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Guthrie, William - Vom Glauben

Guthrie, William - Vom Glauben

Stellen aus William Guthry, einem Schottländer, der in dem vorigen Jahrhundert gelebt.

Der Glaube muß durchaus nicht nur im Verstande und Kopfe seyn, sondern hauptsächlich im Herzen; der Mensch muß nicht nur durch Gründe überredet seyn, daß Christus der einige Weg zum Leben sey, sondern im Herzen muß auch eine kräftige Ueberzeugung davon da seyn, so, daß der Mensch diesen seeligen Weg liebet, und ein süßes Wohlgefallen daran hat; alles das muß gleichsam in das innerste Cabinet der Seele dirngen, damit Christus eine Gestalt darinne gewinne. Man gebe Christo das ganze Herz, oder lieber nichts. Man beweise Liebe, oder lieber nichts. Man muß sich auch ja keinen andern Christum einbilden, als den, der im Evangelio steht. Es muß ein fester Entschluß im Herzen da seyn, sich Christo ganz zu ergeben, welches hauptsächlich geschieht, wenn man von der Noth dazu gedrungen und getrieben wird. Ach! die Menschen sind gar zu geneigt, einen Grund in sich selbst zu suchen, warum sie Gott angenehm seyn müßten. Den rechten Schatz der Seele, Christum, erkennen sie nicht, den muß Gott der Seele offenbaren; wenn seine Liebe ins Herz kommt, so wird das Herz sogleich dadurch geändert.

Aber das Herz muß uns nicht mehr verdammen, und wir müssen keine Schooßsünde mehr hegen. Die Trägheit des Herzens ist ebenfalls eine der größten Hindernisse, die uns abhalten, die Gnade Gottes recht zu erfahren.

Gott pfleget die Hauptfestung in dem Herzen des Menschen zu erschüttern, die Zuflucht der Lügen, dahin diejenigen sich zu begeben pflegen, die ihre Sünden noch verbergen wollen. Die armen Menschen geben gemeiniglich vor, daß sie den Glauben an Christum haben, dadurch sie meynen, der Last der Sünde los zu werden, wie die Pharisäer, da sie sagten, sie hätten Gott zum Vater. Die Menschen geben vor, daß sie in einer besondern Beziehung auf Gott stünden, als ihren allgemeinen Herrn. Da suchet sie nun der Geist Gottes von diesem falschen Wahne abzubringen, und zeiget ihnen durch die Wahrheiten der heiligen Schrift, daß sie keinen wahren Glauben haben, und daher auch keinen seeligen Antheil an Christo haben können. Er stellet ihnen den großen Unterschied zwischen Gnade und Phantasie vor. Er spricht gleichsam zu Ihnen: Wäre Gott euer Vater, so liebetet ihr mich, denn ich bin von Gott. Ihr seyd von dem Vater, dem Teufel, und nach euers Vaters Lust wollet ihr thun. Nun kann ein Mensch sehen, daß der Glaube und die Gnade ganz etwas anders sey, als er vorher geglaubet. Nun sieht er den Unterschied ein, der zwischen ihm und andern gottseligen Leuten ist. Auf solche Weise lernt oft ein Mensch fragen: Was soll ich thun, daß ich seelig werde? Aber diese Frage läuft oft wieder auf eine verkehrte Frage hinaus: Was sollen wir thun, daß wir Gottes Werke wirken? da doch der Mensch aus eignen Kräften nichts thun kann, sich zu erretten. Da fällt der Mensch leicht auf das Selbstwirken und auf eigne Gerechtigkeit, bis ihm Gott entdeckt, daß seine Gerechtigkeit nichts taugt.

