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Heliand - 50 - Kaiphas.

Heliand - 50 - Kaiphas.

Doch waren im Volke
Viel muthstarre Männer, die Gottes Macht nicht
Kundbar erkennen wollten, sich seiner großen Kraft
Mit Worten widersetzten: ihnen war des Waltenden
Lehre so leid! Andere Leute nun suchten
Sie in Jerusalem auf, wo des Judenvolkes
Höchster Gerichtshof, ihre Hauptstadt war,
Das große Gaumal des grimmen Volkes,
Und verlautbarten da, daß sie den lebend gesehen
Mit eigenen Augen, der in der Erde gelegen
Der Tiefe vertraut vier Tag und Nächte,
Todt und begraben, bis Er durch seine That,
Sein Wort ihn erweckte, daß er diese Welt wieder schaute.
Sehr widerwärtig war das den störrischen
Judenleuten: sie ließen ihr Volk
Sich in Rotten scharen und zur Versammlung rufen
die Menge der Menschen, wider den mächtigen Christ
Rath zu pflegen: „Nicht rathsam ist es,
Daß wir es ferner dulden: zuviel dieses Volkes
Glaubt schon seiner Lehre: nicht lange, so wird
Ein Aufstand erstehen: ihn zu stillen kommen dann
Die Römer geritten, und des Reiches müßen wir
Verlustig leben, oder gar den Leib verlieren,
Das Haupt wir Helden.“

Da sprach ein gehehrter Mann,
Ein Oberhirt der Männer, der über das Volk
In der Burg bestellt war zum Bischof den Leuten,
Kaiphas geheißen: gekoren hatten ihn
In jenem Jahre die Judenleute,
Daß er das Gotteshaus behüten sollte,
Des Weihthums warten: „Wundern sollte mich,
Erleuchtete Männer, die von so Manchem Kund habt,
So ihr wirklich nicht wüstet, ihr Weisesten der Juden,
Daß es beßer wäre der Gebornen Jeglichem,
Wenn wir Einem einzelnen das alter kürzten,
Daß er blutig stürbe mit eurer Beistimmung,
Sein Leben verlöre für diese Leute all,
Als daß zu Grunde gienge das ganze Volk!“

Wohl war es sein Wille nicht, daß er so Wahres sprach,
So frei vor dem Volke aller Menschen Frommen
Vor der Menge vermeldete: durch die Macht Gottes kam es ihm,
Durch sein heiliges Amt, da er das Haus des Herrn
Vesehen sollte in der Stadt Jerusalem,
Des Weihthums warten: darum sprach so wahr
Der Bischof der Leute, Gottes Geborner sollte
Alle Erdenvölker durch seinen Tod, des Einen,
Mit seinem Leben erlösen. Allen Leuten half er so,
Denn es führte damit auch die Völker der Heiden,
Alle Welt zu seinem Willen der waltende Christ.

Da kamen überein die Uebermüthigen,
Die rotten der Juden, und beschloßen im Rath,
Die mächtige Menge, sie möchte nichts irren,
Und wofern man im Volke ihn finden möchte,
Sollt er gefangen werden und vorgeführt
Dem Mahlgericht der Männer: nicht möchten sies dulden mehr,
Daß der Eine Mann so alles Volk
Gewinnen wollte.

Der waltende Christ
Kannte der Männer Muthgedanken
Und haßgrimmes Herz: verhohlen blieb ihm nichts
In dieser Mittelwelt. Da möcht er in die Menge
Nicht öffentlich ferner unter das grimme Volk
Der Juden gehen: der Gottessohn harrte
Der lichten Zeit, die ihm zukünftig war,
Wo er den Leuten zu Liebe leiden wollte,
Dulden für das Volk, wust er zuvor doch wohl
Tag und Stunde. Da gieng der theure Herr,
Der allwaltende Christ, um zu Ephraim,
Der heilige Herr, in der hohen Burg
Mit den Jüngern zu weilen, und wandte sich wieder
Gen Bethanien dann mit dem breiten Gefolge,
Seiner ganzen Jüngerschaft. Die Juden besprachen es
Mit manchem Worte, da sie so große Menge
Ihm folgen sahen. „Nun ist kein Frommen mehr,
Kein Rath für das Reich, wie recht wir auch sprechen,
Kein Ding gedeiht uns, da doch das Volk
Nach seinem Willen sich wendet, so weite Schar ihm folgt
Der Leute, seiner Lehre halb, daß mir kein Leid
Vor all dem Anhang ihm anthun mögen.“
Da kam gen Bethanien der Geborne Gottes
Sechs Nächte zuvor eh die Volksversammlung
Der Judenleute in Jerusalem
An den festlichen Tagen gefeiert wurde,
Da sie die heiligen Zeiten halten sollten,
Der Juden Pascha. Da weilte der Gottessohn
In der Menge, der mächtige. Viel Männer waren da
Seiner Worte wegen, und zwei Weiber zumal,
Maria und Martha, die ihm mildes Herzens
In Demuth dienten. Diesen gab der Herr
Langdauernden Lohn: alles Leides erließ er sie,
Aller Schuld und Sünde. So gebot er ihnen,
Daß sie in Frieden führen vor der Feinde Drang
Mit gutem Urlaub, denn sie hatten ihr Amt
Ihm nach Wunsch verwaltet.

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