Neff, Felix - An Herrn V... Studirenden.

Neff, Felix - An Herrn V... Studirenden.

Dourmilouse, den 10. März 1827.

Ich weiß, daß der Christ streng genommen das Recht haben kann, sich von jeder Kirche zu trennen, die Irrlehren verbreitet, selbst dann, wenn er darinnen bleibend die Wahrheit nicht verläugnen müßte. Der Fall ist bisweilen schwer und man kann sich für gezwungen halten, aus ihr zu treten, was ich Alles selbst empfunden habe. Ich weiß auch, daß die Lehre der Taufgesinnten ebenso gut und noch besser, als die entgegengesetzte Meinung vertheidigt werden kann. Allein ich setze alle die äußeren Formen der Kirchenzucht unter die Zahl jener weltlichen Zuchübungen, jener irdischen Zeichen, die wenig Einfluß auf die Moralität des Menschen und seine eigentliche Bestimmung haben. Ich sehe, daß die Wichtigkeit, welche man häufig hierauf legte, beinahe immer Unruhe und Spaltung verursachten, daß Gott seinen geistigen Segen auf die wahren Prediger des Evangeliums ohne Unterschied ausgießt, zu welcher Kirchenform sie auch gehören mögen, und weil der Herr selbst kein Gewicht darauf legt, so würde ich eine geringe Weisheit zeigen, wenn ich ihm nicht auch hierin nachahmte.

Die Kirche auf Erden ist mitten in einem Chaos, und der Versuch, die im Dunkel der Welt verborgenen Kinder Gottes an's Licht zu ziehen, wäre vergeblich.

Uebrigens verhindert mich dieses keineswegs eine, wenn auch noch so kleine Versammlung von wahrhaft gläubigen Brüdern, die soviel als möglich nach dem Muster der ersten Kirchen eingerichtet und von evangelischen Grundsätzen belebt ist, als segensreich zu betrachten. Aber da dieß Alles ohne eine sogenannte Trennung, ohne Darreichung der Sacramente, ohne die üblichen Titel von Pfarrern, Diakonen u. s. f. geschehen kann, so ändert es an dem oben Gesagten nichts.

Alles ist in diesr Welt provisorisch, die Kirche wie alles Andere, und es ist nicht nöthig, für eine Nacht, welche wir hier zubringen, eine Festung zu bauen; ein leichtes Gezelt, ein bedeckter Wagen, wie sie die Nomadenvölker haben, reichen völlig hin; Morgens, wenn es dem Herrn gefällt, werden wir in der Gottesstadt seyn.

Quelle: Züge aus dem Leben des Felix Neff

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