Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 5. Capitel.

Harms, Ludwig – Der Hebräerbrief - Das 5. Capitel.

Vers 1-3.

Denn ein jeglicher Hoherpriester, der aus den Menschen genommen wird, der wird gesetzt für die Menschen gegen Gott, auf daß er opfere Gaben und Opfer für die Sünden; der da könnte mit leiden über die, so unwissend sind und irren, nachdem Er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit. Darum muß Er auch, gleichwie für das Volk, also auch für sich selbst opfern für die Sünden.

Der heilige Apostel Paulus hat uns das letzte Mal in der Vesperpredigt eingeladen, wir sollten mit allen unsern Sünden getrost zu unserm treuen Hohenpriester Jesus Christus kommen, dann würden wir ganz gewiß Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden auf die Zeit, wenn uns Hülfe noth sein würde. Nach solcher Ermahnung fügt er nun den Grund hinzu, warum wir bei Christo, unserm Hohenpriester, ganz gewiß Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden werden; der Grund ist der: Christus ist der wahre Hohepriester. Er sagt: Denn ein jeglicher Hoherpriester, der aus den Menschen genommen wird, der wird gesetzt für die Menschen gegen Gott, auf daß er opfere Gaben und Opfer für die Sünden. Darum ist Jesus also der wahre Hohepriester: Er ist genommen aus den Menschen. Von unserm HErrn Jesu wird gesagt in der heiligen Schrift, daß Er wahrer Gott sei gelobt in Ewigkeit. Es heißt schon im Alten Testament: Darum hat dich o Gott, d. i. Gott der Sohn, Dein Gott, nämlich Gott der Vater, gesalbt mit Oel der Freuden, d. i. mit dem heiligen Geist, über Deine Genossen. Lehrt uns nun das Alte Testament, daß Jesus wahrer Gott ist, so lehrt uns das nicht minder das Neue Testament. Da heißt es: Christus kommt her aus den Vätern nach dem Fleisch, der da ist Gott über Alles gelobt in Ewigkeit. Nun ist die Frage die: Da Jesus der wahre Gott ist, ist Er schon um deßwillen der rechte Hohepriester? Darauf antwortet der Apostel: Nein, denn der. rechte Hohepriester muß aus den Menschen genommen sein. Ist Jesus nichts als Gott, so kann Er nicht der rechte Hohepriester sein, denn der rechte Hohepriester muß aus den Menschen genommen werden. Und zu unserm großen Trost finden wir das bei unserm lieben HErrn Jesu: Er ist der wahre Gott, der Mensch geworden ist. Schaue hin nach Bethlehem, da liegt Er in der Krippe, Maria hat Ihn geboren, als ein wahres Menschenkind liegt Er da, so daß unsere theure Kirche das wunderschöne Lied singen kann: Den aller Weltkreis nie beschloß, der liegt in Marien Schooß; der ist ein Kindlein worden klein, der alle Ding erhält allein. Dieser Jesus nun ist allein der rechte Hohepriester, denn Er ist Gott und Er ist aus den Menschen genommen. Er ist Gott, das ist zu allererst nöthig; denn soll Er uns versöhnen, soll Er uns von unsern Sünden erlösen, so muß Er alle unsere Sünden auf sich nehmen. Aber wäre das nun wohl möglich, wenn Er weiter nichts wäre als bloßer Mensch? Ein Mensch, der weiter nichts ist als ein Mensch, der kann nicht einmal seine eigenen Sünden tragen, geschweige denn die Sünden der ganzen Welt. Soll Christus die Sünden der ganzen Welt tragen, so ist das nur möglich, wenn Er der wahre Gott ist. Der allmächtige Gott ist stark genug, die Sünden der Welt zu tragen. Das ist besonders wichtig für die Christen, denn merkt es euch, viele Christen gehen umher und sagen: Ich kann es gar nicht glauben, daß mir die Sünden vergeben sind, meine Sünden sind größer, denn daß sie mir vergeben werden können; so klagen diese Leute Tag für Tag und Jahr für Jahr. Woher kommt diese Klage? Daher, diese Leute können und wollen nicht glauben, daß Jesus wahrer Gott ist. Wenn sie das glauben könnten und wollten, so würden sie das Wort erfahren: Ob deine Sünden bis an den Himmel reichen, ob sie größer sind als Alles in der Welt, ob sie blutroth sind und mehr denn Haare auf dem Haupte, mehr denn Sandes am Meer, so tilgt Jesus doch alle, denn Jesus ist größer als deine Sünden, und das darum, weil Er der wahre Gott ist. Glaube ich, daß Jesus wahrer ist, so glaube ich auch, daß dieser allmächtige Gott meine und der ganzen Welt Sünde nicht bloß tragen kann, sondern getragen hat. Aber wenn Jesus meine Sünden auf sich nimmt, so versteht es sich von selbst, daß Er das büßen muß, was ich mit meinen Sünden verdient habe. Darum ist es nothwendig, daß unser Hoherpriester aus den Menschen genommen wird, denn Er muß leiden und sterben. Nun wissen wir, daß Jesus unser rechter Hoherpriester ist. Er der wahre Gott, der alle Sünden tragen kann, ist Mensch geworden, ist aus den Menschen genommen. Dieser Hohepriester ist gesetzt für die Menschen gegen Gott. Damit wird angezeigt, daß Jesus unser Stellvertreter oder Mittler ist. Da sehet ihr, es hat nicht zwischen Gott und Menschen gestanden, wie es stehen sollte, sondern es hat da bitterbös ausgesehen. Gott hat den Menschen gezürnet und die Menschen haben Gott gehaßt, ist das nicht schrecklich? Warum hat Gott den Menschen gezürnet? Weil sie gesündigt haben, und der reine und heilige Gott die Sünde nicht leiden kann. Wenn Gott zürnt über die Sünden der Menschen, so ist davon die Folge, daß die Menschen Ihn hassen. Das ist doch unerträglich, sagen sie, immer ist Gott böse, immer zürnt Er, nie hat Er ein freundliches Wort, nichts kann man Ihm recht machen. Und Gott kann doch nicht Gemeinschaft haben mit den Sündern. Daß aber der unbekehrte Mensch immer sündigt, das lehrt uns Gottes Wort und die eigene Erfahrung. Es heißt z. B. 1. Mose 9: Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf; und im Gesang heißt es: Denn vom Morgen bis jetzund pfleget Herze, Hand und Mund so geschwind und oft zu fehlen, daß es leider nicht zu zählen. Da wir nun Sünder sind, so kann der heilige und gerechte Gott nicht anders als uns zürnen, und dafür hassen wir Ihn. Nun sagt ihr wohl, dem ist nicht so, wir hassen Gott nicht, wenn er zürnt. Ich sage dir, das lügst du. Ich bin nichts weiter als ein armer Pastor und nicht der liebe Gott, aber ich mache sonntäglich die Erfahrung, daß mir die Leute zürnen, wenn ich ihre Sünden strafe. Strafe ich die Hurer, so zürnen mir die Hurer, strafe ich die Säufer, so zürnen mir die Säufer; strafe ich die Tänzer, so zürnen mir die Tänzer; strafe ich die Brüller, so zürnen mir die Brüller; und selbst diejenigen, die gläubige Christen zu sein scheinen, möchten mir in's Gesicht schlagen, wenn sie von der Predigt getroffen werden. Und ihr wollt sagen, daß ihr Gott nicht haßt, wenn Er euch zürnt? Was soll daraus werden, Gott zürnt den Menschen und die Menschen hassen Ihn? Es entsteht eine Feindschaft zwischen Gott und Menschen, die mit der Verdammnis der letzteren endet. Soll das aber nicht geschehen, so muß der Hohepriester kommen, der für die Menschen gegen Gott gesetzt ist und der hat dies Amt, daß er Gott mit den Menschen und die Menschen mit Gott versöhnt. Er macht, daß Gott und Menschen, die sich