ans Land.

Auch hier wird uns nur summarisch die Thatsache, aber keinerlei Einzelheit des Vorganges berichtet. Wir haben aber doch den Wunsch, ja das Bedürfniß, wenn wir die Sache als Wahrheit aufnehmen wollen, uns über den Verlauf irgendwie eine Vorstellung zu bilden; und dazu finden wir auch mittelbar einige wichtige Anhaltspunkte in dem Gebete, das uns aufgezeichnet ist als von Jona im Bauche des Fisches gesprochen. Vor allem sei, zum Ueberfluß vielleicht, bemerkt, daß wir unter dem großen Fische wohl etwa an einen gewaltigen Hai zu denken haben; ein Walfisch könnte freilich wegen seines eigenthümlichen Baues von Maul und Schlund keinen Menschen verschlingen; dieser Ausdruck findet sich nach der lutherischen Uebersetzung in der Stelle Matth. 12,40, wo der Grundtext ein Wort gebraucht, welches überhaupt jedes Meer-Ungeheuer bezeichnet.

Sodann kann Jona offenbar in seinem schwimmenden Grabe nicht geathmet haben; wir werden uns also die Erhaltung seines Lebens durch einen dem Scheintode ähnlichen Zustand vermittelt denken müssen, in welchem der Odem und der Herzschlag stille steht, das geistige Bewußtsein sich aus dem Leibesleben zurückzieht, ohne daß doch die völlige Scheidung zwischen Leib und Geist eintritt, die wir Sterben nennen. Mit dem Erwachen aus diesem Zustand, mit der Wiederkehr des seelischen Bewußtseins müßte dann aber auch die Errettung des lebendig Begrabenen fast augenblicklich zusammengetroffen sein, weil dann das erwachende Leibesleben sofort das gebieterische Bedürfniß nach Luft empfinden mußte. Mit diesen Voraussetzungen stimmt nun der Bericht von dem Gebete Jonas auffallend überein. Er betete aus dem Bauche des Fisches: „Ich rief zu dem Herrn in meiner Angst, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Bauche der Hölle, und du hörtest meine Stimme. Du warfest mich in die Tiefe mitten im Meer Wasser umgaben mich bis an mein Leben, die Tiefe umringte mich, Schilf umschlang mein Haupt; ich sank hinunter zu der Berge Gründen, die Erde hatte mich verriegelt auf immer. Aber du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott. Da meine Seele bei mir verzagte, gedachte ich an den Herrn, und mein Gebet kam zu dir in deinen heiligen Tempel. . . Ich will mit Dank opfern; meine Gelübde will ich bezahlen dem Herrn, daß Er mir geholfen hat. “ Hier ist mit den einfachsten und zugleich trefflich malenden Worten geschildert, wie in dem Propheten, da er in dem Fische wieder zu sich kommt, die Erinnerung und das Bewußtsein sich sammeln. In diesen bedeutungsvollen Augenblick des erwachenden Lebens drängt sich ihm mit der Schnelle und Klarheit eines Blitzes der zwiefache Gedanke zusammen: ich war ein Ertrinkender, und siehe, ich lebe noch; Gott hat mich nicht verstoßen. Er erinnert sich des schauerlichen Augenblickes, da ihn die Meerestiefe umringte und ihm mit einem innern Rufe zu dem Herrn die Sinne schwanden; und jetzt fühlt er sich noch lebend; das ist ihm der unmittelbare Beweis, daß der Herr sich seiner gnädig und wunderbar annehme. Daran lebt sein Glaube auf; und da dieß - natürlich unendlich schneller, als er es nachher aufschrieb oder wir es mit umständlichen Worten nachsagen können - mit Einem Blick seinem innern Anschauen aufleuchtet: richtet er nicht erst die Bitte an Gott um Vollendung der Rettung, sondern, wie wir dieß in den Psalmen so oft und so herrlich antreffen, es spricht sofort der Glaube seinen Dank aus für die ihm innerlich gewisse Erlösung. Die Antwort folgte unmittelbar; der Herr sprach zu dem Fische, und der spie Jona ans Land.

Zum zweiten Male ergeht nun des Herrn Befehl an Jona, und dieser machte sich auf und ging hin gen Ninive, wie der Herr gesagt hatte. Auch bei diesem Anlasse muß uns die großartige strenge Schlichtheit der Erzählung wohlthuend auffallen. Nicht nur, daß der Herr kein Wörtlein triumphierenden Rechthabens in seine Wiederholung des Befehls legt; auch der Erzähler begiebt sich aller Randglossen und Reflexionen.

Mit dem Propheten richten nun auch wir den Blick auf den Ort seiner Bestimmung. Ninive war die Hauptstadt des Reiches Assur (Assyrien), eine uralte Stadt, deren Ursprung weit über unsere weltgeschichtliche Kenntniß hinaufreicht. Die biblischen Schriftsteller nehmen auch nach dieser Seite hin von der Weltgeschichte nur eben so viel Notiz, als ihr Standpunkt es erheischt zur vollständigen Darstellung der Offenbarungsgeschichte; so verdanken wir ihnen eine Reihe wichtiger Angaben, aber noch mehr Fragen, die wir stellen möchten, lassen sie völlig ohne Antwort. In neueren Zeiten haben bedeutende Ausgrabungen, von welchen später noch ein Wort, eine Reihe von altassyrischen Keil-Inschriften zu Tage gefördert, deren Studium eine neue Fundgrube geschichtlicher Kunde zu eröffnen verspricht.

Zunächst ist nun durch die eben genannten Ausgrabungen die Lage der Stadt mit einiger Sicherheit ermittelt: ungefähr gegenüber dem heutigen Mossul, auf dem linken Ufer des Tigris, da, wo derselbe die armenischen Gebirgsthäler hinter sich läßt und als kräftiger Strom in die beginnende fruchtbare Ebene eintritt. Hier setzte sich in grauer Urzeit ein fester Kern weltlicher Staatenbildung an, laut der biblischen Urkunde der älteste nächst Babel.

