Kohlbrügge, Hermann Friedrich - VII. Predigt über 1. Ep. Petri Cap. 1. Vers 15 u. 16

Kohlbrügge, Hermann Friedrich - VII. Predigt über 1. Ep. Petri Cap. 1. Vers 15 u. 16

Stellet euch nicht gleichwie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüften lebtet, sondern nach dem, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel. Denn es stehet geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.

Ich freue mich der Gelegenheit welche der treue Gott mir gibt, euch von nun an manchen heilsamen Wink zu ertheilen, indem ich fernerhin Worte zu behandeln habe, welche nicht ohne Seelenschaden von Manchem übersehen werden; Worte, welche der Heilige Geist in die Gemeine hineinruft, sie zu lehren und zu züchtigen, auf daß sie sich bekehret habe von mancher Unart.

Es ist nicht nur den Ungläubigen sondern auch den Gläubigen, denen die sich zum Worte Gottes bekennen, von Hause aus eigen: sich gleich zu stellen den bösen Begierden, nach welchen sie sich richteten da die Klarheit des Evangeliums sie noch nicht umschien, sich hinzuneigen zum falschen Gottesdienst, in ihrem Wandel höchst unaufmerksam zu sein gegen Gott, wenig zu beachten für welchen Preis die erlöset sind, in der Heiligung Schein für Sein zu nehmen, der Wahrheit zu mißtrauen und demzufolge in ihrem Benehmen gegen die Brüder, gegen den Nächten unbillig und eigenliebend zu verfahren, wenig zu bedenken was alles Fleisch ist, und eben so wenig, was für ein Evangelium sie haben. - Daß bei allem sonst Guten und Löblichen solches auch bei euch vielfach der Fall ist, wird Niemand von euch ableugnen.

Indem ihr aber das Wort gerne hört, werdet ihr auch nicht unwillig werden anzunehmen die Zucht des Geistes, welche uns von Irrwegen abführt und auf den rechten Weg leitet. Ich brauche euch für diesmal nicht mit besonderer Auslegung der apostolischen Worte, oder mit Bemerkungen, wie es doch wohl bei den Christen an welche Petrus schrieb ausgesehen habe, aufzuhalten; wie es bei ihnen aussah, so sieht es bei uns aus; darum will ich zu dieser Stunde diese Worte erklären mit augenblicklicher Anwendung. „Stellet euch nicht gleich wie vorhin, da ihr in Unwissenheit nach den Lüften lebetet.“ Oder: „Richtet euch nicht nach den Begierden, die früher in eurer Unwissenheit (euch regierten.“) So der Apostel Petrus. Ein gehorsames Kind Gottes ist man, wenn man seine Hoffnung ganz auf die Gnade fetzt welche uns wird dargebracht, wenn Jesus Christus erscheinen wird. Setzt man seine Hoffnung nicht ganz auf diese Gnade, so ist man ein ungehorsames Kind, man ergibt sich nicht völlig dem Glauben mit Drangebung seiner selbst. Setzt man seine Hoffnung nicht ganz auf die Gnade, so setzt man sie nebenbei auf andere Dinge, die kein Wesen, keinen Halt haben; das weiß, das fühlt man selbst wohl. Und was sind diese Dinge? Begierden nennt sie der Apostel, und mit Recht; denn was man damit bezweckt, bekommt man nicht, sie befriedigen das arme Herz nicht. „Wie! haben denn Gottes Kinder auch noch andere Begierden als göttliche, eine andere Luft als Gottes Lust? Ach, sie haben nicht allein andere Begierden, sondern stellen sich sogar denselben gleich, richten sich darnach. Welchen Begierden aber? Ach, allerlei Begierden welche nicht gut sind, welche alle entgegen sind dem guten Gebot: Laß dich nicht gelüsten! - denselben Begierden welche sie früher hatten, welche sie hatten da sie noch in