Helfrich, Franz Joseph - An Gottes Segen ist Alles gelegen.

Helfrich, Franz Joseph - An Gottes Segen ist Alles gelegen.

Predigt über Luc. 5, 1- 11.

von
Helferich, ehem. Kath. Pfarrer zu Holzhausen. jetzt evang. Pfarr-Vicar zu Pfungstadt in Hessen-Darmstadt.

Text: Luc. 5, 1 - 11.
„Es begab sich aber, da sich das Volk zu ihm drang, zu hören das Wort Gottes; und er stand am See Genezareth, und sahe zwei Schiffe am See stehen; die Fischer aber waren ausgetreten, und wuschen ihre Netze: Trat er in der Schiffe eines, welches Simons war, und bat ihn, daß er es ein wenig vom Lande führete. Und er setzte sich, und lehrete das Volk aus dem Schiff. Und als er hatte aufgehöret zu reden, sprach er zu Simon: Fahre auf die Höhe, und werfet eure Netze aus, daß ihr einen Fang thut. Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet, und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen. Und da sie das thaten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriß. Und sie winkten ihren Gesellen, die im andern Schiff waren, daß sie kamen, und hülfen ihnen ziehen. Und sie kamen, und fülleten beide Schiffe voll, also, daß sie sunken. Da das Simon Petrus sahe. fiel er Jesu zu den Knieen, und sprach, Herr, gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch. Denn es war ihn ein Schrecken angekommen, und alle, die mit ihm waren, über diesem Fischzug, den sie mit einander gethan hatten; desselbigen gleichen auch Jacobum und Johannem, die Sohne Zebedäi, Simons Gesellen. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht; denn von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie führeten die Schiffe zu Lande, und verließen alles, und folgten ihm nach.“

Den Grundgedanken, welchen wir bei Betrachtung unsers Textes im Auge behalten wollen, drückt der Psalmist mit schönen Worten also aus: „Es ist umsonst, daß ihr frühe aufsteht und hernach lange sitzet, und esset euer Brod mit Sorgen, denn seinen Freunden gibt er schlafend.“ Ps. 127, 2. Nur die säen und ernden mit Glück und Vortheil, die da mit Gottes Segen und in Jesu Namen zur Arbeit aufstehen oder zur Ruhe sich setzen. Segensreiche Früchte werden nur Jene erndten, die im Geiste Jesu Christi unseres Herrn, nach Gottes ewigem Reichsgrundgesetze und Willen arbeiten und ringen; nur Jene, sage ich, die im lebendigen Glauben an Gott von Gott recht ergriffen, in echter Erkenntniß und Freundschaft Gottes wandeln. Die aber, welche im Himmel keinen Vater, sondern nur einen Richter zu gewarten haben, dessen Stuhles Veste Recht, Gerechtigkeit und Gericht genannt wird; die außer Gott in dem Element einer sich selbst geschaffenen Welt, gegen Gott im Bunde des Satans, und ohne Gott leben, arbeiten und glücklich sein wollen, fischen in der Finsterniß und dunkeln Nacht ihres Herzens und fangen ihrer schwersten Arbeit ungeachtet nichts als Täuschung, Elend und Verderben, mögen sie auch in prächtigen Palästen wohnen, mögen sie auch mit angefüllten Netzen und Schiffen heimkehren, mögen sie auch von Geburt an bis ins Grab als Schooskinder des Glückes gepriesen werden, und die Ehre der Reichen dieser Welt erndten.

Wem wäre nicht das Sprichwort bekannt: an Gottes Segen ist Alles gelegen; was man in Gottes Namen thut, gelinget immer noch so gut?

Indem wir diese Wahrheit erwägen, werden sich uns als Hauptpunkte der Bedingungen des Segens Gottes vor Augen stellen:

  1. Anhörung und Beherzigung des Wortes Gottes,
  2. Glaube,
  3. Liebe, und
  4. Armuth des Geistes.

I.