bitter feind waren, wieder Freunde werden. Darum heißt Er der Mittler, weil Er sich in die Mitte stellt zwischen Gott und Menschen; Er heißt der Versöhner, weil Er Gott und Menschen versöhnt. Er versöhnt Gott, indem Er die Strafe der Menschen trägt, Er versöhnt die Menschen, indem Er ihnen sagt: Gott zürnt euch nicht mehr, Ich habe Seinen Zorn gestillt, eure Sünden sind euch vergeben. Er ist der Bürge, der Alles leidet, was wir leiden sollten. Nun zürnet Gott mir nicht mehr, weil Er mir meine Sünden vergeben hat, so kann ich Ihn lieben, wie ein Kind seinen Vater. Damit das geschehen konnte, mußte Er opfern Gaben und Opfer für die Sünden. Da könnt ihr nun sehen, daß Jesus ein Hoherpriester ist, wie es keinen zweiten giebt. Er hat eine Gabe gebracht und ein Opfer geopfert einzig in seiner Art. Da sind die jüdischen Hohenpriester, die haben tausende von Opfern gebracht, ja manchmal tausend Opfer an einem Tage. Als König Salomo den Tempel einweihen ließ, ließ er zwölftausend Ochsen auf einen Tag opfern. Aber was waren das für Opfer? Ochsen und Kälber, Schafe und Böcke. Und was hat Jesus für ein Opfer gebracht? O, da staunt recht über das Wunder Seiner Gnade, denn Er hat nicht Thiere geopfert, Er hat sich selbst zum Opfer gebracht. Da steht auf Golgatha ein Kreuz, an dem Kreuze hangt ein Mann, der ist mit Händen und Füßen daran festgenagelt, Sein Rücken ist zergeißelt, Sein Haupt ist mit einer Dornenkrone gekrönt, das Blut strömt aus Händen und Füßen und zuletzt durchsticht ein Kriegsknecht Sein Herz mit einem Speer. Das ist das Opfer, welches Jesus gebracht hat. Kannst du es nun glauben, daß Jesus deine Sünden versöhnt hat? Ich kann es glauben. Wenn mir Jemand sagt: Du mußt Ochsenblut vergießen, damit deine Sünden versöhnt werden, ich würde antworten: Das kann ich nicht glauben. Wenn mir aber gesagt wird: Siehe, da hängt Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, am Stamme des Kreuzes, der vergießt Sein Blut für dich, und dies Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes macht dich rein von aller Sünde, so kann ich das glauben. So ist Er geopfert, indem Er sich selbst für uns dargegeben hat. Es konnte Ihn Keiner dazu zwingen, denn Er ist selbst Gott und Gott kann von Niemand gezwungen werden. Nun kannst du es glauben, wenn du anders willst, daß du einen wahren Hohenpriester hast, der Gott und doch aus den Menschen genommen ist. Der steht in der Mitte zwischen Gott und dir, der nimmt Gottes Zorn über dich und deinen Haß gegen Gott weg. Das ist das Eine und dazu kommt noch das Andere. Weil Er Mensch geworden ist und unter den Menschen gewandelt hat, so kann Er mitleiden über die, so unwissend sind und irren, nachdem Er auch selbst umgeben ist mit Schwachheit. Das ist der zweite unbeschreiblich große Trost, der daraus kommt, daß Jesus Mensch geworden ist und unter den Menschen gewandelt hat. Wäre das nicht der Fall, Keiner würde sich an Ihn wenden. Ich habe einmal einen Mann gesehen, dessen Kleider waren nicht bloß geflickt, sondern voll Löcher durch und durch. Da wurde ihm gesagt: Wende dich an den und den, der hilft dir gern, denn er hat schon so Vielen geholfen. Er aber antwortete: Was versteht und fühlt jener vornehme Mann von meiner Noth? Zu dem gehe ich nicht. Was versteht auch der Reiche von dem Jammer und der Noth des Armen, ihn hat nicht gefroren, nicht gehungert er läßt mich am Ende mit Hunden vom Hofe jagen. Die Vornehmen und Reichen sind nicht umgeben mit Jammer und Noth, darum haben die Armen und Geringen kein Herz zu ihnen. Und weil die Reichen und Vornehmen in ihren Lüsten und Bequemlichkeiten des Lebens sich nicht bekümmern um die Armen und Geringen, so gehen sie nicht hin, dieselben zu besuchen in ihren Wohnungen, es ist ihnen da zu gering, oder es stinkt da zu sehr, oder sie machen sich den feinen Rock staubig. Wäre Christus nicht selbst als der Aermste zu uns gekommen, hätte Er nicht all unsern Jammer und Elend auf sich genommen, so könnten wir kein Herz zu Ihm haben. Ist hier in der Kirche wohl Einer so arm als Jesus gewesen ist? Ihr habt alle noch Stube und Kammer, und des Menschen Sohn hatte nicht, wo Er Sein Haupt hinlegen konnte, und der ist der Sohn Gottes. Ihr braucht nicht von Almosen zu leben, Jesus aber mußte es, wie Luc. 8 geschrieben steht: Die frommen Weiber thaten Ihm Handreichung von ihrer Habe. Wo ist nun ein Mensch, der mit Recht sagen darf: Ich kann kein Vertrauen zu Ihm haben. Jetzt kannst du sagen: Das ist der Mann, der gerade für mich paßt, Er wo noch ärmer als ich. Du Hungriger kannst zu Jesu gehen, Jesus ist auch hungrig gewesen; du Müder kannst zu Jesu gehen, Jesus ist auch müde gewesen; du Sünder kannst zu Jesu gehen, denn ob Er auch selbst keine Sünde gethan hat, so hat Er doch die Sünden der ganzen Welt auf sich genommen, und die drücken schwerer, als die eines Einzelnen. Jesus hat ein Herz, dir zu helfen, Ihm kannst du dein ganzes Herz ausschütten und sprechen: Christe, Du Lamm Gottes, erbarme Dich! und der HErr breitet seine Arme nach dir aus und erbarmt sich deiner. Darum was dich auch drückt, ich kann dir nur den Rath geben, gehe damit zu Jesu, und ich sage dir aus eigener Erfahrung, ich habe noch nichts zu Jesu gebracht, das ich nicht bei Ihm los geworden bin: Sünden, Fehler und Gebrechen, Hunger und Kummer, Blöße und Frost, Krankheit und Schmerzen. Ich bin hungrig und durstig zu Jesu gegangen, Er hat mich gespeist und getränkt; ich bin mit meinen Sünden zu Jesu gegangen, Er hat sie Mir vergeben; ich bin mit meiner Schwachheit und Ohnmacht zu Jesu gegangen, Er hat mir Kraft geschenkt. Gehe ganz getrost zu Jesu, Er hat alle deine Noth erfahren, Er nimmt dir alles ab. Einen solchen treuen Heiland haben wir an Jesu, man muß Ihn nur erst kennen lernen. Es giebt doch keinen glücklicheren Menschen als den wahren Christen, der kann sagen: Mir ist das Loos auf das Lieblichste gefallen, mir ist ein schön Erbtheil worden, denn ich habe in Jesu Alles. Ja Alles und in Allem Christus. Wahrhaftig reich und glücklich ist ein solcher Mensch, kommt es mit dem zum Sterben, und Jesus fragt ihn: Hast du auch jemals Mangel gehabt, so lange du bei Mir gewesen bist? er muß antworten: HErr, nie keinen. Solche Leute gehen aber auch nicht wieder weg von Jesu, die bleiben bei ihm ewiglich. Darum sagt schon Assaph: HErr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil. Warum? Weil er antworten muß: Du bist mein rechter Hoherpriester, wahrer Gott und wahrer Mensch, Du stehst für die Menschen gegen Gott. Darum sagt Paulus Röm. 14: Leben wir, so leben wir dem HErrn, sterben wir, so sterben wir dem HErrn. Darum wir leben oder sterben, so sind wir des HErrn, und aus Seiner Hand soll uns Niemand reißen. Darum sagt Luther: Ich will bei Ihm bleiben, dem treuen Heiland, bis er mich bringt in das himmlische Vaterland. Seht, so gut hat es der Christ bei dem HErrn Jesu, denn er hat in Ihm den wahren Hohenpriester. Amen.