ihrer Unwissenheit lebten, da sie Gott und Christum noch nicht kannten. Ein Jeglicher, der nicht vergessen hat, was er war, und der eingestehen will vor Gott, was er im Verborgenen spürt und was an den Tag kommt, wird nicht leugnen, daß ihm die Bestrafung gilt des Heiligen Geistes: Ihr, die ihr Auserwählte Gottes leid, ihr richtet euch nach den Begierden, wie sie früher in eurer Unwissenheit euch regierten. - „Wie? was? sollte ich mich nach Begierden richten die nicht taugen? Ich mag sie bei mir spüren, aber nein, ich richte mich nicht darnach, sondern nach Gottes Geboten.“ - Das magst du von dir meinen, mein Lieber, aber der Heilige Geist sagt hier, daß du dich nach den Begierden richtet, wie du sie früher gehabt. Oder wähnst du dich heiliger als die Gläubigen, an welche diese Worte zuerst kamen? Das sind aber die bösen Begierden nach welchen sich der Eine und der Andere in der Gemeine richtet, nach welchen er sich richtet, sage ich, welchen er sich gleichstellt: allererst die Begierden nach einer Heiligkeit welche Gottes Wort nicht geboten hat, Begierden, welche der Gnade schnurstracks entgegen sind; sodann allerlei Begierden mit welchen man kund gibt, daß man auf etwas Anderes aus ist als auf das Ewigbleibende. So richteten sich diejenigen an welche Petrus schrieb, nach den Begierden der Jüdischgesinnten und nach den Begierden des jüdischgesinnten Herzens, um aus Werken die eigene Gerechtigkeit aufzurichten, welches eine grobe Unwissenheit ist; auch richteten sie sich nach den Begierden des arglistigen Herzens, welches von der Welt suchte was nur bei Gott, nur in dem seligen Himmel wesentlich und dauerhaft ist, nur genossen wird wenn man in der Lehre Christi bleibt. Und so richtete und richtet sich mancher Christ nach der Begierde des Fleisches, das Leben in eigner Hand zu halten, und bauete und baut dafür allerlei Klöster und Heiligenhäuschen; nach der Begierde der Augen, von dem Sichtbaren so viel als möglich in Besitz zu haben; und nach der Prahlerei des Lebens, zur Schau zu tragen Ehre bei einem Menschen, dessen Odem in seiner Nase ist, und etwas zu gute zu thun dem Bauche, der verdirbt. Aber wer kann die Tausende von Begierden nennen, woraus allerlei Werke des Fleisches hervorgehen und nach welchen man sich richtet, wenn man seine Hoffnung nicht ganz auf die Gnade fetzt! So viel ist gewiß, daß Gläubige sich nach solchen richten, nach solchen, wie sie auch zuvor sie regierten da sie noch in Unwissenheit lebten, da sie Gott und Christum noch nicht kannten. Denn wäre es anders, so würde der Apostel Johannes nicht befehlen: „Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist; denn Alles was in der Welt ist, nämlich des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben ist nicht vom Vater, sondern von der Welt; und die Welt vergeht mit ihrer Lust“; - so würde auch der Apostel Paulus nicht schreiben: „Wandelt am Geiste, so werdet ihr die Lüfte des Fleisches nicht vollbringen“ - so hätten wir hier den Befehl nicht: „Richtet euch nicht darnach“, oder „Seid nicht solche, die sich darnach richten!