Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Anhang, darinnen die Lehrart Pauli in seiner Epistel an die Römer,

Hollaz, David - Die gebahnte Pilgerstraße - Anhang, darinnen die Lehrart Pauli in seiner Epistel an die Römer,

und zugleich der Hauptinhalt und Kern dieses Briefs, bei den heutigen vielfältigen Methoden, sowohl zum Muster, als zur Prüfung vorgestellt wird.

Immanuel!

Das erste Kapitel.

Von dem unbekehrten Zustand der rohen Sünder und Weltklugen.

Paulus predigt ohne Scheu das Evangelium von Christo, und darum die wahre Gerechtigkeit oder Rechtfertigung, zur Erweckung und mehrerer Gründung des Glaubens v. 16. Er zeigt aber erstlich, daß der Zorn Gottes offenbar sei über die Ungerechtigkeit sowohl heidnisch- als jüdischgesinnter Leute; und daß Gott diese, ja alle blos natürlichen Menschen unter den Unglauben oder Sünde beschließe, sie kräftig durch’s Wort davon überzeuge, und in die Enge treibe, blos und allein zu dem Ende, daß sie seine Erbarmung annehmen möchten Kap. 11,32.

Und also überzeugt Paulus erstlich die Leute, die ohne das geoffenbarte Wort der Wahrheit sind, und sich nicht daran kehren, nämlich die Heiden, daß ungeachtet einige derselben sich für besonders weise, als Freigeister, und wegen der Weltweisheit für klüger als der Pöbel hielten, dieselben dennoch die größten Thoren wären v. 22. weil sie der göttlichen Weisheit seines Worts nicht achteten, v. 28. und im Grunde voll Hoffart, Eitelkeit und Finsterniß seien v. 21; Andere aber gäben durch ihr wüstes und wildes Leben genug ihren Zustand zu erkennen; indem sie aber selbst wider die Ueberzeugung ihres Gewissens handelten, würden sie von ihren eigenen Gedanken verurtheilet. Sie wären aber beide, (nämlich die weisen und natürlich ehrbaren Heiden sowohl, als die offenbar lasterhaften Leute unter ihnen) in einem unseligen Zustande, und der Zorn Gottes bleibe über ihnen, um ihnen und in ihnen, weil sie nicht an Jesum glaubten.

Das zweite Kapitel.

Von dem unbekehrten Zustande der Selbstfrommen und Gerechten.

Hernach lehrt Paulus von den Leuten, die das Wort annehmen, und sich damit zu thun machen, auch daraus einige Erkenntniß und Unterricht erlangen v. 18, und sich und andere in mancherlei Pflichten und Werken üben und antreiben, (wie damals die Juden), daß es nicht gut wäre, daß sie sich darauf verließen v. 17, mit sich selbst zufrieden, und voll eigener Gerechtigkeit und dabei vermessen wären, andere zu lehren v. 19, womit sie sich an der wahren Bekehrung hinderten, indem sie nicht erkenneten, daß das Gesetz geistlich sei, K. 7 und auf eine weit tiefere Erkenntniß der Sünden, als die blos äußerlichen Ausbrüche dringe, und daß Abgötterei, Diebstahl etc. ob es gleich äußerlich nicht geschehe, dennoch innerlich da wäre.

Er lehrt ferner, das Gesetz offenbare auch den Unglauben, inwendige Feindschaft gegen Gott, und Heuchelei des verderbten Herzens, und fordere den innerlichen Gehorsam, ja es fordere gar die Erbgerechtigkeit und höchste, ja engelgleiche Reinigkeit des Herzens; ein einziger böser Gedanke und aufsteigende Lust verdamme uns, wenn man in andern Stücken gleich noch so viel gebotene Sachen gehalten, und auf die Weise, spricht er, werde aller Mund verstopfet, und alle Welt bleibe Gott schuldig Kap. 3,19.

Das dritte Kapitel.

Von der Bekehrung und vom Glauben.

