Pollio, Lucas - Predigt am Palmsonntage.

Pollio, Lucas - Predigt am Palmsonntage.

Wir haben durch Gottes Gnade abermals erlebt die heilige, fröhliche, herrliche und gnadenreiche Zeit des Jahres, da man von den fürnehmsten und allergrössten Gnadenwohlthaten der heiligen Dreifaltigkeit Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes in der Kirche pflegt zu predigen und das gemeine Volk zu erinnern von dem Leiden und Sterben Jesu Christi, unseres einigen Erlösers und Heilands. Derhalben, weil wir denn jetztund zusammen sind kommen, dass wir von den Passionswohlthaten des ewigen, allmächtigen Gottes zu reden heute anfangen und dieselbigen christlich mit einander betrachten wollen, o so gebe ein Jeder gut Achtung auf seine Person und sehe, dass er nicht allein mit dem Leibe, sondern auch mit der Seele in der Kirche sei. Passio tua, o Domine Jesu, est ultimum refugium et singulare remedium nostrum! sagen wir mit dem alten Passionsprediger Bernhardo. O Herr Jesu Christe, deine bittere Todesangst ist unsere letzte Zuflucht und allerkräftigste Arznei. O hilft, dass wir deinen Tod und seine Ursach fruchtbarlich bedenken, den kräftigen Passionstrost in unsern Herzen empfinden und durch dein Leiden und Sterben ewig selig werden mögen. Amen.

Evangelium Matthäi 21 (V. 1-9.).

Euch ist bekannt die wunderbarliche Historie 1. Sam. 11, als der arme, kleine David mit dem grossen, gewaltigen Riesen Goliath streiten und kämpfen sollte, da kam er mit seiner Schäferkeule getreten und brachte seine elende Schleuder mit sich. Aber also ist es zugegangen mit unserm Herrn und Heiland Jesu Christi, Davids Sohn nach dem Fleisch. Wie er die Schlacht mit seinen und unseren Feinden, mit dem Teufel und Hölle, halten soll, da kommt er auf einem Esel in die königliche Stadt Jerusalem geritten. Des lieben Davids Brüder spotteten und lachten des kleinen Bruders David, dass er sich an einen solchen grossen Riesen machen wollte. Also ist es dem Herrn Christo auch ergangen. Sein eigen Volk, die Juden, haben ihn verlacht, verspeiet und verspottet und seinen heiligen Namen aufs höchste geschändet und gelästert. Wir Christen aber wollen folgen den frommen, gottfürchtigen Leuten, welche die heiligen Evangelisten rühmen. Als sie gesehen, dass der Herr Christus den todten, stinkenden Lazarum auferwecket, haben sie Palmenzweige genommen, sind dem Herrn Christo entgegengelaufen, haben seinen allerheiligsten Namen gelobt und das fröhliche Benedictus mit Freuden gesungen.

Weil wir denn nun gehört in den vergangenen Fasten zur Vesperpredigt, dass Christus den todten Lazarum hat auferwecket, so wollen wir den ewigen, allmächtigen Sohn Gottes heute loben und preisen, nicht anders, als wären wir beim Grabe gestanden und hätten den todten, stinkenden Lazarum sehen herauskommen. O so muntert eure Herzen auf, ihr Kinder des lebendigen Gottes, rühmet und ehret den Herrn Christum, lobsinget seinem heiligen Namen. Gelobet und gebenedeiet seist du, o Herr Jesu Christe, für diese deine Gnadenwohlthat, dass du in diese Welt kommen und deinen zornigen Vater versöhnet hast, dass du das ganze Gesetz für uns gehalten und erfüllet, die Strafe erlitten an unserer Statt, den Teufel gefangen genommen und geschlagen, die Hölle geplündert und den ewigen Tod erwürget. O hilf, Herr Jesu, dass dein allerheiligstes Leiden uns stärke und tröste im Leben und auch im Sterben. Amen.

Darauf wollen wir auf dieses Mal mit einander hören folgende Lehrstücklein:

Erstlich, was der Herr Christus für ein Bedenken gehabt, dass er fünf Tage vor seinem Leiden in die Stadt Jerusalem eingeritten.

