Heliand - 20 - Die Hochzeit zu Kana

Heliand - 20 - Die Hochzeit zu Kana

Nach drei Nächten dann ging dieser Völker Herr
nach Galiläa, wo zum Gastmahl war
geboten Gottes Geborner. Eine Braut war zu geben,
eine minnigliche Magd. Da war Maria
mit ihrem Sohne selbst, die selige Jungfrau,
des mächtigen Mutter. Der Menschen Herr
ging mit seinen Jüngern, Gottes eigen Kind,
in das hohe Haus, wo die Häupter tranken
der Juden im Gastsaal. Unter den Gästen war auch er
und gab da kund, daß er Kraft von Gott besaß,
Hilfe vom Himmelsvater, Heiligen Geist,
des Waltenden Weisheit. Wonne war da viel,
in Lüsten sah man die Leute beisammen,
gutgemute Gäste. Umher gingen Diener,
schenken mit Schalen, trugen schieren Wein
in Krügen und Kannen. Zu Kana war da groß
des Festmahls Freude. Als dem Volk unter sich
auf den Bänken die Lust am besten mundete,
daß sie in Wonne waren, an Wein gebrach es da,
am Met beim Mahl: nicht das mindeste war mehr
daheim im Hause, das vor die Herrschaft
die Schenken trügen, die Geschirre waren des Tranks
leer und ledig.

Nicht lange dauert' es,
so ersah es wohl die Schönste der Frauen,
die Mutter Christs: mit ihrem Kinde ging sie sprechen,
mit ihrem Sohne selbst, und sagt' ihm Bescheid,
daß die Wirte weiter des Weins nicht hätten
den Gästen zu geben, und begehrte drum,
daß der heilige Herr Hilfe schüfe den Leuten
nach Wunsch und Willen.

Da hielt sein Wort bereit
der mächtige Gottessohn und sprach zu der Mutter:
„Was geht mich und dich dieser Männer Trank an,
unserer Wirte Wein? Was sprichst du, Weib, davon,
und mahnst mich vor der Menge? Noch ist meine
Zeit nicht gekommen.“

Doch zweifelte nicht
in ihres Herzens Sinn die heilige Jungfrau,
daß nach diesen Worten des Waltenden Sohn,
der Heilande Hehrster, doch helfen wollte.
Da befahl dem Dienervolk der Frauen Schönste,
den Schenken und Schaffnern, die der Versammlung dienten,
der Worte und Werke sich nicht zu weigern,
und was der heilige Christ sie heißen wollte,
zu leisten vor den Leuten.

Nun standen leer
der Steinkrüge sechs. In der Stille gebot da
das mächtige Gotteskind, daß der Männer viel
nicht wußten in Wahrheit, was sein Wort da sprach:
Die Schenken sollten mit schierem Wasser
die Gefäße füllen: mit den Fingern dann
segnet' er es selber, mit seinen Händen,
in Wein es wandelnd, hieß davon aus weitem Becken
die Schale schöpfen und gebot den Schenken,
dem von den Gästen, der bei dem Gastmahl
der Hehrste wäre, in die Hand zu geben
die gefüllte Schale, der des Volkes dort
nächst dem Wirt gewaltete.

Wie der des Weines trank,
da mocht' er's nicht meiden, daß er vor der Menge sprach
Zu dem Bräutigam: „Das beste Getränk
pflegen sonst doch immer zuerst die Wirte
zu geben beim Gastmahl; wenn dann der Gäste Herz
vom Wein erweckt wird, daß sie in Wonne sich freuen
und trunken träumen, dann trägt man wohl auf
den leichtern Wein; so ist der Leute Brauch.
Aber du hast wunderlich deine Bewirtung
vor den Leuten angelegt: du ließest dem Männervolk
deiner Weine den wertlosesten
von allen zuerst auftragen die Diener,
beim Gastmahl geben. Deine Gäste sind nun satt,
trunken alle deine Tischgenossen
und fröhlich das Volk: da setzest du uns vor
aller Weine wonnigsten, die ich auf der Welt noch je
irgendwo haben sah. Damit hättest du zuerst uns sollen
bewirten und laben; deine Gäste würden es
dann mit Dank empfangen haben.“

Da ward mancher Degen
gewahr aus den Worten, als sie des Weines tranken,
daß der heilige Christ in dem Hause dort
ein Zeichen gewirkt. Sie zweifelten nicht mehr
und vertrauten ihm gern, da er Macht habe von Gott,
Gewalt in dieser Welt. Da ward das weithin kund
über Galiläa den Judenleuten,
wie da selber gewandelt des Waltenden Sohn
in Wein das Wasser.

Das war das erste Wunder,
das er in Galiläa den Judenleuten
als Zeichen zeigte. Erzählen mag niemand,
noch genugsam sagen, wie nun bei den Leuten
des Wunders ward so viel, wo der waltende Christ
in Gottes Namen den Judenleuten
den langen Tag seine Lehre sagte,
das Himmelreich verheißend und dem Höllenzwang
mit Worten wehrend. Das wahre Gottesleben
sollten sie suchen, wo der Seelen Licht ist,
des Herren Wonnetraum, seines Tages Schein,
ewiger Gottesglanz, wo mancher Geist
nach Wunsche wohnt, der hier wohl bedenkt,
daß er heilig halte des Himmelskönigs Gebot.

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