Harms, Claus - Am Sonntag Jubilate 1847.

Harms, Claus - Am Sonntag Jubilate 1847.

Ges. 490. Wenn, Gott, die Feinde deiner Lehre.

Er, wenn wir ihn nur frei bekennen,
Wird vor des Vaters Angesicht
Die jetzt verschmähten Namen nennen;
Und strahlen werden sie im Licht,
Im Lichte seiner Herrlichkeit.
Herr, mach' uns selbst dazu bereit! -

Denn für bereit zu strahlen im Lichte der Herrlichkeit Christi halten wir uns nicht, noch nicht, möchten es aber mehr, ganz werden. Ob auch hie und da sich erleuchtete, strahlende Stellen an uns finden, so fehlt doch immer noch viel an der völligen Verklärung in Christi Bild, nach 2. Cor. 3. An vielen Stellen sind wir dunkel, schwarz, wie Sulamith im Hohenliede von sich sagt, doch nicht lieblich, wie sie zugleich sagt; denn unser Schwarzsein, da es sich findet, kommt nicht von der Senne her, welche diese Stellen gebräunt, geschwärzt hätte, von der Gnadensonne, von der nicht, von Christo nicht, sondern - nun, es bleib' ungesagt. Darum sagen wir nicht und hoben es ja auch nicht gesungen, Wir sind bereit. Das Wort ist gewesen: Herr, mach' uns selbst dazu bereit.

Auf solche Wahrheit, solche Bitte leitet uns auch unser heutiger Text, welchen wir geschrieben finden:

Matth. 10, 16-20. Siehe, Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe: darum seid klug, wie die Schlangen, und ohne Falsch, wie die Tauben. Hütet euch aber nur den Menschen; denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathhäuser, und werden euch geißeln in ihren Schulen. Und man wird euch vor Fürsten und Könige führen um meinetwillen, zum Zeugniss über sie, und über die Heiden. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn ihr seid es nicht, die da reden- sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.

Schwebe der Geist des Sohnes, schwebe des Vaters Geist über mir, dem Redenden, und über Allen, die mich hören.

Wir wollen nach diesem Texte reden

Von den abgewiesenen Predigern. Laßt uns betrachten:

  1. Wie dies gethan werde zu unserer Zeit,
  2. was darauf gethan werde von den Abgewiesenen.

1.

Seine Boten, die er sendet, hat Christus noch, die er ausschickt mit dem Worte, Luc. 10. steht es: Wer euch höret, der höret mich. Das Amt hat er aufgerichtet, und vor die ganze Menschheit gestellt, in welchem Amte ihr zur Stunde hier mich stehen seht. Wie's aufgenommen werde von euch, was ich hiermit sage, ob's wohl oder übel gedeutet, unwahr, anmaßlich, amtsstolz genannt werde: ich kann es an dieser Stelle des Vortrags doch nicht verschweigen. Ist kein Prediger im Land, an den ist auch kein Evangelium und überhaupt kein Wort Gottes darinnen. Nicht zur Unehre des heiligen Bibelbuchs sei dies gesagt und was folgt. Wie ihr denn ja auch Alle wißt, meine Themen, wie weit ich davon entfernt bin; welch' ein Liebhaber und Verehrer desselben ich bin. Aber wie es da stehet, ist's gleichsam fest geworden, die Predigt muß es wieder in Fluß bringen, gleichwie es ursprünglich den ersten Boten von ihrem Munde floß. Die geschriebenen Briefe haben wohl nie eine Gemeinde zusammengebracht, haben wohl nie einen Heiden bekehrt. Und was ein Prediger jetziger Zeit zu bringen hat, ist eben das, die mitfolgenden Zeichen abgerechnet, was die ersten Apostel brachten, und mehr als jene Zwölf brachten, da sie nur noch Jünger hießen und noch nicht Apostel. Die sollten nur erst predigen: Das Himmelreich ist nahe herbei kommen. Jetzt wird anders, jetzt wird gepredigt: Es ist da! Wir kommen daher und reden von Dingen des Himmelreichs und laden Alle, die draußen sind; die aber schon drinnen sind, werden zu reicherem Besitzthum, zu festerer Ergreifung geführt. Gemeint ist's also: Wir predigen Christum, welcher uns gemacht ist zur Erlösung, zur Heiligung, zur Gerechtigkeit, Christum, welcher, wohin er kommt, den Menschen zu einem andern macht, welcher ein Licht in demselben wird und ein Leben, Speis' und Trank dieses Lebens zugleich, nicht der Same nur, sondern die Nahrung auch. Bis zu der Zeit, da er kommt ist des Menschen Leben Tod.