Vers 4-6.

Und niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott, gleichwie der Aaron. Mo auch Christus hat sich nicht selbst in die Ehre gesetzt, daß Er Hoherpriester würde, sondern der zu Ihm gesagt hat: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeuget. Wie Er auch am andern Ort spricht: Du bist ein Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks.

Der heilige Apostel Paulus giebt zu Anfang des fünften Capitels zwei Kennzeichen oder Merkmale an, welche zu einem wahren Hohenpriester erforderlich sind. Das erste Merkmal war, daß Er Opfer brächte für die Sünden der Menschen, und er hat gezeigt, daß Jesus das gethan habe, indem Er sich selbst als das einzig genügende Opfer für die Sünden der Welt dargebracht habe. Das zweite Merkmal ist, daß der Hohepriester von Gott eingesetzt sein muß, daß er sich nicht selbst die Ehre genommen haben darf; und das letztere ist es, was der Apostel in unserm heutigen Text weiter ausführt. Er sagt: Niemand nimmt ihm selbst die Ehre; sondern der auch berufen sei von Gott, gleichwie der Aaron. Wenn ein Mensch sich selbst zum Priester einsetzen will, so kann man daraus schon sehen, daß er ein falscher Priester ist. Niemand darf sich selbst die Ehre nehmen, sondern sie muß ihm von Gott gegeben werden. Wie auch jener erste Hohepriester Aaron, der Bruder Moses, sich nicht selbst diese Ehre genommen hat, sondern Gott hat ihn dazu berufen. Warum darf ein Pastor sich nicht selbst berufen, warum muß er von Gott berufen werden? Die Frage ist leicht zu beantworten. Der Pastor soll Gottes Geschäfte an den Menschen verwalten, wie ist das aber möglich, wenn er sich selbst in das Amt setzt? Darf ich, der ich ein Mensch bin, mich in ein Amt setzen, das göttliche Dinge verwaltet? Gott muß mich hineinsetzen. Darum kann Niemand ein Pastor oder Hoherpriester sein, es sei denn, daß Gott ihn in das Amt gesetzt habe. Dadurch eben unterscheidet sich dies Amt weit von allen andern Aemtern auf Erden. Ein Pastor soll Sünden vergeben, das gehört aber nur Gott zu; wie kann es denn der Pastor, wenn Gott ihm das Amt nicht gegeben hat? Ein Jeder, der sich selbst in das Pastorenamt drängt, ist ein falscher Priester; Gott sagt zu Aaron: Ich will dich zum Priester machen, daß du Mein Feuer anzündest und Mein Volk Israel versöhnest mit dem Blut der Opfer. So hat also Gott den Aaron zum Priester eingesetzt. Gerade so, sagt der Apostel, hat sich auch Jesus nicht selbst in die Ehre gesetzt, daß Er Hoherpriester würde, sondern der, der zu Ihm gesagt hat: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeuget. Jesus hat sich nicht selbst in dir Ehre gesetzt, Er hat nicht zu Gott gesagt: Ich will Dein Priester sein, Ich will hingehen und die Menschen erlösen; nicht also, sondern der Gott, von dem Jesus Sein Wesen hat, der hat Ihm auch das Amt gegeben, Priester zu sein. Derselbe Gott, der Ihm Sein Wesen gegeben hat, sage ich, denn es heißt hier: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeugt. Damit hat der Vater dem Sohn das Wesen gegeben, denn von Ewigkeit her ist der Sohn aus dem Wesen des Vaters hervorgegangen, und der Vater hat Ihm Sein göttliches Wesen mitgetheilt und Ihm zum Hohenpriester gemacht. Daß Jesus Gottes Sohn ist, das verdankt er dem Vater, und daß Er Hoherpriester ist, das verdankt Er auch dem Vater. Der Vater hat Ihn gezeugt, der Vater hat Ihn in das Amt gesetzt. So hat Jesus alles vom Vater, Seine Gottheit und Sein Hohespriesterthum. Ihr findet das so schön ausgedrückt in dem Gesang: Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld. Da wird erzählt, wie der Vater zu dem Sohne gesagt habe: Geh hin, Mein Kind, und nimm Dich an der Kinder, die Ich aufgethan zur Straf und Zornes Ruthen; die Straf ist schwer, der Zorn ist groß, Du kannst und sollst sie machen los durch Sterben und durch Bluten. Und wie der Sohn antwortet: Ja, Vater, ja von Herzensgrund, leg auf, Ich will Dirs tragen. Mein Wollen hängt an Deinem Mund, Mein Wirken ist Dein Sagen, so trägt der Vater dem Sohn auf, der Hohepriester der Menschen zu werden, und der Sohn nimmt das an, Er läßt sich mit dem Amt bekleiden Hoherpriester, Versöhner und Erlöser der Welt zu werden. So ist an Ihm erfüllt worden der Spruch: Du bist ein Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks. Der Spruch ist auch eine Weissagung von dem hohenpriesterlichen Amte unsers Heilands und steht im 110. Psalm, wie der Spruch: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeugt; im 2. Psalm steht. In diesem Spruch aus dem 110. Psalm setzt der Vater den Sohn ein zum Priester; Du sollst ein Priester sein, sagt Er, und nicht nur das, sondern Du sollst ein ewiger Hoherpriester sein. Aus diesem Zusatz sehen wir, daß von Anfang an, seit dem Sündenfall, Niemand anders selig werden kann, als der an den HErrn Jesum glaubt. Nur die Menschen, die durch Jesum zu Gott kommen, können selig werden. Darum ist es gewiß, daß alle Heiden, die ohne Jesum sterben, verloren gehen; das treibt alle wahre Christen, fleißig an der Mission zu arbeiten und dieselbe zu fördern. Darum ist es gewiß, daß alle Christen verloren gehen, die nicht an Jesum glauben, denn ohne Jesum kann Niemand selig werden. Und das kann ich dir nicht scharf und bestimmt genug sagen; ja ist es dein eigener Vater oder Mutter, Bruder oder Schwester, Sohn oder Tochter, Mann oder Weib, glauben sie nicht an den HErrn Jesum, so gehen sie verloren. Aber das glauben die Leute nicht, darum werden sie auch so bald müde im Gebet und im Ermahnen. Wenn ich z. B. einen ungläubigen Vater habe, und ich weiß, daß er ohne Jesum zum Teufel fahren muß, kann ich denn wohl aufhören zu beten: HErr, bekehre ihn? kann ich wohl aufhören zu ermahnen: Vater, bekehre Dich? Aber so ist es jetzt, die Eltern arbeiten nicht an der Seligkeit ihrer Kinder und die Kinder arbeiten nicht an der Seligkeit ihrer Eltern; das kommt von der bodenlosen Gleichgültigkeit unserer Zeit, die Menschen laufen frisch darauf los, gerade als ob alle Wege zum Himmel führten. Die Leute sagen wohl, daß sie für Vater und Mutter rc. beten, aber das Gebet ist nicht rechter Art, denn sie lassen es an der Arbeit fehlen, und Gebet ohne Arbeit nützt auch hier nichts. Hast du Mann oder Weib, Bruder oder Schwester, Sohn oder Tochter, Vater oder Mutter, so ist es nicht genug, daß du alle Tage für sie betest, du mußt sie auch alle Tage ermahnen, daß sie sich bekehren möchten; und ob sie dich mit Füßen von sich stoßen, das kannst du leichter tragen, als wenn sie durch deine Schuld verdammt werden. - Du bist ein Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks. Dieser Melchisedek war einst zu den Zeiten Abrahams Priester und König in einer Stadt, die hieß damals Salem und später Jerusalem. In dieser Stadt war er Priester und König, dort segnete er den aus der Schlacht zurückkehrenden Abraham und speiste ihn mit Brot und Wein. Nun sagt der Vater: Du bist ein Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks. Damit soll angezeigt werden, daß Jesus der einzig rechte Priester ist; denn Melchisedek war damals der einzige Priester Gottes, alle anderen Menschen waren Götzendiener und hatten darum Götzenpriester. Ferner er war Priester und König zugleich, darum heißt er Melchisedek d. h. König der Gerechtigkeit und Priester zu Salem, oder Friedenspriester. Das ist Jesus ebenfalls: Er ist ein König der Gerechtigkeit, denn Er ist wahrer Gott; und Er ist ein Priester des Friedens, denn Er giebt Vergebung der Sünden durch Sein Blut und wer Vergebung der Sünden hat, der hat Frieden mit Gott. So haben wir in Jesu den wahren Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks, der selig machen kann immerdar, die durch Ihn zu Gott kommen, ein König der Gerechtigkeit und ein Priester des Friedens. Was willst du nun noch sorgen? Alles, was du brauchst, giebt dir Jesus. Aber nun muß es auch dabei bleiben: Alles und in Allem Christus; Jesus Christus gestern und heute und derselbe in alle Ewigkeit. In Jesu allein ist Seligkeit, hast du Jesum, so hast du alles, hast du Jesum nicht, so hast du nichts. Darum siehe, wie recht die Apostel haben, wenn sie einen jeden Menschen, der da fragt: Was muß ich thun, daß ich selig werde? die einzige Antwort geben: Glaube an den HErrn Jesum, so wirst du selig. Denn wer an Jesum glaubt, der wird selig; wer nicht an Jesum glaubt, der geht verloren; es giebt keinen andern Hohenpriester, Heiland und Seligmacher als Jesus. Wie steht es mit euch? Kommt ihr im Glauben zu Ihm? Ist Er euch auch ein König der Gerechtigkeit und ein Priester des Friedens? Glaubt ihr, daß Sein Blut alle eure Sünden abwäscht? Seid ihr entschlossen von ganzem Herzen euch zu bekehren? Denn nicht die HErr, HErr sagen sind Jesu Jünger, sondern die Seinen Willen thun, die Alles für Schaden und Dreck achten, um Christum zu gewinnen und in Ihm erfunden zu werden. Das sind die, die wirklich selig werden, die ihrer Seligkeit so gewiß sind, daß sie sprechen: Ich sterbe heut oder morgen, mein Seel' wird Gott versorgen; Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. Ja, sie können sagen: Ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Fürstenthum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn. Amen.

Vers 7.

Und Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der Ihm von dem Tode konnte aushelfen; und ist auch erhöret, darum, daß Er Gott in Ehren hatte.