Die Menschheit nach der noachischen Flut spaltete sich nach zwei grundverschiedenen geistigen Richtungen, welche auch sofort in ihren unmittelbaren praktischen Folgen zu Tage traten. Die Urväter in der semitischen Stammlinie des Arpachsad, welche auf Abraham ausmündete, hielten den Glauben und Dienst des unsichtbaren Gottes fest und blieben in einfachem Hirtenleben buchstäblich wandernde Pilger auf Erden; sie gaben damit, nach dem neutestamentlichen Ausdruck (Hebr. 11,14-16), zu verstehen, daß sie ein Vaterland, und zwar ein himmlisches, suchten. Die übrigen Geschlechter verfielen raschen Verlaufes in Naturvergötterung, entzogen sich - so weit an ihnen lag - der göttlichen Zucht, Regierung und Verheißung, und giengen mit bewußtem Streben darauf aus, in der Welt die unerschütterlichen Fundamente ihres Bleibens zu legen, auf der Erde sich ausschließlich heimisch einzurichten und in ihrem Genusse die höchsten Ziele ihres Glückes zu suchen. Diese Richtung fand in der Gründung des frühesten Weltstaates Babel und in dem Thurmbau daselbst ihren ersten urkräftigen Ausdruck. Das Gottesgericht vereitelte die einheitliche Ausführung dieses Gedankens, wandelte aber die Herzen nicht um, und die zersprengten Stämme trugen ihn in ihrem Schooße mit fort, um an ihren neuen Wohnsitzen das zersplitterte Werk in einzelnen Ansätzen aufs frische zu beginnen. So ward Ninive der Sammel- und Mittelpunkt für die Bildung eines neuen Weltstaates, auf lange Jahrhunderte hinaus die Mutier ältester Civilisation für das in der Welt- und Sittengeschichte so wichtige Vorderasien. Fest schon von Natur durch den schützenden Strom3) wurde es im Laufe der Zeit noch gewaltig verstärkt durch colossale Mauern und großartige Wassergräben. Das verhältnißmäßig kleine Stammland Assur umgab sich nach und nach mit einem gewaltigen Gürtel unterworfener größerer Länder; Medien und Syrien und selbst Babel brachten ihm in seiner Blütezeit ihren Tribut. So trefflich aber Ninive geeignet war, der Sitz einer weitgebietenden Herrscherin zu sein, so günstig war dabei auch seine Lage für den Handel und die in seinem Gefolge schreitenden Künste des Friedens. Bis nach Britannien und in die Ostsee drangen die unternehmenden phönicischen Kauffahrer (wobei das vorhin erwähnte Tarsis eine ihrer wichtigsten Stationen war), und brachten Bernstein, Zinn, Eisen, Kupfer, auch allerlei kunstvolles Geräthe, namentlich die so geschätzten Näpfe, Becher, Pfannen u. s. w. in getriebener Arbeit; selbst die Cedern des Libanon wanderten als kostbares Bauholz. Hinwieder spendete der reiche Osten und Südosten Asiens seine Edelsteine, sein Gold und Elfenbein, seine Gewürze und edlen Früchte, seine köstlichen Gewebe. So ergab sich von Alters her das Bedürfniß einer Vermittlung zwischen dem ärmeren aber thätigeren Westen und dem reichen üppigen Osten, und diese geschah damals natürlich noch größtentheils zu Lande (obwohl auch schon Salomos Handelsflotten das rothe Meer befuhren) durch große Karavanen. Nun bot aber, abgesehen von andern Schwierigkeiten, der Tigris in seinem munteren, seichteren Laufe, die größten Hindernisse dar, während der Uebergang über dessen nördlicher gelegene Ufer, eben in der Lage Ninives, sich leicht herstellen ließ. So war die Tigrisbrücke dieser Stadt der Schlüssel der großen Welthandelsstraße, und die mannigfachen Güter verschiedener Welttheile lagerten sich dort ab und erzeugten Reichthum und Wohlleben, Sittenverfeinerung und Ueppigkeit.

Es ist natürlich, daß diese Stadt auch an Umfang mit der Zeit gewaltig wachsen mußte, besonders bei der weitläufigen Bauart des Morgenlandes mit Gärten, freien Plätzen, ja ganzen Ackerstücken zwischen den Häusern. Sie trägt auch allgemein den Beinamen „die große“; nicht nur unser Buch Jona benennt sie damit, sondern schon in dem ersten Buche Mose wird sie so geheißen (10,11. 12). Neuere Forschungen sind zu dem Ergebniß gekommen, daß das große Ninive höchst wahrscheinlich aus vier Städten zusammengewachsen sei, welche ihrer Lage nach ein ungeheures Viereck bildeten (nämlich aus Rechoboth-Ir, Calah, Resen und dem eigentlichen alten Ninive; vergl. 1 Mose 10, 11.12.)Es scheint übrigens ein verhältnißmäßig kleinerer Theil einen festen und kriegerisch geschützten Kern gebildet zu haben, welcher die wichtigsten Tempel und Paläste in sich schloß, während dann noch ein weiter Umkreis angewachsener Straßen und Vorstädte sich darum lagerte. Von Dauer waren aber nur diejenigen Gebäude, bei denen eigentliche Steine zur Verwendung kamen; die gewöhnlichen Häuser mußten, abgesehen von Feuer und Kriegsverheerung, von selber rasch zerfallen, sobald nicht die Menschenhand sie im Stand erhielt; Mauern und Dächer bestanden aus Ziegeln, welche meistens nicht gebrannt, sondern in der Sonne gedörrt waren, und ebenso war das Holzwerk leichte geringe Waare, hauptsächlich Pappelholz; so konnten bei irgend einer Katastrophe ganze Stadttheile in unglaublich kurzer Zeit buchstäblich vom Erdboden verschwinden, und auch wieder bei günstigen Verhältnissen fast eben so schnell aufschießen. Unter solchen Umständen kann es uns vollends nicht wundern, wenn die verschiedenen Angaben über die Größe der Stadt nicht alle zusammenstimmen, und es erheben sich keine gegründeten Bedenken gegen unser Buch, welches dieselbe auf drei Tagereisen ansetzt (die Karavanen-Tagereise zu etwa sechs Wegstunden gerechnet), selbst wenn wir dieß nicht von dem Umfang, sondern von dem Durchmesser verstehen (was mir richtiger scheint).

Diese räumliche Größe Ninives hatte aber auch ihre geistige Kehrseite. Dieselben Ursachen, welche den materiellen Aufschwung der Stadt so kräftig begünstigten, stempelten sie auch zum Mittelpunkt damaliger Weltbildung. Wo ein mächtiger König Hof hielt, der die Könige großer Länder als seine Vasallen empfieng, da wurde höfische Feinsitte gehegt und verbreitet; wo große Herren und reiche Kaufleute Zeit und Mittel hatten, um die Erzeugnisse aller Länder sich dienstbar zu machen, da waren die rechten Vorbedingungen vorhanden, daß Gewerbe und Künste aufstrebten, um dem Luxus immer neuen Reiz und neuen Schmuck darzubieten. Durch eine Reihe von Jahrhunderten schritt Ninive an der Spitze der Civilisation, und das mit der energischen Frische eines Urvolks in seiner Jünglingskraft. - Aber dieser ganze Fortschritt bewegte sich nur auf dem Boden des irdischen Lebens, und steckte seine Ziele nicht darüber hinaus; dadurch trug er den Keim sittlicher Fäulniß in sich. Die Sitten werden da glätter, aber nicht reiner, sondern leichtfertiger; das Leben gestaltet sich mannigfaltiger, heiterer, aber nicht edler, sondern üppiger und weichlicher; der geistige Blick wird erweitert, aber nicht vertieft und geläutert. Ninive war groß an Macht, Bildung und Laster; es nahm eine hochragende Stellung ein in der Entwicklungsgeschichte der heidnischen Menschheit, und war damit nicht nur in der Menschen, sondern auch in Gottes Augen von wichtiger Bedeutung - „eine große Stadt vor dem Herrn“.

Darum sandte ihr Gott auch einen Propheten. Gerade da, wo die Abkehr der Menschenwege von Gott ihren entschiedensten und zugleich glänzendsten Ausdruck fand, da wo die Vergötterung der Naturkräfte die Religion sowohl als das sittliche Leben durchdrungen und vergiftet hatte: da sollte ein Zeugniß erschallen von dem einen wahren, dem heiligen Gott Himmels und der Erde. Und das, wie wir vernehmen (Kap. 1. 2. ) gerade in dem Zeitpunkt, als Gott sprechen mußte: ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich. Es wird uns hiemit ein Zustand der Ueberreife angedeutet, wie er nach inneren Gesetzen jeweilen eintritt, wo Reichthum und Macht einen Staat haben sicher und üppig werden lassen; die sociale Fäulniß bricht endlich von innen zu Tage, in Revolution oder politischer Ohnmacht, und an den Geiern fehlt es nicht, die von außen auf das Aas stürzen. Diesen selben Gedanken spricht der Prophet auf seine Weise aus, d. h. nicht vom menschlichen, sondern vom göttlichen Standpunkt, und sagt: Das Gericht Gottes über den himmelschreienden Zustand der Dinge konnte nicht mehr ausbleiben. Die Sendung des Propheten sollte aber in der elften Stunde noch warnen. Dieser Zeitpunkt war zugleich der geeignetste für eine empfängliche Aufnahme der göttlichen Offenbarung von Seiten der Niniviten. In den ersten Jahrhunderten ihres Aufschwunges, im frischen und trotzigen Vollgefühl ihrer Kraft und so lange die begehrten Genüsse und Freuden, Ehre und Wohlleben größeren Theiles erst noch zu erringen waren: da wäre ihr Ohr wohl taub gewesen für die Stimme eines Boten Gottes. Aber in der Zeit, als im üppigen Besitz des Begehrten die strebende Federkraft erlahmt war, als selbst die Uebersättigung dennoch keine wirkliche Befriedigung erzeugte, als unter der gleißenden Decke des leichtfertigen Lasters und des gewaltthätigen Uebermuthes ein Gefühl der inneren Zersetzung die Gemüther durchzog - wie das in solchen Zeiten immer der Fall ist: da konnte auch am ehesten ein Wort aus dem Reiche der Wahrheit und ein Mann, der es mit ganzer Ueberzeugung aussprach, offenes Gehör finden und eine Anziehung ausüben wie das Felsenriff auf den schwimmenden Schiffbrüchigen.

