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Calvin, Jean - Psalm 33.

Calvin, Jean - Psalm 33.

Inhaltsangabe: David oder wer sonst der Dichter dieses Psalms ist, fordert die Gläubigen auf, Gott zu loben, indem er sie auf seine allgemeine Vorsehung hinweist, durch die er die ganze Welt erhält, schützt und regiert. Darauf preist er seine väterliche Sorge für sein auserwähltes Volk und zugleich zeigt er, wie nötig es ist, dass die Frommen überdies noch besonders von ihm beschützt werden.

V. 1. Freut euch des Herrn, ihr Gerechten. Der Dichter wendet sich besonders an die Gläubigen oder die Gerechten, weil sie allein imstande sind, Gottes Lob nach Gebühr zu preisen. Denn die Gottlosen können, da sie seine Güte nicht geschmeckt haben, ihn nicht von Herzen loben, und Gott will auch nicht, dass sie seinen Namen auf ihre unreinen Lippen nehmen. Wenn wir den Psalm im Zusammenhang betrachten, werden wir noch besser erkennen, weshalb diese Aufforderung allein für die Gläubigen passt. Manche Ausleger betonen geradezu: nur die Frommen sollen oder dürfen Gott preisen. Denn wenn die Gottlosen und Heuchler sich anschicken würden, es gleichfalls zu tun, so würde dies für Gott mehr ein Schimpf und eine Schande als ein Lob sein, da sie ja nur seinen heiligen Namen entweihen würden. Richtig ist daran, was wir auch schon öfters betonten, dass Gott nach vorbedachtem Plan durch freie Gnade in dieser Welt sich eine Gemeinde seiner Kinder schuf, weil er seinen Namen in rechter Weise von berufenen Zeugen gepriesen wissen wollte. Trotz alledem ergibt sich der zutreffende Sinn unseres Satzes erst, wenn man nicht die Frommen im Gegensatz zu anderen Leuten betont, sondern vielmehr, dass sie nichts eifriger tun sollen als den Herrn preisen. Gibt ihnen doch Gott durch immer neue Wohltaten reichlichen Grund, seinen Ruhm zu erheben; ja, wir hörten (zu Ps. 31, 20), dass seine Güte als besonderer Schatz für sie verwahrt wird. Wie hässlich und unbegreiflich wäre es also, wollten sie von Gottes Lob schweigen! Wenn der Herr die Gläubigen so freundlich zu sich lockt, so muss es die ganze Sehnsucht ihrer Seele sein, ihn zu loben und zu preisen. Dass dieselben Leute zuerst „die Gerechten“, dann „die Frommen“, buchstäblich „die Richtigen“ genannt werden, gibt einen Fingerzeig dafür, was wahre Gerechtigkeit ist, nämlich innere Herzensreinheit.

V. 2. Dankt dem Herrn mit Harfen usw. Ohne Zweifel will dieser Vers beschreiben, mit welch inbrünstigem und lebendigem Triebe man den Herrn loben soll: zu diesem Zweck soll man allerlei Musikinstrumente brauchen; denn die Gläubigen sollen nichts unterlassen, was menschliche Sinne und Gemüter zum Lobgesang begeistern kann. Wird auch Gottes Name im eigentlichen Sinne nur mit verständlicher Stimme gelobt, so fügt der Dichter jene Hilfsmittel, mit welchen die Gläubigen ihrem Gesang einen höheren Schwung zu geben pflegen, doch nicht vergeblich hinzu, zumal er zum Volk des alten Bundes redet. Denn freilich ist der Unterschied vom neuen Bunde wohl im Auge zu behalten, damit wir nicht alles, was einst den Juden befohlen war, ohne Weiteres auf uns beziehen. Für mich steht es fest, dass das Schlagen der Harfen, das Spielen auf dem Psalter von zehn Saiten und die ganze Art der Musik, von der öfters in den Psalmen die Rede ist, ein Teil der gesetzlichen Erziehung war und zum feierlichen Tempelkult gehörte. Und wenn heute gläubige Christen sich an Musikinstrumenten ergötzen, so müssen sie sich dabei vorsetzen, ihre eigene Freude und das Lob Gottes in das rechte unlösliche Verhältnis zu bringen. Indessen glaube ich, dass in den heiligen Versammlungen der Gemeinde musikalische Instrumente mit dem Lobe Gottes kaum besser zusammenstimmen, als wenn man Weihrauch, Lichter und anderes gesetzliche Schattenwerk wieder in Gebrauch nehmen wollte. Es ist papistische Torheit, die dergleichen Dinge von den Juden entlehnt hat. Menschen, die auf den äußeren Glanz sehen, haben allerdings ihre Freude an solchem Lärm. Aber Gott hat mehr Gefallen an der Einfachheit, die er uns durch seine Apostel empfiehlt. Denn Paulus gestattet für die öffentliche Versammlung nur (1. Kor. 14, 16), Gott in einer bekannten Sprache zu loben. Sollte jemand einwenden, dass die Musik sehr geeignet sei, die Andacht zu erregen, so gebe ich dies allerdings zu; aber man muss immer befürchten, dass sich ein Missbrauch einschleiche, dass dadurch der reine Gottesdienst entweiht werde und die Menschen in den Bann des Aberglaubens kommen. Und wenn der heilige Geist uns durch den Mund des Paulus ausdrücklich vor dieser Gefahr warnt, so wäre es nach meiner Ansicht nicht nur ein unbedachter Eifer, sondern eine gottlose Anmaßung, wenn man weiter gehen wollte, als uns der Apostel lehrt.