Zum Andern wollen wir beherzigen diesen schönen Machtspruch: Si hi tacebunt, lapides loquentur, werden Diese schweigen, so werden die Steine schreien.

Und weil sich menschliche Vernunft am Sohn Gottes und an seinen Werken nicht genugsam stossen und ärgern kann, so will ich vier Ursachen erzählen, warum der Herr Christus fünf Tage vor seinem bittern Leiden und Sterben in die Stadt Jerusalem eingeritten sei.

Vom Ersten.

Als der Herr Christus fünf Tage vor seinem schmerzlichen Leiden in die Stadt Jerusalem eingeritten, ist darum geschehen, damit offenbar würde, dass er das rechte Osterlämmlein sei, welches für die Sünde der Welt am Stamme des Kreuzes sollte geschlachtet und aufgeopfert werden.

Im alten Testament (Exodus 12) hatte Gott den Juden befohlen, wenn die zehn Tage dieses Monats kommen würden, so sollten sie ein Lamm von der Heerde absondern und vier Tage halten, gegen den Abend aber schlachten. Und dies ist ein schön Vorbild des Herrn Christi gewesen, welcher, weil er ist das Lämmlein Gottes und der ganzen Welt Sünde tragen sollen, so hat er sich auch auf den zehnten Tag in die königliche Stadt Jerusalem zu seinem Leiden und Sterben präsentirt und eingestellet, ist auch vier Tage in der Stadt geblieben, des Nachts aber alle Zeit aus derselben gegangen wegen seiner Feinde. Denn die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer waren dem Herrn Christo spinnefeind und gram und hatten öffentlich ausschreien lassen in der ganzen Stadt: Wo Jemand den Herrn Jesum von Nazareth beherbergen würde, der sollte des Todes sterben. Derwegen ist Christus alle Abend gegen die Nacht aus der Stadt gegangen und sich nach Bethanien begeben zu seinem Freunde Lazaro, welchen er von den Todten auferweckt hatte. Morgens frühe aber ist der Herr Christus wieder in die Stadt kommen, sich in den Tempel gefunden und daselbst gelehrt und gepredigt.

Hieraus lasst uns lernen, dass Christus der wahre Messias sei, den Vätern im alten Testament verheissen. Zum Andern sehen wir allhier die grosse Blindheit der Juden, welche nicht glauben wollen, dass Christus sei der verheissene Messias. Zum Dritten, dass Alles erfüllt sei, was die Propheten im alten Testamente geweissagt und verkündigt haben. Sehet, da man den Herrn Christum nicht will in der Stadt Jerusalem beherbergen, so geht er in ein klein Flecklein, gen Bethanien, da beherbergt man ihn gern. Also geht’s in der Welt zu jeder Zeit noch zu; wenn grosse Länder und grosse Städte Christum nicht beherbergen wollen, so geht er anderswohin. Ach, lasset uns zuschauen, dass der Herr Jesus Christus mit seinem Wort und Sacrament allhier zu Breslau und in diesem Lande bleibe bis zur Auferstehung der Todten. O schauet und beherbergt ihn auch gern in euern Herzen, so werdet ihr seine und er euer Freund bleiben, wie er des Lazari gewesen.