„Grundlage aller Glückseligkeit des Menschen, des Segens seines Leibes und Geistes ist Anhörung und Beherzigung des Wortes Gottes. Wäre die Offenbarung Gottes nicht wie ein Alles erleuchtendes und erwärmendes Licht in die Finsterniß dieser Welt hineingetreten; dann gäbe es nur Ein Reich, Eine Parthei, Eine Gesinnung, Eine Richtung, Einen Weg, Einen Herrn, Ein Ziel und Ende; seit aber Gott dem Menschenmörder und Vater der Lüge von Anfang gewaltig entgegentrat, gibt es nun zwei Reiche, ein Reich Gottes und ein Reich des Satans; zwei Partheien, die Parthei der Selbstsucht und die Parthei des demüthigen Gehorsams; zwei Gesinnungen, die des Fleisches und die des Geistes, daher Lüste sind, die wider die Seele streiten; zwei Richtungen, eine himmlische und eine irdische; zwei Wege, den breiten der Weltlust, des großen Haufens und der Hoffart der Seele, und den schmalen, mit Dornen bestreuten Weg: zwei Herrn, Gott und den Mammon, und zwei Ziele und Ende, Himmel und Hölle, Leben und Tod, Wasser und Feuer, Halleluja und Zähnknirschen! In welches von beiden Reichen gehörst du mein Freund, meine Freundin? In einem von beiden mußt du sein!

Bist du Glied des großen Haufens auf der breiten Straße der sinnlichen Lust, (und das bist du, sofern du nicht den natürlichen Menschen, der nicht vernimmt, was des Geistes Gottes ist, abgelegt und ausgezogen hast,) bist du nicht rein und ganz entschieden aus der Welt und den Freuden der Welt herausgetreten und alles Spottes, Verlustes und aller Kämpfe ungeachtet unter die ärgerliche Kreuzesfahne Jesu deines Heilandes geflohen, sammelst du noch für Christo nicht, sondern zerstreuest du, bist du noch nicht wiedergeboren, noch keine neue Kreatur in Christo, hast du dich noch nicht entschieden, ob Baal oder Jehova dein Gott sei; willst du es mit deinem Christenthum noch nicht mit der Pharisäer-, Sadduzäer- und Herodianer-Schaar verberben; sondern am fremden Joch mit den Ungläubigen ziehen und auf beiden Seiten hinken, dann, dann magst du als reich, gelehrt angesehen, wichtig, beliebt, verdient und geschickt sein, gleichviel; du magst arbeiten, daß die Nägel deiner Finger bluten; du magst mit Vortheil wirken und deine ganze Umgebung beglücken; du magst Hungrige sättigen und den Zehnten deines Vermögens zum allgemeinen Besten opfern; du bist dennoch elend, nackt und blos, und es fehlt dir die Augensalbe; nichts kann dir zum Besten gereichen. Nur dem, der da mit Gottes Schutz und Segen arbeiten und leben will, nur dem, der in richtiger Erkenntniß Gottes, nach Gottes Geist und Gebot, im Namen seines Herrn zur Arbeit aufsteht oder sich niedersetzet, nur ihm gereicht Alles zum Besten, mag es ihm auch für den ersten Anblick nicht also erscheinen.

Unser Text verkündet uns, daß sich eines Tages eine solche Menge Volks zu Jesu !hindrängte, um das Wort Gottes zu hören, daß Jesus am Ufer gedrückt für besser hielt, auf ein Schiff zu steigen, um vom Schiffe aus zu predigen.

