Heliand - 16 - Berufung der Jünger

Heliand - 16 - Berufung der Jünger

Christ aber ging
nach Galiläa, Gottes eigen Kind,
zu den Freunden wieder, wo er geboren war,
würdig erzogen. Die Verwandten ermahnt' er da,
Christ, sein Geschlecht, der Könige Mächtigster,
sie sollten nicht säumen, ihre Sünden zu büßen,
herzlich bereuen manch harmwerte Tat,
und die Frevel tilgen: „Erfüllt ist alles nun,
was ehrwürd'ge Männer hier vor alters sprachen,
die euch Hilfe verhießen, das Himmelreich.
Das naht euch nun durch des Heilands Kraft: genieß' es denn,
wer da gerne will seinem Gotte dienen,
seinen Willen wirken.“ Des ward des Volkes viel,
der Leute, lusterfüllt: ihm ward die Lehre Christs
süß, dem Gesinde. Zu sammeln begann er nun
begleitende Jünger, aus guten Männern
Wortweise Helden.

Er kam an ein Wasser,
wo der Jordan hatte bei Galiläa
sich zum See gesammelt. Da fand er sitzen
an dem Gewässer Andreas und Petrus,
die Gebrüder beide, wo sie am breiten
See geschäftig ihre Netze stellten,
in der Flut zu fischen, als das Friedenskind Gottes
an des Sees Gestade sie selber grüßte
und sie ihm folgen hieß. „So will ich euch viel
des Gottesreiches geben. Wie ihr jetzt in des Jordans Strom
Fische fanget, sollt ihr fürderhin Menschenkinder
mit Händen emporheben, daß sie ins Himmelreich
durch eure Lehre geleitet werden,
des Volkes viel.“ Da wurden frohgemut
die Gebrüder beide, Gottes Gebornen erkennend,
den lieben Herrn. Sie verließen alles,
Andreas und Petrus, was sie bei der Ache hatten,
dem Wasser, gewonnen. Ihre Wonne war groß,
daß sie mit dem Gotteskinde gehen durften,
in seiner Gesellschaft, und sollten dann seliglich
Lohn erlangen. Allen Leuten lohnt er so,
die hier um die Huld des Herrn dienen,
seinen Willen wirken.

An dem Wasser gingen
sie fürder und fanden einen erfahrnen Mann
bei dem See sitzen, und seine zwei Söhne,
Jakobus und Johannes, noch junge Männer,
Söhn' und Vater saßen am Sande zusammen,
flochten und flickten mit fleißigen Händen
ihre Netze genau, die sie nachts zuvor
im See verschlissen hatten. Da sprach ihnen selber zu
der selige Sohn des Herrn, daß sie ihm gesellt,
Jakobus und Johannes, beide gingen,
die kindjungen Männer. Da ward ihnen Christi Wort
so wert in dieser Welt, daß sie an des Wassers Gestad'
ihren alten Vater alleine ließen,
den Erfahrnen, bei der Flut, und was sie ferner da hatten,
Netze und genagelte Schiffe, und nahmen den Nothelfer Christ,
den Heiligen, zum Herrn. Seiner Hilfe war ihnen not,
und die zu verdienen. Das ist es jeglichem
wohl auf der weiten Welt.

Da ging des Waltenden Sohn
mit den vieren fort. Den fünften erkor dann
an einer Kaufstätte Christ, des Königs Diener,
einen mutweisen Mann, Matthäus geheißen.
Ein Beamter war er edler Männer,
der da zu des Herrn Händen empfangen
sollte Zinsen und Zoll. Er war zuverlässig,
von edelm Ansehn. Aller verließ er doch,
Gold und Silber und der Gaben manche,
teure Kleinode, und trat in des Herren Amt.
Den Christ zum Herrn erkor der Königsdiener,
freigebigern Fürsten, als früher sein Herr
war in dieser Welt, und wonniger ward sein Lohn
und langte länger aus.

Den Leuten ward es kund
auf allen Burgen, wie Gottes Geborner
ein Gesinde sammelte und selber sprach
manch weises Wort, und des Wahren so viel,
des Herrlichen zeigte, und der Zeichen manche
wirkte in dieser Welt. An seinen Worten ward,
an seinen Taten sichtbar, daß er selber der Fürst war,
der himmlische Herr, und zu Hilfe kam
in diese Mittelwelt den Menschensöhnen,
an dieses Licht den Leuten. Oft ließ er das im Lande schaun,
wenn er dort wunderbar manch Zeichen wirkte,
wenn seine Hände heilten Hinkende und Blinde,
und der Leute von Leiden viel erlöste,
von solchen Suchten, die am schwersten sind,
die Unholde anwerfen den Erdenbewohnern
zu langem Lager.

Da fuhren die Leute
dahin alle Tage, wo unser Herr war,
selber und sein Gesinde, bis da versammelt war
eine mächtige Menge mancherlei Volks;
obgleich sie aus gleichem Grunde nicht kamen,
gleichen Willens waren. Des Waltenden Sohn
suchten auch viel Arme, der Atzung bedürftig,
damit sie in der Menge Mundkost und Trank
von dem Volk erflehten. Denn viele waren da,
die ihre Almosen armen Leuten
gerne gaben. Von den Juden kam auch
ein falsches Gefolge herbeigefahren,
die hier unsers Herren Handlungen und Worten
belauern wollten: unwahr war ihr Sinn
und widrig ihr Wille; sie wollten den waltenden Christ
den Leuten verleiden, daß sie seinen Lehren nicht hörten,
nach seinem Willen sich nicht wendeten. Doch waren auch weise Männer,
gute, in seiner Begleitung, und Gott werte,
erlesene Leute: die kamen um Christi Lehren,
daß sie sein heilig Wort hören möchten,
lernen und leisten. Sie hatten sich mit dem Glauben
an ihm festgefangen, hatten frommen Sinn
und dienten ihm darum, daß er zum höchsten Glück
nach ihrem Endetag sie aufwärts brächte
zu Gottes Reiche. Und so gern empfing er
der Menschen Menge, verhieß mächtigen Schutz
auf längste Zeiten, und mocht' es auch leisten.
Da wurden helle Haufen um den herrlichen Christ
der Leute gesammelt. Von allen Landen sah er,
von allen weiten Wegen ein Wunder strömen
von jungen Leuten. Sein Lob war so weithin
der Menge vermäret.

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