Die andere Ursach, warum der Herr Christus in die Stadt Jerusalem kurz vor seinem Leiden eingehet, ist diese, damit er beweisen möchte, dass er willig und gern sterbe für unsere Sünden. Derhalben hat er sich mit Freuden zum Tode präsentiret und eingestellt. Hievon hat längst zuvor der königliche Prophet David in des Herrn Christi Person gesagt: Ecce, venio, in capite libri scriptum est de me ut facerem tuam, Deus! (Ps. 40). Siehe, ich komme, im Buch ist von mir geschrieben, deinen Willen, mein Gott, thue ich gern. Und der Prophet Esaias (Cap. 58): Oblatus est quia ipse voluit. Da er gestraft und gemartert ward, that er seinen Mund nicht auf. Er hat’s willig und gern gethan, hat wohl gewusst, was ihm für eine Brühe zu Jerusalem bereitet wäre, dass man ihn würde gefangen nehmen, binden, geisseln, krönen, kreuzigen und tödten, und dass er würde sterben müssen, Das hat Christus wohl gewusst; dennoch geht er dem Tode entgegen. Derhalben sagt der Apostel in der Epistel an die Hebräer: Christus, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht. Er lässt sich nicht holen, sondern kommt selbst willig in der Feinde Hände, aus herzlicher Liebe gegen uns arme Menschen. Darum sagt Gerson recht: Christum mortuus est non ex necessitate sed ex caritate, aus grosser, inbrünstiger Liebe gegen mich und dich ist der Herr Christus gestorben. Und der heilige Kirchenlehrer Augustinus in seinem schönen Betbüchlein sagt dem Sohne Gottes Lob, Ehre, Preis und Dank für sein schmerzliches Leiden und Sterben und spricht: Domine Jesu Christe, plus me dilexisti quam te, o lieber Herr Jesu Christe, du hast mich armes Erdenwürmlein mehr geliebt, als dich selbst. Also sollen auch ich und du dem Herrn Christo danken: Herr Jesu Christe, deine Majestät hat mich mehr geliebt, als sich selbst. Wie lieben wir aber den Herrn Christum? Ein Jeder prüfe sein Herz, ich meines, du deines. Wir müssen uns Alle schämen vor dem Sohne Gottes, dass wir ihn so wenig lieben. O Herr Jesu Christe, verzeihe uns unsere Sünde und Missethat, rühre unser Herz durch den heiligen Geist, dass wir dir nicht allein in diesem, sondern auch im ewigen Leben für deine Passionswohlthaten danken mögen. Ehe denn ich und du sollten verloren werden, so hat sich Er, der Sohn Gottes, für uns dahingegeben und kommt williglich zum Tode aus Bewegung grosser Liebe gegen uns. O Gnade, o Liebe, o Barmherzigkeit über alle Barmherzigkeit!

Die dritte Ursach ist, dass er nicht allein die Bürger zu Jerusalem, sondern auch die ganze jüdische Nation aufwecken möchte mit seinem Einzuge, damit sie ihn für den wahren Messiam hielten. Im vierten Buche Mosis befiehlt der allmächtige Herr Zebaoth Mosi und sagt. Mache dir zwo Drommeten von dichtem Silber, dass du ihrer brauchest, die Gemeinde zu berufen, und wenn das Heer aufbrechen woll. Das ist eine schöne Figur, auf den Herrn Christum zeigend, gewesen, welche jetztund erfüllet ist. Wenn Christus würde aufbrechen, in die Schlacht ziehen und mit dem Teufel streiten, das Sacrament einsetzen, sterben und auferstehen, da hat er zwo Posaunen klingen und schallen lassen.

Die erste Posaune ist das grossmächtige Wunderwerk, dass er den verstorbenen und schon stinkenden Lazarum auferwecket. Denn ihrer viele sind durch dies Wunderwerk bewogen worden, dass sie an Christum gegläubet und seine Wohlthaten fortgerühmet haben, dass auch die Schriftgelehrten und Pharisäer gesagt: Was will daraus werden? Sollen wir die Länge stille schweigen, so wird ihm alle Welt zulaufen.