Lobenswerth und für uns Alle musterhaft, daß die Juden in Begierde, Gottes Wort zu hören, den Herrn und Meister drängten! Lobenswerth, sage ich, aber noch nicht hinreichend, um des Segens Gottes in allem Thun und Lassen versichert zu sein, denn wenn sie blos träge Hörer und nicht thätige Vollbringer des Wortes waren, so sammelten sie sich nur einen Schatz zum Gericht und der Verdammniß. Musterhaft für uns, sage ich, denn der größte Theil unserer Zeitgenossen liegt krank an einer kirchlichen Entkräftung, an einer religiösen Gleichgültigkeit und Erkältung, an der ansteckenden Pest der Genußsucht, Zweifelsucht und Habsucht; Viele verlassen sich auf ihre Geburt und Kirche; Viele auf ihre falsche Aufklärung, Viele auf selbsterdachten Gottesdienst und auf eigene Kraft den Himmel zu verdienen; Viele auf sogenannte gute Werke und den Rock äußerlicher Rechtlichkeit; Viele meistern die Schrift und verwerfen den Eck- Grund- und Schlußstein, nemlich das erlösende Verdienst Jesu Christi am Kreuze, und Viele schämen sich, ihre an hochtrabende Rede und Schrift gewöhnten Ohren dem einfältigen Evangelio zuzuneigen! Gottes Wort in Schrift und Predigt kann einem so gebildeten Jahrhundert keinen Geschmack mehr abgewinnen, dennoch glaubt es, es stehe mit Gott im Bunde der Gnade und des Friedens, und auf allem seinem Rennen, Ringen, Treiben, Erfinden, Schaffen und Sorgen lasse sich die segnende Hand Gottes nieder?! Aber nein, es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht, und hernach lange an der Arbeit sitzet und esset euer Brod mit Sorgen; es ist umsonst, denn der Herr macht euern Tisch zum Strick und in einer Nacht kann er euere thörichten Seelen abfordern, für wen wird dann sein, was ihr aufgehäuft habt? Seinen Freunden gibt er es schlafend! Freunde Gottes können wir nicht sein, sofern wir nicht Kinder Gottes sind; Kinder Gottes sind aber nur die, welche den Geist Christi haben, und von diesem heiligen Geiste getrieben werden; diesen Geist aber erlangen die, welche den Vater ernstlich darum bitten; Beten also, sagt Luther, ist des Christen Profession! Wofür eure Arbeit? Kann sie euch den Schatz, den weder Rost noch Motten verzehren und wornach die Diebe nicht graben können, erwerben? Werdet ihr eure Beute mitnehmen, um sie als Lösegeld für eure Sünden an der Himmelspforte abzugeben? Wofür euer Fischen und Fangen, Scharren und Kümmern? Wofür euer Frühaufstehen und lange Sitzenbleiben? Reißet und schlaget ihr euch auch um den Herrn Jesu? Dränget ihr ihn, um sein tröstlich Wort zu hören? Ringet ihr nach dem Schatz des Evangelii, der in das ewige Leben bleibet? Wo nicht, so fischt und fangt ihr in der Nacht, ihr werfet das Netz vergeblich aus, und fanget nichts, trotz aller eurer Arbeit, als Güter, die da trügen, blenden, faulen und verschwinden, als Schätze, die euch nicht sterben lassen wollen und den Todeskelch noch bitterer machen. Darum laßt uns mit dem frommen Sänger sprechen:

Komm Jesu in mein Schiff getreten,
Mit dir kommt aller Segen her,
Ich wende mich zu dir mit Beten,
Mein ausgeworf'nes Netz ist leer,
Bis daß dein Wort es heiliget,
Wie dort am See Genezareth.
Das Volk drängt sich, dein Wort zu hören,
Drum laß mich auch begierig sein
Nach deinen süßen Himmelslehren,
So stellt sich auch der Segen ein;
Wenn man nach deinem Reiche tracht't,
So wird man auch wohl reich gemacht.

II.

Geliebte! Im Vertrauen auf Gott und im Namen Jesu Christi sollen wir arbeiten und unternehmen, wenn wir des Segens Gottes versichert sein wollen; oder mit anderen Worten: wir sollen arbeiten und wirken im frommen christlichen Glauben, der uns auf Gottes Wort in's Herz gesenkt wird, denn Glaube ist Vertrauen, Hoffnung, Liebe, Gehorsam, Treue und alles Andere, der Glaube ist die Quelle alles Heils, der Zweig vom Baume des Lebens auf unser Herz gepfropft. In diesem Glauben, der durch Bibel und durch einen bibeltreuen Prediger verkündet wird, liegt die Bürgschaft des Segens all unserer Arbeit, unseres ganzen Lebens und Leidens, ohne diesen Glauben, sagt Luther, „riecht und schmeckt alles nach Fleisch.“

Nachdem Jesus gepredigt hatte, sprach er zum Eigenthümer des Schiffes, worauf er sich befand, fahret auf die hohe See und werfet euer Netz zum Fange aus. Simon Petrus antwortete dem Herrn: Meister! wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen. Und da sie das thaten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriß.