Weiter lehrt Paulus, diese letzteren, nämlich die Juden, und heut zu Tage alle unbekehrten Christen, hätten zwar vor den ersteren, den Heiden Kap. 1, das voraus, daß sie das Wort als ein Gnadenmittel unter sich hätten v. 2, aber sie müßten auch diesem Worte Recht geben v. 4, und sich ihr Elend dadurch aufdecken lassen v. 20. Nach dem natürlichen Seelenzustand aber hätten sie nichts voraus, indem sie mit unter die verlornen und verdammten Sünder gehörten v. 9. Kein Wissen, Pflichten und Werke könnten gerecht, und Gott uns versöhnt machen v. 20, man sei und bleibe ein verlorner Sünder, wo man nicht eine bessere Gerechtigkeit bekomme; es fehle einem Gnade, Gerechtigkeit, Vergebung, ja Alles v. 23, man bedürfe deßhalb einen Heiland, Versöhner und den Glauben an Ihn. Ohne denselben komme man mit dem Gesetze nicht aus, man möge sich entschuldigen oder Besserung zusagen, oder sonst thun, was man wolle, das Urtheil bleibt: Du bist verdammt! man werde nicht fertig.

Wenn man nun lebendig davon in seiner Seele überzeugt sei, so habe man vor der Gnade und vor dem Glauben nicht nöthig, sich mit eigener Besserung zu martern, mit neuen Vorsätzen, Angeloben und Abgewöhnen es zu versuchen; es sei ohne Jesum unmöglich Kap. 8,3, obwohl man freilich alles sündliche Wesen aufrichtig zu erkennen, herzlich zu bereuen und zu verabscheuen Ursache habe v. 20. Dieß aber sei nöthig, daß man recht arm werde, ein Sünder, dem Gnade mangele v. 23, ein armer Sünder, der da recht erkenne, es mangele ihm nicht nur dieß oder jenes, sondern Alles. Dieß ist das evangelische Pünktlein, und die zu unserer Bekehrung nöthige Ordnung oder Fassung zum Glauben und zur Gnade. In solcher Armuth, und unter dem beugenden Gefühl derselben, da weder wir, noch irgend eine Kreatur uns helfen kann, sollen wir gerade zu dem blutigen Versöhner hinfliehen, mit innigem Seufzen und Flehen: Erbarme Dich über mich! Durch dessen Blut würden wir allein gerecht. Zu diesem Gnadenstuhl weist uns der Vater v. 25; der Versöhnungsdeckel bedeckt beide Tafeln des Gesetzes. Die Gnade geht über und vor dem Recht. Da, eben da, wenn wir vor diesem blutigen Heiland im Staube liegen, wird uns Gnade, Gerechtigkeit v. 25.26, auch selbst der Glaube Apstg. 17,31 mit dem Blute in dem Worte dargeboten und angetragen; und solches in seinem äußersten Elend und Armuth mit innigem Verlangen und Zuversicht zu seiner Beruhigung annehmen, heißt: „glauben!“

Das vierte Kapitel.

Von der eigenen Gerechtigkeit als einen Hinderniß des Glaubens.

Und weil der Mensch nicht gern so nackend, arm, sündig und elend vor Gott kommen will, sondern noch etwas mitbringen, und mit Werken umgehen, gern erst besser und frömmer sein will, (welches doch vor dem Glauben und Vergebung nicht möglich), so muß er die eigene Gerechtigkeit und Neigung dazu, als ein Hinderniß des Glaubens und der Gnade, ja als einen Feind seiner wahren Ruhe erkennen, verwerfen, mit Paulus für Schaden achten, und seine besten Sachen vergessen lernen, indem uns hier weder aller Menschen noch aller Engel Gerechtigkeit etwas helfen kann, sondern wir werden als Gottlose, zum Tode verurtheilte Missethäter, blos um der blutigen Bezahlung Christi willen begnadigt. Und so ist auch Abraham durch den Glauben gerecht geworden, weil damals noch kein Gesetz gegeben war.