Die andere Posaune ist gewesen, dass die hebräischen Kinder mit heller Stimme singen und schreien: Hosiannah dem Sohne Davids, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosiannah in der Höhe! Und also hat Christus die jüdische Nation aufwecken wollen durch diese zwei Posaunen, dass sie ihn haben annehmen sollen. Wie Christus vor seinem Leiden und Sterben zwei Posaunen hat schallen lassen, also lässt er in der Welt alle Zeit sein heiliges Wort schallen, straft die Sünde und fordert uns zur Busse. Werden wir uns nun zur Busse aufwecken lassen, wohl uns in Ewigkeit! Die andere Posaune sind allerlei Zeichen am Himmel und Wunder, die uns Gott zeiget und weiset am Himmel. Der grosse Stern, welchen wir dies ganze Jahr gesehen, hat bedeutet den Abgang grosser Potentaten. Wie dieser Stern abgenommen und in die Höhe gestiegen, bis man ihn nicht mehr hat sehen können, also hat es in der Kirche bedeutet Veränderung der reinen Lehre, und dass das Evangelium abnehmen würde. Was noch im Rest sein wird, ist allein Gott bekannt. Derhalben, weil uns Gott durch die zwo Posaunen aufwecket, o so lasst uns Busse thun; denn das grosse Fest des jüngsten Gerichts wird nicht längst anbrechen, auf welches Christus, der Herr, die englische Himmelposaune wird schallen und rufen lassen: Surgite mortui, stehet auf, ihr Todten! Jesus Christus wird wahrhaftig nicht lange aussen sein, sondern wird kommen in grosser Majestät und Herrlichkeit. Wohl Dem, der da wachet und betet.

Die vierte Ursach, warum Christus zu Jerusalem so bettlerisch eingezogen, ist, dass wir sehen und merken sollen, was er für ein Reich haben werde. Die Juden lassen ihnen träumen, Christus, der verheissene Messias, würde wie der König zu Babylon einkommen, vielmal hundert tausend Kriegsknechte mit sich bringen und das Land mit Heereskraft einnehmen.

Wenn grosse Herren und Potentaten einziehen, so bringen sie viel Grafen, Fürsten und Herren mit sich; aber Christus bringt Niemanden, denn nur die hebräischen Kinderlein und etliche gemeine Leute mit sich in diese gewaltige, grossmächtige, königliche Stadt Jerusalem.

Andere Könige lassen Posaunen blasen, Heertrommeln schlagen, dass es in den Wolken des Himmels erschallet; man lässt grosse Geschütze abgehen, dass Alles kracht. Aber hier schreien nur die hebräischen Kinderlein Hosiannah. Andere Könige werden bald auf’s Schloss, auf die königliche Burg, oder auf’s Rathhaus begleitet. Aber Christus, der König der Ehren, lässt das Rathhaus und die königliche Burg zu Jerusalem bleiben und zieht in den Tempel, anzuzeigen, dass er sei ein ewiger, himmlischer und geistlicher König. Darum sagt er auch in seinem bittern Leiden: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. So merket wohl, dass unser Herr und Heiland Jesus Christus ein ewiger, himmlischer und geistlicher König ist.

Lasset uns auch allhier bedenken, wie wir uns dieses Königs trösten sollen.

Erstlich, gleich wie ein weltlicher König seine Unterthanen regiret, ihnen gute Gesetze fürschreibt, dass sie wissen, wie sie leben sollen: also der ewig regirende Himmelskönig Jesus Christus hat uns auch seine guten Gesetze fürgeschrieben, dass wir wissen, was wir thun und lassen sollen. Dieser unser König giebt den heiligen Geist, dass wir das Gesetz halten können, was den äusserlichen und auch etlichermaassen den innerlichen Gehorsam betrifft. Thue derhalben Busse und bitte um Regirung des heiligen Geistes. Der heilige Augustinus sagt: Hic rex regit nos ne cadamus, dieser König regirt uns, dass wir nicht in Sünde Schande, und Laster gerathen, und dass wir nicht in die Tyranney und Gewalt des Teufels fallen. Gehorchet nun dieses Königs Gesetzen und Wort, welcher uns regiret. Ist man doch so geschickt, dass man einem weltlichen Könige folget und lebet nach seinen Geboten und Willen; ei, wie viel mehr soll man des ewig regirenden Himmelskönigs Geboten folgen! Wer da will der gottlosen Welt, seinem sündhaften Fleisch und Blut und dem Teufel, und nicht dem Herrn Christo folgen, Dem wird’s ergehen, wie David spricht: Reges eos in virga ferrea et tamquam vas figuli confringes eos, du sollst sie mit einem eisernen Scepter zerschlagen, wie Töpfe sollst du sie zerschmeissen (Ps. 2). Und der heilige Kirchenlehrer Augustinus sagt: quos non regit, frangit, welche er nicht regirt, zerschmeisst er mit seinem königlichen Scepter zu Boden. Ach so erzürne doch nicht mit wissentlichen, muthwilligen Sünden deinen Ehrenkönig, dass er mit seinem eisernen Zornscepter nicht auf dich zuschlage.