Wie hätte Petrus von Herzens-Grund und mit Glauben an Jesu Macht sagen können: „auf dein Wort, Herr! will ich das Netz auswerfen!“ - wenn er nicht zuvor Jesum gekannt und seiner Predigt alles Gehör geschenkt hätte? Er hatte ja in eigener Erfahrung gewiß auf dem besten Fischerplatz und in eigener mehrjährig geübten Klugheit die ganze Nacht gearbeitet und weit eher Hoffnung gehabt, Fische zu fangen, als am Tage, wann die Fische gern die Netze meiden! Die Predigt Jesu hatte in Simon Wirkung gehabt, sie hatte sein Herz für Jesu und sein hülfreiches Wort zutraulich gemacht; Simon glaubte an die göttliche Sendung, an die erhabene Würde des Sohnes Gottes; er glaubte an Gottes Hülfe zur Zeit der Noth, und im Gehorsame, so wie im festen Vertrauen auf des Herrn Wort und Geheiß, schöpfte er zuversichtlichen Muth im Geschäfte, fuhr auf die Höhe, und fing durch Gottes wunderbare Fügung so viele Fische, daß ihm das Netz zerriß.

Es bleibt doch immer wahr und ist ein theuer werthes Wort: „wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wachet der Wächter umsonst. Darum ist es umsonst, daß ihr frühe aufstehet und hernach lange sitzet und esset euer Brod mit Sorgen, denn seinen Freunden gibt er es schlafend.“ Wahrlich, wie aus einem Schlaf mußte Simon Petrus erwacht sein, als er solchen Fischzug that; denn der ungläubige Adam mag doch dabei ihm manchmal ins Ohr geraunt haben; es wird nicht gar so reich ausfallen. - Warum werden so viele Menschen unserer Zeit mißmuthig und gleichgültig beim Erwerb? Warum hören wir von so vielen unglücklichen Familien, welche am redlichen Aufkommen verzweifeln und den Vermögensuntergang beschleunigen? Warum hören wir von Verzweiflung, Selbstmord, Armuth und Elend? Warum darben so Manche und leben kümmerlich trotz all ihrer Arbeit? Heiden würden antworten: ein blindes Mißgeschick, ein Zufall, ein Schicksal verfolgt sie. Wir aber, wollen wir anders unsern Namen nicht brandmarken, antworten: sie arbeiten nicht im Namen Jesu, noch im Vertrauen auf Gottes Wort: „ich will dich nicht verlassen oder versäumen;“ nicht in Freundschaft Gottes, sondern, da sie all ihr Vertrauen auf ihre Geschicklichkeit und Hände setzten, werden sie kleinmüthig, ängstlich und wollen verzweifeln, sobald sie Mangel verspüren. Viele unserer Brüder zwar fahren auf die hohe See, um in andern fremden Landen das Netz des Erwerbs auf's Neue auszuwerfen. Fahren sie aber aus niedern schlechten Absichten, mit schlechtem Vertrauen und Glauben, ohne Jesu Wort, Geist und Gnade aus, um auf einem jungen geruhten Boden sich große Scheunen zu füllen, und alsdann zu ihrer Seele zu sprechen: „nun, liebe Seele, hast du Vorrath in Menge, iß und trink und laß dir wohl sein;“ so werden sie dort wie hier in der ganzen Nacht ihres Herzens fischen und schaffen, scharren und beuten, und zuletzt doch nichts Bleibendes gefangen haben. Es wird auch dort umsonst sein, daß sie frühe aufstehn und hernach lange sitzen; denn seinen