“ Vor euch dastehend mit den apostolischen Worten will ich es Niemanden von euch, der sich annoch richtet nach den Begierden denen er früher in einer Unkenntniß von Gott und Christo nachging, absprechen, daß er ein Christ sei; ich halte aber ob dem Worte: „Richtet euch nicht darnach“ - und wer nun dies hört und bricht nicht zusammen, sondern bleibt nach wie vor, nach den bösen Begierden sich richtend: dem sage ich es an, daß er verachtet nicht eines Menschen Wort und Befehl, sondern Gottes Befehl und Wort. Ich sage es demjenigen an, der einen andern Grund für eine Seligkeit sucht als das Opfer Jesu Christi am Kreuze vollbracht; demjenigen, der seine Hoffnung nicht ganz auf die Gnade fetzt; demjenigen, der sich nicht von Herzensgrund von seinen bösen Begierden bekehrt, sondern des Fleisches Begierde, der Begierde der Augen und der Ueppigkeit des Lebens nachgeht, und sich darnach richtet; demjenigen, der sich der Welt gleichstellt: - wenn er nicht horcht auf diesen apostolischen Befehl, sein Blut ist auf seinem eignen Kopf. Aber es wird Mancher in sich schlagen, es reumüthig und zerschlagen bekennen: „Ich richte mich darnach“, und seufzend fragen: „Wie gelange ich denn dazu, daß ich mich nicht nach den Begierden richte, wie ich sie auch zuvor in meiner Unwissenheit hatte?“ Wohlan, die Antwort ist bereit: Du wirst mit einemmal aufgehört haben dich nach denselben zu richten, wenn du glaubst, daß dieser apostolische Befehl - Gottes Befehl ist, und wenn du deine Hoffnung ganz auf die Gnade setzest.“ Die Kraft liegt in den Worten selbst, wenn sie geglaubt werden, wenn sie bei dir mehr gelten als deine Begierden, wenn du diese Worte für göttlich, dich deiner Begierden wegen für verdammungswürdig hältst, vor Gott mit denselben einkommt, und auf das unverwelkliche Erbe sieht, das dir bereitet ist in den Himmeln. O, könnten wir es nur recht fassen, wir würden in diesem Befehl ein süßes Evangelium vernehmen! Es ist nur zu wahr, daß uns unsere Begierden so begehrlich vorkommen, und da lassen wir das Haupt hängen vor solchem Befehl. Wenn wir es aber einsehen, wie dieser Befehl bezweckt, uns die wir uns richten nach unsern Begierden, uns also, so verdammungswürdig wie wir sind, aus denselben hinwegzutreiben und dem vollseligen Gott entgegen zu führen, auf daß wir bei ihm auf ewig besitzen, was über die Maßen begehrlich ist, nämlich den Genuß ewiger Freude in und bei Gott:- so fahren wir hoch auf solchen Worten, wie auch auf den folgenden: „Sondern nach dem der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem eurem Wandel. Denn es stehet geschrieben: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.“ Oder: „Sondern nach Art des Heiligen, der euch berufen hat, seid auch ihr heilig in allem Wandel; denn es stehet geschrieben: Werdet heilig, denn ich bin heilig.“ Oder haben wir dazu nicht alle Ursache? Zwar gestehe ich es ein und habe es selbst erfahren, daß eben diese apostolischen Worte uns sein können, als rollten sie mit einem Getöse von Sinai herab, um uns völlig in den Abgrund unserer Verlorenheit hineinzuschleudern. Denn es gibt eine Zeit, in welcher man schuldbewußt, ganz um und um in Unheiligkeit und Unreinigkeit steckend, solche Worte liest, und da hilft der Teufel. Einem, daß man vor denselben allen Muth verliert je zur Seligkeit zu gelangen; denn man ist eitel Begierde, möchte wohl heilig werden, sieht aber die Unmöglichkeit ein je dazu zu gelangen, und wenn man denn nun die Stellen aufschlägt, wo solche Heiligkeit geboten wird, so meint man vergehen zu müssen. „Da schlage Einer des 3ten Buches Mosis 20. Cap. auf, welche Greuel da alle, die man nicht sollte begangen haben; und ach! was spürt man nicht Allerlei im