Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Ein kalter Guss

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„Aber der älteste Sohn…“ (V. 25)

In die wundervolle Erzählung von der großen Freude, die nach der Rückkehr des verlorenen Sohnes ins Vaterhaus eingetreten war, fällt ein Aber. Ein Schatten legt sich über das sonnige Bild. Ein Misston klingt in die Freude hinein. Gottes Gnade, die Jesus in dem Bild des Vaters uns vor Augen führt, Gottes Gnade ist ohne Wenn und Aber. Volle, ganze Gnade, die bedingungslos vergibt und ohne Einschränkung den Verlorenen annimmt. Von der Menschen Seite wird ein Wenn und Aber erhoben. Der älteste Bruder im Gleichnis ist der Vertreter der Leute, die sich nicht freuen können, wenn Sünder gerettet werden, und die damit verraten, dass sie selbst von der Gnade noch keinen Hauch verspürt haben.

Der ältere Bruder ist auch ein „verlorener Sohn“. Aber bei ihm steht die Sache noch hoffnungsloser als bei dem, der in die Ferne gezogen war. Man findet solchen „älteren Bruder“ in allen Ständen, bei arm und reich, bei hoch und niedrig, oft mit sehr frommen Worten. Der „verlorene Sohn“ kam nach Hause, dieser ältere Bruder blieb draußen vor dem Vaterhaus. Jesus hat dies Gleichnis ja gerade zu den Pharisäern gesprochen, zu denen, die darüber murrten: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen“ (V. 2). So ist dies Gleichnis auch für die Pharisäer unter uns.

„Aber der älteste Sohn war auf dem Felde.“ Er war im Dienst des Vaters, von Jugend an gut geartet, auf dem Wege der Pflicht geblieben. Es ist nicht geringzuschätzen, wenn ein Mensch nie fern von Gott war. Es ist ein großer Irrtum, dass es etwa nötig wäre, einmal sich gründlich verirrt und in der Sünde gewatet zu haben, um dann die Gnade Gottes zu erfahren. Nein, eine bewahrte Jugend ist eine herrliche Gabe Gottes. Wohl dem, der im innigen Verhältnis der Gemeinschaft mit Gott von frühe an geblieben ist! Mancher denkt wohl: Ich wollte, ich wäre einmal gründlich in die Sünde hineingeraten oder gar tief gefallen, dann würde ich vielleicht zurechtkommen und Buße tun können. Du Eiszapfen! Willst du noch schlimmer sündigen? Meinst du, es sei gottloser, so wie der verlorene Sohn sein Gut mit Prassen durchzubringen und den Vater zu kränken durch seinen Weggang von Hause, als dass du, von Gottes Güte umgeben, durch alle Zeichen seiner Liebe hindurchwanderst jahraus, jahrein und ihm dafür nicht dankst und ihn nicht liebst? Meinst du, das kränke den Vater weniger als die Sündengeschichte des anderen Sohnes? Ihr, die ihr nie einmal niedergekniet seid und habt Gott gedankt, dass Jesus für euch gestorben ist, und lebt unter der Botschaft von der Gnade so kalt und mürrisch dahin, ihr gleicht diesem älteren Bruder, der dem Vater äußerlich so nahe und dennoch so weltfern war, der immer neben dem Vater ging und doch von ihm innerlich so tief geschieden blieb. Nein, es war gut, dass der älteste Sohn nicht in die Ferne gezogen, sondern treu beim Vater geblieben war. Aber innerlich fehlte ihm darum doch alles, weil er die Liebe des Vaters nicht kannte und nicht erwiderte.

Er hörte das Gesinge und den Reigen, als er vom Felde kam. Da war Gesinge, da war etwas geschehen. Hat man bei euch auch schon einmal das Gesinge gehört? Sind Lieder aufgestiegen, weil einer gläubig geworden ist?

Den älteren Bruder ärgerte schon das Singen, das er hörte. Der Mann sang überhaupt nicht. Er ging nicht in den Festsaal hinein. Die Sache war ihm verdächtig. Er rief der Knechte einen zu sich und fragte, was das wäre, und damit wies er verächtlich und geärgert mit dem Daumen über die Schulter nach dem Saal hin. Er war ein Mann der Pflicht, streng und kalt, und es ging ein eisiger Hauch von ihm aus. Solche Leute singen überhaupt nicht. Wir sind, sagen sie, nicht zum Singen da, sondern um unsere Pflicht zu tun und zu arbeiten. Das Leben ist nicht ein Lied, sondern eine schwere Aufgabe. Singen? Das klang ihm schon leichtfertig. Er war sehr fromm und gewissenhaft; aber er war nicht froh, dieser strenge und ernste Mann. O, ihr armen strengen, ernsten Leute, wieviel leichter ginge es mit einem Lied! Aber ihr könnt wohl nicht singen? Nur wer die Gnade kennt, hat ein Lied auf den Lippen!

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