Fresenius, Johann Philipp - Beicht- und Communionbuch - Das l. Capitel.

Fresenius, Johann Philipp - Beicht- und Communionbuch - Das l. Capitel.

Welches einen kurzen Unterricht mittheilt, was man sich für einen Begriff von dem heiligen Abendmahl zu machen habe.

§ 1.

Obschon die Lehre vom heiligen Abendmahl theils in dem Catechismus-Unterricht, theils in den Predigten, theils in gedruckten Schriften fleißig erklärt und vorgetragen wird: so lehrt doch die tägliche Erfahrung, daß viele Communicanten sich von diesem heiligen Gnadenmahl keinen rechten Begriff zu machen wissen. Und obschon Manche sind, welche in ihrer Erkenntniß so weit gekommen, daß sie diese Lehre gegen die Widersprecher trefflich vertheidigen können: so mangelt es ihnen doch öfters an denjenigen Einsichten, die zu ihrer eigenen Uebung der Gottseligkeit nöthig sind; daher es denn kommt, daß sie, wenn sie selbst dieses heilige Sacrament genießen wollen, dasselbe nicht recht ansehen, und sich entweder aus fleischlicher Sicherheit nicht auf die gehörige Weise dazu vorbereiten, oder den gesetzlichen Zweifeln allzuviel nachhängen, und folglich den Gnadenwirkungen dieses Sacraments selbst manche Hindernisse in den Weg legen. Ich finde daher für nöthig, einen kurzen Unterricht von demselben vorauszustellen; wobei jedoch mein Zweck nur dahin geht, von dieser Lehre so viel zu sagen, als zur Befestigung und evangelischen Uebung des Glaubens nöthig ist. Und damit dieses desto ordentlicher und nützlicher geschehen möge, so will ich die Sache in verschiedenen Sätzen vortragen.

§ 2.

I) Wir haben es als eine weise und gnädige Herablassung Gottes anzusehen, daß er im heiligen Abendmahl durch äußerliche sichtbare Zeichen mit uns Menschen handelt.

Manche schwache Gemüther können sich in diese Ordnung Gottes nicht finden, und wenn sie bedenken, daß ihnen bei dem heiligen Abendmahl äußerlich nur schlecht Brod und Wein gereicht werde: so nimmt der Satan, oder auch ihre eigene verderbte Vernunft daher Gelegenheit, ihnen das ganze Sacrament verächtlich zu machen, und einen dummen Verdacht gegen dasselbe beizubringen. Ob sich nun schon ein Christ gegen diese Pfeile hinlänglich damit befestigen und befriedigen kann, daß es dem Herrn Jesu also gefallen, nur schlecht Brod und Wein zu äußerlichen Zeichen dieser geistlichen Handlung zu verordnen, und daß es seinen Jüngern nicht erlaubt sei, demjenigen zu widersprechen, oder auch nur einen Verdacht darauf zu werfen, was er, als ihr Herr und Meister, für gut gefunden: so wird es doch zur merklichen Stärkung des Glaubens gereichen, wenn wir den weisen Ursachen in der Furcht des Herrn nachsinnen, welche ihn zu dieser heiligen Verordnung bewogen haben.

Wenn es in diesem Leben die Beschaffenheit mit uns hätte, wie mit den Geistern der vollendeten Gerechten im Himmel: so würde Gott nicht nöthig haben, durch äußerliche Zeichen mit uns zu handeln, wenn er uns seine Gnadengüter mittheilen will. So lange wir in der sterblichen Hütte wohnen, sind unsere Begriffe theils sehr schwach, theils zu sinnlichen Vorstellungen geneigt und angewöhnt. Wenn nun Gott auf eine abstracte Weise, oder nach himmlischer Art mit uns handeln wollte: so würde uns solches viel zu hoch sein, und unserm Glauben die nöthige Befestigung in unserer großen Schwachheit nicht können mitgetheilt werden. Um deßwillen läßt sich nun der himmlische Vater so liebreich, weislich und gnädig herab, und handelt mit uns als mit schwachen, armen Kindern, die was Sinnliches haben wollen, woran sie sich halten, und durch dessen Erinnerung ihr schwacher Glaube gestärkt werden kann. Geht man hierbei zurück in die Gnadenhaushaltung Gottes im alten Testament: so wird man mit Verwunderung wahrnehmen, wie Gott durch manche äußerliche Dinge und Bilder der Schwachheit seiner Kinder aufgeholfen. Er erneuerte seinen Gnadenbund mit Noah, dem zweiten Stammvater aller Menschen, und wies ihn dabei auf den Regenbogen, der doch in seiner Natur gar keine Gemeinschaft mit dem Gnadenbund hatte. Gleichwohl sollte dieser Bogen ein beständiges Zeichen sein, durch welches sich die schwachen, sinnlichen Menschen an seinen Bund erinnern sollten. Siehe 1 Mos. 9, 8-17. Als die Kinder Israel den Befehl erhielten, aus Egypten zu ziehen, gab ihnen Gott die Verheißung, daß der Würgengel bei ihnen vorüber gehen und ihnen kein Leid zufügen sollte. Diese gnädige Verheißung verknüpfte er mit einem äußerlichen Zeichen, das den schwachen Israeliten in die Augen fiel. Sie mußten nämlich das Blut von einem Lamm nehmen, und an ihre Thürpfosten streichen, auch das Osterlamm theils zur Erinnerung dieser väterlichen Errettung, theils zur Vorstellung der künftigen Gnade in Christo jährlich essen. Dieses Lamm und dessen Blut hatte freilich keinen innerlichen Zusammenhang mit der Gnade Gottes; aber es sollte ein Zeichen sein, wodurch der schwache Glaube auf eine sinnliche Weise gestärkt werden sollte, und diese sinnliche Stärkung hielt Gott so nöthig, daß er diejenigen auszurotten drohete, die sich ihr aus Verachtung entziehen würden. Siehe 1 Mos. 12. Eine gleiche Bewandniß hatte es mit allen Opfern des alten Testaments. Gott gab den Menschen die große Gnadenverheißung, daß er zu seiner Zeit der Welt einen Erlöser senden wolle, der dieselbe durch seinen Tod mit Gott aussöhnen würde. Mit diesem Versöhnungstod nun hatten die Opfer im alten Testament keine innerliche Gemeinschaft, und dennoch stellte sie Gott als Bilder dar, wodurch er sein Volk an die künftige Gnade erinnerte, und ihren Glauben an den Messias kräftig stärkte. Als das Volk Israel in der Wüste durch feurige Schlangen geplagt, und durch ihre giftigen Bisse Viele getödtet wurden: so mußte Moses eine eherne Schlange aufrichten, die ihrer Natur nach keine Kraft noch Einfluß hatte, die Verwundeten zu heilen; diese mußten aber dennoch die eherne Schlange ansehen als ein äußerliches Zeichen der Gnadenverheißung, und wer sich durch dieses Zeichen im Glauben an die Verheißung selbst stärken ließ, der blieb leben, 4 Mos. 21, 5. 8.