In dem vorigen Abschnitt ist uns gezeigt worden, daß Jesus sich nicht selbst in die Ehre gesetzt habe, Hoher-Priester zu sein, sondern daß Gott der Vater Ihm diese Ehre gegeben. Dabei wurde hingewiesen auf Aaron, und die Weisung gegeben, daß noch nie ein rechter Priester sich selbst in das Amt gesetzt habe, daß vielmehr ein jeder rechter Priester von Gott eingesetzt worden sei. So muß es heute noch sein, ein Prediger muß sagen können: Ich habe nichts dazu gethan, daß ich euer Pastor bin, ohne mein Bemühen, Rennen, Lausen und Jagen bin ich es geworden, darum weiß ich aber auch, daß ich hier an Gottes Statt stehe, und was mir nun widerfährt, das kommt mir von Gott. Habe ich mich selbst in das Amt gedrängt, so muß ich bei jeder Gelegenheit sagen: Das hast du dir selbst zugezogen; dann kann ich zusehen, wie ich fertig werde, und das muß besonders schwer sein in den Trübsalszeiten. Außerdem kann ich mein Amt nicht mit Nachdruck üben, denn will ich die Sünden in meinem Namen strafen, so kann ich nicht sagen, meine Stimme ist Gottes Stimme. Darum ist es so schändlich, daß die Pastoren, wenn eine Pastorenstelle vacant ist, darnach rennen und jagen, als ob ihnen der Kopf brennt; wer auf diese Weise endlich die Stelle bekommt, der muß doch bekennen, daß er diese Stelle nicht von Gott habe, sondern durch sein eigenes Rennen und Laufen. Seht, der ewige Sohn des ewigen Vaters hat gewartet, bis Ihn Sein Vater zum Hohenpriester machte. Nun fährt der Apostel fort: Und Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert zu dem, der Ihm von dem Tode konnte aushelfen; und ist auch erhöret, darum, daß Er Gott in Ehren hatte. Jesus hat ja auch während Seines Hohenpriesterstandes auf Erden Trübsal über Trübsal, Leiden über Leiden tragen müssen, aber Er hatte sich nicht selbst in das Amt gesetzt, Sein Vater hatte Ihm das Amt gegeben und Er wußte, Alles, was Ihm widerfuhr, das widerfuhr Ihm nach Gottes Willen. Darum konnte Er getrost Sein Herz vor dem Vater ausschütten, der half Ihm hindurch durch alle Noth. An diese Stelle knüpft sich nun zuerst die Frage: War es denn überhaupt möglich, daß Jesus beten konnte? Man sollte denken, daß Jesus gar nicht beten konnte aus dem Grunde, weil Jesus Gott ist, Gott hat Niemand, der über Ihm steht. Daß wir beten, ist in der Ordnung, denn Gott steht über uns. Aber Jesus ist Gott, Sein Vater ist Seines Gleichen, kann nun der Sohn zu Seinem Vater beten, der Ihm gleich ist, kann Gott zu Gott beten? Diese Frage zerfällt wieder in zwei andere Fragen: 1. Konnte Jesus beten vor Seiner Menschwerdung? 2. Konnte Er beten nach seiner Menschwerdung? Wenn ich frage: Konnte Jesus beten vor Seiner Menschwerdung, als Er nur Gott war und in der innigsten Gemeinschaft mit dem Vater lebte? so kann ich mir das wohl denken, daß Er mit Seinem Vater geredet bat wie der König mit dem Könige, wie der Kaiser mit dem Kaiser, wie der Gleiche mit dem Gleichen, aber Reden ist noch lange kein Beten. Jesus hatte vor Seiner Menschwerdung nichts nöthig, Er hatte Alles im vollkommsten Maaß, ein Bittegebet war also bei Ihm unmöglich. Etwas anders ist es mit dem Dank- und Lobgebet. Denn Jesus ist Sohn und Gott ist Sein Vater, und daß Er Sohn ist, das ist eine Mittheilung vom Vater. Obgleich nun Jesus von Ewigkeit her wahrer Gott ist, so hat Er doch diese Gottheit vom Vater, darum kann Er den Vater loben und Ihm danken, weil Er die Gottheit von Ihm empfangen hat. Loben und danken kann Er vor Seiner Menschwerdung, aber nicht bitten, weil Er nichts nöthig hatte, und klagen kann Er auch nicht, weil Ihm nichts fehlt. Anders ist es, seitdem Er Mensch geworden ist. Da sagt Er: Der Vater ist größer als Ich, denn der Vater ist nur Gott, der Sohn ist Gott und Mensch, und die Menschheit ist niedriger als die Gottheit, darum auch der Sohn niedriger ist als der Vater. Seit der Zeit kann Er beten. Dazu ist Er als Mensch des Betens bedürftig, denn Er hat die ganze hülfsbedürftige menschliche Natur angenommen. Ihn hungert und dürstet. Dürstet Ihn, wer hindert Ihn, um einen Trunk Wassers zu bitten? Hungert Ihn, wer hindert Ihn, um ein Stück Brot zu bitten? Wir lesen in der Schrift, daß Jesus z. B. am galiläischen Meer um ein Stück Brot bittet, daß Er das Weib am Jakobsbrunnen um einen Trunk Wassers bittet, daß Er am Kreuze ruft: Mich dürstet! Als Mensch konnte Er bitten, denn Er hatte die Sünden der Menschen auf sich genommen und darum auch die Folgen der Sünde: Jammer, Schwachheit, Herzeleid. Wegen dieser Sachen bat Er oft Grund gehabt, den Vater zu bitten, und das hat Er auch fleißig gethan. Haben wir nun gesehen, daß Er vor Seiner Menschwerdung nicht beten konnte, daß Er aber nach Seiner Menschwerdung um so mehr beten mußte, so wird uns in unserm Text ein Stück Seines Betens erzählt. Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert. Ihr sehet leicht ein, worauf diese Stelle geht, nämlich auf das Leiden Jesu in Gethsemane, als Er da lag wie ein Wurm im Staube vor Gott, als Er Seine drei Jünger, Petrus, Johannes und Jakobus mitgenommen hatte, daß sie Zeugen Seines Leidens sein sollten, da hat Er die ganze Nacht im Gebetskampf mit Seinem Vater zugebracht. Es steht ausdrücklich in der Bibel, daß Jesus, nachdem Er das Passamahl gegessen und das heilige Abendmahl eingesetzt hatte, sich da auf den Weg nach Gethsemane gemacht habe. Die Passamahlzeit wurde regelmäßig um halbneun Uhr beendet, von Jerusalem bis Gethsemane ist eine Stunde, also gegen zehn Uhr kam Er in Gethsemane an. Judas störte Ihn dann- zuerst im Gebet, darauf wurde Er gefangen genommen und weggeführt, und als Er vor den Hohenroth gestellt wurde, da war es Morgens um sechs Uhr. Einige Leute meinen, Jesus habe nur kurze Augenblicke gebetet; auf diesen Gedanken kommen sie durch das kurze Wort: Mein Vater, ist es möglich, so gehe dieser Kelch an Mir vorüber; und allerdings kann man das in wenigen Secunden dreimal beten. Aber was sich doch die Menschen für seltsame Vorstellungen machen! Das Gebet des HErrn und Sein Ringen mit Gott ist ein so nachhaltiges gewesen, daß die Jünger während desselben einschliefen. In wenigen Minuten wird man aber noch nicht voll Schlafs, zumal unter solchen Verhältnissen. Dazu hatte Jesus ihnen befohlen: Wachet und betet, und ich glaube, sie haben sich die Augen so lange offen gehalten, bis sie endlich vom Schlaf überwältigt wurden. Zwar weckt Jesus sie zweimal auf, aber immer schlafen sie wieder ein. So lange hat Sein Beten gedauert, so anhaltend ist es gewesen, daß die Jünger dreimal darüber einschlafen. Hier hat Er in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert, die ganze Nacht hindurch hat Er geschrieen und geweint. Da könnt ihr sehen, wie groß der Sündenjammer ist, wie furchtbar schwer unsere Sündennoth auf Ihm liegt. So groß ist die Noth, daß Er es kaum aushalten kann, daß Gott einen Engel vom Himmel senden muß; so stark und überstark ist der Jammer, daß Ihm der Blutschweiß aus den Adern dringt. Aber das ist so schrecklich namentlich in unserer Zeit: Die Sünde drückte und quälte unsern Heiland so sehr, daß der Blutschweiß aus Seinen Adern drang, und die jungen Leute sagen: Die Sünde ist keine Sünde; Saufen, Tanzen, Toben, Spielen, Prügeln, Huren ist keine Sünde; und das sagen die, die von Jugend auf in Gottes Wort unterrichtet sind, die Gottes Willen kennen. Dabei bedenkt einmal recht, was für eine Liebe der HErr Jesus beweist. Dieser Jesus, ehe Er Mensch wurde, wie wir vorhin gehört haben, hat gar kein Bitten gekannt, und hier bittet Er als der ärgste Uebelthäter, ja Sein Bitten wird ein Flehen und Schreien, ein bitterliches Weinen. Und dafür bekommt Er den Dank von Seinen Christen, daß das keine Sünde sein soll, darum Er sich todtgeblutet hat; ist das nicht schrecklich? Jesus hätte nie zu weinen brauchen, Er hätte nur im Himmel bleiben können, Er hätte auch nie zu flehen und zu schreien brauchen, das thut man im Himmel nicht; hier auf Erden hat Er das erst lernen müssen. Dies Gebet und Flehen mit starkem Geschrei hat Er geopfert zu dem, der Ihm von dem Tode konnte aushelfen, zu Seinem himmlischen Vater. Sein Vater war der Richter, Er der Gerichtete; der Richter konnte Ihn freisprechen, der Gerichtete mußte den Urtheilsspruch annehmen. Wenn da steht: Er schrie zu dem, der Ihm von dem Tode konnte aushelfen, so sehen wir daraus, um was Er gebetet hat, nämlich daß der Vater Ihn vom Tode erretten möchte. Er weigert sich nicht zu sterben, eben so wenig wie Er sich weigert, unsere Sünden auf sich zu nehmen, denn das wußte Er ja, daß Er für unsere Sünden sterben mußte. Weiß es doch schon ein Kind, daß der Tod der Sünden Sold ist, wie sollte denn Jesus das nicht wissen? Und weiß Jesus das, so kann Er den Vater nicht bitten, Ihn damit zu verschonen. Das steht aber auch nicht da, sondern aushelfen sollte Ihm der Vater vom Tode. Sterben wollte Er, weil der Tod der Sünden Sold ist; darum konnte Er Gott gar nicht bitten, daß der Ihn vom Tode befreien möchte. Darum heißt es weiter: Und Er ist auch erhöret, weil Er Gott in Ehren hatte. Gott hat Ihn sterben lassen, das ging nicht anders, aber im Tode ist Jesus nicht geblieben, sondern am dritten Tage hat Ihn Gott vom Tode auferwecket. Da ist wörtlich erfüllt worden, was hier steht-: Gott hat Ihm vom Tode ausgeholfen; da ist der Kelch vorübergegangen, nachdem Er ihn getrunken hat. Das ist wieder besonders wichtig für unsere Seligkeit. Von Sünden konnten wir nicht anders erlöst werden, als daß Jesus unsere Sünden auf sich nahm. Unsere Sünden sind von uns genommen und auf Jesum gelegt, nun sind wir sie los. Aber Ihn mußten auch die Folgen der Sünde treffen, nämlich der Tod und die Verdammniß, und das ist auch geschehen, denn als Er rief: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen! da trug Er unsere Verdammniß, und als Er sagte: Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist! da ist Er für uns gestorben. Nun weiß ich, mein Tod ist getödtet, meine Sünde ist gesühnt, meine Verdammniß ist getragen, und ich muß nur noch den Beweis dafür haben, daß Gott dies Opfer angenommen bat. Dieser Beweis liegt darin, daß Christus nicht von Verdammniß, Tod und Grab gehalten werden konnte, daß Er auferstanden ist. Gott hat meinen Bürgen wieder losgelassen, nun bin ich frei. Jesus hat sich, nachdem Er von Tod und Grab nicht gehalten werden konnte, nachdem Er am dritten Tage auferstanden war, auf den Thron der Herrlichkeit gesetzt, und da regiert Er bis in alle Ewigkeit. So weißt du jetzt ganz gewiß, daß du erlöset bist, und ich rathe dir, daß du diesen Spruch, wenn du ihn noch nicht weißt, auswendig lernst. O merke dir, es liegt eine Fülle von Trost in diesem Spruch, wenn du ihn in der Anfechtung dem Satan vorhalten kannst. Wenn man diesen Spruch dann so recht andächtig betet, da ist es, als ob alle Anfechtungen nach rechts und links wegfallen und aller Jammer und alle Noth ein Ende hat. Denn in solchen Anfechtungen giebt es keine bessere Waffe als das Wort Gottes, und besonders solche Kernsprüche, die uns in Christi Leiden und Sterben führen und uns zeigen, daß Christus Alles für uns gebüßt und getragen hat. Da wird der Satan ohnmächtig und kann nichts ausrichten. Amen.

