Philipps, Dirk - Von der wahren Gotteserkenntniß.

Philipps, Dirk - Von der wahren Gotteserkenntniß.

Eine wichtige Ermahnung und kurze Unterweisung durch Dirk Philipps.

Joh. 5, 24. Wer mein Wort höret, (spricht Christus,) und glaubet dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.

Joh. 17, 3,

Das ist das ewige Leben, daß sie Dich, der Du allein wahrer Gott bist und den Du gesandt hast, Jesum Christum erkennen.

Der Gruß.

Den geliebten und treuen Brüdern und Schwestern, die gleichen Glauben mit uns empfangen haben, wünschen wir viel Gnade, Friede und Barmherzigkeit von Gott, unserm himmlischen Vater, und von Jesu Christo, unserm einigen Herrn, Erlöser und Seligmacher, der sich selbst für uns gegeben hat, auf daß er uns erlösete von dieser gegenwärtigen argen Welt, nach dem Willen seines Vaters, welchem sei Preis in Ewigkeit! Amen.

Eine Ermahnung, die wahre Gotteserkenntniß betreffend.

Ich danke dem Herrn, dem allerhöchsten Gott Himmels und der Erde, und freue mich im Innersten meiner Seele, nachdem ich gehört habe von eurem Glauben in Gott, von eurer Erkenntniß Christi Jesu und des heiligen Geistes, und von eurer Liebe zu allen Gläubigen. Und ich bitte Gott, den ewigen Vater, durch Christum Jesum, daß er euch in wahrhaftigem Glauben, in lebendigem Eifer und in reiner Liebe bis an das Ende bewahren wolle, auch daß ihr darin täglich wachsen und zunehmen möget, auch daß ihr unsträflich erfunden werdet auf den Tag des Herrn, erfüllt mit allerlei Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum in uns geschehen, zur Ehre und Verherrlichung Gottes.

Ich ermahne euch durch die Liebe des Geistes, daß ihr allezeit Gott danket für seine unergründliche Barmherzigkeit, die er so reichlich an euch bewiesen hat. Gedenket daran, daß ihr hier vormals in Aegypten, d. h. in der Finsterniß saßet, Knechte der Sünde waret, vom Teufel gefesselt, seinem Willen unterthan, und wie wunderbar euch Gott daraus erlöst hat. Nehmet es zu Herzen, daß ihr so viele Schulden gehäuft und nicht bezahlen konntet und daß Gott euch so gnadenvoll Alles geschenkt und erlassen hat. Gedenket, daß ihr mit dem verlorenen Sohne entfremdet gewesen seid von eurem himmlischen Vater, daß ihr mit der babylonischen Hure viel geistliche Hurerei, (d.i. Abgötterei) getrieben habt, und daß euch Gott nach seiner großen Güte und Langmuth so gnadenvoll wieder aufgenommen, seinen ewigen Bund mit euch gemacht, Christum Jesum euch geschenkt und mit allen Engeln im Himmel sich über eure Bekehrung gefreut hat.

Darum sehet nun wohl zu, daß ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangen habt, sondern bedenket, daß ihr darum von Gott aus der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht berufen seid, damit ihr als Kinder des Lichts wandelt und daß euch darum viele Sünden vergeben sind, damit ihr nicht mehr sündiget und daß ihr darum von Gott, dem himmlischen Vater, zu Gnaden angenommen seid, damit ihr alle Tage eures Lebens ihm dienet in Heiligkeit und Gerechtigkeit, dazu euch Gott auserwählt, berufen und angenommen hat in Christo Jesu. Diese Verpflichtung ist euch in dem Evangelio vorgehalten in dem Bilde derer, die Christus gesund gemacht und zu denen er gesprochen hat: „Gehet hin in Frieden, und sündiget hinfort nicht mehr, auf daß euch nicht Schlimmeres widerfahre.

Aus dieser Ursache habe ich mir vorgenommen, euch mit Wenigem zu ermahnen und die hauptsächlichsten Stücke eurer Seligkeit durch Gottes Gnade euch vorzuhalten. Und zwar will ich zu euch reden von der wahrhaftigen Gotteserkenntniß, dem rechten Glauben, der aufrichtigen ungefärbten Liebe und der lebendigen Hoffnung. Denn wo keine Gotteserkenntniß ist, da ist große Unwissenheit und da nimmt die Bosheit überhand. Wo kein Glaube ist, da mag man Gott nicht gefallen. Wer nicht lieb hat, der bleibt im Tode. Und wo die lebendige Hoffnung fehlt zu Gott und dem ewigen Leben, da findet sich ein verzagtes Gemüth und ein friedeloses Gewissen.