Wenn wir uns nun nach der Geschichte des Reiches Assur und seiner Hauptstadt umsehen und die Zeit zu bestimmen wünschen, in welche die Sendung Jonas möge gefallen sein, so finden wir uns auf wenige spärliche und erst noch theilweis unsichere Nachrichten beschränkt. Als Gründer des assyrischen Reiches in Ninive nennt die heil. Schrift (1 Mos. 10, 11. ) den Nimrod (nach anderer Auslegung den Assur), die geschichtliche Ueberlieferung den Ninus mit seiner Gemahlin Semiramis. Von hier aus waltet über die folgenden etwa zwölf Jahrhunderte ein tiefes Dunkel. Erst gegen das Jahr 800 vor Chr. taucht mit etwas deutlicheren Umrissen die Gestalt des Arbaces auf, des assyrischen Statthalters über Medien, von welchem berichtet wird, daß er seinen Lehnsherrn, den durch seine Weichlichkeit berüchtigten Sardanapal gestürzt und sich zum unabhängigen König von Medien erhoben habe. Hiemit wäre das alt-assyrische Reich zu Grabe gegangen. Ninive bestand aber fort als die Hauptstadt eines neu-assyrischen Reiches, welches zwar durch den Abfall Mediens geschwächt, aber doch noch eine sehr bedeutende Macht war und unter einer neuen Dynastie einen frischen gewaltigen Aufschwung nahm. Diese jüngere Königsreihe ist uns schon besser bekannt, weil ihre Glieder - Phul, Tiglath-Pilesar, Salamanasser, Sanherib - durch ihre Eroberungspolitik mit den Geschicken Israels in nahe und verhängnißvolle Berührung kamen.

Unser Buch selber giebt uns keine eigentliche Zeitbestimmung, verhilft uns aber mittelbar dennoch zu einer solchen. Es nennt Jona den Sohn Amitthai; genau den selben Namen finden wir aber im zweiten Buch der Könige (14,25.) wo erzählt wird, daß die Siege des Königs von Ephraim, Jerobeams II, welche er über die Syrer erfocht, voraus verkündet gewesen seien durch den Propheten Jona, den Sohn Amitthai von Gath-Hepher. Jerobeam II regierte aber 825-784, und Jona wäre somit etwas vor ihn zu setzen. Seine Sendung nach Ninive fällt also gerade in die entscheidende Periode des assyrischen Reiches, als für dasselbe eine alte Zeit untergieng und eine neue anbrach.

Es läßt sich bei so mangelhaften Nachrichten kaum bestimmen, ob er kurz vor oder nach jenem Umschwung der Dinge in Ninive aufgetreten sei. Doch möchte ich mich, nach dem vorhin Gesagten, lieber für das erstere entscheiden, so daß seine Predigt dem sinkenden alten Zustande gegolten habe, manchen Einzelnen zum rettenden Heile, allen wenigstens zum Zeugniß über sie. Eine solche bereitwillige allgemeine Buße, wie sie uns geschildert wird, zeugt von einer großen Empfänglichkeit des bearbeiteten Bodens, erweckt aber auch von vorne herein die Befürchtung (bei Jona die Hoffnung!), daß sie größtentheils eine oberflächliche sein, schwerlich nachhaltig ernste Früchte tragen, daß sie das Gericht vielleicht ein wenig aufschieben aber nicht abwenden werde. Das paßt in psychologischer Hinsicht sehr gut zu einem Sardanapal und seiner Zeit.

Auf jeden Fall aber war Jonas Auftreten von wesentlicher Bedeutung für die werdende neuassyrische Macht. Die Könige, welche Zuchtruthen Israels zu sein bestimmt waren, sollten das nicht werden, ohne zuvor eine ausdrückliche, daß ich so sage: officielle Kunde von dem Gott Israels zu empfangen, und zwar von ihm als dem einen lebendigen Gott, der ein heiliger Richter und Rächer ist. (Und wenn Jona noch unter der alten Dynastie aufgetreten war, so mußte die erfolgte Erfüllung seiner Drohung um so nachdrücklicher reden von dem gewaltigen Arme des Herrn.)

So trat also Jona in Ninive auf. Er hatte so viel wenigstens in der furchtbar ernsten Schule seiner Erfahrung gelernt, daß man dem Herrn Himmels und der Erde nicht entrinnen und durch Widerstreben nur seinem schrecklichen Gerichte verfallen könne. In diesem Sinne predigte er auch, laut der kurzen Andeutung, welche hievon gegeben ist: „es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen.“ Es versteht sich wohl von selber, daß er dabei seine wunderbaren Schicksale erzählte; denn er mußte ja den Niniviten doch Kunde geben von dem Wesen und der Macht des Gottes, als dessen Bote er jene Drohung aussprach; und wie konnte er das einfacher und nachdrücklicher thun, als indem er sein Erlebniß als sprechendes Exempel, sich selber als Zeichen und Wunder der Macht seines Gottes hinstellte? Eben darin lag seine Prophetenbeglaubigung an die Heidenstadt. So setzt auch Jesus eine solche Erzählung Jonas voraus, wenn er sagt, Jona sei den Niniviten ein Zeichen gewesen, so daß sie nach der Predigt des Propheten Buße thaten (Luk. 11, 30).

Das Zeichen des Propheten Jona fand Glauben und wirkte Buße in Ninive, und zwar eine allgemeine Buße vom König, der seinen Purpur mit dem Sack vertauschte, bis herab sogar zu den Thieren. (Daß auch diese mittrauern und fasten mußten, entspricht zwar nicht unsern, wohl aber den morgenländischen Anschauungen, welche der Creatur nicht so abstract und fremd gegenüberstehen; übrigens regt sich auch bei uns ein Rest des nämlichen Gefühls, wenn wir z. B. es schicklich finden, auch den Pferden eines Leichenzuges Trauerdecken aufzulegen. ) Wenn nun die Erzählung sagte, es habe Jona, erleuchtet und erweicht durch seine Führung, auch den Niniviten die von ihm erfahrene Barmherzigkeit Gottes mit Freuden gegönnt, so würden wir wohl das ganz in der Ordnung finden. Und doch wie viel richtiger, wie traurig treu dem wirklichen Menschenherzen entsprechend ist der Bericht, daß es ihn vielmehr verdrossen habe! Er wich nur schrittweise dem Herrn so weit er eben mußte, und hielt auch jetzt noch seine eigenen Gedanken, den göttlichen zuwider, in dem Stücke fest, daß er den Heiden keinen Antheil an der Gnade Gottes einräumen mochte. Seine persönliche Ehre kam mit ins Spiel, und er mochte sich wohl einreden, er eifere eigentlich auch hierin um Gottes Ehre. Denn es läßt sich leicht denken, daß nach dem Ablauf der 40 Tage, als alles ruhig beim Alten blieb, alsbald der Uebermuth vielfach sein Haupt werde ausgestreckt haben. Es sah aus, als habe Jona falsch geweissagt, und doch wußte er sich in göttlichem Auftrag, doch war er aufs innigste überzeugt von der göttlichen Wahrheit seiner Predigt; sollte nun des Herrn Ehre in der Person seines Gesandten zu Schanden werden? So brannte in seinem Herzen, echt menschlich, heiliges und unreines Feuer durcheinander. Obwohl Gott an den Niniviten nur dasselbe that, was er an Jona in dem Fische gethan, konnte sich der Prophet doch nicht darein finden, wollte lieber Amt und Leben seinem Herrn aufkünden, wenn dieser sich so wenig zu seinem Boten bekenne, fühlte die herablassende geduldige Liebe und den strafenden Ernst nicht, der in der göttlichen Frage lag: meinest du, daß du billig zürnest? Das Gericht muß doch noch kommen, so denkt er, und will unter einer Hütte vor der Stadt abwarten, daß er doch noch Recht behalte.