Herzen; und ach! wie Manches ist zur That geworden, ja, es ist sogar wohl noch Greulicheres geschehen! - so auch das 19. Cap. desselben Buches - und nun dagegen die Worte: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig! - Ach, man findet ja keine Heiligkeit in sich, vielmehr die scheußlichsten Sünden, und - dennoch muß man so heilig werden, wie Gott heilig ist! Da möchte man nach dem Stricke greifen, und man wird fast erdrosselt vor Todesangst! Es sei dem so; es ist einem verborgenen oder offenbaren Uebertreter der Gebote Gottes recht gesund, daß er so in die Angst kommt durch Worte, welche dem Gedemüthigten am Ende lieblich werden. Oder gibt es etwas Lieblicheres als die Worte: „Werdet heilig, denn ich bin heilig“ endlich aufzufinden im 11. Cap. desselben 3ten Buches Mosis, wo wir die Befehle lesen, welche Thiere ein Israelit essen sollte und welche nicht? Es sei nur die göttliche Traurigkeit, nur Bekenntniß eigener gänzlichen Unheiligkeit, nur Durst nach wahrhaftiger Heiligkeit da: so wird einem das Licht wohl bald durchbrechen, wie Gott daselbst in einem Bilde geboten, daß Christus die Speise unserer Seelen allein sein sollte, als das reine Thier, das die Klauen zertheilt, um bei dem Trinken aus dem Bache des Leidens nicht zu versinken in dem Schlamm göttlichen Zornes, sondern nachdem es getrunken, sich wieder aufzuheben; dazu als das reine Thier, das da wiederkäuet seine Speise, nämlich den Willen Gottes, denselben in sich aufzunehmen und davon sein Leben und seine Nahrung zu haben. - Und es sei nur die göttliche Traurigkeit da, nur Durst nach wahrhaftiger Heiligkeit, alsbald wird man wohl durchbrechen mit diesen apostolischen Worten, dieselbigen so zu verstehen: „Die Augen von den Sünden hinweg und so verloren wie du bist, halte dich lediglich an Gott in Christo Jesu, denn so hält sich Gott zu dir.“ „Seid vollkommen, wie euer Vater in den Himmeln vollkommen ist“ spricht der Herr zu uns; und: „Kindlein“ schreibt ein Apostel Johannes „laßet euch Niemand verführen; wer Recht thut, der ist gerecht, so wie Er gerecht ist.“ Was? vollkommen zu sein, wie unser Vater in den Himmeln vollkommen ist; gerecht zu sein, wie Gott gerecht ist; heilig zu sein in allem Wandel, wie der Herr heilig ist: sollen wir uns das von dem Teufel so auslegen lassen, daß wir Gottes Gebot beseitigen und uns auf eine vor Gott verfluchte Heiligkeit legen, der Natur (welche sich immerdar schrecklich rächt) Gewalt anzuthun, und dann Andern zuzurufen: „Bleibe daheim und rühre mich nicht, denn ich soll dich heiligen?“ Oder sollen wir es uns so auslegen lassen, daß wir dabei auf unsern Sünden sitzen bleiben mit dem Ausruf: O, wehe mir, wenn das so sein soll, so werde ich nie selig!? Ich meine, wir sollten doch vor solchen Worten die Lenden unseres Verständnisses besser umgürten und uns fragen: Wer spricht hier, und was sagt er? - und sehen einmal erst auf sein Wort, und sodann auf uns selbst und auf das was vor den Füßen liegt. Der in sich selbst allgenugsame Gott, der unserer Keines bedarf, hat er nicht aus lauter Erbarmen uns in Christo Jesu auserwählet und aus den Tausenden und aber Tausenden welche er hingehen läßt in ihren Wegen, berufen, die wir doch mit Allen unter demselben Urtheil der Verdammniß lagen? Berufen, sage ich, hat er uns; wie der Apostel schreibt: „der euch berufen hat“, den Einen so, den Andern anders, Manchen als