Das sind die Prediger, die ein Pfingsten gehabt und eine Berufung bekommen haben, die ihnen von der Hand Gottes geschrieben und in ihre Hand gelegt ist; sie treten auf, treten vor die Gemeinde so, also bevollmächtigt. Wo sie es her haben, was sie bringen? Schwärmer sind sie nicht, Enthusiasten, Inspirirte sind sie nicht, die aus dem eignen Geist reden. Nein, sie bringen das alte Evangelium, aber so, wie es neu in ihnen geworden ist, mit der Kraft beider, des Glaubens und des Bekenntnisses, die es in ihren Seelen gewonnen hat; - und so geben sie es wieder. Werden sie angenommen mit demselben? Es geht in unserer Zeit, wie es ging in jener Zeit, davon der Text redet. Sie werden abgewiesen. Ich habe den mildern Ausdruck genommen, daß ich eher zugelassen würde bei euch. Es sind nicht lauter aufgehaltene Seelen, welche annehmen wollen und ungeduldig sind. Ach wenn so Alle wären! Es sind nicht lauter verschlossene Thüren, die alles bei sich drinnen haben und haben binnen ihrer Thür genug. Ach wenn das Alle nur wären! Was denn mehr? Sie rufen hinaus. Wir wollen euch Prediger nicht, was ihr uns sagt, das mögen wir nicht, zieht eure Straße. Welche thun das? Wenn ich allerdings auch sagen kann, Gott sei's gedankt, Christus hat ein Volk in dieser Stadt, so kann ich doch nicht sagen aus Apg. 10: Christus hat ein großes Volk in dieser Stadt. Oder hätt' er doch? Nämlich in dem Verstande, daß in Kurzem werden zusammen kommen Alle, die zu dieser Gemeinde äußerlich gehören. Nun, er weiß ja, was geschehen wird und bei welchen es nah' ist, daß sie ihm zufallen. Er weiß es und er allein; ich meinestheils muß nach den Zeichen der Zeit, wie ich sie zu deuten verstehe, eher das Abfallen fürchten, als das Zufallen hoffen. Indeß, ich habe nur zu sprechen vom Abweisen. Wer weist das Evangelium ab? Das thun Alle, die es selten hören, oder es gar nicht hören. Wie, wie viel deren in der Stadt, in der Gemeinde, Stadt und Land es gebe, weiß Jeder, der zuweilen hier hereinsiehet. Er braucht auch des Einsehens nicht einmal: die Wege, die Steige und die Straßen zeigen es, wenn Kirchzeit ist. Ob denn Allen das Christenthum abzusprechen sei, welche nicht zur Kirche gehen? Die Gegenfrage, ob es ihnen denn zuzusprechen sei? Thue das Letztere, wer es kann; ich kann es nicht. Und hab' es mein Lebtag auch nicht anders gefunden: Die sich entfernet hielten von Kirch' und Altar, die hatten so wenig Glauben als Bekenntniß; und von denen wird das Evangelium abgewiesen. Denn jeden Sonntag klopfen ja die Boten bei der ganzen Gemeinde an. Ich habe den mildern Ausdruck „abgewiesen“ gewählter Text bietet sonst andre, stärkere, schärfere. Sie sind allerdings auch zu nehmen. Nehm' ich sie: Sie werden euch überantworten vor ihre Rathhäuser. Das Publikum ist das Rathhaus und die Flugblätter sind die Senatoren. Die gläubigen Prediger werden angeklagt: sie halten die Leute von der Arbeit ab; sie sprechen von Wirthshäusern und Theatern übel; sie wollen alle Menschen zu Muckern machen. Der stärkere Ausdruck ist nach dem Text; sie werden euch geißeln in ihren Schulen. Das sind die Stätten, wo die Wissenschaft getrieben wird, mündlich und in Büchern. Wie wird da -in ihrer Vielen gesprochen von den Boten des Evangeliums: Das sind Leute des Stillstands und nicht des Fortschritts, welche die Vernunft verachten, diese herrlichste aller Gaben Gottes; sind Leute, welche der Tugend Hohn sprechen und den guten Werken, als wären die für die Seligkeit schädlich; rühmen ein fremdes Verdienst, das solle man gläubig und faul annehmen und die eigene Gerechtigkeit bis auf den letzten Faden ausziehen. So sprechen kann nicht geißeln genannt werden? Und man wird euch vor Könige und Fürsten führen um meinetwillen, spricht Christus. Ja, so wird in unsrer Zeit gethan: Diese Leute predigen, daß man Gott mehr als den Menschen gehorchen müsse, daß uns das edelste Gut, die Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht zuständig sei; sie wollen uns unter Papier und Symbol zwingen; widerrathen jede nähere Verbindung mit dem Volk, turbiren also das bürgerliche Leben in seiner heiligsten Erscheinung. Ja, wenn es überhaupt noch ein Leben nach dem Tode und eine Seligkeit giebt, so lassen sie uns nicht selig werden, wenn wir nicht glauben; damit ängstigen sie schwache Gemüther, daß sie trübsinnig davon werden und wahnsinnig: darum appelliren wir an die höchste Macht im Lande; sie wehre ihnen! Oder genauer gesprochen, wie die Sachen zu unsrer Zeit stehen: Ihr Fürsten und Könige, seid gerecht und gebt uns Kirchen, darin unsre Leute für uns predigen und nehmt sie jenen Predigern weg, sammt den Kirchengütern, - und das nach der Kopfzahl. Das sind die Abweisenden zu unsrer Zeit. Ob sie sich nicht finden, wie sie zu Christi und der Apostel Zeit sich fanden? Das war der erste Theil.