Zum Ersten müssen wir Gott, den Vater, und seinen Sohn Jesum Christum und den heiligen Geist erkennen. In der Erkenntniß Gottes, des Vaters, sind vornämlich drei Dinge begriffen, wir müssen nämlich seine ewige allmächtige Kraft und Weisheit, durch welche er alle Dinge geschaffen hat, seine ewige, göttliche Gerechtigkeit, durch welche er die Sünden, beide, an den Engeln und Menschen, so hart bestraft hat und seine unergründliche, väterliche Barmherzigkeit, durch welche er uns Jesum Christum zu einem Erlöser und Heiland gemacht, recht erkennen.

Die Erkenntniß der allmächtigen Kraft und Weisheit Gottes lehrt uns, daß wir allein auf Gott sotten vertrauen, bei ihm allein Hilfe, Schutz, Seligkeit und alle guten Gaben suchen, von ihm sie erbitten und begehren und nicht von irgend einer Creatur, fei es im Himmel oder auf Erden. Denn da ist Niemand, der uns helfen kann, als der allmächtige Gott allein, der zu Abraham gesagt hat: „Ich bin der Gott Schadai, (d. i. ein Allmächtiger) und eine allgenugsame Fülle alles Guten; der auch zu Israel gesagt hat: „Ich bin dein Herr und dein Erlöser, der Heilige in Israel, der gerechte Gott und Heiland, und ist kein anderer Gott außer mir.“

Die Erkenntniß der Gerechtigkeit Gottes lehrt uns Gott fürchten, aufrichtig Buße thun, von Sünden ablassen, vor Gottes Zorn und Gericht erschrecken und nach der Gerechtigkeit trachten, auf daß wir nicht in die Hände des lebendigen Gottes fallen. Denn darum hat Gott seine Gerechtigkeit so ernst offenbart an den Engeln im Himmel, die gesündigt haben, an Adam und Eva im Paradies, an den Städten Sodom und Gomorra, und an vielen andern, auf daß er ein Exempel seiner ewigen Gerechtigkeit dadurch ans Licht stelle und wir daraus lernen sollten, ihn als einen gerechten Gott und Richter und als einen starken eifrigen Gott, und als ein verzehrendes Feuer zu fürchten und vor Augen zu halten.

Die Erkenntniß der Barmherzigkeit Gottes lehrt uns Gott lieb haben, um deswillen, daß er also uns geliebet und seinen eingebornen Sohn für uns in den Tod gegeben hat, damit wir durch ihn ewiglich leben möchten. Denn: „also hat Gott die Welt geliebt, sagt Johannes, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh. 3, 16.) Und wiederum: „Daran ist erschienen die Liebe Gotte gegen uns, daß er seinen eingebornen Sohn für uns gegeben hat, daß wir durch ihn leben möchten.“ Kurz, Gottes Liebe gegen uns ist darin vom Himmel geoffenbaret, daß er solchen theuren Schatz, seinen über Alles geliebten, einigen Sohn, uns geschenkt, ja, mit allen seinen himmlischen Gütern ihn uns zum Eigenthum gegeben hat.

Was die Erkenntniß Jesu Christi betrifft, so sind auch hier insonderheit drei Dinge wohl ins Auge zu fassen und zu bedenken, nämlich seine wahrhaftige Gottheit, nach welcher er aus Gott geboren und von Anfang und von Ewigkeit mit dem Vater Eins ist, seine reine unbefleckte Menschheit, die aus dem Wort durch Wirkung des heiligen Geistes geworden ist, und nicht von eines Menschen Fleisch und Blut, und seine Gnade, Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit, Erlösung und Beseligung.