V. 3. Singet ihm ein neues Lied. Da der Dichter von den großen Taten Gottes und vor allem später von der Bewahrung der Gemeinde redet, so ist es nicht zu verwundern, dass er hierfür ein neues, d. h. ein seltenes und ausgezeichnetes Lied vorschreibt. Denn wenn die Gläubigen Gottes Werke genau und sorgfältig überdenken, so ist es billig, dass sie sich dadurch treiben lassen, Gottes Lob höher zu preisen. Der heilige Sänger schaut also nach einem ganz besonderen Liede aus, das dem herrlichen Gegenstande entsprechen soll. In dieselbe Richtung deutet auch der Satz: macht es gut auf Saitenspiel und Schalle.

V. 4. Des Herrn Wort ist recht und all sein Tun geschieht in Treue. Dieser Satz deutet auf die allumfassende Vorsehung, mit welcher Gott die Welt regiert. Der Sinn ist: Gott übt in allen seinen Werken sein Regiment also aus, dass überall die höchste Billigkeit und Treue leuchtet. Manche Ausleger beziehen Gottes „Wort“ und „Tun“ auf dieselbe Sache. Ich möchte dagegen so unterscheiden, dass das Wort Gottes Rat oder Befehl bedeutet, das Tun jedoch die wirkliche Durchführung. Es geschieht ja in solchen parallelen Satzgliedern öfters, dass das zweite immerhin noch eine kleine Weiterführung des ersten bringt. Also: was Gott beschließt und verordnet, ist recht, was er tut und durchführt, treu und wahrhaftig. Das „Wort“ hat also hier nichts mit der Lehre zu schaffen, sondern beschreibt die Weise der göttlichen Weltregierung.

V. 5. Er liebt Gerechtigkeit und Gericht. Das ist eine Bekräftigung des vorausgehenden Satzes: denn wenn Gott seiner Natur nach Recht und Billigkeit liebt, kann er unmöglich wie ein Mensch sich durch verkehrte Neigungen zu schlechten Plänen verleiten lassen. Derartiges zum Lobe Gottes zu sagen, erscheint freilich auf den ersten Blick selbstverständlich und abgeschmackt: gibt doch jedermann zu, dass Gott sich in seinen Werken an die beste Regel von Recht und Billigkeit hält. Man könnte also fragen, weshalb für eine so gar nicht unerhörte Erkenntnis ein neues Lied angestimmt werden soll? Aber zunächst steht es unwiderruflich fest, dass der größte Teil der Menschen schmählich blind ist für die Gerechtigkeit Gottes; denn teils gehen sie gedankenlos an den zahllosen Zeugnissen seiner Gerechtigkeit vorüber, teils bilden sie sich ein, dass alles durch Zufall geschehe. Hierzu kommt aber noch ein schlimmerer Fehler. Denn wenn Gott unsere Wünsche nicht erfüllt, so lehnen wir uns sofort auf gegen seine Gerechtigkeit. Wenn daher auch alle mit ihrem Munde diesen Grundsatz bekennen, dass Gott alles recht macht, so ist doch unter hundert kaum einer, der daran wirklich in seinem Herzen festhält. Denn sonst müsste, sobald verkündigt wird, dass etwas dem Herrn also gefalle, ein jeder sich gehorsam unter seinen Willen beugen. Da aber statt dessen die Menschen beim Unglück fast nicht dahin zu bringen sind, dass sie Gottes Gerechtigkeit anerkennen und bekennen, und sich im Glück gar nicht um seine Gerechtigkeit kümmern, so brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass der Prophet uns einschärft, wie sehr dem Herrn die Gerechtigkeit am Herzen liegt; er will uns aber einprägen, dass Gott alle Dinge recht und richtig regiert. Es bedeutet einen guten Fortschritt, wenn wir diese Lehre völlig in unser Herz aufnehmen. Andere verstehen den Satz freilich so, dass Gott die Gerechtigkeit bei den Menschen liebe. Das ist allerdings Wahrheit, entspricht aber nicht dem Zusammenhange, da es hier die Absicht des heiligen Geistes ist, Gottes Ruhm gegen das Gift des Unglaubens, das in vieler Herzen ist, zu verteidigen. Der zweite Teil des Verses hebt demgemäß einen anderen Beweis des göttlichen Wirkens heraus: Die Erde ist voll der Güte des Herrn. Wenn schon Gottes Gerechtigkeit allein uns mit Recht antreiben muss, seinen Namen zu verherrlichen, so tut seine Güte dieses in noch viel stärkerem Maße. Wer es erfahren hat, dass der Herr gütig und barmherzig ist, wird dadurch noch mehr veranlasst, ihn zu verehren. Bislang ist nun die Rede gewesen von den Wohltaten Gottes, die er über das ganze menschliche Geschlecht ausschüttet. Der Prophet sagt von denselben, dass wir ihnen überall begegnen, wohin wir unser Auge wenden mögen.

V. 6. