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Argumentations-Mängel

Argumentations-Mängel

Die folgenden Texte zeigen Argumentations-Mängel. Worin bestehen diese?

80 „Wie kann Gott das zulassen?

… Hinter dieser Frage steht ein falsches Verständnis von der Allmacht Gottes. Gewiß, Gott ist der Allmächtige. Aber er übt seine Allmacht nicht im Sinn einer Total- und Allbeherrschung des Menschen aus. Gott ist kein überweltlicher Marionettenspieler, an dessen Fäden willenlose Geschöpfe hängen. So müssen wir mit dem Begriff Allmacht Gottes den anderen Begriff in Verbindung bringen: Freiheit des Menschen. … er kann auch die ihm von Gott geschenkte Freiheit mißbrauchen. … Im vorliegenden Fall hat der Fahrer des Unfallwagens verantwortungslos gehandelt, … Hinzu kommen Kriege, die ganze Völker treffen. Wir haben Schuld an den Kriegen. Nicht Gott. Hinzukommen Hungersnöte und soziale Ungerechtigkeiten, die wir Menschen verursachen. Nicht Gott hatte Kain zum Brudermord angestachelt. Vielmehr hat Kain gegen Gott gehandelt, als er seinen Bruder erschlug.1)

81 „Ist Christus von den Toten auferstanden?

… Eine zweite Hypothese ist, daß die Behörden - die jüdischen oder römischen - die Leiche wegnahmen. … Wenn die Leiche in ihrem Besitz gewesen wäre, hätten sie sie auf den Straßen Jerusalems vorführen können. Mit einem Schlag hätten sie damit den christlichen Glauben in der Wiege erstickt. Daß sie es nicht taten, zeugt davon, daß die Leiche nicht in ihrem Besitz war.“2)

82 „Ist Christus Gott?

… Christus bewies eine Macht über die Naturgewalten, die nur Gott, dem Schöpfer dieser Gewalten, gehören konnte. Er stillte einen tobenden Sturm … Er verwandelte Wasser in Wein, speiste 5000 Menschen mit fünf Broten und zwei Fischen, gab einer trauernden Witwe ihren einzigen Sohn wieder, indem er ihn von den Toten auferweckte, … Jesus bewies die Macht des Schöpfers über die Krankheit und das Leiden. Er machte die Lahmen gehend und die Blinden sehend.“3)

Betrachte die folgenden Texte - und urteile, welche Art von Mangel jeweils vorliegt.

83 „Die 'Gottesanbeterin' (Mantis religiosa) hat sich zur Raubheuschrecke entwickelt mit martialischen, ihre bedauernswerten Opfer, andere Insekten, wie Fangeisen festhaltenden und mit spitzen, lanzenartigen Dornen durchbohrenden Fangbeinen. Sehen wir ganz bewußt einmal ab von der Frage, wie viele Organe und neue, dazu 'passende' Instinkte sich bei diesem sonderbaren Tier gegenseitig sinnvoll ergänzen müssen, damit es seine ganz spezielle räuberische Lebensweise überhaupt führen kann. Es wäre wiederum geradezu astronomisch unwahrscheinlich, daß 'nichts als der Zufall' (Monod) diese 'Synorganisation' (Portmann) zustandegebracht haben könnte. … Die Gottesanbeterin lebt mitten unter lauter Pflanzenfressern, denn sie ernährt sich ja von ihnen auf ihren Futterpflanzen jagend. Mithin bestand also niemals ein etwa durch Mangel an Blättern oder jungen Sprossen bewirkter 'Selektionsdruck' in Richtung auf Fleischernährung und räuberische Lebensweise. Welchen Überlebensvorteil - und die Theorie fordert nun einmal unerbittlich einen solchen, gewissermaßen als 'Motor' und Antrieb des Entwicklungsprozesses - soll es also hier gegeben haben gegenüber den friedlichen, Pflanzenfresser gebliebenen 'Nachbarn' im haargenau gleichen Biotop? …“ .“4)

84 „Die Bibelkritiker … behaupten, daß die Jünger die angeblichen Aussprüche Jesu nach seinem Tod erfunden und sie dann als neutestamentliche Schrift niedergelegt hätten.
Diese Ausrede ist nicht stichhaltig, denn viele der in Frage kommenden Aussprüche Jesu aus dem Neuen Testament stammen direkt aus dem Alten Testament. Wenn die NT-Aussprüche erfunden wurden, dann müssen die AT-Aussprüche ebenso erfunden worden sein.“5)

85 „John A. Robinson, ein anerkannter britischer Gelehrter liberaler Auffassung, ist davon überzeugt, daß der Kanon des Neuen Testaments schon im Jahr 70 vollständig war. Auch wenn die meisten Sachverständigen die Entstehung des Johannesevangeliums und der Offenbarung 20 Jahre später ansetzen, können wir doch recht sicher sein, daß alle Schriften des Neuen Testaments von Augenzeugen des Wirkens Jesu verfaßt oder doch zumindest auf der Grundlage von Augenzeugenberichten zusammengetragen wurden.“6)

86 „Es gibt starke innere Beweise dafür, daß die Evangelien zu einem frühen Zeitpunkt geschrieben wurden. Die Apostelgeschichte berichtet von der missionarischen Tätigkeit der frühen Kirche und wurde als Fortsetzung von derselben Person geschrieben, die auch das Evangelium nach Lukas verfaßt hat. Das Buch der Apostelgeschichte endet zu Lebzeiten des Apostels Paulus in Rom, von seinem Tod wird nichts gesagt. Dies zeigt uns, daß es geschrieben wurde, bevor er starb, da die anderen wichtigen Ereignisse seines Lebens alle berichtet werden. Wir haben Grund zu der Annahme, daß Paulus während der Christenverfolgung Neros im Jahre 64 n.Chr. hingerichtet wurde, was bedeutet, daß das Buch der Apostelgeschichte vor diesem Zeitpunkt verfaßt worden ist. Wenn die Apostelgeschichte vor dem Jahre 64 n.Chr. geschrieben wurde, dann muß das Lukasevangelium, dessen Fortsetzung sie ist, einige Zeit früher entstanden sein, wahrscheinlich in den späten fünfziger oder sechziger Jahren des 1.Jahrhunderts. Christus starb um 30 n.Chr., wodurch die Entstehungszeit des Lukasevangeliums höchstens innerhalb von dreißig Jahren nach den Ereignissen liegt. Die frühe Kirche lehrte allgemein, daß das Matthäusevangelium das erste war, was uns der Zeit Christi noch näher bringt. Dieser Beweis führt uns zu der Annahme, daß die ersten drei Evangelien alle innerhalb von dreißig Jahren nach den Ereignissen entstanden sind, zu einer Zeit, als noch feindselige Augenzeugen lebten, die ihrem Zeugnis widersprechen konnten, wenn es nicht richtig war. … einige der Argumente … daß das Markusevangelium zuerst verfaßt wurde. Doch bei näherer Untersuchung sind diese Beweise nicht so stichhaltig, wie man denken könnte. … es ist ebenfalls denkbar, daß keiner der Evangelisten irgendeine der zwei anderen Schriften sah, ehe er sein Werk verfaßte.“7)

87 „Auch während der Erdenzeit wurde der Herr Jesus als Gott angebetet, und er akzeptierte dies: Der Aussätzige (Mt 8,2), der geheilte Blindgeborene (Joh 9,38) und die Jünger (Mt 14,33) fielen vor ihm nieder. Dies ist nach der Bibel der höchste Ausdruck der Anbetung und Huldigung.“8)

88 „Wenn der Papst über die Macht verfügt, mittels Ablässen die jetzt im Fegefeuer brennenden Seelen daraus zu erlösen, warum schenkt er dann nur Teilablässe und nur ab und zu einen vollen Ablaß? Wenn einer weiß, daß ein Mensch am Verbrennen ist, warum läßt er ihn auch nur eine Sekunde länger Pein leiden? Warum läßt er die Leute nach Rom reisen, um dort einen vollen Ablaß zu verdienen? Warum solch eine Verzögerung, während - nach der Lehre Roms - die Seelen in den Flammen des Fegefeuers schreien?“9)

89 „Das Verfahren unserer Analyse

Das Geschehen um Ostern besteht nach den neutestamentlichen Berichten im wesentlichen aus drei Faktoren: a) dem Tod Jesu, b) dem leeren Grab und c) den Erscheinungen des auferstandenen Jesus vor seinen ehemaligen Jüngern. Nimmt man das Gegebensein der drei Faktoren an, kann man sinnvollerweise - unbeweisbare Zusatzhypothesen ausgeschlossen - nur auf die biblische Theorie der Auferweckung Jesu schließen: Wenn er wirklich tot und sein Grab leer war, sein Leichnam nirgendwo gefunden, sowie der auferstandene Herr als der mit dem irdischen Jesus 'Identische' wiedererkannt wurde, dann legt sich historisch zwingend - weil als die plausibelste Lösung - der Gedanke an die leibliche Auferstehung Jesu von Nazareth nahe. … Für unser Argumentationsverfahren folgt daraus, daß es notwendig ist, jeden der drei Faktoren des Geschehens auf seine Glaubwürdigkeit zu hinterfragen. … ergibt sich für den christlichen Osterglauben an die leibhafte Auferstehung Jesu dann das höchste Maß an Plausibilität, wenn sich alle drei Hauptkomponenten des Geschehens als wahrscheinlich belegen lassen.“10)

Lösungen

1)
80: Das ist von vornherein nur eine Teilantwort, denn neben menschlich verursachtem Leid gibt es auch schwere Krankheiten, Behinderung, frühzeitiges Sterben, wo keine unmittelbare menschliche Schuld vorliegt. Doch auch beim Hinweis auf durch menschliche Schuld verursachtes Leid bleibt noch immer die Eingangsfrage offen, warum Gott es zuläßt - er könnte es ja verhindern, niemand zwingt ihn dazu, dem einzelnen Menschen einen derart großen Handlungsspielraum zu lassen. Wie würden wir einen Polizisten beurteilen, der beobachtet, wie ein Mensch einen anderen umbringt, und nicht einmal den Versuch unternimmt, das zu verhindern? Die Antworten: 'Der Polizist selbst hat ja den Mord gar nicht begangen!' oder 'Der Polizist ist kein Marionettenspieler - er läßt uns Menschen unsere Freiheit!' würden da niemanden befriedigen. Der Eindruck der Nichtexistenz oder zumindest Abwesenheit Gottes, den viele Betrachter aus solchen Ereignissen gewinnen, ist verständlich - und hier müßte angesetzt werden.
Der Mangel liegt hier schon in der unzureichenden Problemdarstellung. Wenn das Problem in vollem Ausmaß erfaßt wird, ist von vornherein klar, daß der Hinweis auf die Freiheit des Menschen nur eine Teilantwort ist.
2)
81: Hier ist zu bedenken, daß die Jünger erst nach Pfingsten (also 50 Tage nach Ostern = Auferstehung) zu predigen begannen. Nach so langer Zeit wäre die Leiche bis zur Unkenntlichkeit entstellt gewesen, so daß die jüdischen Führer hiermit keinen Auferstehungs-Gegenbeweis hätten liefern können. Eine - bereits verwesende - Leiche einem Grab zu entnehmen und auf den Straßen der Stadt herzuzeigen, wäre wohl auch auf Hygiene und Pietät bezügliche Hemmungen gestoßen. Das 'Leichen-Herzeige-Argument' hat daher nur beschränkte Aussagekraft.
Der Mangel liegt hier in der konkreten Gestalt des Argumentes selbst. Die tatsächliche Durchführbarkeit dieser Vorstellung wurde zuwenig bedacht.
3)
82: Eine ähnliche Macht finden wir aber auch bei Mose, Elia oder Elisa - die deswegen nicht mit Gott gleichzusetzen sind.
Es handelt sich hier um eine versuchte Induktion. Es wird zwar eine Mehrzahl von Beispielen geboten, aber diese führen lediglichzur Schlußfolgerung: 'Jesus war ein ganz besonderer Mensch mit besonderen Vollmachten', nicht unbedingt bis zur Schlußfolgerung 'Jesus war Gott'.
Wir haben nun drei verschiedene Arten von Mängeln erlebt: Der Mangel kann entweder
a) in der unklaren Problemstellung liegen, oder
b) in der Gestalt des Argumentes selbst, oder
c) darin, daß das Argument nicht ausreicht für das zu Beweisende. (Die Fälle a kann man meistens auch zu c rechnen: Wenn die Problemstellung unklar ist, reichen normalerweise auch die gebotenen Argumente nicht aus für das, was bewiesen werden sollte.)
4)
83 = Mangel a: Unklare Problemstellung. Es geht ja um den Beweis eines gütigen, intelligenten Gottes. Das präsentierte Beispiel weist darauf hin, daß es in der Natur Intelligenz gibt, weist aber nicht unbedingt auf eine gütige Intelligenz hin. Zum Gott der Bibel führen diese Beispiele deshalb nicht direkt hin.
5)
84 = Mangel b, liegt im Argument selbst.
6)
85 = Mangel c: Setzen wir einmal voraus, daß „die meisten Sachverständigen“ recht haben. Demnach wären bis 90 n.Chr. alle ntl. Bücher entstanden. Daraus folgt nicht zwangsläufig, „daß alle Schriften des NT …“ Dazu müßten noch zusätzliche Gründe angeführt werden.
7)
86 = Mangel c, weil an einigen Stellen eine nähere Begründung fehlt. Apg berichtet Tod des Paulus nicht - ein gutes, wenngleich nicht zwingendes Argument. Lukas vor Apg - ist anzunehmen. Frühe Kirche lehrte … - ja, aber deren Lehre muß nicht unbedingt richtig sein. - Wobei diese Datierung lediglich für Lk und Mt begründet wird, nicht jedoch für Mk - dessen Miteinbezug hängt also in der Luft; vor allem auch deshalb, weil die Markuspriorität ja durchaus nicht bejaht wird.
8)
87 = Mangel c: Sich vor jemandem niederzuwerfen - im Orient gegenüber Herrschern verbreitet -, bedeutet nicht unbedingt Anbetung. (Einen Zeugen Jehovas könnte man mit diesem Argument nicht davon überzeugen, daß Jesus angebetet werden soll.)
9)
88 = Mangel c: Dasselbe Argument könnte uns ein Skeptiker entgegenhalten: Wenn es wirklich Gott gibt, warum läßt er Leid zu? Unsere Antwort u.a.: Es kann zur Läuterung dienen … Das gleiche kann ein Katholik auf den Ablaß-Einwand antworten.
10)
89: Kein Mangel, vielmehr ein Muster vorbildlicher Problemanalyse!
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