In diese Sache kann sich unsere Vernunft gar nicht finden, sie wendet viel Skrupel und Zweifel dagegen ein, und stößt sich an dem Wort, darauf wir sollen gegründet werden 1 Petr. 2,8. Sie ist eine Feindin unsers Glaubens, wie wir auch zu singen pflegen: „Vernunft wider den Glauben ficht;“ sie will alles sichtlich und handgreiflich haben, wo sie trauen soll; und reicht also durch ihr übriges Bedenken dem Unglauben immer Nahrung dar. Darum sollen wir unserer Vernunft voraus in Glaubenssachen nicht Gehör geben, uns nicht mit Fleisch und Blut besprechen, sondern zufahren und auf’s allergewisseste glauben, was Gott verheißt v. 21, nämlich daß er ohne unser Zuthun und Gerechtigkeit, um des Blutes Christi willen aus Gnaden alles schenken will v. 16. Das, ja eben das kann er auch thun; auch sollen wir es so auf’s Wort hin wagen, und hoffen, da nichts vor unsern Augen zu hoffen ist; auch nicht darauf sehen, wie todt und erstorben unser Zustand sei v. 19, sondern glauben, daß Gott Todte lebendig, Blinde sehend, Unreine rein, und also auch Gottlose gerecht machen kann v. 5. So gibt man Gott seine Ehre v. 20, so werden wir erfahren, daß Er sich in seiner Erbarmung herrlich machen wird.

Das fünfte Kapitel.

Von der Erfahrung und Größe der Gnade.

Wenn nun der gebeugte Sünder im Glauben auf’s Wort von der blutigen Versöhnung und auf Jesum seiner Seele ganze Hoffnung, Ruhe und Seligkeit setzt 1 Petr. 1,13 und hinwagt, so wird er durch diesen Glauben vor Gott gerecht, findet Ruhe und Friede v. 1, hat in diesem Glauben durch seinen Heiland einen Zugang zu aller Gnade, eine freie Zueignung derselben, und bekommt eine lebendige Hoffnung des ewigen Lebens. Da wird die große Liebe Gottes gegen uns arme Sünder v. 5, daß Christus für uns Gottlose gestorben v. 6, stromweise in uns ausgegossen, und damit dem Glauben das Siegel aufgedrückt. Er erfährt nun, daß Gott ihn, als den schnödesten Sünder, ja als seinen Feind geliebt, und wird auch hiedurch versichert, daß Gott ihn als ein nunmehr durch das Blut Jesu versöhntes Kind noch vielmehr liebe v. 10.

Er sieht ferner, wie die Gnade und Erbarmung über alle Sünder und Adamskinder gehe, und durch des einigen Menschen Jesu Chrisi Gnade und Gerechtigkeit, die Rechtfertigung und Versöhnung über alle, und für alle Menschen geschehen sei v. 18. Das Gesetz habe Gott dazu gegeben, daß die Sünde mächtiger werde, daß ein jeder bei seiner Aufweckung etwas davon erfahren müsse; es könne aber in keinem die Sünde zur Verdammung so mächtig werden, daß nicht die Gnade noch viel mächtiger sich erwiese, nicht allein Friede, sondern auch ein neues Leben zu schaffen v. 20, es sei denn, daß der Mensch diese Gnade selbst verachte und versäume Hebr. 12.

Das sechste Kapitel.

Daß bei der Gnade die Sünde nicht herrschen könne.

Paulus aber vergißt nicht hiebei zu erinnern, daß diese große Gnade keine Freiheit zum Sündendienst gebe, sondern eben in dem Blute Jesu, darin man das Leben und Vergebung gefunden, sterbe man auch der Sünde ab, daß man gegen ihre Reizungen todt, taub, blind und abgekehrt sei, dahin es auch mit unserer Taufe gehe. Unter der Gnade sei es noch weniger erlaubt zu sündigen, da es schon unter dem Gesetz nicht erlaubt gewesen v. 15. Es sei vielmehr eine große Seligkeit, aus der unseligen Sklaverei der Sünde befreit zu sein. Nun gehe es ganz anders. Wie der Unglaube vorher in allen unsern Gliedern zum Tode Frucht gebracht, so bringe nun der Glaube und die Gnade gar andere Früchte, nämlich Früchte des Lebens und der Heiligung v. 22.

Das siebente Kapitel.

Vom gesetzlichen Zustand erweckter Seelen und wie sie als Mühselige begnadigt werden.

Weil aber so manche Seelen, die zum Gefühl des Elendes aufgeweckt sind, nicht so gerade nach dem 3. Kap. als arme, verlorne und beladene Sünder zum Gnadenstuhl im Blute gehen, auf daß sie Barmherzigkeit empfangen möchten Hebr. 4,16, welches doch der nächste Weg zur Gnade ist, sondern sich durch die Drohungen des Gesetzes, die sie zu Christo hintreiben sollten, abhalten lassen, und sich in manchem eigenen Wirken, und eigenmächtigen Kämpfen mit der Sünde aufhalten und durch viele Umwege gehen, so sagt Paulus: Man sei an das Gesetz gebunden, wie Eheleute an einander. Wie nun der Tod eine Trennung mache unter Eheleuten, so mache hier der Tod Christi, in welchen man durch den Glauben eindringe, eine Trennung vom Gesetz und allen dessen Ansprüchen und Flüchen; mit dem Gesetz währe es nur bis auf Christum und den Glauben Gal. 3,23.24, hernach habe es ein Ende Kap. 10,4. Sobald wir in den Tod und das Blut Christi eindrängen, so wären wir dem Gesetz todt, hörten seine Flüche und Donnern nicht, mit dem Treiben sei es auch aus, und fielen alle dessen Ansprüche an uns zur Bezahlung oder Verdammung weg, weil unser Bürge ihm völlige Genüge geleistet.

Da sagt Paulus weiter, wie es mit erweckten, aber unter dem Gesetze stehenden Seelen pflege herzugehen. (Wie Unbekehrte das Gesetz zu eigener Gerechtigkeit mißbrauchen, zeigt er Kap. 2). Vor der Erweckung, da man sich nicht sonderlich an das Gesetz kehrte, oder es doch nicht recht braucht, wisse man nicht viel von der Sünde, oder halte doch nur grobe Laster für Sünde: von der Lust und inwendigem Verderben des Herzens wisse man nichts v. 7. Bei der Erweckung werde das Gesetz klar 2 Kor. 9,3, die Sünde lebendig, sündig, mächtig, da fühle man nichts als Tod und Ohnmacht v. 10. Das Gesetz erfordere einen pünktlichen und vollkommenen Gehorsam, es gehe bis auf die Gedanken; aber es gebe keine Kraft, sondern errege durch sein Treiben allerlei Lüste v. 8. Es könnte nichts, als Erkenntniß der Sünden bringen; lebendig könne es nicht machen, da fordere man zu viel von ihm.

Es ging da, wie jetzt: man will fromm sein und kann nicht. Da macht man neue Vorsätze, gelobt Gott öftere Besserung an, verflucht seine Sünden, und thut es doch immer wieder v. 16, und so wird man je länger, je elender und durch eigenes Wirken müde, mühselig und ohnmächtig Matth. 11. Und muß hernach doch, weil sonst nirgends Rath und Hülfe zu finden, als ein elender und todeswürdiger Sünder v. 24 zum Gnadenstuhl, das ist, zur Gnade und Erlösung im Blute Jesu hinfliehen, sich der Gnade ganz hingeben, und sodann geht’s anders; man bekommt, eben wie die Ersten, Kap. 3, Vergebung, Gerechtigkeit, Friede und ein neues leben und preiset Gottes Erbarmen.

Das achte Kapitel.

Von der Seligkeit der Gläubigen wider Sünde, Fleisch, Gesetz, Welt, Tod und Teufel.

Hieraus kann man sehen, wie selig es sei, sich an seinen Heiland und dessen Erbarmung ganz hinzugeben, sich im Glauben mit demselben zu vereinigen, in seinen Wunden zu wohnen, in seinem Tode zu leben, und nichts anderes zu wissen, als den gekreuzigten Jesum, und Ihm anzuhangen, auf nichts anderes sich gründen, sich keines anderen rühmen, in nichts anderem leben, als in Jesu.

Solche Seelen sind erstlich von aller Anklage und Verdammniß befreiet, durch die Vergebung aller ihrer Sünden. Nichts kann sie verdammen, weil Gott sie nicht verdammet, sondern selig spricht; das Gesetz kann sie nicht verdammen, das ist abgefunden und befriediget in Christo; und will der Teufel und die Welt sie verdammen, so ist Immanuel hier v. 34.

Für’s Andere sind sie frei von der Herrschaft der Sünden, ob sie gleich noch Fleisch und Erbsünde an sich haben. Denn wo Vergebung ist, da ist auch Leben und Kraft. Sie sind von dem Gesetz der Sünden und des Todes, (das ist von der Herrschaft der Erbsünde) durch das Wort oder Gesetz des Lebens und des Geistes befreit v. 2. Was ihnen vorher im gesetzlichen Zustand unmöglich war, das wird nun durch das Evangelium von Christo in ihnen angerichtet v. 3.4, so daß sie nun geistlich gesinnet werden, und wandeln nicht mehr nach dem Trieb des Fleisches, als Feinde Gottes, sondern haben Lust und Geschmack an geistlichen Dingen, und wandeln nach dem Triebe des Geistes Gottes, als Kinder Gottes, und haben Leben und Friede.

Drittens, müssen sie sterben und der Leib verwesen, so ist der auferstandene Jesus ihr Oberhaupt, und haben als Glieder seinen Geist, der ihre verfallenen und verfaulten Hütten verklärt aus dem Staube wieder aufbauen wird.

Viertens, will die gesetzliche und knechtische Furcht einige Anfälle auf ihren Glauben wagen und den kindlichen Geist dämpfen; so klärt sich das Zeugniß des Geistes von ihrer Kindschaft, Gnade und Seligkeit in ihnen auf.

Fünftens, weil sie noch in dieser argen Welt leben, und es ihrer Seligkeit entgegen zu sein scheint, daß sie unter mancherlei Leiden als eines der größten mit erfahren, so viel Eitelkeit und Thorheit der Menschen sehen zu müssen, ja wohl auch wider ihren Willen, und bei redlichem Sinne, noch mancherlei Gebrechen und Mängel an sich selbst wahrnehmen, darüber sie in herzlicher Beugung nach ihrer Auflösung seufzen; so hilft der heilige Geist in aller Schwachheit auf und erweckt unzählige Seufzer.

Sechstens, will der Teufel und die böse Welt auf mancherlei Art und Weise etwas zu unserm Schaden anrichten, so weiß der HErr alles so zu regieren, daß es uns auf vielerlei Art zum Besten gereichen muß v. 28.

Für’s Siebente, kommt es endlich auf die Beharrlichkeit an, so wissen wir, daß uns Gnade erweckt, Gnade gerecht macht, und also auch Gnade erhalten werde. Gott wird sein Werk in uns schon fortsetzen v. 29. 30. Müssen wir auch noch Verfolgung und Trübsal bei dem Guten ausstehen v. 35, wären alle Fürstenthümer und Legionen der Hölle wider uns v. 38 und wer weiß was uns noch künftighin alles begegnen möchte, so wir länger leben sollten: so überwinden wir in allem weit, wenn uns nur immer das Erbarmen und das blutige Lieben unsers Heilandes vor Augen bleibt; denn wer nicht muthwillig will abfallen, den kann kein Tod noch Teufel aus dem Gnadenstand reißen.

Das neunte Kapitel.

Daß nur wenige selig werden, ist die Schuld der Menschen.

Wenn wir nun mit dieser Gnade und Seligkeit durchdrungen werden, o! wie wünschen wir daß nicht allein die Unsrigen, sondern auch die ganze Welt derselben möchte theilhaftig werden! wir müssen es gestehen, daß bei aller Seligkeit uns dieß noch fehlet, andere noch nicht recht selig und begnadigt zu sehen. v. 3. Wir erkennen auch mit großer Beugung, daß wir an uns keine Würdigkeit, oder Grund und Ursache einiges Vorzugs vor andern finden, indem wir von Natur eben so elend und sündig sind, wie andere, können uns auch in der ganzen Heilssache nichts zuschreiben, v. 12, sondern preisen die Erbarmung Gottes, die uns erwecket, bekehrt und begnadigt hat.

Und so sehen wir, daß sich der Herr gleichwohl noch über so manche Seele erbarmet, auch andere damit von seiner Gnade nicht ausschließt, sondern ihnen diese Begnadigten zum Exempel darstellet 1 Tim. 1,16, um sie zu reizen, sein Wort und seine Gnade auch anzunehmen; ferner, daß Gott auch die härtesten Gemüther nicht übereile, sondern ihnen Zeit und Raum lasse, daß er sie ein Jahr nach dem andern stehen lasse, (wie an Pharao v. 17, zu sehen) ja überhaupt alle diejenige, die sich mit andern Seelen zur Herrlichkeit nicht zubereiten lassen wollen, sondern vielmehr sich selbst verhärten, und aus eigner Schuld immer geschickter, fähiger und zubereiteter zur Verdammniß werden, dennoch mit großer Geduld und Langmuth trage, ehe er seinen Zorn erzeige, v. 22.23, und ist es ein vermessenes Urtheil wider Gott, als thue Er unrecht, daß Er die verdamme, die sich doch gegen sein Wort und seine Gnade muthwillig verhärten v. 20.