Zum Andern, wie weltliche Könige ihre Unterthanen beschützen wider allerlei Gewalt und Unrecht: also wird Christus, der König der Ehren, seine Unterthanen in seinem himmlischen und geistlichen Reich schützen und handhaben wider die grausame Gewalt des Teufels und des ewigen Todes. Princeps mundi judicatus est, der Fürst dieser Welt ist gerichtet, sagt der Sohn Gottes. Und bei dem Propheten Hosea spricht der allmächtige Gott: De manu mortis liberabo eos, ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tode erwecken (Hosea 13). An diesen Machtspruch des allmächtigen Gottes sollst du stets gedenken, und wenn dich der Tod krengeln wird, und du die Welt wirst gesegnen sollen, so sollst du sagen: O Herr Jesu Christe, hier liege ich armer Sünder, kann weder Hände noch Füsse regen, kann mich nicht rühren; derhalben beweise deine königliche Gewalt und Gnade an mir. Die Teufel funkeln um mich, die Hölle sperret den Rachen auf, der Tod schnappt nach mir, ach Herr, hilf und errette mich, lass mich nicht entfallen von des rechten Glaubens Trost! Werdet ihr nun den Herrn Christum herzlich angerufen haben, so wird er sagen: Ihr Teufel, rühret meinen Gesalbten nicht an, lasst mir diese zufrieden, sie sind meine Brüder, meine Schwestern, sie sind Söhne und Töchter Gottes, meines himmlischen Vaters. Wie sich der Herr Christus offenbaret hat dem sterbenden Stephano, also, wen du dem Herrn Christum lieben wirst und seine Stimme gehorchen, so will er dein König sein und bleiben und sich dir auch an deinem letzten Ende offenbaren.

Andere Könige müssen Krone und Scepter niederlegen und sterben; aber Christus ist ein unsterblicher König, sintemal seine Herrschaft kein Ende hat. Und also sagt er auch selbst (Joh. 14): Ego vivo et vos vivetis, ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Andere Könige verehren ihr Hofdiener mit güldenen Ketten und Credenzern, schenken Dem ein Schloss, einem Andern ein Dorf oder eine Stadt. Aber Christus Jesus, der ewig regirende Himmelskönig, will Denen, so ihn lieben und ehren, nicht eine güldene Kette, nicht ein Dorf, sondern den Himmel schenken, und allhie im Reich der Gnaden will er ihnen geben Vergebung der Sünden, den h. Geist und endlich aus Gnaden das ewige Leben und die ewige Freude, Glorie und Herrlichkeit. Solche Schätze bringt der ewig regirende Himmelskönig Jesus Christus mit sich und theilet sie unter seine Unterthanen.

Andere Könige kleiden ihre Diener in eine gewisse Hoffarbe. Also kleidet Christus seine Diener auch allhie in diesem zeitlichen Leben in die Farbe, die er selbst getragen hat, das ist, in die Kreuzfarbe, dass auch Die, so ihm angehören, müssten mit ihm leiden, das Joch des Herrn auf sich nehmen und ihrem obersten Kreuzherrn Jesu Christo gehorsamlich nachfolgen. Wer Dieses willig und gerne thut, der soll in regno gloriae, im Reich der ewigen Herrlichkeit, gekleidet werden mit ewiger Freude, er soll und wird leuchten wie das Firmament am Himmel und wie die Sterne immer und ewiglich, sagt der Prophet Daniel am 12. Capitel. Und so redet auch der heilige Apostel Paulus (Phil. 3.): Unsere Leiber werden dem verklärten Leibe Jesu Christi ähnlich sein und leuchten wie die Sonne. O du christliches, trauriges und betrübtes Herz, tröste dich hiemit in aller deiner Traurigkeit, ja mitten im Tode, so wirst du ritterlich ringen und durch Tod und Leben tröstlich hindurchdringen in das ewige Leben.

