Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Und ich?

Humburg, Paul - Die ganz große Liebe - Und ich?

„Wieviel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger!“ (V. 17)

Es war der Wendepunkt im Leben des verlorenen Sohnes, als er in der Einsamkeit seiner Not als Schweinehirte in sich schlug und anfing nachzudenken. Da zogen seine Gedanken zum Vaterhaus zurück. Lebhaft sah er es vor sich, das Treiben auf dem Gutshof, die Knechte und Mägde, die Tagelöhner, die in der Ernte noch hinzugezogen wurden. Jede Einzelheit stand lebendig vor seiner Seele. Das war ein mächtiges Rufen: nach Hause, nach Hause! Manch einem Menschen ist schon einfach die äußere Erinnerung an ein glückliches und gesegnetes Elternhaus der Ruf zur Umkehr gewesen. Ein junges Mädchen, das in lockere Gesellschaft geraten war, wurde auf einem Ausflug ins Freie in einer Laube, die von Geißblatt umwachsen war, aufs tiefste erschüttert und kehrte vom Fleck weg in ihr Elternhaus zurück, weil der Duft des Geißblattes sie erinnert hatte an die Laube zu Hause. Da waren ihr, während sie von lustigen Gesellen umgeben war, die Augen ihrer Mutter und die ehrwürdige Gestalt ihres Vaters begegnet. Sie hielt es nicht mehr aus. Von Stund an kehrte sie um. Gott hat viele Mittel, die Menschen herumzubringen, auch freundliche Erinnerungen.

„Wieviel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben.“ Wie viel? Das ist ein fragendes Zahlwort. Der verlorene Sohn fängt wieder an zu rechnen. Solange er im Taumel seiner Zerstreuungen lebte, hatte er nicht gerechnet. Sonst wäre ihm sein Geld nicht so schnell aus den Händen gerollt und er hätte die Kosten überschlagen. Jetzt fängt er an, zu rechnen und sein Leben zu überschauen.

Willst du nicht auch einmal rechnen und alles überschlagen? Was ist nun bei deinem ganzen Leben herausgekommen? Was ist denn nun der Ertrag alles Bisherigen? Der geschäftliche Ertrag eines jeden Menschenlebens ist immer gleich null, auch bei dem reichsten Manne der Welt. Er kann nichts mitnehmen im Tod. Aber wie ist sonst der Ertrag? Wie steht’s bei dir innerlich? Und wie sieht’s in deiner Familie aus? Ist etwas dabei herausgekommen, dass du den Weg der Sünde gewählt hast? Zieh doch einmal einen Strich darunter! Aber freilich, der Bankrotteur rechnet nicht nach, erzählt nicht zusammen, er schließt die Bücher nicht ab. Dies Rechnen und Nachschlagen, dies Nachdenken ist schon ein Zeichen der Gesundung. „Wieviel Tagelöhner.“ Dabei schweift der Blick des verlorenen Sohnes in die Heimat. Ach, wie anders könnte es mit dir stehen! Hätte ich doch, wäre ich doch…! Selbst die Tagelöhner zu Hause haben Brot die Fülle. Und ich? „Und ich verderbe im Hunger.“ Die andern – solches Vergleichen kann von großem Segen sein. Ich meine jetzt nicht, dass wir auf das äußere Wohlbefinden der andern unser Auge richten sollten, sondern auf das ganze Leben. Die andern sind so fröhlich, so glücklich, auch wenn sie durch Not und Trübsal müssen. Ihr Familienleben ist so freundlich und friedlich, und einer hilft dem andern. Und ich? Und wir? Und bei uns? Andere, die vielleicht noch ärmer sind als wir, sind doch so glücklich beim Herrn und haben Frieden im Herzen und Frieden im Haus. Und ich?

Manchmal mag es uns auch wohl von ferne grüßen, das selige Ziel: „Dort sind schon meiner Lieben viel, und ich bin noch zurück.“ Das zieht an unserer Seele und ruft. Wenn du andere im Frieden Gottes siehst und hörst ihre Lieder, dann kommt der Katechismus zu Wort. Wenn es doch wahr wäre, dass nicht allein andern, sondern auch mir Vergebung der Sünden geschenkt würde!“ Die Not war der Ausgangspunkt der Buße des verlorenen Sohnes. Wie oft ist’s im Leben so! Ich verderbe. Dann schlägt der Mensch in sich. Man sagt, es sei verächtlich, dass einer nur durch die Not zu Gott kommt. Aber so sind wir Menschen. Den meisten werden erst die Augen geöffnet werden müssen durch irgendeine Not, und Gott will sich auch finden lassen von denen, dir nur durch die Not zu ihm getrieben werden. Gut, wenn der Mensch es einmal einsieht, wo er hingekommen ist. Und ich? Ich verderbe. Gut, wenn er einmal die Sache beim Namen nennt. So geht es nicht weiter. Es muss anders werden. Ich muss umkehren.

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