Die Erkenntniß der wahrhaftigen Gottheit Christi lehrt uns, daß wir ihn für unsern einigen Erlöser und Seligmacher halten und an ihn, als unsern Gott und Herrn, glauben sollen, auf daß wir durch ihn selig werden mögen. Denn das ist der Wille des himmlischen Vaters, daß, wer den Sohn stehet und an ihn glaubt, das ewige Leben habe, wer aber ihn verachtet, und nicht an ihn glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes wird über ihm bleiben. Es kann nun aber Niemand an den Sohn Gottes, Jesum Christum, glauben, ohne die rechte Erkenntniß seiner wahrhaftigen Gottheit. Denn es gilt eben kein Glaube, als der an Gott allein, und außer diesem Glauben ist keine Seligkeit. (Ich spreche von dem alten und verständigen.) Darum ist die Erkenntniß von der wahrhaftigen Gottheit Jesu Christi vor allen Dingen nöthig zur Seligkeit.

Die Erkenntniß der heiligen Menschheit Jesu Christi lehrt uns zu Herzen nehmen und uns aneignen den überfließenden Reichthum der Gnade Gottes, daß er seinen eigenen, erstgebornen und einigen Sohn, sein ewiges, allmächtiges Wort, in der Gestalt des sündlichen Fleisches gesandt und für uns dahin gegeben hat in den allerschmachvollsten Tod am Kreuz. Auch halben wir darin die Versicherung, daß wir einen freien Zugang zu Gott, dem Vater, durch ihn haben in dem heiligen Geist, indem er unser Bruder geworden ist, uns in Allem gleich, die Sünde ausgenommen, damit er unser treuer Hoherpriester, Versöhner und Mittler bei Gott sei, uns helfe, und Mitleid habe mit unserer menschlichen Schwachheit. Denn einen solchen Mittler mußten wir haben, der Beides, Gott und Mensch, ist, auf daß er nach seiner wahrhaftigen Gottheit uns vollkommen helfen und, weil er ein Mensch ist, der in allen Dingen versucht wurde, doch ohne Sünde, die er nicht gekannt hat, mit unserer Schwachheit Geduld haben kann.

Die Erkenntniß der Gnade unseres Herrn Jesu Christi lehrt uns, daß wir nicht durch irgend eines unserer eigenen Werke, noch durch ein anderes Mittel selig werden und die Seligkeit suchen dürfen, denn allein durch das Verdienst unseres Herrn Jesu Christi, denn er ist unsere eigene Gerechtigkeit, Heiligkeit und ewiges Leben, er ist unser Erlöser, Fürsprecher, Versöhner, Seligmacher und Thron der Gnade durch den Glauben in seinem Blut. Sein Leiden ist unsere Freude, sein Kreuz ist unser Sieg und Ruhm; sein Tod ist unser Leben, seine Auferweckung von den Tobten ist unsere Auferstehung zu der ewigen Herrlichkeit, seine Himmelfahrt ist unser Weg zum Vater, seine Gemeinschaft mit uns ist unsere Gemeinschaft mit Gott, unsere Theilnahme an der göttlichen Natur und der Unsterblichkeit.

Ferner, was die Erkenntniß des heil. Geistes betrifft, so sind auch, hier drei Stücke ins Auge zu fassen; zum Ersten sein wahrhaftiges, göttliches Wesen, nach welchem er von dem Vater, durch den Sohn ausgeht, zum Andern, seine Wirkungen in allen Gläubigen, denn er tröstet, stärkt und versiegelt sie, auf den Tag der Erlösung; er lehrt sie Gott fürchten, an Gott glauben, ihn recht anrufen und zu ihm beten, kurz, er theilt ihnen alle geistlichen, guten Gaben mit nach seinem Willen. Drittens, sein Strafamt über die Sünden der Welt, d. h. über die Ungläubigen, oder über die falsche Gerechtigkeit, oder das ungerechte Gericht, welches die Welt über die Kinder Gottes und über alle göttliche Dinge übt.

Die Erkenntniß der Gottheit des heil. Geistes lehrt uns, daß wir seiner Kehre und seinem Zeugniß glauben sollen, weil er Gott und allein wahrhaftig ist und nicht irren kann, weshalb auch Alles, was der heil, Geist durch die Propheten und Apostel, ja durch Jesum Christum selber, geredet und gesprochen hat, die ewige und bleibende Wahrheit und das Zeugniß Gottes ist. Die Erkenntniß der Kraft und Wirkung des heil. Geistes in allen Gläubigen lehrt uns, daß wir allezeit Gott, den himmlischen Vater, durch Jesum Christum bitten sollen um den heiligen Geist, damit derselbe uns in alle Wahrheit leite, aller seiner geistlichen Gaben theilhaftig mache, uns tröste, stärke und erhalte in der heilsamen Lehre Jesu Christi, in dem rechten Glauben bis an unser Ende, und uns helfe, daß wir in das ewige Reich unseres himmlischen Vaters kommen.

