Carnotensis, Arnoldus - Auf Judica.

Carnotensis, Arnoldus - Auf Judica.

Sieben Worte.

"Mich dürstet!"

Wiederum steht zugleich ein tiefes Leidensgeheimniß und ein göttliches Heilsgeheimniß vor unseren Augen. Vom Kreuze herab hatten der Schächer und die Mutter ihre Antwort erhalten; und zur Befestigung unserer Hoffnung und unserer Kindesliebe zum Vorbilde war dem Schächer das Reich zugesprochen, die Mutter noch am Leben behalten worden, um ihre geheimen Erlebnisse mitzutheilen. Nachdem Christus das Alles mit frommer Sorgfalt geordnet hatte, dürstet er in seinen Martern. Seine heilige Brust war erschöpft vom blutigen Schweiße; das Holz, an dem er hing, lastete schwer auf seinen geheiligten Schultern; und so gut als die Traurigkeit nach ihrer gewöhnlichen Wirkung die Einen in Schlaf zu versenken vermag, vermochte sie ihn mit brennendem Durfte zu erfüllen. Es ist möglich, daß es sich also verhielt. Ich aber lege diesem Durste, in dem sich nicht sowohl das Verlangen nach einem Trunke, als nach dem Heile der Menschen ausspricht, eine heilwirkende Kraft bei. Es konnte doch wohl keine Wohlthat erwartet werden von Seiten der Spötter und Mörder, die in ihrer Gottlosigkeit Alle viel geneigter waren noch mehr Unbilden auf ihn zu häufen, als Erbarmen und Mitleiden mit ihm zu empfinden. Sie gedachten es noch weiter zu treiben; die Geißelhiebe, das Verspeien, die Faustschläge hatten ihr Müthlein nicht zu kühlen vermocht. Das Alles macht nicht wahrscheinlich, daß das eine Wort: Mich dürstet! die Herzen derer zur Umkehr bringen konnte, denen es noch zu wenig war, daß er am Kreuze hing, deren Bosheit selbst in seinem Tode noch kein Genüge zu finden schien. Christus hingegen, gegen den die Menge anstürmt, „als gegen eine hangende Wand und zerrissene Mauer“, läuft seinen Weg und dürstet. Er dürstet nach ihrer Bekehrung; er läuft seinen Weg, ihnen Vergebung zu erwirken; er bezahlt, was er nicht geraubt hat. Mögen sie auch daran denken, jenes hohe Lösegeld zurückzuweisen, nachdem er einmal in heißem Kampfe der alten Schlange den Todesstoß versetzt, eilt er bereits in seinen Feinden sich ein Bad der Erquickung zu bereiten. Er stirbt für die Gott losen, er nimmt seine Widersacher zu Gnaden an, er bietet den Undankbaren den Segen einer unermeßlichen Wohlthat. Christus dürstete darnach, daß dies rohe Geschlecht sanfter, dies Volk von hartem Nacken weicher werden sollte. Sie sollten den heilsamen Kelch der Buße bis zur Neige leeren, und den gallenbittern Hefensatz der Sünde aus ihrem Munde ausspeien, aber seine dahin gehenden Reden hielten sie für vollständig unvernünftig, und die Einladung sein Fleisch zu essen für ganz unsinnig. Sie schauderten zurück vor dem Trinken eines Blutes, und erachteten es für einen Frevel und eine Gottlosigkeit, die ungewohnte Speise seines Fleisches auf ihren Tisch zu bringen. Es däuchte ihnen das eine harte Rede, weil sie in fleischlichen Sinn versunken, Geist und Leben seiner wahrheitstiefen Worte zurück wiesen. Sie hielten eine Reden für kindisch und närrisch, seine herrlichen Geheimnisse für verächtlich, die Anhänger seiner Lehren für albern und wahnsinnig. Aber Christus gibt ihnen ein Beispiel seiner Geduld, er zürnt nicht und rächt sich nicht, sondern duldet und hofft, und bemüht sich, die Blindheit des Volkes zu erleuchten, die Tyrannei und zügellose Herrschaft ihrer verhärteten, im Unglauben fast erstickenden Herzen zu zerbrechen, um so endlich der Wahrheit Anerkennung zu verschaffen, und die Gottlosigkeit von dem Irrthume ihres Weges zu bekehren. Daher schlägt er gegen die verschlossenen Thüren und verstopften Ohren, und donnert an die ungläubigen Herzen. Sein am Kreuze ausgespannter Leib ist der Psalter von zehn Saiten, von dem der Einklang des Alten und Neuen Testamentes ertönt; und gleich wie man Schlangen bezaubert, so bändigt er durch nie gehörte Harmonie die erregte Menge, macht aus Spöttern Lobsingende, aus Gottlosen Lobpreisende. Im Hinblick auf den heiligen Zweck erscheint die Gestalt Christi ganz umgewandelt vor Abimelech, d. h. vor den Juden, die nach den Verheißungen, den Vätern geschehen, zum Reiche des Gesalbten Gottes zu gehören glaubten. Hier ist Alchis, d. h. „der Unwissende“, ich meine das jüdische Volk, das zum Theil keinen Glauben und