Da in seinem engen Herzen der weite Blick für die göttliche Gnade nicht Raum finden mag, so belehrt ihn der langmüthige Herr durch ein Erlebniß in dem engsten Kreise seiner eigenen Person. Er läßt ihm eine blätter- und schattenreiche Staude aufschießen, deren sich Jona in der Hitze des Tages herrlich freut. (Luther hat sie als Kürbis übersetzt; es ist aber vielmehr der wegen seines raschen Wachsthums sogenannte Wunderbaum, die Ricinusstaude zu verstehen.) In der folgenden Nacht aber muß ein Wurm die Staude stechen, daß sie unter der aufgehenden Sonne ebenso rasch zusammenwelkt als sie entstanden. Jetzt murrt Jona mit verdoppeltem Verdrusse, und wirft dem Herrn auf seine wiederholte heilig-kurze Frage: „meinest du, daß du billig zürnest?“ die Antwort vor die Füße: „billig zürne ich bis an den Tod.“

Es ist ein harter, trotziger - aber wir müssen auch sagen: ein gerader und offener Charakter, der in diesem Jona sich kund giebt; er ist ein eigensinniger und ungezogener Knecht, und doch zugleich ein Knecht, der seinen Herrn ernstlich lieb hat und in nahem, herzlichem Verkehr mit ihm steht; und eben darum konnte doch zuletzt die Wahrheit in ihm die Oberhand gewinnen. Was er aus dem eben geschehenen Zeichen nicht lernen wollte, das legt ihm der Herr noch mit ausdrücklichen Worten ans Herz: „dich jammert der Staude, daran du nicht gearbeitet, die du nicht aufgezogen, die über Nacht ward und über Nacht verdarb; und mich sollte nicht jammern Ninives, solcher großen Stadt, darin mehr als hundert und zwanzig tausend Menschen sind, die nicht wissen Unterschied was rechts oder links ist (also unmündige Kinder, zu schweigen der Erwachsenen), dazu auch viele Thiere?“ - Das hat den trotzigen Mann übermocht. Jona ist beschämt, gebrochen; er schweigt stille und läßt dem Herrn das letzte Wort von dem Erbarmen des Schöpfers und Vaters. Beredter, als durch alle Worte, läßt er durch dieß plötzliche Abbrechen der Erzählung auf den Hörer oder Leser den vollen Eindruck der göttlichen Vaterliebe wirken, wie sie ihn ergriffen und überwältigt hat. Deutlicher als durch irgend eine Beschreibung zeigt er, was in ihm für eine Umwandlung vorgegangen, durch die Thatsache daß er seine Geschichte seinem Volke selber erzählt.

Und eben für dieses Volk hatte dieselbe auch ihren weitreichenden Zweck; das Zeichen Jonas galt nicht bloß dem Propheten für seine eigene Erleuchtung, auch nicht bloß den Niniviten, sondern eben so sehr dem Volke Israel. An der Spitze einer Reihe von Propheten, welche immer deutlicher auf den kommenden Messias hinweisen sollen, steht - neben Joel, der die Grundlinien des Heiles für Israel zeichnet - unser Jona mit seinem Zeugnisse, daß in Abrahams Samen alle Völker müssen gesegnet werden, daß dem Volke Jakobs das Licht aufgesteckt werde, nicht damit es dasselbe neidisch unter seinen jüdischen Scheffel banne, sondern damit von hohem Leuchter herab allen, die in dem weiten Hause wohnen, die Gnade ihres einigen Gottes kund werde.

Und bei der Harthörigkeit Israels in dieser Hinsicht genügte eben, wie für den Propheten, das einfache Wort nicht; es mußte dieses durch die mächtigen Thaten Gottes Kraft und Nachdruck erhalten. So war Jona mit seiner Sendung eine tatsächliche Weissagung auf den, der da sein sollte „ein Licht zu erleuchten die Heiden,“ zugleich aber auch eine Weissagung für sein eigenes Volk, das in ihm gleichsam verkörpert war: den selben Weg, den er vorbildlich geführt wurde, mußte auch dieses gehen, hinab in die furchtbarste Erfahrung des göttlichen Gerichtes, bis es gebrochenes Trotzes die Gnade des Erbarmens annehmen und sie daher auch andern gönnen lerne. Ja noch einen Schritt weiter: Jona war in seinem Schicksale das Vorbild dessen, in welchem erst recht das ganze Volk, ja die ganze Menschheit zusammengefaßt war, damit an ihm zur vollkommenen Erfüllung gelange das Gesetz der göttlichen Gerechtigkeit und Gnade über die Sünde, wie es an Jona vorläufig schon zur Erscheinung gekommen. Des Menschen Sohn vollzog die Sühne der Sünde, indem er in die Todesschrecken des Gerichtes Gottes hinabstieg, um von hier durch die Macht des Vaters zum Leben ausgeführt zu werden und allen Völkern die gute Botschaft des ewigen Erbarmens zu bringen. So hat er selber gesprochen: „diese böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen, und es wird ihr kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn gleich wie Jona war drei Tage und drei Nächte in des Walfisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten am jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie thaten Buße nach der Predigt Jonas. - Und siehe, hier ist mehr denn Jona. „Wenn wir auch nur in so flüchtigem Ueberblicke der ganzen Auffassungs- und Darstellungsweise, besonders aber den leitenden Hauptgedanken unseres Büchleins folgen, so müssen wir erkennen, daß dasselbe mit den übrigen Schriften der Männer Gottes an Geist und Form in harmonischem Einklang steht, und daß es in ihrer Reihe eine wohlbegründete und wesentliche Stelle einnimmt, indem es einen Hauptgedanken der göttlichen Offenbarung zur entwickelten Darstellung bringt. Wenn trotz allen nachfolgenden Weissagungen selbst zu Jesu Zeiten das Volk der Juden noch so zähe festhielt an seiner Gesinnung gegen die Heiden, wie sie der Herr in dem Gleichniß vom verlorenen Sohne an dem älteren Bruder schildert, so hätte wahrlich keinem alttestamentlichen Israeliten sein eigenes Fleisch und Blut eingegeben, eine solche Sendung eines Propheten in das Herz der Heidenwelt und eine solche göttliche Beschämung desselben zu dichten. Es muß auch eine zweifellose Gewißheit über die Wahrheit des Buches gewaltet haben, damit die Hüter des Heiligthums eine für den Prophetenstand, ja für ganz Israel so demüthigende Schrift im Gehorsam des Geistes Gottes zu den heiligen Rollen im Tempel niederlegten. Und gerade die Rettung Jonas aus dem Bauche des Fisches, an der sich der ungeistliche Sinn am meisten stößt und die er gerne als ein sabelmäßiges Mirakel hinstellen möchte, gerade sie erweist sich als gestempelt mit dem Gepräge der echten Wunder Gottes, als die nothwendige That der Gnadenkraft Gottes, auf welcher die göttliche Beglaubigung und die Bedingung gesegneten Wirkens für den Propheten beruht, als das Wahrzeichen, da Gott mit der That redet, wo das Verständniß für sein Wort noch nicht (oder nicht mehr) offen steht - und das sehen wir um so heller, je demüthiger wir uns bemühen, die Geschichte aus den Worten unseres Herrn zu verstehen, wie er sie verstanden hat. Auch hierin geht es dem Knechte nur wie dem Meister: es ist ja auch das Wort von dem Gekreuzigten und Auferstandenen den Juden ein Aergerniß und den. Griechen eine Thorheit, und ist dennoch Wahrheit, Gottes Weisheit und Gottes Kraft.