Die Erkenntniß des Strafamts des heil. Geistes lehrt uns den Unglauben der Welt, ihre falsche Gerechtigkeit und ihr ungerechtes Urtheil oder Gericht erkennen, denn der heil. Geist straft durch die Kinder Gottes, durch die Zeugen Jesu Christi, die Welt um ihres Unglaubens willen, daß sie nicht an Jesum Christum glaubt, indem sie sein Wort, seine Lehre und sein Testament verwirft und anstatt dessen Menschenlehre annimmt, glaubt und ihr folgt. Ferner, der heil. Geist straft die Welt über die falsche Gerechtigkeit, in welcher sie mit den Juden ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten sucht, durch solche Werke und Gebräuche, die Menschen erfunden, erdacht und eingesetzt haben, und will deshalb auch der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben an Jesum Christum kommt und vor Gott gilt, nicht unterthan sein. Ferner, der heil. Geist straft die Welt über das Gericht, daß sie die Gottlosen preist -und rechtfertigt, daß sie das Gute böse und das Böse gut nennt, daß sie das Licht für Finsterniß, und die Finsterniß für Licht hält; daß ihr weder Christus mit seiner Freundlichkeit und Umgänglichkeit, noch Johannes mit seiner Strenge und Zurückhaltung genug thun kann, sondern daß sie allezeit mit Unrecht die Frommen lästert und schilt, als Ketzer sie richtet und tödtet, meinend, Gott einen Dienst damit zu thun.

Solches Alles bestraft der heil. Geist durch seine Wirkungen, das ist durch die frommen Christen, in welchen er sein Werk hat.

So müssen wir denn Vater, Sohn und heil. Geist recht erkennen, daß sie sind der wahrhaftige, lebendige Gott, außer welchem kein andrer Gott ist im Himmel und auf Erden. Dieser Gott hat uns geschaffen, er hat uns erlöst, er hat uns gelehrt und erleuchtet, er ist unser Beschützer, Nothhelfer, Seligmacher, unser Ein und Alles, und an ihn müssen wir glauben. Und was ein rechter Glaube sei, beschreibt uns der Apostel im Hebräerbrief also: „Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht deß, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, das man nicht siehet“ (Hebr. 11, l.) d. i. der Glaube vertraut dem unsichtbaren Gott und hoffet auf seine Gnade und trachtet nach ewigen und unvergänglichen Dingen. Denn der Glaube hat drei Eigenschaften, woran er erkannt wird und wodurch er von allem Unglauben sich unterscheidet.

Die erste ist, daß man nichts Andres glaubt als Gottes Wort, denn der Glaube kommt aus dem Hören des göttlichen Wortes und nicht aus irgend einer menschlichen Lehre; darum sieht der Glaube allein auf Gott und hält ihn in allen seinen Worten und Verheißungen für wahrhaftig und alle Menschen für Lügner. Und darum richtet sich der Glaube nicht nach irgend eines Menschen Wort, klänge es auch noch so herrlich, sondern nach Gottes Wort allein.

Die andere ist, daß der Glaube alle Worte Gottes glaubt und keins ausnimmt, denn alle Worte Gottes sind feurig, und ein Schild allen denen, die darauf trauen, und Gott hat so ernstlich befohlen, daß man zu seinem Wort nichts hinzuthun, noch davon abnehmen soll, sondern allein thun nach seinem Wort und Befehl. Und Christus sagt im Evangelio, der Mensch lebe von einem jeglichen Wort, das aus dem Munde Gottes geht, darum müssen wir allen Worten Gottes glauben und nicht einige allein nach unserm Gutdünken annehmen und die andern verwerfen.

Die dritte Eigenschaft eines wahren Glaubens besteht darin, daß der Glaube allein Gott und die ewige Seligkeit sucht, Er trachtet nach den unsichtbaren, himmlischen Dingen, setzt zurück Alles, was zeitlich und vergänglich ist, kennt Niemand nach dem Fleisch, begehrt nicht nach dem, was menschlich ist, sondern dem, was göttlich ist, sieht nicht auf irgend eines Menschen Werk und Gerechtigkeit, sondern allein auf Jesum Christum.