2.

Der zweite Theil. Was darauf gethan werde von den Abgewiesenen, wie wir sie in milderem Ausdruck nennen.

Aber seid ihr denn auch, meine Lieben, in die Sache, die es heute ist, hineingebracht, also daß das Wort nicht über eure Häupter dahin geflogen? Und wenn, wie ja vermuthet werden kann, sich unter eurer Zahl die beschriebenen Abweisenden finden, ihrer Einige, wie habt ihr es mit dem so weit gesprochenen Wort gemacht? Habt ihr das auch abgewiesen? Das Wort abgewiesen: die mündliche Rede bringe das stockende, geschriebene Wort in Fluß? und habet ihr auch die ganze Rede vom Nachhalls, von den Schulen, von Fürsten und Königen abgewiesen, und vielleicht noch mehr als das, habet sie unwahr, übertrieben, verdächtigend, verläumderisch bei euch genannt? Ich weiß es nicht, brauch' es ja auch nicht zu wissen, fahre zu reden fort und zeige nach dem Text, was von den Abgewiesenen darauf gethan werde.

Sollen sie die Andern frei predigen, lehren, schreiben lassen und die Christenheit, oder darnach ihr Stand ist, die Gemeinde erfüllen und verwirren lassen mit falscher Lehre, ohne zu strafen die Widersprecher? Zugeständnisse machen und mehrdeutige Erklärungen geben, bei welcher jeder Theil denken könne, was er will? und einräumen oder zu verstehen geben, die Wahrheit könne vielleicht doch auch auf der Seite der Gegner sein? und mit Andern das Wort der Schrift, das zweimal vorkommende: „Der Gerechte wird seines Glaubens leben“, dasselbige falsch mitsprechen: Jeder wird seines Glaubens selig, oder leben? Sollen die Noten des Evangeliums das? Davon steht im Texte nichts und nirgends steht, daß sie so thun dürfen. Was steht denn im Text, um bei dem zu bleiben? Das Eine, Feste ist: Seid klug wie die Schlangen und ohne falsch wie die Tauben. Ein sehr bekannt gewordenes Wort. Woher die erstern klug und die andern hornlos nach dem Griechischen, falschlos, aufrichtig, unschuldig, rein heißen, das weis' ich in den Unterricht, bei den Schlangen nur erinnernd an Psalm 58, in welchem von der Schlange steht, sie stopfe ihr Ohr zu, daß sie die Stimme des Beschwörers nicht höre. Diese Klugheit hat den Namen Weisheit, Lehrweisheit bekommen. Nun, es giebt eine wahre, echte Lehrweisheit, welches die ist, welche schwere und leichte Speist unterscheidet, die ist, welche das Wort Gottes recht Heilet, das Gesetz nicht zum Evangelium und das Evangelium nicht zum Gesetz macht, die ist, welche in beidem, im Lob und im Tadel Maaß hält, das thut und nach einer andern auch von Christo gegebenen Lehre das Heiligthum nicht vor die Hunde wirft, will sagen, da es offenbar ist, daß die Gotteslehre doch nur werde gelästert werden. So ist's mit der Schlangenklugheit hier gemeint, aber nicht gemeint ist, was man auch Lehrweisheit nennt in unsern Tagen, dies, wie vorhin gesagt worden: mehrdeutige Redensarten brauchen, Zugeständnisse machen, Einräumungen: „das Gegentheil könne doch auch vielleicht wahr sein, und Jeder werde seines Glaubens selig,“ was unlieb zu hören, das verschweigen. Nein, das ist wider die Taubenreinheit, die gleichfalls von den Boten Christi geforderte, daß sie diese beweisen sollten. Darum keine Hinterhalte, verlange man die nicht, gleichwie keine Verzuckerungen, kein Backwerk und kein Spritzbackwerk.