Dann führt Gott nach dem Ausdrucke im Propheten Hosea die Seele in die Wüste und redet freundlich mit ihr. - Da macht sich denn der Mensch zu Gott hin, da er fast vor Hunger vergehet, wie der verlohrne Sohn. So ziehet der Vater die Menschen zu Christo. Wenn ein Mensch sein tiefes Elend recht einsiehet, kann er am ersten und leichtesten dazu gebracht werden, daß er zu Christo geht. Der wahre Glaube aber, der Christum ergreifet, ist kein bloßes Gedanken-Werk, sondern gehet im Herzen vor. Der Glaube bringt die größte Begierde mit sich, mit Christo verbunden zu werden, der Glaube lehnet sich ganz auf Christum; die Falschgläubigen halten sich immer noch an etwas ausser Christo, was ihnen nebenbey zur Seeligkeit helfen soll, aber der wahre Glaube hält sich an Christum ganz allein. Es heißt auch in diesem Verstand: Niemand kann zween Herren dienen. Man muß entweder Christum für einen vollkommnen Heiland halten, oder das ganze Christenthum ist überall so viel, als nichts. Der wahre Glaube nimmt auch Christum ganz an, der falsche aber blos halb.

Manche Falschgläubige wollen auch gleichsam eine Probe mit Christo machen, schließen einen Bund mit Ihm, und halten ihn hernach nicht, wenn dieses und jenes, das sie sich unschriftmäßig ausbedungen, nicht zutrifft, aber man muß sich Christo ohne alle Bedingung ergeben.

Manche erschrockne Sünder sind wieder gar zu furchtsam und blöde; sie sagen: Ach! ich bin der ärgste und vornehmste Sünder unter allen Menschen, die ich nur kenne; daher darf ich mich nicht unterstehen, zu Christo zu nahen, und auf die Seeligkeit, die durch Seine Gerechtigkeit erworben ist, einige Hoffnung zu setzen. Aber ist denn eure Sünde größer als der Ehebruch und Mord Davids? als die Abgötterey und der schreckliche Abfall Salomons? als die Abgötterey, Mord und Zauberey-Sünde des Manasses? als der Zorn des Propheten Jonas gegen Gott? größer als die Verleugnung Petri, welcher doch vorher gewarnt war, und ein besseres angelobet hatte? größer, als die blutige Verfolgung Pauli, welcher die Gemeine lästerte? u.s.w. Diese Beyspiele sind da, um daraus die ungebundene reiche Gnade Gottes zu ersehen, und arme Sünder dadurch aufzumuntern, zu Christo ihre Zuflucht zu nehmen. Es ist eine größere Sünde, wenn ein Mensch Christum Jesum, der ihm mit Seinem ganzen Verdienste angeboten wird, nicht annimmt, als alle andre vorher begangne Uebertretungen. Denn wer nicht glaubt, der macht Gott zum Lügner in dem Zeugnisse, das Er gezeuget hat von seinem Sohne. Ja, der nicht gläubet, der ist schon gerichtet, darum, daß er nicht gläubet an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes. Der Vorwand, daß man ein großer Sünder sey, kann hier nichts helfen, daß man sich damit entschuldigen wollte, warum man von Christo wegbleibe; denn Gott hat es ja in Seinem Worte bekannt genug gemacht, daß Christus Jesus gekommen sey in die Welt, die Sünder seelig zu machen. Es ist also ein jeder, der auch noch ein so großer Sünder ist, dennoch verbunden, dieses Gebot des Glaubens zu erfüllen. Das ist Sein Gebot, daß wir gläuben an den Namen Seines Sohnes Jesu Christi. Hat man lange in Sünden beharret, und sein Geld dahin gegeben, wo kein Brod ist, so ist es um so viel nöthiger, daß man seine Zuflucht eilends zu Gott nehme. Wer zu Ihm kommt, den will Er nicht hinausstoßen. Alle Sünden werden vergeben.