Doch freuen wir uns auch herzlich, wenn wir von so manchen Orten hören, daß sich der HErr bald hie, bald dort noch einiger Seelen erbarme, die vorher auch nicht zum Volke Gottes gehörten, und bitten wir, daß ihrer so viel sein möchten, wie Sand am Meer, obgleich nur wenige erhalten werden v. 27, dabei wir mit innigem Mitleiden gestehen, daß es mit eine Ursache sei, daß manche gutscheinende, und gutmeinende Gemüther auf diesen und jenen äußerlichen guten Dingen beruhen, oder auch etwas suchen; und bei den Mitteln, bei dem bloßen äußerlichen Werke stehen bleiben und solche nicht recht anwenden. Daher geschieht’s, daß sie sich nicht zur wahren Armuth des Geistes, zur Einfalt im Glauben, und Gründung auf Christum bringen lassen, und also auch der Gnade und Gerechtigkeit, die in Ihm allein zu finden ist, nicht theilhaftig werden.

Das zehnte Kapitel.

Eine Anweisung zum Glauben.

Zu solchem Glauben zu gelangen, gibt Paulus folgende Anweisung: man müsse aller eigenen Gerechtigkeit, durch etwas anderes gerecht und selig zu werden, als durch Christum und den Glauben an Ihn und aus Gnaden, von Herzen absagen, seine besten Sachen vergessen Phil. 3, sich unter die bloße und lautere Gnade beugen v. 3, sich nicht durch’s Gesetz abhalten lassen v. 4, oder auch mit eigenem Thun und Bessern aufhalten v. 5, auch nicht auf etwas außerordentliches warten v. 6, sondern sich unter herzlichem Flehen v. 13, durch’s Wort zum Glauben erwecken lassen v. 17, indem dieß der Hauptirrthum sei, a) die Gnade in etwas anderes als im Blute Jesu suchen, und b) den Glauben und Versicherung durch etwas anderes, als durch’s Wort, in der Wirkung des heiligen Geistes erlangen wollen, beides aber ohne das Gebet. Daß die meisten nicht glauben und Gnade kriegen, ist die Ursache: Gott muß seine Hände durch’s Wort vergeblich nach ihnen ausstrecken, und lassen ihnen nichts sagen, sondern widersprechen dem Wort v. 28.

Das eilfte Kapitel.

Wie man die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes anwenden solle?

Wenn man so viele arme Menschen siehet in Blindheit und Unglauben dahin gehen, wenige aber mit uns zur Gnade kommen, so hat man sich zu hüten, daß man Gott nicht die Schuld gebe, als ob Er Jemand aus unbedingtem Rathschluß verstoße v. 1, sondern bei der Wenigkeit der Begnadigten gedenken, daß gleichwohl auch viel Tausende bekehrt werden, die uns in diesem Leben unbekannt bleiben v. 4, überhaupt aber an den Menschen selbst die Schuld liege, die sich in Gottes Ordnung und Wege nicht schicken wollen v. 6.7, und damit selbst verursachen, daß sich ihnen die Gnade entzieht v. 8, wenn wir nun solche ansehen, so haben wir Ursache, uns herzlich zu beugen, und sollen es uns zu desto größerer Hochachtung und Bewahrung der uns widerfahrenen Gnade, als auch zum Lobe Gottes dienen lassen v. 11, uns ja nicht über sie erheben, denn was wir haben ist bloßes Erbarmen v. 20, ja wenn wir welche wieder fallen und abfallen sehen, sollen wir mit heiliger Furcht wandeln v. 22, auch hoffen, daß manche, die jetzt noch nicht glauben, sich jetzt noch nicht bekehren wollen, etwa noch vor ihre Ausgange aus der Welt dazu kommen und Barmherzigkeit erlangen werden v. 30, auch bedenken, daß Gott noch in seiner Erbarmung durch Bekehrung der Juden und Heiden sich werde herrlich machen v. 25. 29. 31. so wird man sich in die Wenigkeit derer, die selig werden, besser finden können, überhaupt aber darin erkennen Gottes Ernst und Güte, seine unbegreiflichen Gerichte, unerforschlichen Wege v. 33, und wird sie als heilig, gerecht, zugleich auch als eitel Güte und Wahrheit bewundern und verehren v. 34. 35. 36.