Wenn man alle diese Geschichten gebührend überlegt, so kann man es desto besser beurtheilen, wenn man sieht, daß Gott auch im neuen Testament die Verheißung und Mittheilung seiner Gnade an äußerliche Zeichen gebunden hat. So hat bei der Taufe das äußerliche gemeine Wasser freilich keinen Zusammenhang mit der innerlichen Wiedergeburt des Menschen und mit dem Gnadenbund, in welchen der arme Sünder aufgenommen wird; weil aber unser schwacher Glaube einer sinnlichen Stütze bedarf, so hat Gott das Wasser dazu verordnet, und will dadurch seine Kinder desto kräftiger erinnern, was für eine Wohlthat ihrer Seele bei der Taufe erzeigt, und wie sie um des Blutes Jesu willen durch den Geist der Gnaden von ihren Sünden gereinigt worden. Und eben diese Bewandniß hat es auch mit dem heiligen Abendmahl. Christus theilt uns in demselben seinen heiligen Leib und sein theures Blut mit, und schenkt uns zugleich die große Gnade, die er durch seinen blutigen Versöhnungstod erworben hat. Diese Gnade ist so hoch, so geistlich, so übernatürlich, so himmlisch, daß sie all unser Denken übersteigt; daher läßt sich der liebreiche Heiland, seinen schwachen Kindern zu Gefallen, so tief herab, daß er uns Brod und Wein verordnet, welches wir essen und trinken, an diese äußerlichen Bilder und Zeichen unsern Glauben gleichsam binden, und dabei zugleich gedenken sollen, daß uns zu der Zeit der Leib und das Blut Jesu Christi wahrhaftig mitgetheilt und eine unaussprechliche Gnade geschenkt werde Ob nun schon Brod und Wein an sich selbst diejenige Kraft nicht haben, solche große Dinge zu wirken und mitzutheilen: so sollen sie doch nach der Absicht der göttlichen Weisheit ein sinnliches Bild und Stütze sein, daran sich unser schwacher Glaube halten, und die geistlichen Güter, die er zugleich empfängt, desto kräftiger und lebendiger vorstellen könne. Und hieraus erhellt zugleich, wie sehr sich diejenigen vergehen, welche, unter dem Vorwand, daß sie das geistliche Abendmahl täglich im Glauben genießen, das äußerliche Sacrament verachten, oder sich doch von demselben zurückziehen. Denn obgleich ein wahrer Christ die Gnade des Herrn Jesu täglich im Glauben genießt: so sind wir doch auch durch einen ausdrücklichen Befehl Christi an das äußerliche Sacrament gewiesen, und es kann nicht anders denn als eine große Vermessenheit angesehen werden, wenn man ihn in seinem Befehl und seiner weisen Verordnung meistern und tadeln will, dahingegen wir vielmehr Ursach haben, ihm von Herzen zu danken, daß er sich um unserer Schwachheit willen so weislich herabläßt, und unseren sinnlichen Vorstellungen so liebreich zu Hilfe kommt.

2) Das heilige Abendmahl ist ein großes göttliches Geheimniß.

Zu einem jeden Geheimniß gehört zweierlei: erstlich, daß man von der Gewißheit der Sache überzeugt sei; zum andern, daß die Art und Weise, wie es mit der Sache eigentlich zugeht, verborgen sei. Schon im Reiche der Natur treffen wir viele Geheimnisse an; denn es befinden sich viele tausend Dinge in demselben, von denen wir eine gewisse Ueberzeugung haben, daß sie wahrhaftig da sind; wie sie aber sind, oder wie es mit ihnen zugeht, ist uns verborgen. So wissen wir zum Exempel ganz gewiß, daß die großen Weltkörper in beständiger Bewegung fortgehen, daß unser Geblüt seinen beständigen Umlauf hat, daß unsere Seele denkt und mit dem Körper sehr genau vereinigt ist, daß auch ein kleines Würmlein ein gewisses Nachdenken hat, seine Nahrung zu suchen, und der Gefahr zu entgehen, u. f. w.; aber wie dieses Alles geschehe, und welches der innerste Grund sei, wodurch dieses Alles möglich gemacht wird, das ist uns unbekannt. So sind auch im Reich der Gnaden viele Dinge, deren Gewißheit uns in dem göttlichen Wort geoffenbaret ist, davon wir aber die Art und Weise, wie es damit zugehe, nicht verstehen können. So ist uns deutlich geoffenbaret, daß in Einem göttlichen Wesen drei Personen sind, daß die Welt aus Nichts erschaffen ist, daß der Sohn Gottes Mensch geworden, daß Gott in den Gläubigen wohnt, daß die Menschen durch das Wort und durch die heilige Taufe wiedergeboren werden, daß die Todten am jüngsten Tage auferstehen sollen, u. s. w.; die Art und Weise aber, wie dieses Alles ist und geschieht, ist uns verborgen.