Ninive war also nicht untergegangen; es erstieg vielmehr, von dem Herrn zur Zuchtruthe Israels aufgespart, von hier an erst den höchsten Gipfel seiner Macht, freilich um von demselben dann einen raschen, tiefen und unheilbaren Fall zu thun. ^ Von dem achten Jahrhundert (vor Christo) an fällt uns etwas mehr Licht auf die Geschichte des Reiches Assur, weil es von da an mächtig nach Westen zu drängen begann und mit den Geschicken Israels sich verflocht. In den früheren Jahrhunderten scheint es sich, überhaupt nach Art der uralten Reiche, mit einer Abrundung des Länderbesitzes im nächsten Umkreise des Stammlandes begnügt und Zeit gebraucht zu haben zur innern Entwicklung und Erstarkung in der Pflege von Ackerbau, Gewerbe und Handel und in der Beherrschung der Vasallenländer. Nun aber erweitert sich sein Blick und seine Pläne fliegen höher: es beginnt darnach zu streben, eine Weltmacht zu werden (in getreuer Fortsetzung des zu Babel gescheiterten Unternehmens). Dazu war aber die Beherrschung der Meere, der Besitz der Küstenländer nothwendig; denn nur wer auf dem Meere gebietet, ist auch Herr der Länder; und die Meere wurden je länger je mehr die großen Handelsstraßen, deren Beherrschung nicht nur Macht, sondern auch Reichthum brachte. Bis zum persischen Meerbusen dehnte sich Assurs Gewalt aus; aber es galt nun, auch das rothe Meer und ganz besonders das mittelländische in die Hand zu bekommen. Da war denn das Land Israel (mit Phönicien) von ganz vorzüglicher Wichtigkeit: hier mündete der große Handelsweg, der über Damascus vom Tigris her gegen Westen zog; hier lagen die reichen Hafenstädte für die Tarsis-Schiffe; von hier aus beherrschte man die edomitischen Küstenplätze Eziongeber und Elath, in welchen die Handelsschiffe des rothen Meeres ankerten; hier endlich fand sich, namentlich in dem stark befestigten Jerusalem, der sicherste Anhaltspunkt zum Angriff auf das mächtige und fruchtbare Aegypten, mit welchem Assurs Weltmacht-Politik nothwendig in Zusammenstoß gerathen mußte.

So gierig und gewaltthätig aber Assur nach Westen drängte, so that es dieß zugleich mit großer Schlauheit und weitblickender Berechnung. Es hieb den Baum nicht um, dessen Früchte es pflücken wollte. Ihm war es nicht darum zu thun, einzelne große Raubzüge zu unternehmen und dann mit einer einmaligen, wenn auch noch so ergiebigen Beute heimzukehren; es wollte dauernde Zuflüsse aus den besiegten Ländern, es wollte diese Länder als blühende und schaffende Glieder seinem eigenen Staatsleibe anwachsen lassen, als feste Stützen seiner Macht und immer frische Quellen des Reichthums. Es war auch schon so weit civilisiert, daß es das nicht mit plumper Gewalt ausführte; es drohte und ließ sich mit Tribut beschwichtigen; es erschien als Helfer in der Noth, der natürlich seinen gewichtigen klingenden Lohn forderte; auch es verstand es, für „Ideen“ zu fechten, daß das Opfer ihm noch danken sollte (vergl. 2. Kön. 18, 31. 33), wenn ihm das Mark ausgesogen wurde; es schloß Verträge, und wenn der „Bundesgenosse“ seine auf die Dauer unerträglichen Bande sprengen wollte, so überzog es in gerechter Entrüstung das treulose Land mit Krieg, um es nun erst ganz zu verschlingen.

Israel aber kam diesen Plänen des gefährlichen Nachbars noch von sich ans entgegen. In dem stets neu ausbrechenden Hader zwischen den beiden Reichen Ephraim und Juda vermochte keines das andere zu bewältigen, wohl aber rieben sie einander auf, und richteten sich gegenseitig zu Grunde. Zugleich untergrub der einfressende Götzendienst das Vertrauen auf Gott, und zwar nicht nur in Samaria, sondern auch, obwohl langsamer, in der davidischen Dynastie. So wendete sich denn bald Ephraim, bald Juda an einen mächtigen Nachbarstaat, daß er ihm gegen den feindseligen Bruderkönig beistehe; am nächsten lagen die Syrer zu Damascus, welche denn auch an der Geschichte Israels ihren verderblichen Antheil reichlich hatten; sie traten aber doch in den Hintergrund gegen die beiden weit stärkeren Reiche Assur (Ninive) und Aegypten. Bei diesen hauptsächlich suchten die südlichen wie die nördlichen Könige in Israel Schutz und Hilfe. Das war Thorheit und Sünde wider den Herrn, ganz besonders von Seiten Judas, bei welchem doch das Licht der Wahrheit heller auf dem Leuchter brannte und welches die hohen, festen Verheißungen Davids vor dem Zehnstämmereich voraus hatte. Dieses gottverlassende Buhlen um die Gunst der heidnischen Weltmächte bildet daher auch bei den Propheten jener Zeiten einen Gegenstand wiederholter und eindringlicher Vorwürfe, darin dieselben dem Volke und dem Königshause mit Entrüstung sowie mit Verkündigung eines bösen Erfolges vorhalten, wie sie bald aus Assur sich vertrösten, bald am Nile Hülfe suchen und den Herrn verlassen, dem Herrn ihr Vertrauen entziehen, auf den sie doch allein angewiesen seien, und der allein Willen und Macht habe, wirklich sich ihrer anzunehmen. Und was religiös ein Unrecht war, das erwies sich auch politisch als Thorheit. Indem Israel anfieng, große Politik zu treiben, war es der irdene Topf, der mit dem eisernen auf Reisen geht; und anstatt, wie es meinte, klüglich durch die Eifersucht der beiden Großmächte stark zu werden, wurde es zu ihrem Zankapfel und mußte sich abwechselnd von der einen und der andern zertreten und verwüsten lassen.