Freunden nur gibt er es schlafend, und wenn diese aus ihrer Noth erlöset werden, werden sie sein wie die Träumenden. Sind sie aber auf die hohe See gefahren, um im fremden Lande weniger gottlos zu sein, um dort im Namen und Geheiß des Meisters am lichten Tage ihrer Seele zu fischen, sind sie hingezogen im heiligen Berufe, ödes Land zu bebauen, und den Baum des Evangelii zu pflanzen; haben sie den Herrn Jesum in ihrer Mitte, wenn ihrer zwei oder drei versammelt sind, pflegen sie in ihren Kindern das heilige Feuer des Glaubens und der Liebe; dann laßt uns sie glücklich preisen. Ihr Netz wird voll Segen werden, von Ueberfluß wird es zerreißen. Dasselbe gilt aber auch dir, mein Freund! der du mißmuthig und kleingläubig die Hände an der Arbeit sinken lässest, weil du keinen Segen und gedeihlichen Fortgang verspürest. Du hattest Wohlgefallen an deiner Hände Geschicklichkeit, freutest dich über glücklich zusammentreffende Umstände, welche dir einen leichten und vielversprechenden Anfang eröffneten, du bautest auf die Gesundheit deines Leibes, und auf das Geld und Gut, welches du gleich miterhieltst. Aber du siehst deine schönen Hoffnungen vereitelt, ungünstige Ereignisse zerstörten plötzlich deinen Plan, und verringerten deine Geschäfte, dazu kommt Unfriede, Unglück, Leiden im Hausstande und es dünkt dir, unsichtbare Mächte hätten sich verschworen, deine ganze Existenz zu untergraben. Da stehst du; starrest stumm in das blaue Firmament hinein, siehst nichts, als viele vergebliche Mühe und Sorge hinter dir und einen Schlund unvermeidlichen Elends vor dir geöffnet. Ohne Rath und That stehst du da, aber wahrhaftig auch ohne Gott. Unglücklicher Mensch, der du keinen Glauben an Gottes Hülfe kennst, der du alles evangelischen Trostes beraubt bist! Ei, werde ein entschiedener Jünger Christi, damit sich das Blatt deiner Seele wende, und das Blatt deines mißlichen Geschickes wird gleichfalls eine Wendung nehmen. Werde ein Kind Gottes, und du wirst inne werden, daß Gott dein Vater ist. Glaube der Predigt Jesu Christi, habe Vertrauen, wie Simon Petrus, und auf Jesu Wort hin werfe getrost dein Netz an demselben Orte aus, wo du während der Nacht deiner Seele gearbeitet und nichts gefangen hast. Werde vorerst selbst ganz anders, so wird dir auch das Leben und die Welt ganz anders sein, ergieb dich ganz in den heiligen Willen Gottes, beweine Tag und Nacht deine Fehltritte alle, so du bisher in der Blindheit deiner Seele gethan; lerne mit Demuth erkennen, was Luther in heiliger Weisheit und Wahrheit singt: „Mit unsrer Macht ist nichts gethan, wir sind gar bald verloren;“ und ich sage, es wird sich dir zur rechten Zeit eine Thür öffnen, um nicht gerade zum Reichthum, wohl aber zur Genügsamkeit und Zufriedenheit zu gelangen.

Eins ist noth! wer hat dieß Eine?
Der allein, der Jesum hat.
Jesum haben, macht alleine
Selig, fröhlich, ruhig, satt.
Wer Jesum erwählet
Hat Alles erkoren;
Wer Jesum verlieret
Hat Alles verloren.

