Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Eine gefährliche Ecke

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Eine gefährliche Ecke

„Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt.“ (V. 21)

Als dem verlorenen Sohn bei seiner Heimkehr die überwältigende Liebe des Vaters entgegenkam, als dieser ihn umarmte und küsste, kam ein gefährlicher Augenblick. Er konnte versucht sein, sich jetzt sein Bekenntnis zu ersparen. Und das hätte er getan, wenn es ihm nicht mit seiner Buße Ernst gewesen wäre. Manche sind an dieser gefährlichen Ecke zuschanden geworden. Es hatte sie Reue über ihre Sünden gefasst; aber als die ersten Strahlen der Gnade Gottes sie trafen, haben sie doch ihre Sünde nicht bekannt. Sie nahmen es gern wahr, dass sie so leicht durchkommen würden, dass ihnen das Schwerste erspart werde, wie sie meinten. Die Freundlichkeit des Herrn, die ihnen Mut machen wollte, sich völlig zu offenbaren und alles zu entdecken, hielten sie für ein Zeichen, dass es doch nicht so ganz schlimm wäre mit ihrer Schuld. Und darüber haben sie nicht Buße getan. Sie fühlten sich schon erleichtert, und statt durchzubrechen zu einem klaren und gründlichen Bekenntnis, wichen sie aus. Das ist eine gefährliche Klippe für viele Menschen geworden. Sie waren beinahe bekehrt. Beinahe!

Der verlorene Sohn aber machte Ernst. Sein Entschluss war (zwar) in der Not geboren, aber echt gewesen. Er wollte heraus aus seiner Sünde. Er wollte zurück zum Vaterherzen. Und wie nun diese Liebe des Vaters so überwältigend ihn überströmt, da kommt ihm nicht der Gedanke: Jetzt will ich schweigen, jetzt will ich mich, so gut es geht, aus der Geschichte herausziehen. Nein, er kann nicht schweigen, das geht nicht. Er kann auch nicht dulden, dass der Vater ihn so liebkost, ihn herzt und umarmt. Der Vater weiß ja gar nicht, was für einen Menschen er im Arm hält! O, wenn du es wüsstest, Vater, du würdest mich vielleicht doch verstoßen!

Der Sohn aber spricht – schnell, alsbald: „Vater, ich habe gesündigt.“ Es klingt wie ein Schrei aus der Tiefe. Er muss dem Vater wehren und kann sich diese Liebe nicht gefallen lassen. Und doch lässt er sich die Liebe so gern gefallen und wäre so froh, wenn er dem Vater nicht wehren müsste. Das ist wahre Buße.

„Ich habe gesündigt.“ So, wie er sich’s vorgenommen hatte, ebenso schwarz und schwer, wie das Wort in seiner Seele klang, als er am Trebertrog in sich schlug, ebenso schwarz und schwer spricht er es jetzt aus: „Vater, ich habe gesündigt; ich bin’s nicht wert. Vater, beflecke dich nicht mit mir! Du weißt ja nicht, mit wem ich sonst Arm in Arm gegangen bin. Du ahnst ja nicht, in wessen Arm ich sonst gelegen habe, von wem ich sonst mich küssen ließ. Du kennst ja meine traurige Geschichte nicht und meinst vielleicht, ich käme wieder, wie ich von dir gegangen bin. Vater, ich weiß es besser: Ich bin’s nicht wert.“ Er schreit es, er schluchzt es hinaus, in den Armen des Vaters, der ihn küsst.

Er muss die Wahrheit sagen. Es wäre ihm unerträglich sich diese Liebe gefallen zu lassen und dabei seine Sünde zu verheimlichen. Er muss sie mit ganzer Deutlichkeit bekennen, und doch sehnt sich sein Herz danach: O, wenn er mich doch wieder annähme! Das wäre herrlich! Was müsste das sein, solche Liebe zu genießen und sie auch genießen zu dürfen ohne Selbstvorwürfe und Gewissensqualen, für immer!

Es war ihm schwer, der Liebe des Vaters solchen Schmerz anzutun mit seinem Bekenntnis, und wiederum, bei solcher Liebe wurde es ihm leicht, alles, alles zu sagen.

„Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsre Zuversicht.“ (Psalm 62, 9)

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