einen wüthenden und mordschnaubenden Saulus auf dem Wege nach Damascus, wo es mit einemmal hieß: „Ich bin Jesus“ - und hingestürzt lag der Riese mit seinen Waffen, womit er gegen den hohen Gott anlief. Berufen hat er uns; wozu? „Zu seinem wunderbaren Lichte“ schreibt der Apostel Cap. 2, 9; - berufen „um den Segen zu ererben“ schreibt er Cap. 3, 9; - berufen, lesen wir Cap. 5, 10 „zu einer ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu“. Wir, die in Todesschatten saßen, in der Macht der höllischen Finsterniß lagen, sind berufen zu dem wunderbaren Lichte des vollseligen Gottes, ewig in diesem Lichte mit ihm zu wohnen! Er selbst stieg herab in unsern Kerker, schlug den Teufel in Ketten der Finsterniß, machte uns frei, sprach: Gehet hinaus; und führte uns mit sich hinauf in sein ewiges seliges Licht! Wir, die da lagen in unserm Blute, in unserer Schande und Schmach, weil wir Gott gänzlich drangegeben; wir, des Teufels, des Todes, des Grabes Beute geworden: wir wurden von der hochherrlichen Majestät Gottes berufen, aus väterlichem Erbarmen zu Christo gezogen, um in ihm erfunden zu sein, in seinem Blute Vergebung unserer Sünden, das Recht des ewigen Lebens in ihm zu haben. In ihm wurden wir berufen zur ewigen Herrlichkeit: ewig, ewig als Dienstknechte Gottes vor dem Stuhle dieser Majestät zu verweilen, ewig, ewig der göttlichen Herrlichkeit ansichtig und theilhaftig zu sein! Soll uns das nicht reizen, vor solcher Herrlichkeit wegzuwerfen. Alles, was sich mit ihr nicht vereinbaren läßt? Wenn Gott sagt: „Ich bin heilig“, ist das nicht gesagt: Ich kann nicht anders als rein sein, als das Licht und das Leben lieben, Unreinigkeit, Finsterniß und den Tod kann ich um mich nicht dulden? Und wenn er sagt: „Werdet heilig“ und „nach meiner Art“, sagt er denn nicht: Ihr seid meine Kinder, ihr sollt es haben wie ich es habe, ich mag nicht leiden daß Unreinigkeit der Gesundheit eurer Seelen Schaden zufüge, Tod und Finsterniß sollen euch nicht besitzen, die Sünde soll über euch nicht herrschen, die Welt euch in euren freien Bewegungen nicht im Wege sein? Wahrlich, wenn wir es nur gut verstehen, so lautet dieses Alles noch herrlicher als wenn ein mächtiger Fürst sagte: Bewohnet Paläste, denn ich bewohne sie - besitzet Landgüter, denn ich besitze sie; traget Kronen, denn ich trage sie - seid bekleidet mit aller meiner Herrlichkeit, denn ich bin damit bekleidet; ich will euch eben so haben wie ich selbst bin, werdet was ich bin. Das ist Gottes Evangelium, ja, das ist Gottes Evangelium: „Ich bin selig, darum sollt auch ihr selig sein. Ich besitze den Himmel, darum sollt ihr ihn auch bewohnen.“ Freilich, wir sind wie die Kinder; die Kinder lieben die Reinigkeit nicht, sie lieben das dauerhafte Glück nicht, sie lieben die augenblickliche Lust, sie schlagen die Augen nieder, wenn der brave Vater, die brave Mutter es ihnen sagen: „Machen wir es so?“ und es heißt im Herzen oder auch von den Lippen: „So kann ich nicht sein“, denn die Lust hat das Herz in Besitz genommen; aber nicht werden brave Aeltern deshalb ihre Kinder ins Verderben gehen lassen, nicht sie der Ungerechtigkeit Preis geben. Der Vater züchtiget, bis er seinen Sohn hat wie er ist; die Mutter reiniget, bis sie das Kind rein hat wie sie rein ist, und Mutterliebe kehret sich nicht an des Kindes Widerstreben. Viel mehr züchtiget, viel mehr reiniget der Vater der Geister mit seinem Worte, und ein Jeglicher weiß es recht gut, daß ein gestohlener Trost nicht haftet, daß der Glaube das Herz nicht reiniget, welcher ohne Werke ist - und wo Gnade ist, da bricht man zusammen vor den Worten: „Kein Unkeuscher, Abgöttischer, Ehebrecher, Dieb, Geiziger, Trunkenbold, Lästerer, Räuber und dergl. wird das Reich Gottes ererben.