Doch findet ihn wieder, wer suchet mit Fleiß, Und wer ihn behält, der behält such den Preis. Du bist mißmuthig, mein Christ! weil du nicht mit Segen erntest; hast du denn im Namen Jesu Christi gesät? Du bist betrübt, weil dein Erwerb nicht gedeihlichen Fortgang hat; hast du denn dein Geschäft im Namen Gottes angefangen? Du fühlst dich unglücklich in deiner ehelichen Verbindung, war deine Ehe zuvor im Himmel geschlossen und liegt nicht in deiner unchristlichen Gesinnung der Grund aller Uneinigkeit? Es ist umsonst, daß du frühe aufstehst und hernach lange sitzest und issest dein Brod mit Sorgen. Bist du denn ein Freund Gottes, damit es dir schlafend geschenkt werde? Ja du, du bist der Zerstörer des Paradieses, denn wären wir alle Christi wirkliche Jünger, heute noch müßte der neue Himmel und die neue Erde entstehen; du bist der Gründer deines Unglücks, Schadens, Verderbens, weil du verachtest in allen Stücken von Gottes weiser Hand geleitet zu werden; du willst den Segen mit Arbeit erzwingen, glaubst Etwas zu sein, weil du säest, pflanzest und begießest, aber der allein das Gedeihen in seiner Hand hält und auf dein gläubiges Gebet wartet, er zertritt in einem Nu alle deine Mühe und fordert gar noch deine unvorbereitete Seele in dieser Nacht ab.

III.

Wenn der Herr aber seinen Freunden im Schlafe reichen Segen ertheilt und ihnen Güter über Nacht schenket, so hat er die weise Absicht, seine Gaben unter eine Verwaltung zu bringen, die nicht mit dem Ueberfluß geizet und unersättlich wuchert, sondern liebreich den Brüdern mittheilt; er hat die Absicht, daß eben durch den Ueberfluß und Segen seine Freunde in der Nächstenliebe und Demuth geprüft und geübt werden, daß sie nemlich zum Geständniß getrieben ausrufen: Ach! Herr! was ist der Mensch, daß du seiner gedenkest, und das Menschenkind, daß du dich seiner so annimmst! Wir sind sündige Menschen, und zu gering aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinen Knechten gethan hast. Ps. 8, und 1. Mos. 32, 10. Es winkten Simon und die mit ihm waren ihren Mitgenossen, die in einem andern Schiffe waren, sie möchten kommen und Theil nehmen an dem Hervorziehen dieses Schatzes. Sie kamen auch und füllten beide Schiffe also an, daß sie beinahe versunken wären. Als Simon Petrus dieses sah, fiel er Jesu zu Füßen, und sprach: Herr! gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch.

Gott der Herr gibt so viel Fische dem glaubenden Petrus, daß, unerachtet sein Netz zerriß und dadurch viele Fische wiederum entschlüpft sind, er den Zug nicht allein thun kann, sondern andere zu Hülfe und folglich auch zur verdienten Theilnahme rufen muß; ein Bild zur Belehrung für alle gesegneten Freunde des Herrn, daß sie mit ihrem Ueberfluß viele ärmere Mitbrüder sättigen, und sich durch Wohlthun des göttlichen Zutrauens würdig beweisen sollen. Alle Schätze und Güter auf Erden sind an sich Gemeingut, der Herr aber legt sie aus weisen Absichten nicht in eines Jeden Hände zur Verwaltung gleichmäßig und zu gleicher Zeit; sondern wie die Zeiten sich ändern und die Menschen sterben, heißt bald dieser, bald jener reich. „Arme und Reiche müssen untereinander sein, der Herr hat sie alle geschaffen.“

Wem der Geist Gottes sagt, daß er ein Kind Gottes sei und der demnach unter die Freunde Gottes sich durch Christum Jesum gestellet glaubt, lasse sich wohl genügen, wenn er keine Nahrungssorgen hat; „denn es ist ein großer Genuß und Gewinn, wenn einer gottselig ist und läßt ihm genügen;“ er dünke sich reich genug, „denn Niemand lebt davon, daß er viel Güter hat.“

Ueberhäuft ihn aber die gütige Hand Gottes mit überreichem Segen, mehret sich sein Vermögen auf eine ansehnliche Größe, so daß er sich vor andern seines Gleichen hervorthut, o dann sei er nüchtern und wachsam, denn eine schwerere Prüfung kommt ihn auf, ein noch schwereres Gericht fordert von ihm Rechnung über den Haushalt! Wie leicht beschleicht ihn der Geiz und wie schwer ist der Gang eines Kameels durch ein Nadelöhr! Schön sagt Dr. Martin Luther: Die Güter haben und geben nicht denen, so es bedürfen, gehören auch in das Register, darinnen die Diebe stehen, darum kann ein Geizhals nichts besseres thun als sterben, denn im Leben ist er weder Gott noch Menschen, ja ihm selbst kein nütz.