Die erste Berührung Israels mit Assur finden wir in der Zeit, als das Reich Ephraim bereits seine letzte Blüte unter Jerobeam II. hinter sich hatte und dem Verfall entgegen gieng. Unter dem König Menahem (771-760) - so erzählt das zweite Buch der Könige (15,19) - kam Phul, der König von Assyrien, ins Land, und Menahem gab ihm 1000 Talente Silbers, daß ers mit ihm hielte und ihm das Königreich bekräftigte. Mit dieser Zinspflicht war der erste Faden angeknüpft, aus welchem zuletzt die erwürgende Schlinge werden sollte. Zwei Jahrzehnde später machte der ephraimitische König Pekach (753-738) ein Bündniß mit Rezin, dem Syrer-König zu Damascus, um das Reich Juda zu erobern. Ahas in Jerusalem raffte in seiner Bestürzung den königlichen nebst dem Tempel-Schatze zusammen und erkaufte damit den Assyrer-König Thiglath-Pileser, Phuls Nachfolger, welchem er sagen ließ (2. Kön. 16,7): „Ich bin dein Knecht und dein Sohn (d. h. ich unterwerfe mich dir), komm herauf und hilf mir aus der Hand des Königs zu Syrien und des Königs Israel, die sich wider mich aufgemacht haben. “ Thiglath-Pileser ergriff bereitwillig die Gelegenheit, sich einzumischen, und eroberte nicht nur Damascus, wo ihm Ahas persönlich seine Huldigung darbrachte, sondern auch einen Theil des Reiches Ephraim, nämlich die Gegenden östlich und nördlich am galiläischen See. Die Einwohner derselben führte er gefangen nach Assur und wies ihnen die Landschaft Kir in der Nähe des kaspischen Meeres zum Wohnsitz an, während er in die verlassenen israelitischen Orte assyrische Unterthanen verpflanzte. Das war der Anfang der assyrischen Gefangenschaft Israels, das Vorspiel der vollständigen Räumung des ganzen Reiches Ephraim, welche unter dem folgenden König von Ninive, Salmanasser, geschehen sollte. Hosea, der letzte König Samarias (729-721), suchte sich des lästigen Tributes an Assur zu entledigen, indem er eine Gesandtschaft zu So, dem König in Aegypten abordnete, um von dorther Beistand zu finden. Vielleicht veranlaßt« ihn dazu der Umstand, daß Salmanasser eine lange Belagerung der Inselstadt Tyrus aufgeben und mit geschwächter Heereskraft abziehen mußte. Die Hilfe aus Aegypten kam nicht, wohl aber der rachbegierige Assyrer. Nach dreijähriger Belagerung eroberte Salamanasser Samaria (721), und führte den König Hosea sammt dem größten und wichtigsten Theile seines Volkes weg, um sie zu Chalach (an den Tigrisquellen) am Fluß Chaboras und in Medien anzusiedeln, wobei auch er das eroberte und ausgeleerte Land sich dauernd zu sichern trachtete, indem er es mit Bewohnern aus seinen Stammlanden bevölkerte. Diese eingewanderten assyrischen Stamme, welche namentlich die fruchtbare Umgegend Samarias besetzten, sind es, die wir später unter dem Namen Samariter wieder antreffen.

Jetzt war nur noch Juda zu erobern, so besaß Assur das so wichtige Küstenland und stand an der Schwelle Aegyptens. Das gedachte Salamanassers Nachfolger Sanherib zu vollbringen. Hiezu fand er Anlaß, indem Hiskia, der König von Juda (725-696) die von seinem Vater Ahas gegen Thiglath-Pileser eingegangene Tributpflicht nicht mehr erfüllte, denn es wird rühmlich von Hiskia berichtet (2. Kön. 18, 5ff. ): „Er that, was dem Herrn gefiel, ganz wie sein Vater David; er vertraute dem Herrn, dem Gott Israel; er hieng dem Herrn an und wich nicht hinten von ihm ab; und der Herr war mit ihm, und wo er aus- und einzog, handelte er klüglich. Dazu ward er abtrünnig vom König zu Assyrien und war ihm nicht unterthan. “ Als aber Sanherib, welcher wahrscheinlich auch Absichten gegen Aegypten im Schilde führte, mit ungeheurer Heeresmacht heranzog, entfiel ihm der Muth; er bat um Gnade und sandte den auferlegten Loskauf, 300 Talente Silber und 30 Talente Gold. Es dauerte aber nicht lange, so zog Sanherib dennoch wieder heran, indem er wohl auf seinem Zuge gegen Aegypten nicht einen so unsichern Bundesgenossen im Rücken behalten wollte. Hiskia hatte jedoch die gegönnte Zeit benutzt, um Jerusalem zu befestigen (2. Chron. 32), und bot nun Widerstand. Vergeblich ließ Sanherib ihn und das Volk zur Uebergabe auffordern, wobei sein Gesandter die trügliche Hülfe Aegyptens treffend zeichnete: „Siehe, verlässest du dich auf diesen zerstoßenen Rohrstab, auf Aegypten? welcher, so sich jemand darauf lehnet, wird er ihm in die Hand gehen und sie durchbohren. Also ist Pharao, der König in Aegypten, allen die sich auf ihn verlassen. “ Er hätte hinzufügen können: also ist auch der König in Assur allen, die sich auf ihn verlassen. Hiskia verließ sich auf den Herrn, breitete vor dessen Angesicht die höhnenden Briefe Sanheribs aus, welche wiederholt zur Uebergabe drohend aufforderten, und betete (2. Kön. 19,15ff. ): „Herr, Gott Israel, der du über Cherubim sitzest, du bist allein Gott in allen Königreichen auf Erden, du hast Himmel und Erde gemacht;. . . höre die Worte Sanheribs, der hergesandt hat, Hohn zu sprechen dem lebendigen Gott. . . hilf uns aus seiner Hand, auf daß alle Königreiche auf Erden erkennen, daß du, Herr, allein Gott bist. “ Da verkündete der Prophet Jesaja die Erhörung im Namen des Herrn; und in der folgenden Nacht schlug der Engel des Herrn im assyrischen Lager 185,000 Mann, wahrscheinlich durch einen Pestwind. - Sanherib brach mit den Trümmern seines Heeres alsbald auf und kehrte nach Ninive zurück (714). Dort wurde er von seinen Söhnen Adramelech und Sar-Ezer ermordet, „da er anbetete im Hause Nisroch, seines Gottes.“ - Dieser Angriff auf Jerusalem war keineswegs eine bloß kriegerische und politische Unternehmung von Seite Sanheribs; letzterer war sich vielmehr dabei ganz wohl bewußt, daß er es mit dem Gotte Israels aufnehme; der Stolz der Königsmacht von Ninive gipfelte sich in dem Frevelmuthe, die Hand gegen die Stadt und den Tempel des Herrn auszustrecken; es sollte denn einmal darauf ankommen, ob der Gott des winzigen Ländleins Juda dem Gott und der Heeresmacht des gewaltigen Assur nicht unterliegen müsse. Darum legte auch der Herr, auf Hiskias gläubiges Gebet, Ehre ein um seines Namens willen, und schlug der herausfordernden Weltmacht mit Einem Zuge eine Wunde, von der sie sich nicht wieder erholen sollte.

In dieser Zeit trat der Prophet Nahum auf. Ueber dessen Person wissen wir gar nichts; selbst die Lage des Ortes Elkosch, der Heimat Nahums, ist streitig - nach den einen in Galiläa, nach den andern nördlich vom jetzigen Mossul, so daß Nahum ein Nachkomme der Gefangenen Thiglath-Pilesers gewesen wäre und im Reich Assur geweissagt hätte (was nicht wahrscheinlich); die Zeit, in welcher er aufgetreten, bestimmen wir aus Schlüssen, die uns sein Buch machen läßt, deren Auseinandersetzung hier aber zu weit führen würde. Doch sei im allgemeinen kurz bemerkt: die ganze Weissagung setzt voraus, daß Ninive noch stehe und blühe und daß es (nach dem Untergang Samarias) nun gegen Juda einen gottfeindlichen Plan ins Werk gesetzt habe („von dir ist ausgegangen der wider den Herrn Böses sann, der Belialsrathgeber“ 1,11); Juda aber empfängt die tröstliche Versicherung, daß der Feindselige kein zweites Mal seinen Angriff wiederholen werde. So war aber eben die Lage der Dinge nach dem Abzuge Sanheribs.

