Harms, Ludwig - Die Theorie des Heiligen Geistes

Harms, Ludwig - Die Theorie des Heiligen Geistes

Ein Brief aus dem Jahr 1851

Lieber Bruder!

Sie müssen entschuldigen, daß meine Antwort so lange ausgeblieben ist; ich habe nicht eher antworten können, weil mir gerade in diesen letzten eineinhalb Monaten buchstäblich kaum Zeit zum Essen und Schlafen übrig geblieben ist. Aber mit herzlicher Freude und Liebe habe ich Ihren Brief gelesen und seit der Zeit nicht aufgehört, für Sie und Ihre Gemeinde zu beten. Wohl kenne ich die von Ihnen erwähnten Schwierigkeiten, ich habe sie selbst zu bekämpfen gehabt, weiß aber auch, daß sie nicht unüberwindlich sind. Und im Grunde sind es nie und nirgends die äußerlichen Verhältnisse, sondern immer die Herzen, die Schwierigkeiten machen. Ändern sich die Herzen, so ändern sich die Verhältnisse von selbst. Aber wie soll ich Ihnen Rat erteilen? Ich kann es nicht in einem Brief, kann es überhaupt nicht durch einer Theorie. Ich bin den Theorien so durch und durch Feind, daß ich glaube, daß alles verkehrt angefangen ist, was nach Theorien geschieht. Ich lasse nur eine Theorie gelten, die des Heiligen Geistes. Mit des Heiligen Geistes Kraft, akkurat nach dem Worte, getrieben von der Liebe Christi, und dann ohne weiteres darauf und daran und gesprochen, wie einem der Schnabel gewachsen ist, und getan, was man nicht lassen kann, und in jeder Seele eine Seele sehen, die Christus mit Blut erkauft hat und die ihm gehört und die man ihm wiedergewinnen muß. Das, glaube ich, ist der frische Lebensweg. Predigen Sie rücksichtslos entschieden Gottes Wort. Strafen Sie Sünden und Gottlosigkeiten der Gutsbesitzer und Pächter. Sie mögen da sein oder nicht. Und die Sünden und Gottlosigkeiten der Tagelöhner. Auch sie mögen da sein oder nicht. Und beide mögen es übernehmen oder nicht und annehmen oder nicht. Nie kommt das Wort leer wieder zurück. Malen Sie Jesum Christum, und zwar dies vor allen Dingen, den Leuten vor die Augen, in seiner ganzen Kreuzesgestalt und Herrlichkeit, beten Sie in der Gemeinde brünstig um den Heiligen Geist. Machen Sie Ihre Predigten nicht, sondern erbeten Sie sich auf den Knien Ihre Predigten. Und wenn alle Leute schlafen, dann ringen Sie noch auf den Knien mit dem Herrn um die Seelen der Menschen und opfern Sie Zeit, Kraft, Bequemlichkeit, alles dem Herrn und dem Seelenfrieden der Menschen. Das Wort Gottes aber, mag es Rechtfertigung aus dem Glauben oder Sonntagsheiligung, Evangelium oder Gesetz sein, predigen Sie so, daß keine Hintertür offen bleibt, ohne Rücksicht auf die Folgen, noch auf Mißverständnis und dergleichen. Unter Gottes Wort muß sich alles beugen. Kein Verhältnis und keine Folgen befreien davon.

Dabei bitte ich Sie: wandeln Sie heilig. Predigen Sie kein Wort, das Sie nicht selber tun. Meiden Sie alles, was nach der Welt schmeckt oder riecht. Und nennen Sie alles beim rechten Namen, daß man es mit Händen greifen kann, was Sie meinen. Reden Sie so anschaulich wie möglich, damit es nicht über die Köpfe geht. Und an den Krankenbetten und bei Hausbesuchen gar keine Theorie. Was not ist, wird und muß der Herr dem Beter geben; und mit Gebet müssen Sie hingehen. Dann macht sich alles von selbst, oder vielmehr der Herr macht alles, und der macht's allein gut. Was man selbst macht, ist alles dummes Zeug.

Aus Bömel, «Geistliche Briefe aus allen Jahrhunderten», Emil Müller Verlag, Barmen

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