Solchen Glauben hat Abraham, ein Vater aller Gläubigen, gehabt, denn er hat Gott geglaubt über die Natur, „bei dem Empfangen und der Opferung Isaaks. Er hat auch allen Worten Gottes geglaubt, ohne Rücksicht darauf, ob es seinem Fleische beschwerlich war, wie man dies an der Beschneidung wahrnehmen kann und daran, daß er seinen Sohn Isaak dem Herrn so gutwillig opferte; auch hat er nicht auf das Zeitliche gesehen, sondern hat seines Vaters Haus auf des Herrn Befehl verlassen und hat auf eine andere Stadt gewartet, die einen Grund im Himmel hat, welcher Baumeister und Schöpfer, wie der Apostel sagt, Gott ist. (Daraus erhellt, daß diejenigen, die einen rechten Glauben haben, alle menschliche Lehre und Meinung verwerfen und auf Gott allein vertrauen, sein Wort allein für Wahrheit halten: daß diese auch alle Worte Gottes für Recht erkennen, ihnen gehorsam sein, und mit ganzem Herzen, mit ganzem Eifer nach den ewigen und himmlischen Dingen trachten werden. Wiederum aber die, welche irgend eine menschliche Lehre über oder neben Gottes Wort stellen, einige Worte Gottes verwerfen, nach irgend welchen zeitlichen Dingen mehr denn nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit trachten, sind Ungläubige, sprechen sie auch noch so schön von der Schrift und vom Glauben. Es ist das nichts als ein eitles Gerede, ohne allen Werth.

Aus diesem Glauben kommt die Liebe, die das höchste und erste Gebot ist, sowohl im Gesetz, als im Evangelio, in welchem uns gesagt wird, daß wir Gott lieben sollen, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, aus allen unseren Kräften und ans unserm ganzen Vermögen, und ist das andre ihm gleich, daß wir unsern Nächsten lieben sollen, wie uns selbst. In diesen zweien Geboten, sagt Christus, hängt das ganze Gesetz und die Propheten.

Es muß nun aber die Liebe zu Gott Allem vorgehen, so daß man alle Creaturen, Alles, was sichtbar ist, ja Vater und Mutter, Brüder und Schwestern, Weib und Kinder und das eigene Leben verlassen muß um Gottes Witten, wie uns die Schrift aufs Deutlichste, in Worten und Beispielen dazu anweist; denn also will Gott, der ein eifriger Gott und Liebhaber ist, von uns geliebt sein, weil er, wie Paulus sagt, seine Liebe gegen uns so sehr gepriesen hat, daß Christus, sein eingeborner Sohn, für uns Gottlose gestorben ist, daß er seinen heil. Geist uns mittheilt, sein ewiges Reich uns bereitet und zur Erkenntniß seines Wortes uns berufen, kurz alles Gute uns geschenkt hat. Um dieser Liebe Witten müssen wir ihn wiederum lieben über Alles, was im Himmel und auf Erden ist; und diese Liebe müssen wir beweisen durch eifrige Befolgung seiner Gebote, wie uns dies Christus selber mit deutlichen Worten lehrt. Sonst ist es keine Liebe, sondern nur ein fälschliches Rühmen der Liebe.

Darnach müssen wir die Brüder lieb haben, und über diese brüderliche Liebe belehrt uns die Schrift, Christus und seine Apostel so hinlänglich, daß es nicht nöthig ist, mehr davon zu schreiben. Aber diese Liebe besteht nicht allein darin, daß wir der leiblichen Nothdurft unsers armen Bruders zu Hülfe kommen, sondern daß wir in allen Gebeten der Brüder und Schwestern gedenken, den Herrn für sie bitten, für ihre Seele sorgen, und so wir Jemand von dem Weg der Wahrheit abirren sehen, ihn mit Gottes Wort und mit einem sanftmüthigen Geiste zurecht weisen, auf daß wir seine Seele mögen ausrichten und sie erretten vom Verderben.