Soll dir mein Freund, Gottes Segen, Segen bleiben und nicht zum Strick des Verderbens werden, dann theile mit von deinem Ueberfluß allen Armen und Kranken, die in deinem Gesichtskreis liegen, bringe Opfer auf dem Altar der Verbreitung des Wortes Gottes; warte nicht, bis man dich findet, sondern suche die Noth auf und sei ein fröhlicher Geber. Gebe dem Dürftigen, und verschwende nichts an Schmeichler, Schwelger und üppige Menschen, sondern gib Unterhalt denen, die das Recht haben zu essen, weil sie arbeiten wollen, wenn sie nur können. All dein Beten, Singen und Bibellesen ist falsche Liebe, scheinheiliger Götzendienst, so lange du Jesum in den Armen nackt, hungrig und irre gehen läßt.

Gleichwie Simon Petrus nicht glaubte, daß sein reicher Fischzug eine Zufälligkeit, ein blindes Glück gewesen sei, sondern den ganzen Vorfall der Gegenwart Jesu zuschrieb; so wie er darauf an seine Unwürdigkeit und Sündhaftigkeit gedachte und Gottes Segen mit seinem Leben nicht zu reimen wußte; gleichwie er sich in Demuth und Anbetung vor Jesu auf die Knie hinwarf, und sprach: Herr, gehe hinaus von mir, ich bin ein sündiger Mensch, eben so darfst du von Gott gesegneter Christ nicht sagen, wie man heut zu Tage gern zu sagen pflegt, es ist ein glücklicher Zufall; ein blindes Loos, oder meine geschickten Hände haben dies Alles errungen, eben sobald sollst du an deine Unwürdigkeit denken und auf dein Angesicht fallen und sagen: Herr, ich bin ein sündiger Mensch, führe mich nicht durch irdische Güter in Versuchung, sondern gib mir Weisheit, in Demuth sie zu verwalten. Sprich mit dem frommen Sänger:

Laß mich mit meinem Nächsten theilen,
Wie Petrus den Gesellen winkt,
So wird man mir zu Hülfe eilen
Wenn auch mein Nahrungs-Schifflein sinkt;
Der Geiz sucht alles nur für sich,
Vor diesem Greul behüte mich!

IV.

Segnet der Herr seiner Freunde Arbeit und Mühe, so macht er ihnen zugleich zur Pflicht, arm im Geiste zu bleiben, im Herzen sogar Alles zu verlassen, und ihm allein zu folgen, um für sein Reich Menschen zu fangen. Die Fischer brachten ihre Schiffe ans Land, verließen Alles und folgten ihm nach, weil er zu Petrus gesagt hatte: komm, von nun an sollst du Menschen fangen. Schätze, Segen, und Reichthum werden von Gott nicht gegeben, damit der Mensch sein Herz und Leben daran setze und hänge, sondern die da besitzen, sollen sein, als besäßen sie nichts, und die sich freuen, als freuten sich nicht. An Geist, Gesinnung und Betragen sollen sie arm bleiben, keinem Mammon dienen, sich auf Götzen nicht verlassen, auf vergänglich Gut nicht stolz sein, und den ärmeren Bruder darob nicht verachten. Besonders verlanget Gott, daß die mit Güter Gesegneten zur Verbreitung seines Reiches und zur Verkündigung seines Namens in allen Ländern der Erde wesentlichen Beitrag liefern und dadurch Menschenfischer werden sollen. Nicht allein unter den Heiden und sonstigen unchristlichen Völkern der Ferne, sondern selbst auch in unserm Vaterlande, selbst in unsern Häusern und Familien sind so viele noch für den Herrn zu fangen, und wir haben die Hände voll zu thun. Es ist darum höchst betrübend, zu sehen, daß Eltern ihre Kinder eher in das verfängliche Netz der Welt fangen, als für das Reich Jesu Christi erziehen! Ihr Vermögen ist ihnen zum Strick geworden! Es ist sehr betrübend, zu sehen, wie Herrschaften, die Knechte, Gesellen und Arbeiter ernähren, nicht im Geringsten besorgt sind, daß ihre Untergebenen durch Belehrung, Ermahnung und gutes Beispiel aus den Meeresfluthen des Unglaubens und der Welt herausgefischt und für Christi Reich gefangen werden! Es ist betrübend zu sehen, wie in Städten eine ungezügelte Baulust Paläste an Paläste reihet, davon bald wieder viele leer und verlassen stehen, während viele Kirchen des Landes ihre Armuth an der Stirne tragen, Schulen und Schulgebäude noch manchen Orts mangeln, und die Prediger und Lehrer, der rühmlichen Sorgfalt unserer weisen Regierung unerachtet, immer noch nicht alle aus drückenden Verhältnissen gerettet werden konnten! Ich will nicht sagen, wie viele Christen unseres Landes man in großen Unwillen bringen könnte, wenn man das Gebot erließe, es müßte sich Jeder wenigstens ein Neues Testament anschaffen. Mäßigkeits-Vereine würden unter uns ihr Glück nicht finden und ein strengchristliches Gesetz, den Sabbath zu halten, würde durch strenge Handhabung leicht einen Auflauf unter dem vergnügungslustigen reichen und armen Pöbel unserer Zeit erregen können!