Das ganze Büchlein Nahums bildet Eine zusammenhangende, sprachlich und dichterisch ergreifend schöne, prophetische Rede wider Ninive. Vor allem wird der Herr, dessen Bote redet, der Heidenstadt angekündigt in seiner Macht, Majestät und Heiligkeit: „der Herr ist geduldig, und von großer Kraft, vor welchem Niemand unschuldig ist; er ist der Herr, deß Wege im Wetter und Sturm sind, und Wolken der Staub seiner Füße. . . . Wer kann vor seinem Zorne stehen, und wer kann vor seinem brennenden Grimme bleiben? Sein Zorn fließt wie Feuer, und Felsen stürzen vor ihm. Der Herr ist gütig und eine Feste zur Zeit der Noth, und kennet die, so auf ihn trauen. Aber mit überströmender Flut macht er ihrem Wohnsitz ein Ende und seine Feinde verfolgt Finsternis.“ Ninive aber vernimmt die Anklage, die ihr zum Verderben ausschlagen muß; sie hat sich frevelnd wider den Herrn gesetzt (1,11), der aber seine Ehre und sein Volk rächen will. Und nun schildert der Prophet mit lebendigen Bildern, wie die Helden sich sammeln, die bedrohte Stadt sich rüstet, wie der Sturm gegen sie angeht, wie sie erobert wird: - „stehet, stehet! Aber niemand wendet sich um . . . leer und ausgeleert und verheert, und zerflossenes Herz, und Wanken der Kniee, und Schmerz in allen Lenden und Aller Angesicht verliert die Farbe.“ Das, fährt der Prophet fort, ist der Lohn deiner Thaten.

Ninives Wesen wird mit zwei sprechenden Bildern gezeichnet. Zunächst mit dem einer Löwenhöhle: „wo ist nun die Wohnung der Löwen, und die Waide der jungen Löwen? da der Löwe und die Löwin mit den jungen Löwen wandelten, und niemand durfte sie scheuchen? Sondern der Löwe raubte genug für seine Jungen, und würgte es seinen Löwinnen; seine Höhlen füllte er mit Raub, und seine Wohnung mit dem, was er zerrissen hatte.“ Da wird das Streben und Walten der Weltmacht mit prophetischem Auge, die Politik mit göttlichem Blicke angeschaut. Die Großen der Erde brauchen beschönigende Worte, geben sich wohl gar einen Anschein von Recht und reden von Eroberung, Kriegsentschädigung, Gränzberichtigung, Tribut - der Prophet sagt: Raub. Mit einem zweiten Bild stellt er Ninive als Buhlerin dar, als die „Meisterin der Zauberei, die mit ihrer Hurerei die Völker und mit ihrer Zauberei die Nationen verkauft hat.“ Damit wird die trügliche Freundlichkeit geschildert, welche Freiheit, Völkerglück, Schutz und Hilfe auf ihre Fahnen schreibt, um ihre Länder- und Habgier zu befriedigen; ganz besonders aber ist dieß das göttliche Wort für die herzlose und eigensüchtige Handelspolitik, welche sich lockend und dienstfertig einschmeichelt, um das Leben ihrer Opfer zu vergiften und deren Mark auszusaugen. Diese zwei Bilder stehen da als ernste Lehre und Mahnung, als richtende Zeugen an die Reiche und die Fürsten der Welt nicht nur der damaligen Zeit, sondern bis herab auf unsere Tage; denket an Ninive, höret wie der heilige Gott ihr Wesen angesehen, schauet wie er die raubende Löwin, die verstrickende Buhlerin gerichtet hat!

Aber so lange ein Staat mächtig und blühend ist, kann ers nicht glauben, noch sich vorstellen, wie er sollte zu Boden gelegt werden. Darum hält Nahum der stolzen Ninive ein Beispiel vor Augen: „Meinest du, du seiest besser, denn No-Amon (das berühmte Theben in Oberägypten), die da lag an den Strömen und ringsumher Wasser hatte, deren Wall die Flut war, und deren Mauren aus der Flut aufstiegen? (wie eben auch Ninive auf seine Stärke durch Flüsse und Wassergräben trotzte, und sich auf seine vielen Hilfsvölker verließ.) Mohren und Aegypten war ihre unzählige Macht, Put und Lybien ihre Hilfe. Doch hat sie müssen vertrieben werden. . . . Also auch du „Und dieses Beispiel war um so schlagender, da wahrscheinlich Assur selber es war, das vor kurzem das gewaltige Theben so gebrochen hatte. Aber die Staaten reifen wie die Früchte: „Alle deine festen Städte sind wie Feigenbäume mit Frühfeigen; wenn man sie schüttelt, fallen sie dem ins Maul, der sie essen will!“ - Und mit ernstem, schwerem Gerichtsworte schließt der Prophet. Die macht- und volkreiche Stadt, deren Kaufleute mehr sind als Sterne am Himmel, deren Herren wie Heuschrecken: das Feuer wird sie fressen und das Schwert ausrotten. „Dein Volk wird auf den Bergen zerstreut sein, und niemand wird sie sammeln. Dein Schade ist nicht zu heilen, deine Wunde tödtlich. Alle, die solches von dir hören, klatschen in die Hände über dich; denn über wen ergieng nicht deine Bosheit beständig?“

Und die Erfüllung der Weissagung? Von Sanheribs Niederlage an (um 714) konnte sich das Reich Assur nicht wieder zu der alten Macht aufschwingen. Die unterworfenen Länder trachteten mit neuen Anstrengungen sich loszureißen, und gegen Ende des siebenten Jahrhunderts (625, nach Andern 605) eroberten die verbündeten Könige Cyaxares von Medien und Nabopolassar von Babylonien die Stadt Ninive. Von da an trat Babel als herrschende Weltmacht in den Vordergrund; Ninive aber ward nicht wieder gebaut; was aus der Zerstörung übrig geblieben war, das zerfiel und vergieng; die große Ninive verschwand vom Erdboden, und nicht einmal ihr Name4) blieb an dem Orte haften, wo sie gestanden; „ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“

