Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Fromm, aber nicht froh

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Fromm, aber nicht froh

„Er sprach zum Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre.“ (V. 29)

Der ältere Bruder steht vor uns als ein Abbild der vielen, die immer fromm sind, ehrbar und kirchlich, aber nie der Gnade Gottes froh werden. Sie rechnen Gott vor, wie tadellos ihr Leben doch gewesen sei. „Siehe, so viele Jahre diene ich dir“, sprechen sie selbstgerecht, „und habe dein Gebot noch nie übertreten.“ Äußerlich mag das die Wahrheit gewesen sein. Er war ein wirklich „guter“ Sohn. So nahe beim Vater, dicht neben ihm stand er sein ganzes Leben und hielt sich an des Vaters Wort und die Ordnung des Vaterhauses, und innerlich war er ihm doch so fremd und fern. Ein ganz anderer Geist beseelte ihn. Äußerlich stimmte es: „Ich diene dir“; aber wie stimmte es innerlich? Diese göttliche Liebe im Herzen des Vaters und diese fast unmenschliche Kälte im Herzen des Sohnes!

So manche Leute sind äußerlich ehrbar in Gottes Geboten geblieben. Sie dienen dem Herrn und sind doch innerlich so weit von ihm ab. Wieviel Bitterkeit kam jetzt aus dem Herzen des älteren Bruders hervor! Die hatte tief im Innern geschlummert. Ja, er diente dem Vater, aber in innerer Verbitterung und mit Groll – Groll gegen diesen Vater! -, und sein Herz war nicht bei diesem Dienst. Äußerlich saß er an des Vaters Tisch; aber innerlich rückte er weit von ihm ab. Wie manche unter uns sind äußerlich auch gottesfürchtig! Scheinbar dienen sie dem Herrn; aber innerlich grollen und hadern sie gegen Gott wegen ihrer Lebensführung, dass er ihnen so wenig Freude schenkt. „Du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre.“ Er hatte den Vater wohl nie um einen Bock gebeten. Nein, das tat er nicht. Dazu war er zu stolz. „Wenn der Vater nicht selbst daran denkt und ihn mir gibt, dann lieber nicht. Ich bitte nicht.“ Man kennt diese Leute, die so ernst und pflichtgetreu sind in ihrem gottesfürchtigen Leben und doch so hart.

Wenn zwischen dem älteren Sohn und dem Vater das rechte Verhältnis gewesen wäre, dann hätte er natürlich auch solche Geschenke von seinem Vater bekommen. Aber nun war er dem Vater entfremdet. „Alles, was mein ist, das ist dein“, das war dem Vater völlig klar. Aber nein, der Sohn machte davon keinen Gebrauch. „Wenn’s mir der Vater nicht anbietet, dann behelfe ich mich ohne einen Bock und ohne ein Festmahl meiner Freunde.“ Er sprach mit seinem Vater nur das Nötigste, das Pflichtgemäße, das über die Arbeit. Mancher, der Gott dient, wie er meint, spricht mit ihm nur das Nötigste. Es ist kein Herzensverhältnis da. Und wenn man solche Menschen fragt, so erwidern sie: „Ich bete doch jeden Morgen und jeden Abend.“ Als wenn mir einer sagt: „Ich rede jeden Tag zweimal mit meiner Frau, jeden Tag.“ Hat er sie dann wohl lieb? Der Dienst des Vaters erscheint solchen „älteren Söhnen“ sehr schwer. Er war zwar Sohn; aber eigentlich war er Knecht. Er sagt ja auch nicht in der Anrede: „Vater.“ Solche Leute sind sehr sachlich und vermeiden jedes überflüssige Wort der Liebe, auch Gott gegenüber. Armer, freudeloser Gottesdienst!

Das sind die Leute, die immer darauf hinweisen, welche Gebote sie nicht übertreten haben. Sie suchen ihr Leben auf dem Kirchhof und vergleichen sich mit solchen, die noch schlechter erscheinen, wie hier der ältere Bruder mit dem jüngeren „verlorenen“ Sohn. Sie haben nicht in groben Sünden gelebt. „Mir kann keiner etwas nachsagen.“ Ja gewiss, aber sie haben auch die Gemeinschaft mit Gott noch nicht kennengelernt und wissen nicht, was es heißt, Gott dienen.

Dass er mit seinen Freunden fröhlich wäre, dazu hätte der ältere Sohn gern einmal einen Bock gehabt. Mit seinen Freunden! Nicht mit seinem Vater. Bei dem kann er sich keine Freude vorstellen. Solche Leute müssen möglichst weit von Gott weggehen, wenn sie sich freuen wollen. Wenn der Vater dabei ist, ist es ihnen kein Genus. Sie sind innerlich Gott fremd; das ist ihnen keine Freude, was man Gottesdienst nennt. Das ist etwas Kaltes, Offizielles, Unpersönliches.

Wie anders der verlorene Sohn! Der wollte keine Freunde und keinen Bock. Dem ging es nur um den Vater. Das war seine Freude, dass er den Vater wiederhatte durch die Vergebung seiner Sünden. Das kennen die andern nicht, und darum sind sie auch neidisch auf das, was die Gnade tut. Und fröhlich sind sie nie, buchstäblich nie.

„Du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich sei.“ Nie fröhlich? Ist das dein Fall? Auch bei all deinem Frommsein und Gott-Dienen? Nie fröhlich? O wie arm ist doch das Leben so mancher Kirchenchristen! Sie leben unter dem Gesetz, fromm, aber nicht froh. Wenn sie die Gnade kennenlernten, die Vergebung finden würden, dann würde die Freude hereinbrechen auch in ihr armes, kaltes Leben!

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