Wo diese Liebe ist, da ist alles Gute, ja da ist Gott, der selbst die Liebe ist, da wohnt Christus, da ruht der heilige Geist, da ist die liebliche Vereinigung der Brüder und Schwestern, die ein Herz und eine Seele sind; da fließt die Salbung, das heilige Freudenöl, von dem Haupt Christi auf alle seine Glieder; da fällt der Thau der göttlichen Gnaden ans den Berg Zion und macht ihn fruchtbar in aller Gerechtigkeit und Heiligkeit, die vor Gott wohlgefällig ist; da giebt Gott seine himmlischen Segnungen und das Leben ewiglich; da ist die herzgründliche Freude, nicht des Fleisches, sondern des Geistes; da ist das schöne Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt, das gebauet ist als eine Stadt und fest aneinander hängt; da kommen die Geschlechter Israels, um Gott zu loben; da macht der heil. Geist die Gewissen und Herzen der Gläubigen still und friedsam in wahrhaftiger, christlicher Liebe und Einigkeit; da ist auch die lebendige Hoffnung, da man durch die Gnade Jesu Christi hofft, selig zu werden, da man seiner Seligkeit gewiß und sicher ist, da man das Zeugniß des heil, Geistes in seinem Herzen fühlt, durch welches man der Kindschaft Gottes, der Bruderschaft Jesu Christi und der Gemeinschaft des heiligen Geistes versichert ist,

Hiedurch wird der Mensch so freudig, so getrost, und von Herzen fröhlich, daß er mitten in der Armuth reich ist, in der Bedrängniß, Verfolgung, Gefangenschaft, ja im Tode voll Freude, und mit Paulus spricht: „Ich weiß, an welchen ich glaube und bin gewiß, daß er mir meine Beilage, (das ist, die Krone der Gerechtigkeit, die er mir vertraut und geschenkt hat,) bewahren wird bis an jenen Tag.“ Damit stimmt überein das Wort des Propheten: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten, der Herr ist meines Lebens Kraft, wovor sollte mir grauen“? (Ps. 27, l.) „Gott ist unsere Zuflucht und Stärke, eine Hülfe in den großen Nöthen, die uns getroffen haben, darum fürchten wir uns nicht, ob auch die Welt unterginge und die Berge mitten ins Meer sänken, ob auch das Meer wüthete und wallete, und von seinem Ungestüm die Berge einfielen; dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie wohl bleiben; Gott hilft ihr frühe“. (Ps. 46, 2.) Ferner noch sagt der Prophet: „O Herr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch Gott allezeit, meines Herzens Trost und mein Theil“. (Ps. 73, 24.) Solche Freudigkeit schafft die lebendige Hoffnung auf Gott und die gewisse Zuversicht auf die Gnade Jesu Christi und die Versiegelung der ewigen Seligkeit durch den heiligen Geist. Dadurch wird das Herz so fröhlich, daß der Mensch unter allen Umständen voll Trostes ist und ein Verlangen hat, bei dem Herrn zu sein und vollkommen im wahren Wesen alles Das zu besitzen, was er hier durch den Glauben nach der Hoffnung erwartet und durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort sieht und erkennet.

Deswegen, meine Geliebten und meinem Herzen theure Freunde in dem Herrn, ihr von Gott in Christo Jesu Auserkornen, habt wohl Acht auf die rechte Erkenntniß Gottes, haltet fest am Glauben, liebet Gott und die Bruderschaft Jesu Christi, hofft auf seine Gnade, so werdet ihr nimmermehr zu Schanden werden. Hütet euch vor aller falschen Lehre, vor aller Abgötterei, vor allem bösen Schein; laßt euch nicht erschrecken von den Tyrannen und Verfolgern, fürchtet nicht die Menschen, die sterblich sind, sondern fürchtet den allmächtigen, lebendigen Gott, der euch geschaffen, euch Leib und Seele gegeben, und zu seinem ewigen, unvergänglichen Reiche berufen hat. Gedenkt an die große Freude und Herrlichkeit, die bei der Zukunft und Erscheinung Jesu Christi wird offenbaret werden. Nehmt ein Exempel der Geduld an allen heiligen Menschen Gottes, die von Anfang der Welt her gewesen sind und gelitten haben, und folgt ihrem Glauben nach. Aber der Gott aller Gnade und der Vater aller Barmherzigkeit, der euch zu seiner ewigen Herrlichkeit erwählt hat durch Jesum Christum, der stärke, kräftige und befestige euch in seiner ewigen Wahrheit, mache euch vollkommen im Glauben und in allen guten Werken und behalte euch zu seinem himmlischen Reich, daß ihr dasselbe möget mit allen Heiligen ererben und besitzen ewiglich. Amen!

Quelle: Mannhardt, J. - Stimmen aus der Reformationszeit.

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