Und doch sind ihre Trümmer merkwürdig durch Jahrtausende aufbewahrt geblieben, und heutiges Tages stehen die Steine auf und reden ihr stummes, gewaltiges Zeugniß von der Wahrheit des Wortes Gottes, von der großen, prächtigen, üppigen Ninive, von ihren Königen, ihren Reitern und Kriegswagen - und von dem Feuer des Gerichts, das ihre Paläste verzehrt hat. Gegenüber von Mossul liegen in bedeutender Ausdehnung eine Anzahl größerer und kleinerer Hügel; das magere Gras der Steppe steht darauf oder auch da und dort ein Dorf, d. h. ein Häuflein armer schmutziger Hütten, und in den dünnen Boden sät der Araber seine Hirse. In diesen Hügeln sind die letzten Reste von Ninives Herrlichkeit begraben, und der forschende Geist der Abendländer hat sie wieder aufgefunden. Schon der französische Consul Botta, namentlich aber in den vierziger Jahren der Engländer Layard hat aus dem Schooße der Erde ebenso merkwürdige als lehrreiche Alterthümer zu Tage gebracht. Der wichtigste dieser Schutthügel trägt noch heute den bedeutungsvollen Namen Nimrud. - Es sind vornehmlich die Trümmer der alten Königspaläste, welche aufgefunden wurden. Auch diese Gebäude waren aus Ziegeln, die an der Sonne gedörrt worden, erbaut; aber die Wände wurden dann vertäfelt, jedoch nicht mit Holz, sondern mit mächtigen fußdicken Steinplatten aus einem in der Nähe gebrochenen Alabaster. Dadurch gewannen die Gebäude natürlich an Festigkeit, wie wir es denn größtentheils diesen Steintafeln verdanken, daß überhaupt noch etwas von Ninive erhalten ist; dieselben halfen aber auch die Gemächer kühl halten, und verliehen ihnen - was nicht das Unwichtigste war - einen reichen, großartigen Schmuck; denn sie waren auf ihrer ganzen Fläche mit Bildwerk und Inschriften verziert. In dem einen Hügel waren die Steintafeln von der Hitze, der sie einst in dem brennenden Gebäude ausgesetzt gewesen, so mürbe geglüht, daß sie sich an der Luft rasch auflösten; in andern, namentlich dem Nimrud-Hügel, waren sie noch gut erhalten. Man hat auf große Ausdehnung die Mauern mehrerer Paläste mit Nachgrabungen verfolgt, so daß man ganze Grundrisse aufnehmen, sich einigermaßen eine Vorstellung bilden konnte, wie es mochte ausgesehen haben, als ein Schalman-Eser oder ein Sennacherib durch diese Räume schritt. Schon die Eingänge waren von colossalen 12 -18 Fuß hohen Relief-Figuren bewacht; da standen symbolische Gestalten mit dem Angesicht eines Menschen und dem Leib eines Löwen oder eines Stieres, aus welchem zwei große Flügel hervorgiengen; und trat man in die langen, schmalen, um der Kühlung willen nur spärlich hellen Gemächer ein, so zogen längs den Wänden hin die mannigfaltigen Bilder, welche ebenfalls in Relief auf den Steintafeln ausgehauen waren. Da saß der König auf seinem Stuhle, hinter ihm der bartlose Eunuch mit dem Fliegenwedel, vor ihm seine Diener; dort fuhr er auf seinem Wagen aus zur Löwen- oder zur Urochsen-Jagd, oder er kehrte triumphierend in Begleitung seiner Krieger aus der Schlacht heim, Ueberhaupt bildet begreiflicher Weise der Krieg am häufigsten den Gegenstand der mannigfaltigsten Darstellungen. Da zieht das Heer längs einem Flusse; es setzt über denselben, theils in unbeholfenen Schiffen, wie sie jetzt noch auf dem Tigris fahren, theils schwimmen die Krieger - ebenfalls, wie man es heute noch thut - auf aufgeblasenen Fellen; da steht eine feste Stadt mit Mauern, Thürmen, bewacht von Kriegern mit Schilden und Bogen; die Sturmleitern werden angelegt, der Sturmbock vorgeschoben; da steigen sie hinauf, es fallen, von Pfeilen durchbohrt, einzelne herab, andere drängen nach; die Stadt ist gewonnen; dort wandern gefesselte Männer, mit Säcken beladene Weiber unter kriegerischer Bewachung ins Exil; an einem andern Ort bringt man Köpfe der erschlagenen Feinde, ein Eunuch nimmt die Trophäen in Empfang, ein Schreiber merkt sie auf einer Rolle an. Auch das häusliche Leben hat seine - obwohl spärlichere - Vertretung; da tragen z. B. eine Reihe Diener Speisen für des Königs Tisch, einer Granatäpfel an lange Stäbchen aufgesteckt, ein anderer ebenso gespießte große Heuschrecken. Noch mögen einige Bilder, welche die Religion des Volkes Assurs betreffen, kurz erwähnt werden; wir sehen in mehrfacher Wiederkehr den heiligen Baum (verwandt mit der Astarte der Bibel) einen Stamm mit geißblattförmiger Verzierung, welchen gewöhnlich andere Göttergestalten umgeben, besonders aber eine Figur, in welcher man mit Wahrscheinlichkeit den Nisroch erkennt: ein riesenhafter Mann, ebenfalls von mehr als doppelter Menschengröße, mit einem Adlerkopfe (dessen spitze Zunge noch Spuren von rother Farbe hie und da trug) und mächtigen Flügeln; seine eine Hand bietet eine Frucht dar, ähnlich einem Pinienzapfen, die andere trägt ein viereckiges Körbchen - Symbole, deren Sinn noch nicht ermittelt ist.

Es ergreift uns ein überwältigendes Gefühl von der Herrlichkeit und der Nichtigkeit jener Größe, wenn wir auch nur auf den papierenen Abbildungen sie betrachten; jene gewaltigen Krieger mit ihren tiefernsten, unbeweglichen Gesichtern, ihrem vollen zierlich gelockten Bart- und Haupthaar, ihren reichen Gewändern; jene eigenthümliche Stufe der Kunst, vollendet in ihrer Art, mit den steifen und doch so kraft- und ausdrucksvollen Figuren, der merkwürdig schönen und richtigen Musculatur an Menschen und Thieren, der geschickten Sorgfalt der Zeichnung bis auf jede Locke, jede Franse, jede Feder hinab; jener Einblick in das Leben, namentlich das öffentliche und kriegerische Leben selber Zeit, oder wieder in den Stand der Mechanik, wenn sie selber uns abbilden, wie sie die Steinkolosse ihrer geflügelten Löwen und Stiere mit Walzen, Hebeln und Seilen fortschaffen; dazu die räthselhafte Keilschrift, lauter kleine Dreiecke, wie Pfeilspitzen, welche nicht sowohl durch ihre unterschiedliche Gestalt, als vielmehr durch die Art ihrer Zusammenstellung Schriftzeichen bilden, in deren Entzifferung die Gelehrten nun eindringen, um die Namen und Geschichten der Könige, der Erbauer jener Paläste zu erkunden -wir schauen da wie in einen Zauberspiegel in die versunkene Herrlichkeit einer gefallenen Weltmacht.

Sie ist vom Erdboden gefegt; aber das prophetische Gotteswort, das über sie einst ergangen, steht noch, und das Gottesvolk, welches sie wie einen Wurm zu zertreten gedachte, es lebt noch und wartet auf seine Herrlichkeit und auf seine Stadt, „welche Gründe hat“. Darin liegt der tiefe messianische Sinn unseres Propheten. Nahum, wie Jona, war nicht zunächst an Israel gesandt und auch ihm war nicht ein unmittelbares Wort der Verheißung von dem Herrn an sein Volk aufgetragen; er war ein Bote des Gerichtes, und das noch in strengerem Sinne als sein Vorgänger, aber des Gerichtes über die feindliche Weltmacht. Und dadurch war er mittelbar ein Bote des richtenden und erlösenden Gottes an sein Volk, das die gewissen Gnaden Davids hatte, dessen Gott seine Gaben und Berufung sich nicht reuen läßt. Er selber durfte es nur andeuten, wie der Herr geduldig sei und gütig, eine Feste zur Zeit der Noth, und die kenne, die auf ihn trauen; aber seine ganze Sendung war für Israel eine thatsächliche Verkündigung der Erfahrung, welche es später nach schweren Leiden der Gefangenschaft aussprach: der Herr züchtigt mich wohl, aber er giebt mich dem Tode nicht (Ps. 118). Die Züchtiger sind abgethan; der Gezüchtigte lebt noch und alle Gnadenverheißungen sind noch sein.

So redet auch zu uns der ernste Bote des Gerichtes über die nichtige Herrlichkeit der Welt: schaue die Güte und den Ernst Gottes; den Ernst an denen, die gefallen sind, die Güte aber an dir, sofern du an der Güte bleibest, sonst wirst du auch abgehauen werden!

Vorträge über die Propheten
Gehalten auf Veranstaltung eines christlichen Vereins
Vor Zuhörern aus allen Ständen
Basel
Bahnmaier’s Verlag
1862

1)
Nur Obadja hat noch eine ähnliche Stellung wie sie.
2)
Eine vermittelnde Ansicht sucht das Anstößige des Wunderberichtes zu umgehen durch die Annahme, das Buch sei ein Lehrgedicht; das erscheint aber schon der schlichten, streng geschichtlichen Form desselben gegenüber als künstlich und unberechtigt.
3)
Gegen Westen durch den Tigris, südlich durch den oberen Zab.
4)
Hingegen hat - merkwürdig - ein Hügel jener Gegend heute noch den Namen Rebi Juna (Prophet Jona); die (unwahrscheinliche) Sage läßt Jona da begraben sein.
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autoren/p/preiswerk/jona_und_nahum.txt · Zuletzt geändert: von aj
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