Was nun das heilige Abendmahl insonderheit anlangt, so wissen wir Manches von demselben gewiß, so viel nämlich Gottes Wort davon offenbaret; Manches aber wissen wir nicht, weil es nicht geoffenbaret ist. Wir wissen, daß das heilige Abendmahl überhaupt von dem Herrn Jesu verordnet und eingesetzt worden; denn dieses lesen wir deutlich in der heiligen Schrift, Matth. 26, 26 u. f. Marc. 14, 22 u. f. Luc. 22, 19 u. f. 1 Corinth. 11, 23 u. f. Wir wissen, daß dieses Gnadenmahl in der Kirche Gottes soll gehalten werden bis zur letzten Zukunft Christi zum Gericht; denn wir lesen diese Verordnung deutlich 1 Cor. 11, 26. Wir wissen, daß wir in demselben den Leib und das Blut Christi empfangen; denn die Worte der Einsetzung bezeugen dieses ganz klar. Wir wissen, daß es nicht eine bloße Erinnerung an den Leib und das Blut Christi ist, sondern daß wir seinen Leib und sein Blut wahrhaftig genießen; denn Christus sagt ausdrücklich: Esset, das ist mein Leib; trinket, das ist mein Blut, und Paulus lehrt offenbarlich, daß der gesegnete Kelch die Gemeinschaft des Blutes Christi, und das gesegnete Brod die Gemeinschaft des Leibes Christi sei, 1 Cor. 10, 16. Wir wissen, daß das Brod nicht in den Leib Christi verwandelt wird; denn Paulus bezeugt mit klaren Worten, daß das Brod auch in der Genießung noch Brod sei, 1 Cor. 11, 26. 27. 28., und daß das Brod nur eine Gemeinschaft des Leibes Christi sei, Cap. 10, 16. Wir wissen gewiß, daß wir im heiligen Abendmahl nicht nur das gesegnete Brod essen, sondern auch den gesegneten Kelch trinken sollen; denn so lautet der Befehl unsers Heilandes: Nehmet hin und trinket Alle daraus. Wir wissen gewiß, daß das heilige Abendmahl kein eigentliches Opfer ist, darin die Menschen Christum aufopfern sollen, sondern eine Gabe des Herrn, die wir aus seiner Hand empfangen und vermittelst des sacramentlichen Essens und Trinkens genießen; denn Christus sagt nicht: Bringet her und opfert; sondern er spricht: Nehmet hin und esset; nehmet hin und trinket. Wir wissen gewiß, daß dieses Sacrament nicht dazu verordnet worden, daß man das gesegnete Brod als einen Gott verwahren, davor niederfallen, es anbeten, oder auch in den Kirchen, aus den Gassen und Feldern in Procession herum tragen soll; denn davon lesen wir in der heiligen Schrift weder Befehl noch Exempel, und unser Heiland sagt nicht: Nehmet hin und verwahret's, betet's an, traget's herum, sondern: Nehmet hin und esset; nehmet hin und trinket. Bon allen diesen Dingen können wir mit der größten Gewißheit reden, wenn wir uns allein an das geoffenbarte Wort Gottes halten. Nebst dem liegen aber auch in dem heiligen Abendmahl solche Tiefen verborgen, die wir mit unserm schwachen Verstand unmöglich ergründen können, und bei welchen wir unsere Unwissenheit offenherzig bekennen müssen So wissen wir nicht, wie es zugeht, daß uns Christus, indem wir das Brod essen und den Wein trinken, auch seinen Leib und sein Blut wahrhaftig zu essen und zu trinken mittheilt. Wir wissen nicht, wie es zugeht, daß wir durch dieses Gnadenmahl mit Christo auf's innigste vereinigt werden. Wir wissen nicht, wie es zugeht, daß dieses Sacrament den Gläubigen ein Mahl der Unsterblichkeit wird, und daß uns Christus überhaupt in demselben alle erworbenen Heilsgüter schenkt. Alle diese Dinge sind uns so verborgen, daß uns nichts übrig bleibt, als auszurufen: O welch eine Tiefe!

Aber eben diese Tiefen machen das heilige Abendmahl zu einem großen Geheimniß, welchem wir demnach bei unsern Untersuchungen das Recht der Geheimnisse müssen widerfahren lassen; das ist, wir müssen dieses Alles glauben, weil wir den klaren Ausspruch und die Verheißungen in Gottes Wort vor uns haben; wenn aber die Frage ist: Wie geht es zu? so müssen wir die Hand auf den Mund legen, ehrerbietig stillschweigen, oder sagen: Wir wissen es nicht, bei Gott aber ist kein Ding unmöglich, Luc. 1, 37. Wer hiebei zweifelt, der handelt unvernünftig; und wer deßwegen widerspricht, weil er die Art und Weise nicht begreifen kann, der handelt gottlos und verwegen, und das aus dem Grunde, weil er in einem göttlichen Geheimniß des Gnadenreichs keine verborgenen Tiefen zugeben will, die er doch auch in den Geheimnissen der Natur schon zugeben muß.

3) Das heilige Abendmahl hat eine rein evangelische Natur im höchsten Grade.

Das Evangelium hat auch seine Stufen. Bald lockt es, bald verheißt es und zeigt die Gnadengüter gleichsam von ferne; bald theilt es einige Gnadengüter mit; bald schenkt es dieselben alle zusammen. In dem heiligen Abendmahl treffen wir alle diese Wirkungen und Kräfte bei einander an. Es lockt, es verheißt, es theilt aber auch Alles mit, was Christus erworben hat; ja es schenkt uns Christum selbst auf die allerhöchste Weise. Es ist da lauter Gnade, lauter Liebe und Barmherzigkeit. Es ist ein Mahl, in welchem uns die größten Gaben geschenkt werden. Wir können uns daher, wenn wir richtig urtheilen wollen, keinen andern als einen rein evangelischen Begriff davon machen. Und weil dieser Begriff aus den Worten der Einsetzung ganz deutlich fließt: so lasset uns dieselben nach ihren vornehmsten Umstanden in eine kurze aber ernstliche Erwägung ziehen.

1) Der Stifter dieses Gnadenmahls ist Jesus Christus, unser hochgelobter Heiland.

Er verordnete dieses Mahl zur Zeit seiner tiefsten Erniedrigung, da er nicht gesandt war, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde, Joh. 3, 17. Er setzte es ein in der Nacht, da er verrathen ward, da sein großes Leiden anging, und da er im Begriff stand, die Versöhnung für der ganzen Welt Sünde zu werden. Seine erbarmende Liebe für uns Menschen zog ihn damals in den schmählichsten Tod, und er hatte lauter Friedensgedanken gegen uns in seinem treuen Herzen; daher kann das Mahl, das er für uns gestiftet, schon um deßwillen nicht anders angesehen werden, denn als eine Probe seiner allerzärtlichsten Liebe gegen die Sünder, als ein Liebesmahl, ein Gnadenmahl, ein Friedensmahl. Er ging in den Tod, wollte aber vorher feinen Kindern eine reiche Erbschaft vermachen, damit sie an ihn nicht anders als in zarter Liebe gedenken, und ihn für einen gütigen und liebreichen Vater halten sollten.

2) Er hätte die hohe Gnade, die er uns zugedacht, nur in einer bloßen Verheißung uns zusagen können;

aber sehet, wie weit ihn die Liebe treibt! Weil er weiß, wie schwach seine Kinder sind, und daß die Unmündigen und Säuglinge so gern an sinnlichen Dingen kleben: so läßt er sich, ihnen zu Gefallen, aus Liebe so tief herab, als es nur möglich war. Er sagt, sie sollten das gesegnete Brod essen, und den gesegneten Wein trinken, ihren schwachen Glauben mit diesen äußerlichen Zeichen zu unterstützen, und sich dabei versichert halten, daß er sie zugleich mit seinem Leib und Blut speise und tränke.