keine Erkenntniß hat. Zwar reicht er seinen Jüngern, ja der ganzen Kirche mit eigenen Händen das heilige Mahl, indem er sich selbst zum Opfer darbringt, also daß, wer es würdig empfängt, das Leben hat. Aber nur den Einen ist dies hohe Geheimniß ein Geruch des Lebens zum Leben, den Andern ist es ein Geruch des Todes zum Tode, und nicht mit Unrecht verfällt der Verdammniß, wer es verachtet. Alchis treibt den David von sich, die Juden verwerfen das Wort und erachten sich für unwerth des ewigen Lebens, darum wendet sich Christus mit seiner Lehre zu den Heiden. Abimelech und Achis sind nicht Namen für ein und dieselbe Person, aber weil sie ein und dasselbe Geheimniß in sich schließen, werden sie nicht unpassend nach verschiedenen Seiten hin auf ein und dieselbe Person angewendet. Einerseits hat Alchis, d. h. Unwissenheit und Irrthum in diesem Volke noch seine Stätte. Die sich für Kinder des Reichs halten, verachten die Erweisungen der Liebe Christi und die laute Predigt des Kreuzes, die treiben David zum Weggange, denn sie sagen zu Christo: „Weiche von uns, wir wollen von deinen Wegen nicht wissen.“ Noch schmähen die Juden Christum und spotten über den wahren Elisa, als wäre er ein Kahlkopf. Dennoch gibt er seine Spötter nicht den Bären, den bösen Geistern preis, sondern in viel Geduld wartet er auf ihre Buße; er verschiebt, aber verübt nicht die wohlverdiente Rache. Ihr verkehrter und von ihm abgekehrter fleischlicher Sinn hingegen, der das Geheimniß dieses Durstes nicht zu begreifen vermag, bietet seinem heiligen Munde mit dem Rohr Essig dar, und will der Quelle der Barmherzigkeit Gift einträufeln. Christus berührt den Kelch nicht, den die Juden ihm reichen, es schmeckt ihm der Essig nicht aus dem Gefilde von Gomorra, aus dem Weinberge von Sodom. Jener Quell lebendigen Wassers, dessen Strom in das ewige Leben fließt, ist nicht vertrocknet, er wollte den Zufluß nicht haben, den jene ihm zuleiteten. Vielmehr dürstet jener wasserreiche Quell darnach, daß du reichlich aus ihm schöpfen und seine Süßigkeit in dich einfließen lassen möchtest, daß er mit seinen reinen Wellen dich erfrischen und die glühenden Kohlen der bösen Luft in dir auslöschen dürfte. Er dürstet darnach, daß in dir die Liebe grünen bliebe, daß du gleich der Palme dein Haupt in Hoffnung hoch emporheben und gleich der Ceder des Libanon unverweslich leben möchtest. Jener Durst wendet sich ab von denen, die ihm Gift einschenken, er schaudert und weicht zurück vor denen, die ihn mit Bitterkeit tränken wollen. Durch keine Gluth der Leiden versiegt diese Quelle, keine Martern erschöpfen diese Liebe. Auch wenn du ihn verwundest und spottest, auch wenn du Galle darreichst, wandelt sich die Süßigkeit nicht in Bitterkeit, schreit die Liebe nicht nach Rache. Blut und Wasser strömen aus der verwundeten Seite: das Wasser zur Reinigung. Aller, das Blut zur Ermuthigung der Märtyrer. Dieser Liebe Christi, die da hungert und dürstet nach unserer Gerechtigkeit, gibt ein gutes Zeugniß die himmlische Dreieinigkeit, der Sohn selbst, der da gerecht, der Geist, der da heilig, der Vater, der da herrlich macht. Denn unsere Gerechtigkeit und Heiligkeit und Herrlichkeit kommt von oben herab, und das Zeugniß Gottes, das größer ist, als der Menschen Zeugniß, preist uns diese eine Gnadengaben an und gibt sie in uns hinein und befestigt sie in uns. Dennoch werden auf Erden diese unsichtbaren innerlichen Wirkungen von außen her durch sichtbare und leibliche Sakramente zu Stand und Wesen gebracht. Der christliche Glaube erhält ein Zeugniß durch Geist und Wasser und Blut; diese drei aber sind eins und bleiben eins, und ihre innige Verbindung unter einander wird durch keine Trennung zerstört. Das Leben und Wachsthum der Kirche ruht auf dem Glauben, daß die Menschheit nicht mehr ohne die wahre Gottheit und die Gottheit nicht mehr ohne die wahre Menschheit sein kann. Das Zeugniß, das vom Himmel herunter die Dreieinigkeit sich selbst ausstellt, würde für die Erkenntniß der Wahrheit nicht ausreichen, wenn nicht auch noch durch gewisse äußerliche Zeichen und handgreifliche Beweise die Wahrheit dessen, was wir glauben, uns kund gethan würde. Darum sind uns die drei gegeben, der Geist der Heiligung, das Blut der Erlösung, das Wasser der Reinigung.

Das Blut erlöst nur die, welche die Gnade beruft und reinigt; nur die Gereinigten und der Sünde. Abgestorbenen heiligt der Geist. Zwischen Erlösung und Reinigung und Heiligung besteht eine enge Verbindung. Die eine kann nicht ohne die andere bestehen und ihre Wirkungen haben ein und dasselbe Ziel, nicht ein mehrfaches. Der Heilige Geist schwebt über den Glaubensgeheimnissen, er lebt in den Sakramenten, deren Wirkungsweise das Wasser andeutet, das, weil es reinigt, auf entsprechende innerliche Vorgänge hinweist, und dem das Blut Christi und der Geist Gottes die Kraft verleiht.

Im Wasser werden wir gereinigt, im Blute werden wir neue Menschen. Es ist wunderbar zu sagen, es ist mit Zittern auszusprechen: Als aus seiner heiligen Seite die lebendigen Wasser hervorbrachen und aus dem reichen Quell die mächtigen Ströme hervorflossen, hat Christus über Durst geklagt; und derselbige, der also die Welt erquickte und befruchtete, hat von Dürre geredet. Fürwahr jener Durst bezeugt in stärkster Weise, daß es damals Wenige gab, die da glaubten; haben doch zu jener Stunde selbst die Apostel in der Verborgenheit und im Zweifel gesessen.

Blut und Wasser war noch nicht bis auf den Grund der Jüngerherzen hinabgedrungen, noch waren die nicht trunken von der Fülle des Geistes, deren Seelen Furcht und Zweifel ausgedörrt hatte. Christus dürstet nach dir, o Petrus! Bekehre dich und bekenne frei öffentlich: „Man muß Gott mehr gehorchen, als den Menschen.“ Bekehre dich, stehe fest im Glauben, und so dein Bruder etwa von einem Fehler übereilet würde, „so hilf ihm wieder zurecht mit sanftmüthigem Geiste, der du geistlich bist.“ Auch du bist dereinst versucht worden und das Wort einer einzigen Magd hat dich von deinem festen Vorsatze abwendig gemacht. Aber das Blut deines Meisters hat deine Schuld bedeckt, du bleibst bei ihm in Gnaden, du wirst deines Apostelamtes nicht enthoben, es verbleibt dir deine Würde. Stehe auf und trinke aus dem Quell des Erbarmens; wenn du dich dermaleinst bekehrt, so stärke deine Brüder; mit denselben Maße, damit du gemessen worden bist, miß auch sie; bedenke allewege: Wer sich läßt dünken, er stehe, mag wohl zusehen, daß er nicht falle, und wer gefallen ist, daß er wiederum aufstehe.

Die Liebe Christi dürstet auch nach euch, ihr brudermörderischen Juden. Aendert euren Sinn, nehmt eure Rede zurück. Ihr habt gesagt: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ Recht verstanden ist das ein treffliches Wort. Ja, ein Blut komme über euch, laßt euch mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod. Ringet nach Rettung, nicht nach Verdammniß; trinket auch ihr mit uns aus dem Kelche seines Leidens. Es ist ein Kelch, nicht voller Schrecken, sondern voller Liebe. Zeichnet mit diesem Blute eure Stirnen, wie einst die Thürpfosten, und der Engel, der neben dir würgt, wird deine Erstgeburt nicht anrühren, sondern Aegyptenland schlagen und dich unversehrt entrinnen lassen. Amen.

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