Vers 8-10.

Und wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch an dem, das Er litt, Gehorsam gelernet. Und da Er ist vollendet, ist Er geworden Allen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit; genannt von Gott ein Hoherpriester, nach der Ordnung Melchisedeks.

Wir haben das letzte Mal gehört von dem Kampf des HErrn in Gethsemane. Daran knüpft nun der Apostel weiter an und sagt: Und wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch an dem, das Er litte, Gehorsam gelernt. Merkwürdig ist dieser Ausdruck- Er hat Gehorsam gelernt. Sollte denn Jesus nicht immer gehorsam gewesen sein, daß Er erst den Gehorsam lernen mußte? Wir sündigen, gottlosen Menschen, wir sind nicht gehorsam von Natur, wir müssen erst den Gehorsam lernen, und das kostet manches bittere Wort, manche ernste Zurechtweisung, ja manchen Schlag und manche Strafe, denn der Gehorsam ist uns zuwider, wir wollen unserm Kopf und Willen nach handeln und der Gehorsam scheint uns das bitterste Kraut zu sein, was es giebt. Viele Menschen lernen den Gehorsam ihr Lebelang nicht, sie sind immer ungehorsam gegen Gott und Gottes Wort; und selbst die Gehorsamen müssen erst den Gehorsam lernen. Erst muß sich der Mensch bekehren zu seinem Gott und Heiland, er muß kreuzigen das Fleisch sammt den Lüsten und Begierden, dann wird er gehorsam. Aber Jesus, der ohne Sünde, der Gottes Sohn ist, warum war es bei dem nöthig, daß Er Gehorsam lernte? Bei Allen, die gut sind und Gott lieb haben, ist der Gehorsam die größte Freude und Lust. Jesus ist vollkommen gut, Er hat Seinen himmlischen Vater über Alles lieb, war Er Ihm denn nicht gehorsam? Warum mußte Er Gehorsam lernen? Als Jesus bei Seinem Vater im Himmel war, da brauchte Er keinen Gehorsam zu lernen, sondern was Sein Vater gewollt hat, das hat Er auch von Ewigkeit her gewollt, was Sein Vater gesagt hat, dazu hat Er auch von Ewigkeit her Ja und Amen gesagt. Seinem Vater gehorsam sein, das war Seiner. Natur gemäß, Er konnte nicht anders. Da Er nun im Himmel vollkommen gehorsam war, so brauchte Er da keinen Gehorsam zu lernen. Darnach ist Jesus auf die Erde gekommen, ist Mensch geworden, und zwar ein heiliger, sündloser Mensch, denn auch Jesu Menschheit ist ohne Sünde, weil Er empfangen ist von dem heiligen Geist. Da brauchte Er auch keinen Gehorsam zu lernen, denn Ihm war der Gehorsam naturgemäß, z. B. den Knaben Jesus hat Niemand zum Lernen, oder Beten, oder Bibellesen zu treiben brauchen, das hat Er von selbst gethan, Sein Herz trieb Ihn dazu, und das bekennt Er auch mit den Worten: Wisset ihr nicht, daß Ich sein muß in dem, das Meines Vaters ist? Also hat Jesus das Gute immer von selbst gethan, es ist Ihm nie eine Aufopferung gewesen, sondern im Gegentheil immer die größeste Freude. In dem allen war Er gehorsam, der Gehorsam ist Seiner innersten Natur angemessen. Nun kommt aber das Leiden und Sterben, und das war gegen Seine Natur, denn wer ohne Sünde ist, der soll nicht leiden, sterben, verdammt werden. Jesus aber mußte leiden und sterben, mußte verdammt werden, und das war gegen Seine Natur, daran hat Er Gehorsam gelernt, wie hier der Apostel sagt: Er hat Gehorsam gelernt an dem, das Er litte, und zwar ohne Murren und ohne Widersprechen. Als Sein Vater von Ihm forderte, was gegen Seine Natur war, da ist Er doch gehorsam gewesen, und das ist der Triumph Seines Gehorsams. Dieser Gehorsam ist sehr wichtig für uns, denn er wird uns zugerechnet, wenn wir glauben. So hat Jesus gelitten, was ich leiden sollte, und gethan, was ich thun sollte. Wenn man diese unbeschreibliche Liebe, die sich in Jesu Leiden offenbart, bedenkt, so findet man, daß man sie nicht ergründen kann, voll Bewunderung fällt man auf die Kniee und betet diese Liebe an. Stelle ich mir vor, da ist ein Mensch, der die Reinlichkeit liebt, und dieser Mensch wild nun gezwungen, in den allerdicksten und tiefsten Dreck hinein zu gehen, er wird gezwungen, in diesem dicken Dreck und Koth Wochen und Monate lang zu bleiben, sagt, muß das nicht für ihn die größte Qual sein? Von selbst geht ein reinlicher Mensch nicht in solchen Dreck, du könntest ihm hunderttausend Thaler bieten, er würde es nicht thun; denn solchen Dreck lieben nur die Dreckfinken, nicht die Leute, die durch Christi Blut gereinigt sind. Und Jesus nimmt den stinkenden Sündenkoth der ganzen Welt auf sich, trägt ihn Sein ganzes Leben lang und muß dann leiden und sterben. Obgleich das gegen Seine Natur ist, so thut Er es doch ohne Murren gegen Seinen Vater: Er thut es in solchem Gehorsam, daß auch der Teufel nicht den kleinsten Widerwillen finden kann, denn sonst würde er Ihn gleich darum verklagt haben. Damit hat Jesus gezeigt, wie sehr Er Seinen Vater und uns liebt; wer das bedenkt, der kann nicht anders, er muß Jesum für diese wunderbare Liebe herzlich wieder lieben. Da nun unser Heiland uns so geliebt hat, so ist Er, da Er vollendet ist, geworden Allen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit. Da Er ist vollendet worden, d. h. nachdem Er Seinen Gehorsam vollkommen bis ans Ende durchgesetzt hat, nachdem Er im Leiden und Sterben unverbrüchlichen Gehorsam gezeigt, und darnach auferstanden ist, so hat Er sich durch die Himmelfahrt gesetzt zur Rechten des Vaters. Dadurch ist Er geworden denen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache der ewigen Seligkeit, d. h. nun können Alle durch Ihn selig werden. Wer aber selig wird, der muß sagen: Davon bin ich nicht die Ursache, daß ich selig werde, sondern Jesus Christus, mein lieber Heiland. Ich hätte aus mir nicht selig werden können, ich hätte verdammt werden müssen, nun hat Christus mich selig gemacht. Warum? Er hat für mich gelitten und damit meine Sünden auf sich genommen, Er ist für mich gestorben und hat meinen Tod getragen, Er ist für mich auferstanden und hat mir das Leben gebracht, das alles wird mir zugerechnet. Fragt Gott mich am jüngsten Tage: Hast du Sünde? so sage ich: Nein. Fragt Er: Aber du bist doch in Sünden empfangen und geboren, du hast doch täglich viel gesündigt? so sage ich: Allerdings, aber Jesus hat meine Sünden getragen. Fragt Gott mich, ob ich die Höllenqual und die ewige Verdammniß verdient habe? so sage ich: Allerdings habe ich die verdient. Will mich Gott dann in den Abgrund stürzen, so sage ich: Das darfst Du nicht, denn Christus hat meine ganze Schuld bezahlt und alle meine Strafe getragen. So ist Christus für mich geworden die Ursache der ewigen Seligkeit. Alle meine Sünden sind weg, Jesus hat sie getragen; all meine Verdammniß ist weg, Jesus hat sie auf sich genommen; all