3) Er spricht seinen Gnadengästen liebreich zu,

und nöthigt sie überaus freundlich, daß sie doch zugreifen und sich an seiner Tafel doch etwas zu gut thun sollten. Nehmet doch hin und esset; nehmet hin und trinket Alle daraus. Dieses Locken, dieses freundliche Nöthigen fließt her aus dem innigsten Liebestrieb seines gnädigen Herzens. Es weiß unser treuer Seelenfreund gar wohl, wie schüchtern und blöde oft seine liebsten Kinder bei seiner Tafel sind, und daß sie manchmal mit Zittern und Beben hinzugehen; darum redet er sie so holdselig an, als wollte er zu ihnen sprechen: Warum seid ihr so furchtsam? Entsetzet euch nicht, ihr suchet Jesum, euern Heiland. Ich bin's, der für euch gestorben ist, und sich aus Liebe für euch zu Tode geblutet hat. Ich habe euch eingeladen, nicht als ein zorniger Richter, sondern als euer erbarmender Heiland, als euer gnädiges Haupt, als euer treuer Bürge; ich weiß euer Elend, und daß ihr um eurer Schwachheit willen meiner Erquickung bedürftig seid; darum greifet doch zu, und esset das Gute; nehmet doch hin und trinket, was ich euch gebe, auf daß eure Seele in Wollust fett werde, Esaj. 55, 1. 2. Esset meine Lieben, und trinket, meine Freunde, und werdet trunken, Hohel. 5, 1. Empfindet ihr gleich lauter Jammer und Elend in euern Herzen, so lasset euch dadurch von meiner Tafel nicht abhalten. Die Elenden sollen essen, daß sie satt werden, und die nach dem Herrn fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben, Ps. 22, 27.

4) Dasjenige, was uns der Herr Jesus im heiligen Abendmahl schenkt, ist so groß, daß die Andacht darüber erstaunt,

und das Herz eines treuen Jüngers Jesu vor Liebe zerschmelzen möchte. Er schenkt uns Gaben, die höher sind als der Himmel. Denn er schenkt sich selbst. Da er nun der Herr des Himmels ist, und also unendlich mehr als derselbige: so ist es wirklich ein höheres Gut, das er uns im heiligen Abendmahl mittheilt, als wenn er uns den Himmel schenkte. O wenn doch unser Glaube nicht so schwach, so dunkel und schüchtern wäre, wie würde er sich, so oft wir zum heiligen Abendmahl gehen, in die Höhe schwingen! wie würde er über das empfangene Kleinod jauchzen und frohlocken! Es hat mich besucht, würde er ausrufen, der Aufgang aus der Höhe; Jesus hat mir nicht nur seine Gnade, sondern sich selbst gegeben; folglich habe ich den ganzen Heiland mit aller seiner Liebe und Barmherzigkeit, nicht nur zum Andenken, sondern auch zum wirklichen allerseligsten Genuß. Ich habe ihn als mein Eigenthum, und Alles, was er ist und hat, das ist nun mein. Ich habe ihn als meine Weisheit, als meine Gerechtigkeit, als meine Heiligung und Erlösung, als meinen Hirten, als meinen Hohenpriester, als meinen König und Propheten; er ist mein Licht und Leben, meine Kraft und Stärke, mein Trost und meine Erquickung. Und weil ich dich nun habe, Herr Jesu, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil.

5) Die Beschreibung seines heiligen Leibes und Blutes, welche er in den Worten der Einsetzung giebt, ist sehr merkwürdig.

Er spricht nicht nur: Esset, das ist mein Leib; sondern er setztauch hinzu: der für euch gegeben wird. So spricht er auch nicht nur: Trinket, das ist mein Blut; sondern er setzt hinzu: das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Diese beigefügte Beschreibung seines Leibes und Blutes soll uns die Versicherung geben, daß wir im heiligen Abendmahl mit dem Leib und Blut Christi zugleich den ganzen Reichthum aller seiner erworbenen Heilsgüter empfangen; denn es ist eben so viel, als wenn der liebe Heiland sagte: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, und indem ihr diesen esset, so genießet zugleich alle diejenigen Güter, welche ich euch mit der Dargebung meines Leibes in den Tod erworben habe. Nehmet hin und trinket, das ist mein Blut, und indem ihr dieses trinket, so genießet zugleich alle die Wohlthaten, welche ich mit Vergießung meines Blutes euch so theuer erkauft habe. Wir können also mit Recht sagen, daß wir im heiligen Abendmahl den ganzen Reichthum der göttlichen Gnade und aller Heilsschätze antreffen; denn Alles, was der Her r Jesus für uns verdient, erworben und gewonnen, da er seinen Leib in den Tod gegeben, und sein Blut für uns vergossen, das wird uns geschenkt, wenn wir uns bei der Gnadentafel des lieben Heilandes einfinden. Aber, o wie groß, wie wichtig, wie vielfältig sind doch diese Güter! Vergebung der Sünde, Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, Friede mit Gott, Kindschaft bei Gott, Kraft zu einem heiligen Wandel,, Trost in allen Anfechtungen und Trübsalen, Stärke, alle geistlichen Feinde zu überwinden, Freude in dem Heiligen Geist, Leben und Seligkeit; mit einem Wort: die ganze unermeßliche Fülle des ewigen unendlichen Verdienstes Christi wird uns mit seinem Leib und Blut geschenkt. Aus dieser Fülle kann demnach der Glaube Gnade um Gnade schöpfen, wenn er nur bei dem heiligen Abendmahl mit dem Herrn Jesu recht evangelisch umgeht; ja eben durch diese Betrachtung kann er recht evangelisch werden, wenn er bedenkt, daß er in demselben den unermeßlichen Reichthum aller Gnade, Liebe, Treue und Erbarmung Jesu Christi findet, welcher in seinem Versöhnungstode und in der Vergießung seines Blutes verborgen liegt.

6) Es ist überaus evangelisch, herzlich und tröstlich, wenn Christus in den Einsetzungsworten sein Blut nennt:

das Blut des neuen Testaments, oder des neuen Bundes, und uns befiehlt, das Blut des neuen Bundes zu trinken. Der alte Bund wurde auch mit Blut eingeweihet und bestätigt; aber es war nur das Blut von Opferthieren, und überdas wurde es von den Israeliten nicht getrunken, sondern das Gesetzbuch, die Hütte des Stifts, sammt ihrem heiligen Geräthe, und das Volk Israel wurde nur damit besprengt, Hebr. 9, 18-21. 2 B. Mos. 24, 6-8. Im neuen Bunde aber ist das theure Blut Christi, durch welches wir zu Erben des Lebens erkauft sind, das Blut des Bundes, und wir werden damit nicht nur besprengt, sondern wir sollen es auch trinken. Was heißt aber das Blut des neuen Bundes trinken anders, als in den neuen Bund, welchen Gott durch Christum mit uns aufgerichtet, eingeschrieben, aufs innigste angenommen, darin bestätigt, und mit demselben an Leib, Seele und Geist ganz durchdrungen werden? Da aber nun dieser neue Bund nicht ein Bund des Gesetzes, sondern des Evangelii und der Gnade Gottes in Christo ist: so erhellt auch hieraus, daß das heilige Abendmahl ein recht evangelisches Gnadenmahl sei.

