Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Im Vaterhaus fremd

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Im Vaterhaus fremd

„Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber…“ (V. 31–32)

Ein Strom von Bitterkeit entquoll dem Herzen des älteren Bruders, als er seines Vaters Freude über die Umkehr des jüngeren Bruders wahrnahm. Er wählt seine Worte spitz und scharf, und aus jedem Zug seiner Mienen sieht man das Feuer verhaltenen Grimms hervorblitzen. Sein Stolz ist aufs tiefste verletzt, dass er solch verkommenen Menschen seinen Bruder nennen soll, und er vergisst sich fast in seiner Heftigkeit, auch gegen seinen Vater.

Wunderbar, dass der Vater nicht verbittert und gereizt seine Antwort gibt. Das ist die ganz große Liebe Gottes, die uns darin geschildert wird und mit der Jesus besonders den hartherzigen Pharisäern ans Herz greifen will. „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.“

Hätte nun nicht der Vater noch viel mehr recht, diesem stolzen Menschen den Sohnesnamen zu entziehen? Hätte er dem Sohn nicht allerlei erzählen können über dessen eigenes liebloses Wesen? Hätte er ihn nicht mit scharfen Worten in seine Schranken weisen können? „Mein Sohn“, er bleibt in der Liebe. Er will ihn an sein Herz ziehen, an das glühende, heiße Vaterherz: „Komm, rede doch nicht so hart über deinen armen Bruder!“

Er spricht noch einmal auf seinen ältesten Sohn ein. O, ein treuer Gott! Er will keinen so leicht aufgeben. Er will uns durchaus nicht verlorengehen lassen. „Du bist allezeit bei mir.“ Sollte das dem älteren Bruder nicht die Hauptsache sein? Er hat nicht erfahren, was das Leben in der Ferne bedeutet. Er ist bewahrt worden vor schlimmen Abwegen und Sündenfällen. Bei mir warst du, das ist doch das größte Glück. Ja, wenn das der älteste Sohn gekannt hätte, wenn er mit seinem Vater verbunden gewesen wäre, dann wäre ihm solche harte Sprache gegen seinen Bruder unmöglich gewesen. In der Gemeinschaft mit dem Vater hätte er eine andere Tonart gelernt. Im Umgang mit Gott wird unser Herz liebevoll. Und wer täglich selber von Vergebung lebt und wem es das höchste Glück bedeutet, dass Gott ihn in seine Liebe geschlossen hat und ihm seine Gnade täglich erzeigt, dem wird es nicht schwer sein, auch denen mit Liebe und Herzlichkeit zu begegnen, die von weitem Irrweg nach Hause kommen.

„Du bist allezeit bei mir.“ Ja, äußerlich war er bei dem Vater gewesen, aber nicht innerlich. Innerlich war er dem Vaterherzen fremd und fremd im Vaterhaus. Er war so ganz anders als der Vater. Der Verkehr mit dem Vater hatte ihn dem Vater nicht ähnlich gemacht, weil er sich innerlich gegen den Vater abschloss.

Bei dir? „Du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich sei.“ Er will einen Bock haben, ein Festchen mit seinen Freunden. Die Liebe des Vaters ist ihm nicht wichtig. Mit dem steht er am liebsten auf dem Fuß des offiziellen geschäftlichen Verkehrs. Für den verlorenen Sohn war nicht das Kalb, das ihm zu Ehren geschlachtet wurde, die Hauptsache, sondern der Vater, die Liebe, die ihn umfing.

Was hat man davon? Das ist die Frage des natürlichen Menschen. Bei dir? Ist das denn etwas? Man will äußere Vorteile haben. Es soll einem gut gehen. Darum quält man sich mit der Frömmigkeit. Man will wenigstens sich gleichsam versichern für den Todesfall. Darum geht man äußerlich den Weg der ehrbaren Kirchlichkeit. Aber bei Gott sein, Gemeinschaft mit Gott haben? Ist sein Wort denn so schön? Sind seine Lieder denn etwas Besonderes? Soll mir die Gemeinschaft seiner Kinder etwas bedeuten? Solche Leute sind fremd im Vaterhaus. Äußerlich gehören sie zur christlichen Gemeinde. Innerlich sind sie gottlos. „Alles, was mein ist, das ist dein“, sagt ihm der Vater. Das hätte der Sohn ja allezeit genießen können. Aber er war innerlich dem Vater ein Unbekannter. So nahm er auch des Vaters Güte nicht in Anspruch.

Wie arm sind solche Leute! Sie sitzen bei der Quelle und trinken nicht und müssen bei gedecktem Tisch verhungern. Gottes große Güte umgibt sie von allen Seiten. Aber sie haben keinen Zugang zum Vaterherzen, und darum sind sie fremd im Vaterhaus. Jetzt möchte man es dem älteren Bruder zurufen: „Verlorenes Kind, komm heim!“

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