meine Strafen sind weg, Jesus hat sie gebüßt. So weiß ich gewiß, daß ich selig werde, denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit. Aber das merkt euch, Christus ist die Ursache der Seligkeit und nur Christus. Ihr meint vielleicht, - und solch selbstgerechter Leute giebt es viele, - ihr meint wohl, grobe Sünden haben wir nicht gethan, den Armen haben wir viel Gutes erwiesen, wenn wir zur Kirche und zum Abendmahl gehen, dann thun wir dem lieben Gott einen großen Gefallen. Wer so denkt, der glaubt, daß er selbst die Ursache seiner Seligkeit ist, der bedarf keinen Heiland und Seligmacher; diese Leute fahren aber auch viel gewisser zur Verdammniß, als die Huren und Buben, denn die Huren und Buben wissen doch, daß sie Sünder sind. Der wahre Christ spricht: Ich weiß gewiß, daß ich selig werde, und davon ist Christi leidender und thuender Gehorsam die Ursache. Aber wer kann denn so sprechen? Hört, was der Apostel sagt: Allen, die Ihm gehorsam sind, ist Er eine Ursache zur Seligkeit geworden. Er ist dem Vater gehorsam gewesen, und hat diesen Gehorsam beweisen müssen auch da, wo er gegen Seine Natur war. Wie Er nun dem Vater gehorsam gewesen ist, so werden Ihm nur Diejenigen gehorsam, denen Sein Gehorsam eine Ursache zur ewigen Seligkeit geworden ist. Prüfe dich, ob du Jesu gehorsam bist; bist du Jesu nicht gehorsam, so laß das Schwatzen, daß Jesus dein Heiland ist. Wir kriegen auf die Frage: Was muß ich thun, daß ich selig werde? allenthalben die Antwort: Glaube an den HErrn Jesum, so wirst du selig. Wer an Jesum glaubt, der hat Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit. Diese Vergebung der Sünden empfängst du durch den gläubigen Gebrauch der Gnadenmittel. Nun sagst du: Ich glaube an den HErrn Jesum. Ich antworte dir: Das ist schön, wenn du glaubst, so wirst du selig, aber zeige mir deinen Glauben; den Glauben zeigt man durch den Gehorsam. Ist kein Gehorsam da, so hast du auch keinen Glauben. Worin besteht der Gehorsam? Eben darin, daß ich thue, was Gott haben will, und lasse, was Gott verboten hat. Da ist ein Kind, das rühmt sich des Glaubens an Jesum, aber mit Vater und Mutter lebt es in Zank und Streit, es ist ihnen nicht gehorsam. Was, sollte das Kind mit Recht sagen können: Ich glaube an Jesum? Nein, sein Glaube ist Heuchelei, eben weil es nicht gehorsam ist und das vierte Gebot übertritt. Da ist ein Knecht, eine Magd, deren Pflicht es ist, ihrer Herrschaft gehorsam zu sein; sie sagen, daß sie glauben und selig werden wollen, aber ich sehe, daß sie thun, was ihre Herrschaft nicht haben will, statt des Nachts im Bette zu sein, sind sie auf der Straße, statt fleißig zu sein, sind sie faul, statt demüthig zu sein, sind sie hochmüthig; und die sollten an den HErrn Jesum glauben? Sie übertreten ja immerdar das vierte Gebot. Da sind so manche Andere, die findest du regelmäßig des Abends im Wirthshause, besonders des Sonntags, du findest sie hinter dem Kartentische, siehst sie saufen und tanzen, dann gehen sie halbbetrunken nach Hause und treiben auf der Straße Schande über Schande. Fragst du sie, ob sie an Jesum glauben, ob sie einen guten Weg gehen? so sind sie so frech, daß sie sagen: Ich glaube an Jesum, ich gehe einen guten Weg. Ja, so frech sind sie, daß sie das auch ihrem Pastor ins Gesicht lügen; denn der geht nicht ins Wirthshaus und sieht nach, der treibt sich nicht des Abends auf der Straße umher. Haben diese Leute den Glauben? Nein, denn sie sind ihrem Pastor ungehorsam, sie thun nicht, was er sagt, und das ist auch Uebertretung des vierten Gebotes. Daher merket wohl: Jesus ist den Menschen die einzige Ursache der Seligkeit, aber nur denen, die Ihm gehorsam sind. Bist du nicht gehorsam, so ist dein Glaube lauter Lüge und Heuchelei, und damit ist noch Niemand in den Himmel gekommen. Hast du den Glauben an Jesum, und beweisest du diesen Glauben dadurch, daß du Jesum gehorsam bist, dann ist dir Jesus eine Ursache zur Seligkeit geworden. Da sprichst du wohl in deinem Herzen: Ja, dann werde ich nie selig, denn ich kann nie der Wahrheit gemäß sagen, daß ich ganz gehorsam bin. Das weiß Gott, ich will gehorsam sein, ich bemühe mich, gehorsam zu sein, aber ich bin nicht gehorsam; soll Christus nur denen eine Ursache der ewigen Seligkeit werden, die Ihm gehorsam sind, dann ist diese Verheißung für mich nicht da. Meine Lieben, wir müssen solche Fragen thun, denn hier steht, daß Er nur denen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache zur Seligkeit ist; wenn ich Ihm nicht gehorsam bin, dann kann ich doch nicht sagen, daß ich Ihm gehorsam bin. Mein Gewissen verklagt mich, daß ich Ihm nicht gehorsam bin, es ist noch kein Tag meines Lebens verflossen, von dem ich sagen kann, heute bin ich ganz gehorsam gewesen; mehr oder weniger habe ich alle Tage Seine Gebote übertreten. Wie soll ich es denn machen, daß ich selig werde, daß ich der Verdammniß entrinne? Kannst du dem lieben Gott sagen: Du weißt, ich will Dir gehorsam sein, Du weißt es auch, daß ich mich bemühe, Dir gehorsam zu sein, dennoch gelingt es mir keinen Tag, daß ich ganz gehorsam bin; so antworte ich dir: Gehe du hin in Frieden, du kannst dich getrost auf Jesum verlassen, denn einen vollkommenen Gehorsam verlangt Jesus nicht und kann Er auch nicht verlangen, aus dem Grunde, weil kein Mensch im Stande ist, vollkommenen Gehorsam zu leisten. Sieht Jesus, daß ich das Verlangen habe, gehorsam zu werden, daß ich mich bemühe, gehorsam zu sein, so schenkt Er mir Seinen vollkommenen Gehorsam. Er sagt dann: Da Ich sehe, daß du gern gehorsam sein willst, daß du dich alle Tage darum bemühest, so schenke Ich dir Meinen Gehorsam, und das ist ein vollkommener. Gehe nur getrost hin, Jesu thuender Gehorsam wird dir eben so gut zugerechnet, als Sein leidender Gehorsam. Du hast wohl schon oft gehört von Jesu thuendem und leidendem Gehorsam, beides wird dir zugerechnet durch den Glauben; denn Jesus hat für dich gelitten und für dich das Gesetz gehalten. Aber das kann nicht anders sein, glaube ich an Jesum, so muß ich Alles daran setzen, Ihm gehorsam zu sein; mein innerster Wille und mein innerstes Bestreben muß es sein, Ihm gehorsam zu werden. Gelingt es mir dennoch nicht, so eile ich zu meinem Jesu und der ist von Gott genannt ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks. Melchisedek ist Gerechtigkeitskönig und Friedenspriester, und beides will dir Jesus sein. Er schenkt dir Seine Gerechtigkeit durch die Vergebung der Sünden, dann hast du Frieden mit Gott und Frieden mit den Menschen. Diesen Jesum halte fest im Glauben. Amen.