Welch ein Gericht wird unser gesegnetes Christenvolk treffen! Der Herr sei ihm gnädig am Tag des Zorns. - Segen ist in Fluch verkehrt, wenn er rostet und unnütz liegt oder wenn er auf dem Altare Belials in Weihrauch verduftet. Machet aber die Thore weit und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehre einziehe. Wer ist der König der Ehren? Es ist der Herr Zebaoth, dem der Erdboden ist, und was darauf wohnet.“ Ps. 24.

Segen ist in Fluch verkehrt, wenn nicht das heilige Bibelwort in allen Verhältnissen unsers Lebens, bei Arbeit und Ruhe das Scepter führt. Segen ist in Fluch verkehrt, wenn nicht im Glauben und Vertrauen auf des Herrn gewaltige Hülfe, in Demuth des Herzens und im Bekenntniß der Sünden das Netz redlichen Erwerbes ausgeworfen wird. Segen ist in Fluch verkehrt, wenn Geiz und selbstsüchtige Verwaltung in Kisten und Schlösser legen, worauf der Dürftige gerechten Anspruch hat. Segen ist in Fluch verkehrt, wenn Hab und Gut dem Reiche Satans dienen. Es ist also gar umsonst, daß ihr frühe aufsteht, hernach lange sitzet, und esset euer Brod in Sorgen, denn seinen Freunden gibt's der Herr schlafend. Es ist umsonst, daß ihr klüglich handeln und wandeln wollt, daß ihr Verträge und Bündnisse knüpfet und löset; der Herr kann sie euch alle vereiteln die Pläne, Aussichten und Gewinne! Es ist umsonst, dass ihr Paläste bauet, Vermögen häufet, in weichen Kleidern wandelt, vornehm thuet und lebet, bald werdet ihr Moder und Verwesung im Grabe sein und all euer Gut zerstäuben sehen. Umsonst freuet ihr euch eurer Kinderschaar, und des Haufens von Knechten und Arbeitern; gerade sie werden euch am Gerichtsstuhl Gottes schwere Räthsel zu lösen geben! Umsonst ist all euer Dichten und Trachten, denn es ist böse von Jugend auf.

Eins ist noth! ach Herr, dies Eine,
Lehre mich erkennen doch,
Alles And're. wie's auch scheine,
Ist ja nur ein schweres Joch,
Darunter das Herz nur sich naget und plaget,
Und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget
Erlang ich dieß Eine, daß Alles ersetzt,
So werd' ich mit Einem in Allem ergötzt.
Amen!

Quelle: Fliedner, Theodor - Ein Herr, ein Glaube

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