7) Eben dieses giebt auch der Zweck zu erkennen, warum wir dieses Mahl genießen sollen.

Christus befiehlt, daß wir es zu seinem Gedächtniß empfangen sollen, und Paulus erklärt dieses, daß es so viel bedeute, als des Herrn Tod verkündigen, 1 Cor. 11, 26. Wie nun ein gläubiger Communicant in die verdienstliche und heiligende Kraft des Todes Christi gespeiset wird, wenn er seinen Leib empfähet, der für ihn in den Tod gegeben worden, und wie er in die verdienstliche und heiligende Kraft des Blutes Christi getränket wird, wenn er sein Blut empfähet, das für ihn zur Vergebung aller Sünden vergossen worden: also erneuert er auch das Andenken des Todes, des vergossenen Blutes, aller Leiden und des ewigen Versöhnungsopfers Jesu Christi auf das kräftigste in seinem Herzen. Er geht in seinen Gedanken mit dem Tode Christi um, und so geht er zum heiligen Sacrament, daß er sich in diesen Versöhnungstod hinein speisen und tränken, und sich mit dessen Kraft aufs innigste durchdringen lasse. Er ist also ein Verkündiger oder ein Zeuge dieses Todes in seinem Herzen, bei Gelegenheit in seinen Worten, und vornehmlich in dieser heiligen Handlung selbst, da er wirklich zum Sacrament geht; denn dadurch legt er ein öffentliches Geständniß ab, daß er an den Heiland glaube, der für ihn gestorben, daß er sich an seinen Versöhnungstod in wahrem Vertrauen halte, daß er in die Kraft desselben tiefer einzudringen suche, und daß er diesem Tode allein sein Leben zu danken habe. Aber giebt nicht dieser Zweck des heiligen Abendmahls lauter Evangelium zu erkennen, und führt er uns nicht in die innerste Kraft der Versöhnung Christi?

8) Erwägt man hierbei, daß Christus, als er diesen Zweck angeführt, den liebreichen Befehl hinzugethan,

daß wir das Gedächtniß seines Todes durch den Genuß des heiligen Abendmahls oft erneuern sollen: so werden wir dadurch desto stärker überzeugt, daß der liebreiche Heiland uns gern in der evangelischen Gnade recht stark machen, und die Kraft seiner Versöhnung uns auch in diesem Sacrament öfters mittheilen will. Solches thut, spricht er, so oft ihrs thut, zu meinem Gedächtniß. In welchen Worten er uns gebietet, theils das heilige Abendmahl oft zu genießen, theils bei demselben das gläubige Andenken an seinen Tod oft zu erneuern. Aber warum geschieht doch solch Gebieten, Locken und Verheißen? Warum dringt die ewige Liebe so ernstlich, so zärtlich, so voll Erbarmung an unsere trägen Herzen? Warum begehrt der freundliche Heiland von uns, daß wir nicht selten, sondern oft, oft bei seiner Gnadentafel erscheinen, uns in die Kraft seines Todes mit seinem Leibe speisen, und in die versöhnende Gemeinschaft seines Blutes mit seinem Blute tränken lassen sollen? Geschieht es nicht offenbar zu dem Ende, damit er uns desto öfter auch im heiligen Abendmahl mit Gnade und Huld überschütten, und uns in seiner Gemeinschaft desto mehr Seligkeiten zuwenden möge?

Alle diese Betrachtungen bestätigen meinen Satz, daß das heilige Abendmahl von einer rein evangelischen Natur im höchsten Grade sei.

4. Die evangelische Natur des heiligen Abendmahls erhellt auch aus den Wirkungen, welche dasselbe in gläubigen Communicanten hervorbringt.

Die Wirkungen des heiligen Abendmahls lassen sich theils aus den Worten der Einsetzung, theils aus der schönen Rede Christi Joh. 6, 50-58, deutlich schließen. Denn obschon unser Heiland in dieser Rede vornehmlich von dem Genuß des Glaubens handelt, durch welchen man seiner Gnade, ja seiner selbst täglich theilhaftig wird: so kann doch nicht geleugnet werden, daß er zugleich seine Absicht mit auf das Sacrament des heiligen Abendmahls richte, wie es denn auch an sich richtig ist, daß ein gläubiger Communicant bei dem heiligen Abendmahl, nebst dem sacramentlichen Genuß, auch den ordentlichen Glaubensgenuß Christi habe; folglich können dem heiligen Abendmahl überdies alle die Wirkungen zugeschrieben* werden, welche Christus dem Glaubensgenuß zuschreibt. Dieses vorausgesetzt, so entstehen aus dem würdigen Genuß des heiligen Abendmahls folgende Wirkungen.

1) Ein gläubiger Communicant wird mit Christo aufs innigste vereinigt, und tritt in eine selige Gemeinschaft mit ihm.

Diese Vereinigung deutet Christus an in den Worten der Einsetzung durch das Essen seines Leibes, und durch das Trinken seines Blutes; denn wie natürliche Speise und Trank durch das Essen und Trinken mit dem Menschen natürlicher Weise vereinigt werden: also wird die übernatürliche Speise des Leibes und der übernatürliche Trank des Blutes Christi auf eine hohe, unbegreifliche, geistliche, übernatürliche, doch wirkliche und wahrhaftige Weise mit uns vereinigt. Dahin gehen auch die Worte Christi Joh. 6, 56: Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut, der bleibet in mir, und ich in ihm. O welch eine hohe Seligkeit ist doch dieses, daß wir mit Christo vereinigt werden! Wer sollte hier nicht über die Liebe Jesu in wahrer Demuth erstaunen, daß er in uns und wir in ihm bleiben sollen! Das Geheimniß ist groß, aber auch überaus tröstlich; denn diese Vereinigung ist so innig, daß wir sagen können: Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und von seinem Gebeine, Eph. 5, 30. Wir sind die Reben an ihm, dem lebendigen Weinstock, Joh. 15. Wir sind Ein Geist mit ihm, 1 Cor. 6, 17. Er wohnt durch den Glauben in unsern Herzen, Eph. 3, 17. Der Genuß seines Leibes und Blutes gehört mit zu dem Grund der geistlichen Vereinigung, die da ist zwischen Christo dem Haupt, und zwischen den Gläubigen als seinen Gliedern. Seine heilige, lebendigmachende menschliche Natur durchdringt da unsere schwache elende Natur, als eine himmlische, reine Lebenskraft, die unsere menschliche Natur reinigt, vollbereitet, stärket, kräftiget, gründet, und zu einem himmlischen ewigen Adel erhebt. Und wenn wir diesem Grund richtig nachdenken, so werden wir einen tiefen Aufschluß bekommen, warum uns Christus seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken giebt.