Vers 11-14.

Davon hatten wir wohl viel zu reden; aber es ist schwer, weil ihr so unverständig seid. Und die ihr solltet längst Meister sein, bedürfet ihr wiederum, daß man euch die ersten Buchstaben der göttlichen Worte lehre, und daß man euch Milch gebe, und nicht starke Speise. Denn wem man noch Milch geben muß, der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit; denn er ist ein junges Kind. Den Vollkommenen aber gehöret starke Speise, die durch Gewohnheit haben geübte Sinne, zum Unterschied des Guten und Bösen.

Nachdem der Apostel Paulus den Christen aus den Hebräern von dem HErrn Jesu erzählt hat, daß derselbe von Gott gemacht sei zu einem Hohenpriester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks, fährt er nun fort und sagt: Davon hätten wir wohl viel zu reden; aber es ist schwer, weil ihr so unverständig seid. Und die ihr solltet längst Meister sein, bedürfet ihr wiederum, daß man euch die ersten Buchstaben der göttlichen Worte lehre, und daß man euch Milch gebe, und nicht starke Speise. Denn wem man noch Milch geben muß, der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtigkeit; denn er ist ein junges Kind. Was der heilige Apostel hier sagt, das ist eine sehr wichtige, aber von den Menschen leider sehr viel übersehene und vernachlässigte Wahrheit, eine Wahrheit, die nicht nur der Apostel Paulus hier ausspricht, sondern die auch namentlich unser Vater Luther gemacht hat und deßhalb immer wieder auf dies Eine zurückkommt, daß man den Christen Milch geben solle und keine feste Speise, damit sie in den Anfangsgründen des Christenthums fest werden. Denn das findet man bei den Christen so selten, das Festgegründetsein in den Anfangsgründen des Christenthums. Sie meinen, daß sie das schon von Kindheit auf gewußt haben, daß sie es schon in der Schule gelernt haben; dies zu wiederholen, dabei täglich wieder anzufangen, das fällt ihnen gar nicht ein. Theils hindert sie ihr Hochmuth daran, sie meinen, das sind Kleinigkeiten, die wohl für Kinder passen, aber nicht für große Leute; theils ist es Leichtfertigkeit; denn sie meinen, sie wissen schon Alles, und wissen doch nichts. Wie schlecht es damit bestellt ist auch in unserer Zeit, daß wir die Anfangsgründe im Christenthum nicht einmal kennen, und daß der Apostel uns Milch zu trinken geben muß. das kann man bei keinem Buch mehr sehen, als bei dem kleinen lutherischen Katechismus. Das ist das Buch, welches uns in kurzen Zügen den ganzen Rathschluß Gottes zu unserer Seligkeit vor die Augen führt, und welches darum jeder Christ, groß und klein, alt und jung buchstäblich aus dem Kopfe wissen sollte. Das ist aber die Schande, daß beinah kein lutherischer Christ dies Buch auswendig weiß, und es ist doch nur ein Buch von wenigen Seiten. Schließt auch ihr euch von dieser Sache nicht aus. Ich weiß gewiß, wenn ich jetzt bei euch Reihe rund gehen und die fünf Hauptstücke mit Luthers Erklärung abfragen wollte, daß sich kaum Zwei finden würden, die ohne Anstoß den Katechismus wüßten. Der gelehrte Melanchthon, der der Lehrer Deutschlands genannt wird, sagt: Ich sauge täglich an dem kleinen Katechismus, wie ein Kind an der Mutter Brust. Nun fragt euch: Habt ihr heute schon den Katechismus in der Hand gehabt? oder gestern? oder überhaupt diese Woche schon? Ich bin überzeugt, daß die meisten Nein sagen müssen. Warum habt ihr es denn nicht gethan? Weil wir den Katechismus schon wissen. Nun denn habt ihr wohl täglich ein Hauptstück durchgenommen? - am Sonntag das erste Hauptstück vom Gesetz, am Montag das zweite Hauptstück vom Glauben, am Dienstag das dritte Hauptstück vom Gebet, am Mittwoch das vierte Hauptstück von der Taufe, am Donnerstag das fünfte Hauptstück vom Abendmahl, am Freitag das Stück von der Beichte und die Fragestücke für die, so zum Abendmahl gehen wollen, am Sonnabend die Haustafel, das habt ihr doch wohl gethan? Ich bin überzeugt, ihr müßt abermals sagen: Das haben wir nicht gethan. Warum denn nicht? O ihr seid schon lange über den Katechismus weg, ihr seid schon viel klüger als der gelehrte Melanchthon. Daher kommt auch bei euch die große Unwissenheit in göttlichen Dingen. Man pflegt im gewöhnlichen Leben zu sagen: Wer den Pfennig nicht ehrt, der ist. des Thalers nicht Werth. Den Anfang des Christenthums, den kleinen lutherischen Katechismus ehrt fast Keiner mehr, darum wird auch das Große, die festen und gewissen Tritte auf dem Himmelswege, fast Keinem mehr gegeben; denn wer das Kleine nicht achtet, dem wird das Große nicht zu Theil-. Es war einmal eine Gesellschaft von vierzig Gelehrten beisammen, darunter befanden sich Pastoren, Superintendenten und Professoren und auch ein Laie, ein treuer Knecht Gottes, der seinen Heiland innig lieb hatte und in Seinem Herzen und Wandel so recht einer von den Demüthigen und Kleinen war. Da redeten diese großen Herren viel von gelehrten Dingen, sie disputirten miteinander und reisten bald in den Himmel, bald in die Hölle. Dieser demüthige Mann schwieg ganz still und sagte kein Wort. Endlich wandte sich ein Professor zu ihm und fragte, warum er denn immer still schwiege? Antwort: Weil mir die Dinge, davon ihr redet, viel zu hoch und zu gelehrt sind. Ja, sagte der Professor, wenn wir gelehrten Leute bei einander sind, so handeln wir nur von gelehrten Sachen; nur mit den ungelehrten Menschen sprechen wir von den Anfangsgründen im Christenthum. Er kriegte die Antwort: Ich habe in ihren Reden wohl genug hochklingende Worte gefunden, auch manches, was mit dem Worte Gottes nicht übereinstimmt, aber ich meine, daß auf die sogenannten kleinen Dinge viel mehr ankommt zur Seligkeit als auf die hohen. Aber wir sind gelehrte Leute, sagte der Professor, und haben diese kleinen Dinge schon lange an den Schuhen abgelaufen. Nun, sagte der demüthige Mann, wollen sie mir denn wohl eine Frage erlauben und beantworten? Ja, von Herzen gern. Wie heißt das siebente Gebot? Du sollst nicht stehlen. Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, - als sie so weit gekommen waren, da schwieg ein Theil der Herren still, denn sie konnten die Erklärung nicht weiter; die andern fuhren fort: Daß wir unsers Nächsten Geld oder Gut nicht nehmen, noch mit falscher Waare oder Händel an uns bringen, - da hielt der zweite Theil still und so stand zum zweiten Mal der Karren am Berge und konnte nicht weiter. Aber Etliche waren noch da, die wollten die Sache zu Ende bringen und machten nun wie folgt den Schluß! Sondern ihm dasselbige zu behalten förderlich und dienstlich sein; und freueten sich nun, daß sie das herausgebracht hatten. Der erste Theil dieser gelehrten Leute wußte nur die Worte: Wir sollen Gott fürchten und lieben; der zweite Theil sagte die erste Hälfte der Erklärung her, und der dritte Theil wollte das Ende des siebenten Gebots hersagen, und brachte statt dessen den Schluß des neunten Gebots heraus. Es kommt noch darauf an, ob ihr nicht so ziemlich dieselben Böcke geschossen hättet; ich glaube, große Helden im Katechismus seid ihr alle nicht, besonders wenn es ans Aussagen geht. Und das Allerschlimmste ist, was einem oft das Herz so wehe macht, daß die Leute sich gar nicht schämen, so dumm