Das Wort soll vorgetragen werden nach seiner wahren Gestalt und das Bekenntniß gepredigt nach allen seinen Gliedmaßen, Artikeln, und mit den Worten, in welchen es gegeben ist, da es hingehört, auch Gal. II: Der ist verflucht. Solche Rede ist der wackre Stab, den ein Prophet zu sehen bekam, Jer. 1. und der soll es sein, der soll auch ein Adjunct und ein Jeder sein, dem diese Thür geöffnet wird, zum Zeugniß vor Gläubigen und vor Ungläubigen.

Zum Zeugniß über sie und über die Heiden. Wir unterscheiden zur Zeit nicht mehr so, doch bleibt das Zeugnißgeben eine fortwährende Christenbotenpflicht. Wer auch nur eine einzige Predigt in einem Jahr, in Jahren hört, solche giebt's in Kiel auch, der muß Zeugniß zu hören bekommen.

Woher nehmen es die Abgewiesenen? Das ist wohl ein manchmaliges Sorgen und in einem Maaße, wie's wohl nicht alle hier bei dem vermuthen, der jetzt gezeuget hat, meinet er, und noch damit fortfährt. Aber der Herr spricht: Sorget nicht, was ihr reden sollt. Nun so will ich's auch bleiben lassen, wenn ich mein Theil gethan. Das nenn' ich mein Theil, daß ich bete und arbeite, ja arbeite in dem Verstande, daß ich lese, forsche, wähle, wähle bis auf den Ausdruck, soweit die natürlichen Kräfte neben vielfältigem anderm Thun es verstatten. Ach, es sollte wohl manchmal mehr geschehn. Und dann bring' ich hier, ob des Vaters Geist durch mich reden wolle. So red' ich denn zu Allen, welche abweisen, welche hier sind und welcher eine große Zahl draußen ist, sie werden es zu hören bekommen doch. Dies rede ich zum Zeugniß als ein wiederholt abgelegtes Bekenntniß: Auf den ich den Confirmanden gewiesen habe, zwei hundert und mehr, der sei alleine das Leben, der meine Rede gewesen vor mehreren hundert Beichtenden in der stillen Woche und später, als bei dem allein die Erlösung und Erneurung und Heiligung sei, den ich am stillen Freitag und Ostern gepredigt habe, wie an den beiden Sonntagen und an einem Mittwoch nachher: Christus ist der Sohn Gottes und allein durch den Glauben an ihn haben wir das Leben. Womit ich hier aufgetreten bin fast jung und hier gestanden bin fast alt und jetzt alt, dabei will ich auch stehen bleiben, so lange ich überhaupt stehen kann, und sehen. Es mögen gehen, die nicht bleiben mögen, und mögen wegbleiben, die auch noch nimmer hier gewesen sind. Ist ihnen das Evangelium verdeckt, bleib' es ihnen verdeckt ihr Lebenlang, und bin ich ihnen ein Geruch des Todes zum Tode, 2. Cor. 2., fall' es auf sie, ich fälsche ihretwegen Gottes Wort nicht, sondern in Lauterkeit, als aus Gott, vor Gott red' ich in Christo. Ich rede zur Warnung. Es klingt recht schön: Lichtfreund, freier Protestant; aber wohin führt Lichtfreundschaft und freier Protestantismus? Ihr wißt's ja, seht es aller Orten bei ach, so Vielen.

Seid manniglich gewarnt und bleibet unverführt, und weist diese Warnung nicht ab, die ganze Predigt nicht und den Prediger nicht; lasset des Vaters Geist durch mich geredet haben Amen; in mir hat er. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/harms_c/harms-dcgul17.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain