Fliedner, Theodor - Wie es zur Gründung der ersten Diakonissenanstalt kam

Fliedner, Theodor - Wie es zur Gründung der ersten Diakonissenanstalt kam

Die armen Kranken lagen uns längst auf dem Herzen. Wie oft hatte ich sie verlassen gesehen, leiblich schlecht versorgt, geistlich ganz vergessen, in ihren oft ungesunden Kammern dahin welkend wie die Blätter des Herbstes! Und wo Hospitäler waren, da fand ich die Portale bisweilen von Marmor glänzend, aber die leibliche Pflege war schlecht. Die Ärzte klagten bitterlich über Trunkenheit und andere Unsittlichkeiten bei dem Wartepersonal. Und was soll ich von der geistlichen Pflege sagen? Hospitalprediger kannte man an vielen Krankenhäusern gar nicht mehr, Hospitalkapellen noch weniger. In der frommen alten Zeit waren diese regelmäßig mit derartigen Anstalten verbunden, besonders in den Niederlanden, wo die evangelischen Krankenhäuser den schönen Namen Gotteshäuser (Godshuizen) trugen. Diese geistliche Fürsorge hatte fast ganz aufgehört. Schrien solche Übelstände nicht zum Himmel? Und sollten unsere evangelischen Christinnen nicht zu christlicher Krankenpflege fähig und willig sein? Hatten doch in den Freiheitskriegen 1813-15 so manche dieser Christinnen in den Militärlazaretten ihrer Städte Wunder von Liebe und Aufopferung bewiesen? Hatte die apostolische Kirche diese Kräfte schon zur Pflege der leidenden Glieder der Gemeinden benutzt und amtlich bestellt in den Diakonissen, und hatte die Kirche viele Jahrhunderte diese Diakonissen angestellt, sollten wir noch länger säumen in Wiederbestellung dieser gesegneten Mägde des Herrn zu seinem Dienste?

Diese Betrachtungen ließen mir keine Ruhe. Auch meine Gattin war gleichen Sinnes und noch größeren Mutes.

Wir sahen uns in der Stille nach einem Hause zum Hospital um. Da wurde auf einmal das schönste und größte Haus in Kaiserswerth käuflich. Es sollte freilich 2300 Taler kosten, und wir hatten kein Geld. Ich kaufte es getrost am 20. April 1836. Zu Martine sollte das Geld bezahlt werden. Wir horchten hierher und dahin, woher es etwa zu bekommen sei. Aber da war nirgends Stimme noch Antwort. Endlich versprach eine christliche Freundin zu Düsseldorf, Sophie Wiering, 1800 Taler zu leihen. Auch der teure Graf Anton zu Stolberg sagte seine Verwendung bei Freunden zu. In seinem Hause zu Düsseldorf wurden am 30. Mai 1836 die von mir verfaßten Statuten eines Rheinisch-Westfälischen Diakonissenvereins durchgesehen und unterzeichnet.

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