und unwissend zu sein und dabei noch wunder meinen, was sie wissen. Ebenso ging es bei den Hebräern, darum muß Paulus ihnen das so scharf einreiben. Er wollte ihnen recht viel von dem großen Hohenpriester Jesus erzählen, aber es geht nicht, weil sie so unwissend waren, und denen, die längst Meister sein sollten, mußte er Milch zu trinken geben; denn sie waren noch ganz unverständig. Es ist gerade als ob die Menschen allenthalben meinen, im Christenthum sei kein Fleiß und keine Mühe nöthig; auf alle andern Sachen verwenden sie Mühe und Fleiß, nur nicht auf den Himmelsweg, es ist als ob ihnen Alles in den Mund fliegen soll, als ob sie im Schlaraffenlande wohnen, wo die gebratenen Tauben in den Mund fliegen. Wenn ich aber in den Anfangsgründen so unwissend bin, wie kann ich denn zu dem Mannesalter in Christo gelangen? Wer im Kleinen nicht treu ist, der ist auch im Großen nicht treu. So haben wir denn Ursache genug, uns recht in der Seele zu schämen, und wollen wir dem lieben Gott und unserer armen Seele einen rechten Gefallen thun, so müssen wir den Katechismus tüchtig lernen und zwar Tag für Tag; denn nichts wird leichter vergessen als die göttlichen Dinge, es ist als ob sie Flügel hätten und davonflögen. Man findet oft, daß die Leute, die früher den kleinen Katechismus fertig auswendig wußten, ihn jetzt kaum stammeln können. Laßt euch durch Paulus, Luther und Melanchthon bewegen, den kleinen Katechismus tüchtig auswendig zu lernen. Denn wie kann aus eurem Christenthum etwas ordentliches werden, wenn die Anfangsgründe nicht fest sitzen. Hat der Apostel mit Recht die Trägheit, Leichtfertigkeit und den Stolz der Christen gezüchtigt, so laßt auch ihr euch über diese Sünden strafen; denn Trägheit, Leichtfertigkeit und Stolz sind Ursachen, warum man im Christenthum nicht weiter kommt. Es ist doch merkwürdig, was man Alles erleben kann. Es wollte kürzlich Jemand einen alten Bekannten besuchen. Er kommt vor seine Stube, klopft an und es wird herein gerufen. Als der Fremde in das Zimmer tritt, bemerkt er, daß der alte Freund ein kleines Buch unter die Tischdecke schiebt. Er wundert sich darüber und denkt, daß ist doch merkwürdig, daß der Mensch ein Buch, darin er eben gelesen hat, vor mir verbergen will; vielleicht ist es ein schlechtes Buch, etwa von Schenkel oder Renan, deß er sich schämt. Als er eine Zeit lang mit dem Mann gesprochen hatte, da sagte er: Was ist das für ein Buch, daß Sie vorhin unter die Tischdecke steckten? Der alte Mann lief blutroth an im Gesicht und schämte sich, kriegte dann aber doch das Buch hervor, und siehe da, es war Luthers kleiner Katechismus. Des Buches schämen Sie sich? Da kriegte er die Antwort: Ach, ich dachte, für mich alten Mann mit einem grauen Haupte paßte Luthers Katechismus nicht mehr. Sehet, so schämen sich die Grauköpfe des Katechismus. Bei Andern ist es die Trägheit. Das haben wir schon hundert Mal gelernt, heißt es, darum brauchen wir es nicht zu wiederholen; und in vier Wochen haben sie alles vergessen. Bei Andern ist es die Leichtfertigkeit; ob sie den Katechismus wissen oder nicht, das ist ihnen einerlei. Da ihr nun wollt zur Beichte gehen, und wollt vor Gott eure Sünden bekennen, so gedenkt auch an diese Sünden, daß ihr so unverständig seid, daß ihr noch immer Milch haben müßt, die ihr doch längst solltet Meister sein, und daß nichts mehr anzuklagen ist als eure Trägheit, Leichtfertigkeit und Hochmuth. Folgt der Mahnung des Apostels, dem Beispiel Melanchthons und dem Rath Luthers. Die Anfangsgründe sollen nicht die Hauptsache sein, aber sie dürfen auch nicht vergessen werden. Den Vollkommenen aber gehört starke Speise, die durch Gewohnheit haben geübte Sinne, zum Unterschied des Guten und Bösen. Solche Vollkommene könnt ihr nicht werden, wenn ihr die Anfangsgründe nicht kennt. Meint ihr, daß ein Haus, welches zwei Stockwerke hat, stehen bleiben kann, wenn die untern Ständer weggenommen werden? So ist es auch mit dem Christenthum; wenn du die untern Ständer wegnehmen willst, so stürzt der ganze Bau zusammen. Darum forschet in der Schrift, hört die Predigt und leset gute Bücher, auf daß ihr geübte Sinne kriegt zum Unterschied des Guten und Bösen. Ihr sehet leicht ein, im Geistlichen oder im Christenthum gilt das Wort: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, ebenso wohl als im Irdischen. Denn was man nicht versteht und worin man nicht weiter kommt, dazu hat man zuletzt keine Lust. Wenn man aber weiter kommt durch fleißiges Forschen und Studieren, so kriegt man Lust und Liebe, und dann bekommt man geübte Sinnen. Solche Christen brauchen nicht lange zu fragen, was Gott wohlgefällig ist, und was nicht, weil sie geübte Sinne haben zum Unterschied des Guten und Bösen. Man wundert sich, daß solche einfache Regeln, die sich ein jeder Christ eigentlich selbst sagen sollte, so tief eingeprägt werden müssen durch den Apostel; doch wohl dem Christen, der noch hört auf dies Wort der Ermahnung. Darum mußt du aber auch, um auf die Sache noch einmal kurz zurück zu kommen, folgende drei Bücher niemals aus deiner Hand geben, was leider noch oft genug geschieht, nämlich deine Bibel, dein Gesangbuch und deinen Katechismus. Entweder du hast Bibel, Gesangbuch und Katechismus, oder du kannst für einen geringen Preis diese Bücher allenthalben kriegen. Was war das für eine Herrlichkeit, als du deine erste Bibel, Gesangbuch und Katechismus kriegtest, gesprungen hast du vor Freude. Nachher bist du confirmirt, wie ist es da mit diesen drei Büchern geworden? Du hast einen Bruder oder eine Schwester, die sind jünger als du und die haben diese Bücher geerbt und du warst sie los. Ich habe nichts dagegen, wenn der jüngere Bruder von dem altern Bruder eine abgelegte Hose erbt, oder wenn die jüngere Schwester von der älteren die abgelegten Röcke erbt; daß aber die jüngern Kinder von den älteren Bibel, Gesangbuch und Katechismus erben, das ist eine Mode, die der Teufel erfunden hat. Die Eltern freuen sich, daß sie keine neue Bücher für die jüngern Kinder zu kaufen brauchen, und die Kinder sind froh, daß ihnen ihre Bücher genommen werden, und so stimmen Eltern und Kinder in der Gottlosigkeit überein. Rechtschaffene Christen können ohne diese drei Bücher nicht leben. Das ist gerade so, als wenn ein Regiment Soldaten, davon nur die eine Hälfte Flinten hat, gegen den Feind ziehen wollte. Wenn dann die eine Hälfte geschossen hätte, so würde die andere sagen i Nun gebt uns die Flinten, wir wollen auch einmal schießen. Die Christen ohne Bibel, Gesangbuch und Katechismus sind einem Regiment? Soldaten ohne Flinten gleich. Ein jeder Christ muß diese drei Bücher haben, damit er sich täglich üben könne in dem Kampf gegen Satan, Welt und Fleisch. Wer täglich und treulich mit Gebet in diesen Büchern liest, der wird ein vollkommener Mann in Christo, der kriegt geübte Sinne zum Unterschied des Guten und Bösen und kann fröhlich und selig den Weg zum Himmel gehen. Amen.

Anmerkung. Das ist die letzte Vesperpredigt, die der Unvergeßliche auf Erden gehalten hat. Die weitere Erklärung des Hebräerbriefs stammt aus einer früheren Zeit.

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