“ Wo der Wandel nicht taugt, da ist bei allem Glauben kein gutes Gewissen zu Gott, kein Friede noch Freude im heiligen Geist. Möchten. Viele von euch dies zu Herzen nehmen, und sich erforschen und prüfen woher es kommt, daß in ihnen keine Wasser sind die ins ewige Leben hinübersprudeln! Die lieben Christen an welche Petrus schrieb, waren theilweise aus den Heiden, theilweise aus den Juden; sie wohnten unter den Juden und Heiden. Die Juden hielten auf ihre alten Gewohnheiten, die Heiden auf ihre Religion nach ihrer Weise. Beide setzten den Christen arg zu. Das Fleisch ist leidenscheu; war es ein Wunder, wenn die Christen sich in mancherlei Hinsicht, um nicht beunruhigt zu sein, um Ehre, um Frieden und Ruhe, um Durchkommen zu haben, um keine Schläge zu leiden, sich bequemten nach einer solchen Lebensweise, wobei es nicht scharf hervortritt, weiß Diener man ist, ob der Welt, ob Gottes, - ob des Teufels, ob Christi? - Und obschon die Christen waren, sie waren Menschen. Menschen sind Menschen. War es Wunder, wenn sie ihr Gewissen knechten ließen durch allerlei Menschengebot? sich selbst knechten ließen durch den Buchstaben von Heiligkeit, welcher tödtet, da nur der Geist lebendig macht? War es Wunder (da der Versucher nicht schläft) daß Viele versucht wurden, es nicht so genau mit dem Wandel nach Gottes Geboten zu nehmen? War es Wunder, daß Mancher theilweise nach dem guten Bekenntniß Christi wandelte, theilweise mit denen mitmachte und denen was zu Gefallen that, die dieses Bekenntniß haßten, weil es ihr Thun strafte? - Aber all solches Halbwesen, dieses Buhlen mit der Welt und mit Fleisches Heiligung, dieses Merken auf Dinge welche vergehen - kann das Gott gefallen? Ist das Heiligkeit? Nein, ganz, vollkommen hält sich der Herr zu denen, die als Arme und Elende seinen Namen herbeirufen in ihrer Noth. Was er hat, . sollen sie auch haben; was er ist, sollen sie auch sein. Und wenn ihr nun auf euren eignen Wandel Acht gebet: ist da nicht Allerlei, was so wenig von der ewigen Herrlichkeit hat, als ein Stöpsel von einem Scepter, als Stroh von einer Krone? Allerlei, dem das arme Herz nachgibt, das es sucht, und was sich doch nicht mit Gnade, nicht mit der ewigen Herrlichkeit vereinbaren läßt. Allerlei, was doch nur Fleisches Wandel ist, und womit man buhlt als wäre es etwas Gottgefälliges? Darum können wir die Gnade nicht hoch genug schätzen dieses züchtigenden Zurufes des Geistes, dieses apostolischen Befehls: „Nach Art des Heiligen der euch gerufen hat, werdet auch ihr heilig in allem Wandel“. „Werdet“ sagt der Apostel, denn das geht nicht mit. Einem Schlage; vor und nach werden. Einem beim Lichte des Geistes die Dinge aufgedeckt, durch welche man sich von der vollkommenen Hoffnung auf die Gnade zurückhalten läßt; vor und nach wird Einer an der Hand des Geistes von Dingen abgebracht, welche mit der Berufung in Heiligkeit nicht übereinkommen. Ich halte dafür, daß nach Allem was ich gesagt, was wir vernommen haben, der Unheilige immerhin unheiliger wird, und doch meinet, er benehme sich nach diesem apostolischen Befehl; und daß der Aufrichtige es doch nicht vollkommen wird gefaßt haben, welche Vorrechte ihm mit diesen Worten ertheilt werden. Auch wird. Mancher doch nicht aufhören, von diesen Worten sich mit Zittern wie wegzustehlen, nicht aufhören zu fragen: „Wie gelange ich zu solcher Heiligkeit?