Andere Könige, wenn sie Gaben austheilen, so behalten sie Scepter und Krone. Aber Christus wird alle seine Unterthanen krönen, einem jeden Diener eine sonderliche Krone geben; denn er hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater, sagt der heilige Apostel Johannes in seiner geheimen Offenbarung am 1. Capitel. Darum wird er uns auch krönen und zieren mit ewiger Herrlichkeit und Freude. Allen Kindern Gottes, die allhier ihre Sünde herzlich beweinet und Busse gethan, an Christum gegläubet, eine gute Ritterschaft geübet, den Glauben behalten und ein gut Gewissen bewahret, soll beigelegt werden die unvergängliche Krone der Ehren, und sollen Könige im Himmel werden und mit Christo herrschen in alle Ewigkeit.

Jesus Christus, der ewige und im Himmel und auf Erden allein herrschende Ehrenkönig, helfe euch und mir und uns Allen zu der himmlischen, ewigen Unsterblichkeit und Klarheit und verleihe, dass wir einander dort im ewigen Leben mit Freuden anschauen mögen. Amen.

Vom Andern.

Als Christus am Oelberge herreitet, und die hebräischen Kinderlein ihr Hosiannah aus dem 118. Psalm singen, werden die Pharisäer und Schriftgelehrten zornig und entrüsten sich darüber, stellen auch den Herrn Christum über diesen seinen Einzug zu Rede und sagen: Hörst du auch, was Diese sagen? Ja, etlichen Pharisäern im Volk ist die Galle gar übergelaufen, und haben gesagt: Meister, strafe doch deine Jünger. Als wollten sie sagen: Verbeut ihnen doch, dass sie nicht ein solch Geschrei halten. Aber der Sohn Gottes giebt ihnen die richtige Antwort und sagt: Habt ihr nie gelesen: Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du Lob zugerichtet? (Ps. 8). Ich sage euch, wo Diese werden schweigen, so werden die Steine schreien. Den sauer gehenden Pharisäern gefällt dieser Einzug des Herrn in die Stadt Jerusalem nicht. Ob sie wohl eines Theiles selber mit hineinziehen, so folgen sie doch nur bloss dem Herrn Christo, wie Augustinus redet, mit ihrem Leibe, nicht mit ihrem Herzen. Ihr Herz ist weit vom Herrn Christo; ja, sie sind voll bitterer Galle; von Aussen scheinen sie vor den Menschen fromm, aber inwendig sind sie voll Heuchelei und Untugend. Ein solches Geschrei führen noch heut über uns unsere Pharisäer, die Papisten, und sagen: O Herr Gott, strafe doch die Lutheraner, damit sie doch mit ihrem fünfzigjährigen Evangelio nicht also die Welt einnehmen, und so viel an ihnen ist, helfen sie treulich Feuer und Holz zutragen, dass nur die Lutherischen weggeräumt werden möchten. Aber, der im Himmel wohnet, lachet ihrer, und der Herr spottet ihrer, sagt König David im 2. Psalm.