Manche Leute sprechen: Bin ich gleich nicht von der Gnade des Neuen Testaments ausgeschlossen, so steht es doch nicht in meiner Macht, an Jesum Christum zu glauben, weil dieser Glaube eine Gnadengabe Gottes ist, und Fleisch und Blut denselben nicht geben kann. Wahr ists, daß der Glaube, wodurch man Gott in Christo ergreifet, nicht in unsrer Macht stehe, sondern ein Werk Gottes in der Seele sey, allein Gott hält einem jeden den Glauben vor, und reichet ihm die nöthige Kraft dar, daß er glauben könne. Wenn Gott befiehlt, daß wir glauben sollen, und manche Ausdrücke der heiligen Schrift so lauten, als, wenn es in unsern eignen Kräften stünde, so ist dieses nur so zu nehmen, daß uns Gott auf unsre große Ohnmacht aufmerksam machen, und uns zeigen will, daß wir nichts vermögen. ER hat uns aber selbst die herrlichsten Verheißungen gegeben, daß ER uns ein neues Herz geben, und den Sinn ändern wolle. Und von diesem Versprechen hat ER niemanden ausgeschlossen. ER will unser kaltes und todtes Herz erwärmen und beleben, wir dürfen es Ihm nur hingeben, und bey Jesu allein und von Herzen Erquickung und Ruhe suchen. Es ist eine betrübte und jämmerliche Sache, daß viele keine rechte Achtsamkeit und Ehrerbietung gegen die Wirkungen des heiligen Geistes haben, der den Glauben doch allein in uns wirket: sie betrüben und verhindern ihn vielmehr, sein Gnaden-Werk in der Seele fortzusetzen, sie widerstehen ihm muthwilliger Weise. Das geschieht auf vielerley Art.

Gott wirkt in dem Menschen, aber der Mensch muß sich dazu Ihm überlassen. An Seiten der Menschen wird der Glaube unter andern in der heiligen Schrift durch die Redensart ausgedrückt, zu Gott kommen, und doch heißt es auf Gottes Seite, ER ziehe die Menschen: der Vater ziehet die Menschen zum Sohne, der Sohn sagt: wenn ER werde erhöhet seyn von der Erden, so wolle ER sie alle zu sich ziehen. Es heißt auch ziehen auf Gottes Seite, und laufen auf unsrer Seite. Zeuch uns dir nach, so laufen wir. Es heißt ferner auch, zu Gott nahen auf unsrer Seite, und erwählen, auch zu sich lassen, auf seiner Seite. Es heißt auch glauben und annehmen auf unsrer Seite, und wiederum, daß es uns von Gott gegeben werde, zu glauben. Phil. 1, 29. Wenn man den Heiland von ganzem Herzen so annimmt, wie ER uns im Evangelio vorgehalten wird, so nahet man dadurch zu Gott.

Aber, wie ich schon öfters erinnert habe, wir müssen durchaus alle andre Gerechtigkeit, und alle andre Wege, seelig zu werden, fahren lassen, und Christo nichts an die Seite stellen. Denn alles andre hilft uns doch zur Seeligkeit nicht, und ohne Glauben ists unmöglich, Gott zu gefallen. Abels Opfer ward Gott angenehm durch den Glauben. Wenn jemand auch noch so sehr sich der Tugend befleißiget, und glaubet nicht an Jesum Christum, als das von Gott selbst uns gegebne Versöhnopfer, so kann er nicht seelig werden. Ja, was noch mehr ist, wir sind schon alle auf Christum getauft, und haben mit Ihm einen Bund gemacht, Sein zu seyn, der sich auf Sein blutiges Opfer gründet; wenn wir nun einen andern Weg, seelig zu werden, einschlagen, und Ihn vorbeygehen, so sind wir bundbrüchig.

Es ist sehr nützlich, diesen seeligen Bund oft feyerlich zu erneuern, und sich an die Zeit zu erinnern, da man erfahren, was Gott einmal im Alten Testamente sagt: Ich begab mich mit dir in einen Bund, und gelobte dirs, daß du solltest mein seyn.

Quelle: Wöchentliche Beyträge zur Beförderung der ächten Gottseligkeit.

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