Aus dieser Vereinigung entsteht nun eine wahre Gemeinschaft zwischen Christo und den Gläubigen, da sie Theil haben an Allem, was Christi ist, an seinen Kräften, Gaben, Leiden und seiner Herrlichkeit; er ist ihre Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, 1 Cor. 1, 30, und sie können mit David sagen: Herzlich lieb habe ich dich, Herr, meine Stärke, Herr, mein Fels, meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils, und mein Schutz, Pf. 18, 2. 3. Christus nimmt aber auch Theil an Allem, was den Gläubigen begegnet, es sei gut oder böse. Aus diesem Grunde wird er sich an dem allgemeinen Gerichtstag alle Wohlthaten zuschreiben, die seine Freunde von andern Menschen empfangen, aber auch alle Verachtung, die sie von der bösen Welt haben erdulden müssen; denn er wird sprechen zu denen zu seiner Rechten: Was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan; und zu denen zu seiner Linken: Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht gethan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht gethan, Matth. 25.

2) Ein gläubiger Communicant nimmt bei dem Genuß des heiligen Abendmahls Besitz von allen Heilsgütern, welche Christus erworben hat.

Es ist zwar dieses eine Glückseligkeit, welche auch schon aus der Gemeinschaft mit Christo fließt, von welcher erst geredet worden; sie muß aber doch besonders angemerkt werden. Denn Christus deutet gar eigentlich darauf in den Worten der Einsetzung, da er sagt: Wir sollen essen seinen Leib, der für uns gegeben worden, und trinken sein Blut, das für uns vergossen worden, zur Vergebung der Sünden. Was diese beigefügte Beschreibung des Leibes und Blutes Christi für einen Nachdruck habe, das ist schon oben angezeigt worden, welches nicht nöthig hier zu wiederholen; ich merke nur an, daß daher, weil die Gläubigen bei der Gnadentafel des Herrn Jesu allemal von neuem seines ganzen Versöhnopfers theilhaftig werden, verschiedene besondere Gnadenwirkungen bei ihnen entstehen. Die Vergebung ihrer Sünden wird dadurch bestätigt, der Glaube gestärkt, die Gewißheit ihres Gnadenstandes befestigt, der Friede des Gewissens, die Ruhe der Seele und die Freude des Heiligen Geistes befördert, der Trost in allen Anfechtungen und Widerwärtigkeiten dieses Lebens vermehrt, die Ueberwindung aller geistlichen Feinde erleichtert, und die Treue in dem Bleiben bei Jesu bis zum Tode unterstützt. Denn dieses sind lauter Früchte, welche aus der erneuerten und völligen Zueignung der ewigen Versöhnung Christi im heiligen Abendmahl entstehen.

3) Ein gläubiger Communicant wird im Wachsthum des geistlichen Lebens gestärkt, so oft er zum heiligen Abendmahl geht.

Diese Wirkung fließt zwar von selbst aus den beiden vorhergehenden Hauptwirkungen; Christus redet aber doch insonderheit von derselben, da er sagt Joh. 6, 48: Ich bin das Brod des Lebens; V. 53: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschensohns, und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch; V. 57: Wie mich gesandt hat der lebendige Vater, und ich lebe um des Vaters willen: also, wer mich isset, derselbige wird auch leben um meinet willen. Aus welchen Worten deutlich erhellt, daß das geistliche Leben, welches in den Gläubigen herrschet, in ihnen vermehrt werden müsse, so oft sie Christi Leib essen und sein Blut trinken, welches auch die Erfahrung sonderlich bei denen gar merklich bestätigt, die sich öfters auf eine recht evangelische Weise bei der Gnadentafel ihres Heilandes einfinden. Daher kommt es auch, daß sich manche Gläubige, wenn sie zum Sacrament gehen, von dem Herrn Jesu dieses oder jenes, worin sie nämlich den Wachsthum des geistlichen Lebens vor andern Stücken nöthig haben, besonders ausbitten, als, daß er sie durch den Genuß seines Leibes und Blutes insonderheit stärken wolle in der Demuth, oder in der Sanftmuth, oder in der Barmherzigkeit, oder in der Andacht des Gebets, oder in der Lust zu seinem Wort, oder in der völligen Ablegung des irdischen Sinnes und Anziehung des himmlischen Sinnes, oder in anderen Kräften, die ihnen zu der Zeit vornehmlich nöthig sind. Und o wie munter werden sie, wenn sie erlangen, was sie bitten, und oft so bald nach dem heiligen Abendmahl den Mangel ersetzt sehen, der sie vorher drückte! Wobei aber wohl zu merken, daß der geistliche Wachsthum durch das heilige Abendmahl nicht jederzeit so deutlich empfunden, und doch im Verborgenen befördert wird. Wenn man es augenscheinlich merkt, so ist's eine große Gnade, und giebt reichen Trost; es ist aber keine Regel oder Kennzeichen, woran man prüfen kann, ob man würdig oder unwürdig zum heiligen Abendmahl gegangen sei.

4) Ein gläubiger Communicant wird durch den evangelischen Gebrauch des heiligen Abendmahls immer neutestamentlicher.

Das ist: sein Christenthum wird je länger je mehr so beschaffen, daß es sich zum neuen Testament oder Bunde schickt. Das Christenthum oder- der Glaube an Christum im alten Testament war bei den Meisten mit Dunkelheit, Furcht und einer gewissen Art von Knechtschaft umhüllet, ob man schon hier und da solche Glaubenshelden, sonderlich unter den Patriarchen und Propheten gefunden, deren Glaube ein sehr klares Licht und große Kraft gehabt. In dem neuen Testament ist die Gnade über die Gläubigen viel reicher ausgegossen, die alte Dunkelheit ist gewichen, die Knechtschaft weggenommen, und dagegen Licht, Klarheit, wahre Freiheit und kindliches Wesen hervorgetreten. Gleichwohl haben nicht alle wahren Christen im neuen Bunde diesen Grad des neutestamentlichen Wesens erreicht; daher hat Christus unter andern zu dem Ende das heilige Abendmahl verordnet, daß wir nach und nach zu dieser Stufe immer besser hinansteigen sollen. Er giebt solches nicht nur damit zu erkennen, daß er uns auf eine solche Weise seinen Leib zu essen und sein Blut zu trinken giebt, dergleichen im alten Bunde niemals geschehen; sondern er lehrt es auch dadurch, daß er sein Blut ausdrücklich nennt das Blut des neuen Testaments, oder des neuen Bundes. Denn mit diesen Worten zeigt er nicht nur an, daß ein gläubiger Communicant bei dem Tisch des Herrn allemal seinen Bund erneuern soll; sondern es liegt auch noch ein höherer Nachdruck in denselben. Ihr werdet, will er sprechen, mit demjenigen Blut getränket, welches den neuen Bund und die neue Gnaden-Oeconomie ausrichtet, einweihet, bestätigt und versiegelt. Dieses Blut soll demnach ein neutestamentliches Herz geben, und einen solchen Glauben und Wandel in euch wirken, welcher dem neuen Bunde gemäß ist, damit ihr verklärt werdet von einer Klarheit zu der andern, und dem Herrn dienet ohne Furcht euer Leben lang, in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist. Siehe 2 Corinth. 3, 18. Cap. 4, 6. Luc. 1, 74. 75. Wenn demnach ein gläubiger Communicant einen rechten Begriff hat von der rein evangelischen Natur des heiligen Abendmahls, und sich dabei angewöhnt, dasselbe je länger je evangelischer zu genießen: so wird er inne werden, daß er in der Erkenntniß Jesu Christi, in seinem Glauben und ganzen Wandel, je länger je neutestamentlicher wird. Das göttliche Licht wird heller in seiner Seele; Ueberzeugung, Einsicht in das Erlösungswerk, und geistliche Erfahrung in den Wegen Gottes, werden stärker, lebhafter, richtiger und größer; die knechtische Furcht weicht, das kindliche Vertrauen wächst, der heilige Wandel wird klug, weislich, frei und ungezwungen, und ein gesetztes, kindliches, herzliches und himmlisches Wesen durchdringt die Seele je mehr und mehr.

5) Ein gläubiger Communicant wird durch den Genuß des heiligen Abendmahls unsterblich.

Es kann daher das heilige Abendmahl mit allem Recht ein Mahl der Unsterblichkeit genannt werden. Wir haben hierbei auf den ganzen Menschen, folglich sowohl auf seinen Leib als auf seine Seele zu sehen, und diese beiden wesentlichen Theile werden vereinigt und unsterblich gemacht durch den Genuß dieses hohen Sacraments. Wir können dieses abermal aus der Rede Christi Joh. 6 schließen; denn er sagt Vers 54. 55: Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken; denn mein Fleisch ist die rechte Speise, und mein Blut ist der rechte Trank. Weil er nämlich die lebendige Quelle ist, Ps. 36, oder wie es eigentlich heißt, die Quelle der Leben, das ist, alles dessen, was man ein wahres Leben nennen kann: so ist sein Fleisch eine solche Speise, und sein Blut ein solcher Trank, wodurch das rechte Lebensprincip oder der Grund des wahren, ewigen Lebens in uns gepflanzt wird; daher kann weder Leib noch Seele mehr sterben. Denn was die Seele anlangt, welche neben der natürlichen Unsterblichkeit durch den Leib und das Blut Christi auch das übernatürliche, geistliche und göttliche Leben empfängt: so lebt dieselbe nicht nur natürlicher Weise, sondern auch geistlicher Weise immer fort ohne einige Veränderung, die einem Tode ähnlich wäre, und das ewige Leben fängt bei ihr nicht erst an, wenn sie von dem Leibe Abschied nimmt; sondern es ist nur eine Fortsetzung und größere Verherrlichung desjenigen wahren Lebens, das sie hier in der Gnadenzeit von Christo schon wirklich empfangen, und welches durch den Genuß seines Leibes und Blutes so oft in ihr erneuert, gestärkt und bis zu ihrem Uebergang aus der Zeit-in die Ewigkeit unterhalten worden. Was aber den Leib betrifft, so entsteht zwar in Ansehung desselben bei diesem Uebergang eine solche Veränderung, die man sonst den Tod nennt, weil sie noch ein Bild und Aehnlichkeit des Todes ist; daß aber diese Veränderung bei den Gläubigen kein eigentlicher Tod zu nennen, das können wir aus den Worten Christi Joh. 11, 25. 26. deutlich schließen, da er spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubet, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubet an mich, der wird nimmermehr sterben. Wenn also ein gläubiger Christ stirbt, so heißt es auch von ihm, wie Christus von Lazaro sagt Joh. 11, 11: Unser Freund schläft; oder wie er sagt von der Tochter des Obersten Matth. 9, 24: Sie ist nicht todt, sondern sie schläft. Ein solcher Leib wird nur als ein Waizenkorn in die Erde geworfen, damit er das Verwesliche, Nichtige und Sterbliche ablegen, und am Tage der Auferstehung desto herrlicher hervorgehen möge, Joh. 12, 24. 1 Cor. 15, 37. 42 u. f. Daß aber diese Auferstehung bei den Gläubigen eine Frucht sei von dem Genuß des Leibes und Blutes Christi, das bezeugt er klar in den schon angeführten Worten Joh. 6, 45: Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am jüngsten Tage auferwecken. Denn weil nicht nur die Seele, sondern auch der Leib mit Christo vereinigt worden, weil nicht nur die Seele, sondern auch der Leib sein Tempel und Wohnung hier in der Gnadenzeit gewesen, folglich auch der Leib die Kraft seines geistlichen, göttlichen, ewigwährenden Lebens empfangen hat: so entsteht daraus eine hohe Nothwendigkeit, daß ihm auch das natürliche Leben in der Auferstehung muß wiedergegeben und zur Herrlichkeit des ewigen Lebens erhöht und verklärt werden.

6) Ein gläubiger Communicant wird durch den Genuß des heiligen Abendmahls immer von neuem mit allen gläubigen Kindern Gottes verbunden.

Es kann also dieses Sacrament eine Communion oder ein Mahl der Gemeinschaft genannt werden, nicht nur deßwegen, weil das gesegnete Brod eine Gemeinschaft des Leibes Christi, und der gesegnete Kelch eine Gemeinschaft des Blutes Christi ist, 1 Corinth. 10, 16; auch nicht nur deßwegen, weil wir durch dasselbe in die genaueste Vereinigung und Gemeinschaft mit Christo treten, Joh. 6, 5b; sondern auch deßwegen, weil dadurch die Gemeinschaft zwischen den Gläubigen gegründet, gestärkt und unterhalten wird. Paulus schreibt hiervon 1 Corinth. 10, 17: Ein Brod ist's, so sind wir Viele Ein Leib, dieweil wir Alle Eines Brods theilhaftig sind. Ein hoher, ewiger Grund, worauf die Gemeinschaft der Gläubigen ruhet! Sie sind Eines Brods, nämlich des Leibes Christi, der das Brod des Lebens ist, Joh. 6, 32. 33. 35. 41. 48. 50. 51. 58., theilhaftig, darum sind sie Ein Leib, und eine jede gläubige Seele kann sich ein Glied von diesem Leibe nennen, und der Liebe, Freundschaft, Treue und Gemeinschaft der übrigen Glieder erfreuen. Was sich also unter Gläubigen auf Erden und im Himmel an Leiden und Herrlichkeit, an Gebet und Danksagung, an Kampf und Sieg, an Glauben, Liebe, Hoffnung, und überhaupt an allen Gnadengaben und Kräften findet, das gehört ihnen Allen, und doch auch einem Jeden zu.