Christus hat allenthalben seine Feinde, wo er nur hinkommet. Als Christus im Hause Jairi sagt: Puella dormit, das Mägdlein ist nicht todt, sondern es schläft, da lachet und spottet man sein. Als er Lazarum aus dem Grabe auferwecket, da sind etliche junge Lützel gestanden und haben gesagt: Konnte, der dem Blinden die Augen aufgethan hat, nicht verschaffen, dass auch Dieser nicht stürbe? Ja, als Christus nun am Kreuze hängt, so sagen sie: Bist du Gottes Sohn, so steig vom Kreuze und hilf dir selbst. Als wollten sie sagen: O ich meine, wir hätten es getroffen, wenn wir dich zum Könige hätten angenommen; siehe, da hängst du am Holze und musst sterben! Also geht’s heut zu Tage noch zu in der Welt. Wo das Evangelium gepredigt wird, da sind allewege böse Buben drunter, die dem heiligen Geiste widerstreben und in ihren Sünden fortfahren. Es bestehet aber gleichwohl der feste Grund Gottes und hat dies Sigel: Der Herr kennt die Seinen! sagt der Apostel Paulus in seiner anderen Epistel an den Timotheum am 2. Capitel. Ach, ein Jeder prüfe und spiegele sich! Ach sehet, dass ihr Christo nicht allein mit dem Leibe nachgehet, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer; sehet, dass ihr das Evangelium nicht zur Verdammniss, sondern zu eurer Seelen Seligkeit höret und gebrauchet, damit ihr auch das Ende des Glaubens, welches ist das ewige Leben, davon bringen möget.

Dass aber der hochgelobte Ehrenkönig Jesus Christus in seinem Einzige zu seinen Feinden, den Schriftgelehrten, sagt: Si tacebunt hi, lapides loquentur, werden Diese schweigen, so werden die Steine schreien, sehen wir daraus, dass der Herr Wohlgefallen habe an dem Freudengeschrei der hebräischen Kinderlein, und ist ihm die liebe Einfalt gar lieb und angenehm. Denn was die Welt verachtet, Das liebet Gott und rühmet es. Also sind noch heut zu Tage alle Menschen, sie sind edel oder unedel, reich oder arm, welche nur seinen heiligen, göttlichen Namen ehren, loben und anrufen, Gott im Himmel lieb und gefällig; er will sich auch ihrer wiederum treulich annehmen und sie in der fröhlichen Auferstehung von den Todten öffentlich vor der ganzen Welt rühmen und mit ewiger Herrlichkeit zieren. Christus nimmt sich seiner Cantorei an und defendiret dieselbe aus dem 8. Psalm: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du dir eine Macht zugerichtet. Als wollte er sagen: Ihr Schriftgelehrten wollet mich nicht loben, ihr grossen Prälaten schändet meinen Namen, darum müssen es arme, gemeine Leutlein thun. Lapides loquentur, die Steine werden reden und schreien. Als wollte er sagen: Wollet ihr Alten mich nicht vor der Welt rühmen und ehren, so sollen es die kleinen Kinderlein mit ihrem Hosiannah thun.

Also gehet es alle Zeit in der Welt zu. Christi Ehr und Lehr hat nicht müssen verschwiegen bleiben. Als die Apostel zu Winkel krochen, siehe, da hat der Schächer am Kreuze gepredigt. Ist das nicht ein grosses Wunder? Dieser elende Mensch hängt da nackend und blutig am Holze und redet vom Herrn Christo so herrlich, als hätte er den Herrn Christum in seiner Herrlichkeit gesehen. Nicht längst danach kommt ein Anderer, nämlich der Hauptmann, der schreiet öffentlich vor allem Volke aus: Profecto hic fuit filius Die, dieser ist wahrlich Gottes Sohn gewesen. Weil ihr Juden mich nicht loben wollt, so werden die Gojim, die Heiden, kommen und mich annehmen, ehren, rühmen und preisen: Lapides loquentur, die Steine werden schreien, spricht Christus. Mich dünkt, die Steine an den Stadtmauern, an den gewaltigen Thürmen und stattlichen Häusern zu Jerusalem, haben ja geschrieen: Als die Juden den Herrn Christum nicht haben annehmen wollen, da ist Titus Vespasianus mit seinem römischen Kriegsvolk hinter ihnen hergewesen, die haben steinerne Herzen gegen die Juden gehabt und sie ohne alle Barmherzigkeit erwürget, den Tempel angezündet und mit Feuer verbrannt, dass die Steine auf allen Seiten vom Feuer zersprungen und schreien gleich über die gottlosen Leute zu Jerusalem. Und weil die Juden steinerne Herzen gegen den Herrn Christus hatten, so nahm Christus andere Leute an, die aus heidnischem Stamm geboren waren und liess Denen das heilige Evangelium predigen; wie auch der heilige Apostel Paulus und Barnabas auch den Juden Solches unter die Augen gesagt: Euch musste zuerst das Wort Gottes gesagt werden, nun ihr es aber von euch stosset und achtet euch selbst nicht werth des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Heiden (Actor 15). Als die Juden aus dem Stamm Abraham des Herrn Christi spotten, so wendet sich Christus zu den armen Heiden. Gott kann es nicht leiden, wenn man seinen lieben Sohn lästert und unehrt und sein heiliges Evangelium verfolget. O so lasset uns wohl zuschauen und also leben, dass die Steine nicht auch über uns schreien dürfen, wie über die Juden, und dass Gott nicht von uns auch wegen unserer grossen Undankbarkeit wandern möge. Davor behüte uns der allmächtige und gnädige Gott um Jesu Christi, seines lieben Sohnes willen, hochgelobet in Ewigkeit. Amen.