Das zwölfte Kapitel.

Vom Wandel der Gläubigen bis zum Beschluß des Briefs.

Denjenigen, die nun Gnade und Glauben erlangt haben, gibt Paulus einige Erinnerungen wegen des Verhaltens unter und gegen andere. Da sollen wir uns dem HErrn zum ganzen Eigenthum hingeben v. 1, den Weltkindern nicht alles nachäffen und mitmachen, sondern uns von der Gnade am Sinn und Wandel je mehr und mehr ändern und erneuern lassen v. 2, von uns selbst, in Eigenliebe, nichts halten und einbilden v. 3, welches eine große Verhinderung an der Vereinigung und Verbindung der Kinder Gottes ist. v. 4. Ferner sollen wir andere gute Seelen als unsere Glieder lieben v. 5.10, andern gerne dienen, in der Niedrigkeit des Herzens wandeln v. 16, uns nicht selbst für klug halten v. 17, und in Liebe und Erbarmen gegen unsere Feinde stehen bleiben.

Das dreizehnte Kapitel.

Die äußere Ordnung und Stände in der Welt läßt man dem HErrn stehen, und gibt Zoll, Ehre, Furcht, dem man es schuldig ist, allen aber Liebe v. 8, und wandelt überhaupt und in allen Stücken als ein Kind des Lichts.

Das vierzehnte Kapitel.

Weil Erkenntniß und der Glaube gleich sind, so läßt man in äußern Dingen, die nicht wider Gottes Wort sind, (worunter nebst vielen andern Dingen man auch die Ehestandssachen rechnen möchte) andere gute Seelen, nach ihrem Gewissen, dem HErrn stehen, und man begehret über anderer Glauben, (Ueberzeugung) und Gewissen kein HErr zu sein, für sich selbst aber trachtet man Niemand anstößig zu werden.

Das fünfzehnte Kapitel.

Hiebei aber haben wir immer zu wehren, daß uns nicht die Selbstgefälligkeit einnehme, wodurch alle Gemeinschaft mit andern Gläubigen zerrüttet wird, wenn man etwas sonderliches, und zwar nicht eben vor der Welt, sondern vor andern Kindern Gottes sein will, und zu haben vermeint. Das ist Christi Sinn nicht. Die prächtigsten Blumen lassen gern schlechtere neben sich stehen.

Das sechszehnte Kapitel.

Diese Einmüthigkeit sollen wir bewahren mit allen, die bekehrt sind, und auf einem Grunde mit uns stehen, ungeachtet sie in Nebendingen andere Erkenntniß hätten. Wenn nur drei Kinder Gottes zusammen sind, so ist die Ansicht in Nebendingen schon unterschieden. Wir sollen nicht um Worte zanken 2 Tim. 2,14, wenn nur die Sache nicht geläugnet wird. Einer redet von Buße, der andere nennt es Bekehrung, noch andere sagen: arme Sünder. Was der eine Pflichten nennt, das nennt der andere Seligkeiten, weil uns wohl dabei ist. Man lasse einem jeden darin seine Freiheit, wenn nur die Wahrheit nicht leidet. Man setze und suche nichts besonderes in dergleichen Worte; wenn man nur die richtige dem Worte der Wahrheit gemäße Erklärung nicht läugnet. In Worten besteht das Reich Gottes nicht. Die Natur kann das auch, sie kann vieles ganz accurat und orthodox ausdrücken, reden und schreiben. Worte geben nur zum Disputiren Anlaß. Das Reich Gottes besteht in Kraft 1 Kor. 4,20, die aber in Grundlehren, und zwar muthwillig irren, und gemeiniglich aus dem Grunde des geistlichen Stolzes etwas Besonderes vor andern wissen wollen; die, welche die Versöhnung oder Gerechtigkeit Christi, oder seine Anbetung läugnen, oder dem Grunde, oder der Ordnung des Heils zu nahe treten, Zertrennung und Aergerniß durch eigene Schuld anrichten, und nicht das, was Christi ist, sondern ihr eigenes suchen, ob sie wohl schön reden können, von solchen soll man weichen v. 17.18. Der HErr trete den Satan und Urheber der Zerrüttung in Kurzem unter die Füße der Kinder Gottes. Amen!

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