Erwägt man nun alle diese herrlichen Wirkungen und Seligkeiten, die aus dem gläubigen Genuß des heiligen Abendmahls entstehen: so muß man nothwendig einen hohen Begriff von diesem himmlischen Mahl bekommen; aber man wird auch von Neuem dadurch überzeugt, daß dieses Mahl in seiner innigsten Natur recht gnadenreich und rein evangelisch sei.

4) Die evangelische Natur des heiligen Abendmahls erfordert auch evangelische Communicanten.

Die evangelischen Gnadenwohlthaten sind so beschaffen, daß sie sich ihrer Natur nach Niemand anders mittheilen können, als wer sich dazu durch den Geist Gottes hat fähig machen lassen. Das Gesetz hält diesen Unterschied nicht bei den Menschen: es kann bei dem gröbsten Sünder ankommen, und ihm den Fluch ankündigen, er mag es gern haben oder nicht; ob es gleich auch bei denen tiefer eindringt, die ihm Gehör geben. Das Evangelium aber erfordert Menschen, die es gern haben, die froh damit sind, darnach hungern und verlangen, und die Gnade freiwillig annehmen, welche es anbietet.

Weil nun aber das heilige Abendmahl eine so hohe evangelische Gnadenwohlthat ist: so muß nothwendig bei dem Menschen etwas vorhergehen, der es empfangen will. Sein Herz muß so beschaffen sein, daß es nicht wider die Natur dieser Wohlthat streitet, sondern derselben fähig ist. Ist nun der Mensch dazu fähig, so kann man ihn mit Recht evangelisch nennen, das ist, einen solchen, in welchem das Evangelium arbeitet, und ihn so findet, daß es ihm die göttlichen Gnadenwohlthaten mittheilen kann.

Es sind aber diese evangelischen Menschen nicht von gleicher Stärke, und haben nicht alle einen hohen Grad des evangelischen Wesens erreicht.

Manche sind so stark, daß die evangelische Gnade die völlige Herrschaft in ihnen führt, und diese haben einen überschwenglichen Nutzen von dem heiligen Abendmahl, weil sich dessen evangelische Kräfte in großem Maaß ihnen mittheilen können. Diese Communicanten sind es auch vornehmlich, welche durch den Genuß des heiligen Abendmahls so recht neutestamentlich werden, wovon oben bei den Wirkungen dieses Sacraments ist geredet worden.

Andere Communicanten sind nicht so stark in der evangelischen Gnade: sie sind aber doch arm im Geist, tragen Leid über ihre Sünden, und haben einen Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit Jesu Christi, die im Evangelio angeboten wird, und eben deßwegen sind sie einer höhern evangelischen Gnade nicht nur bedürftig, sondern auch fähig, und haben daher auch das Recht, ja es ist ihnen nothwendig, daß sie das heilige Abendmahl öfters genießen. Weil sie aber noch nicht so völlig in der evangelischen Kraft stehen: so erfahren sie auch die evangelischen Wirkungen des Sacraments ordentlicher Weise nicht in dem großen Maaß, wie die andern; ob man gleich auch wahrnimmt, daß sie manchmal bei dem Genuß des Leibes und Blutes Christi außerordentlicher Weise mit großer Kraft, ja gar mit einem Vorschmack des ewigen Lebens begnadigt werden.

Diesem evangelischen Zustande der Communicanten steht zweierlei entgegen, nämlich die Herrschaft der Sünden in der fleischlichen Sicherheit, und die Herrschaft der knechtischen Furcht. Und daher folgt:

1) daß diejenigen zum heiligen Abendmahl nicht tüchtig sind, welche die Sünden noch im Stande der Sicherheit über sich herrschen lassen.

Denn wo die Sünde herrscht, da kann die Gnade nicht herrschen, sondern sie muß sich, ihrer Natur nach, von dem Menschen zurück ziehen, so lang er in dem Sündendienst bleibt. Zieht sich aber die Gnade überhaupt von ihm zurück: wie kann er denn derselben theilhaftig werden im heiligen Abendmahl?

2) sind auch diejenigen nicht tüchtig, welche die knechtische Furcht über sich herrschen lassen.

Ich rede nicht von denen, die noch manche Anfälle von der knechtischen Furcht empfinden, aber dagegen streiten, und sie durch die Gnade Gottes zu überwinden suchen. Denn daß diese das Recht haben, bei der Gnadentafel Jesu Christi zu erscheinen, das wird unten im dritten Capitel weiter bewiesen werden; sondern ich rede von. denen, bei welchen die knechtische Furcht die völlige Herrschaft führt, die sich folglich dem völligen Zweifel, dem Mißtrauen gegen Gott, Verzagen und Unglauben hingeben, und es für eine ausgemachte Sache halten, daß sie keinen Antheil an der Gnade Gottes zu hoffen hätten. Daß diese Menschen zum heiligen Abendmahl ganz untüchtig und unfähig sind, das kann man gar leicht erkennen, wenn man die Natur dieses Sacraments und die Natur ihres Zustandes gegen einander hält. Denn das heilige Abendmahl ist rein evangelisch, und theilt lauter Gnade mit; diese Menschen aber gehen mit lauter Zweifeln um und wollen die Gnade nicht annehmen.

Ueberhaupt ist hierbei noch zu merken, daß alle gesetzlichen Aengstlichkeiten auch bei denen, die sonst das Recht haben, zum Tisch des Herrn zu gehen, ein großes Hinderniß sind, daß das heilige Abendmahl nicht so in ihnen wirken kann, wie es seine evangelische Natur mit sich bringt. Daher gläubige Communicanten mit Ernst darauf bedacht sein sollen, daß sie von solchem ängstlichen Wesen befreit werden.

Von diesen und andern Gattungen der Communicanten wird unten im dritten Capitel weiter geredet werden, und hier habe ich nur so viel zum Voraus von ihnen sagen wollen, damit man sehen möge, wie die Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit der Communicanten nach der evangelischen Natur des heiligen Sacraments zu beurtheilen sei.

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