Also haben Eure Lieben ganz kürzlich angehört die Ursachen, um welcher willen der Herr Christus fünf Tage vor seinem bittern Leiden und Sterben in die Stadt Jerusalem hat einziehen wollen: 1) damit er darthäte, dass er sei das Lamm Gottes, welches der ganzen Welt Sünden trägt; 2) dass er freiwillig für uns gestorben; 3) dass er die Juden aufmuntern wollte; 4) dass er ein ewiger, himmlischer und geistlicher König sei.

Zum andern Stück habt ihr vernommen den herrlichen Machtspruch unseres Herrn Christi: Si hi tacebunt, lapides loquentur, wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien. Zu allen Zeiten sind fromme Menschen gewesen, welche den Namen Gottes gerühmet, gelobet und gepreiset haben, und werden ihrer auch alle Zeit bis zu der Auferstehung der Todten gefunden werden.

O hilf, du ewiger Gott, dass auch wir unter Denen sein und bleiben mögen, welche dich fürchten, deinen allerheiligsten Namen ehren und dein heil. Wort lieben, gern hören und fleissig bewahren, damit wir auch nach diesem elenden, mühseligen Jammerleben in die ewige Freude und Herrlichkeit mit allen auserwählten Kindern Gottes eingehen mögen. Amen.

Gebet.

Allmächtiger, ewiger Gott, Vater unseres Herrn Jesu Christi, du bist allein rein und heilig, wir aber sind unrein und unheilig. Darum beichten wir heute und klagen abermals über unsere grosse Sicherheit. Die Berge und der Erdboden zittern vor dir, aber unsere Herzen haben sich oft nicht bewegen wollen. Ach, Herr, erbarme dich unser, rege und bewege unsere Herzen, hilf, dass wir deine Wohlthaten erkennen und dir dafür danken. Benedictus qui venit in nomine Domini! O Herr Jesu Christo, dir sei Lob, Ehre, Preis und Dank gesagt, dass du dich zu der blutigen Passion willig und gern eingestellt und mit deinem allerheiligsten Leiden und Sterben das Gesetz erfüllet, den zornigen Gott versöhnet, den Teufel geschlagen, die Hölle geplündert, den ewigen Tod erwürget und den Himmel geöffnet hast. O gelobt sei deine grosse Barmherzigkeit, deine Liebe und Demuth von nun an bis in Ewigkeit. Herr Jesu, gieb uns allesammt christliche, Gott liebende Passionsherzen, stärke unsern Glauben, gieb, dass wir wachsen und zunehmen in der Gottseligkeit, behüte unser liebes Vaterland vor allem Jammer und Herzeleid, sei uns Allen gnädig und gedenke unserer Sünden nimmermehr um deines bittern Leidens und Sterbens willen! bitte deinen himmlischen Vater für uns, hilf, dass wir deine Ehre und Lehre treulich befördern und zu dir in dein ewiges Jerusalem kommen mögen. Da wollen wir mit allen triumphirenden Christrittern das himmlische Palmfest begehen und dir sammt deinem himmlischen Vater und dem heiligen Geist ein fröhliches Hosiannah singen immer und ewiglich. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters

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