“ oder am klagen bleiben über seine Unheiligkeit, und sich deshalb trösten mit einer wankenden Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit. Und doch halte ich auch dafür, daß der Eine und Andere sich nach diesen Worten benimmt, aber er weiß es nicht, und es wäre nicht gut wenn er es wüßte. Und wiederum halte ich dafür, daß der Eine und Andere recht gut versteht was der Apostel, was der Herr befiehlt, aber er will nicht. Und nochmal halte ich dafür, daß Mancher eben diese Worte als einen süßen Trost hinnehmen, auch seinen Wandel von nun an nach denselben richten wird. Daß wir als Unverständige vor solchen Worten stehen bleiben, kommt allemal daher, daß wir vorgeben. Heiligkeit zu suchen, und daß wir das Sichtbare vor Augen haben, und so blind sind für die Herrlichkeit welche wir ererben werden, die wir von Gott berufen sind. Für das Weltliche und Vergängliche weiß man sich schnell anzupassen: gute Manieren, Sitten und Anstand der Kleidung, der Haltung, des Sich Aeußerns, des ganzen Benehmens; für das Himmlische und Unvergängliche sind wir aber zu träge von Begriff, denn das lieben wir von Hause aus nicht. Dennoch rufe ich es euch zu: „Richtet euch nicht nach den Begierden, die zuvor in eurer Unwissenheit waren“; nach den Begierden, es Gott abgewinnen zu wollen in eigener Gerechtigkeit und Kraft, nach der Lehre der Vernunft - denn wie man es auch für Heiligkeit ausgibt, es ist Abgötterei und Götzendienst; richtet euch nicht nach den Begierden, die Dinge im Unglauben in der Hand und zu eigner Verfügung haben zu wollen, wie sie die Welt hat; - sondern es bleibe das ewige Erbe, die Gnade, die Krone des Lebens euer Augenmerk. Denn ich sage es euch: wer sich nach den Begierden richtet, kommt mit der Welt um; und wer nach dem Königreich der Himmel und seiner Gerechtigkeit trachtet: alles Andere was ihm Noth thut, wird ihm obendrein zugeworfen. Suchet nicht die Heiligkeit nach welcher Fleisch sucht, denn sie ist eine Wurzel von allerlei Sünde und Schande; werdet vielmehr so heilig, daß ihr solche Heiligkeit hasset und fliehet, sintemal der Herr von solcher Heiligkeit nichts wissen will und er darum verboten hat, von unreinen Thieren zu essen; suchet nicht die Herrlichkeit welche die Welt dafür ausgibt, denn die Gottseligkeit hat die Verheißung dieses und jenes Lebens, und wer Gottes Gebot hält, findet von Gott Gnade und Ehre und allerlei dauerhaftes Gut. Laßt Christus eure Heiligung sein; das eure Heiligung, daß ihr in ihm bleibet, von ihm gelehret zu sein wie ihr wandeln sollt; und heiliget in euren Herzen, segnet und preiset, nicht was nach dem Laufe der Welt gesegnet und gepriesen wird, sondern was in dem Himmel gesegnet und gepriesen wird, was da dient zur Förderung der Ehre Gottes und des Wohles des Nächsten: auf daß ihr ohne Anstoß einhergehet. - Gott will sich rein zu uns halten mit einem ganzen Himmel, darum halten wir uns rein zu ihm und zu dem Himmlischen. - Das Ewige bleibt, wenn das Irdische und Sichtbare in Staub aufgehet. Amen.

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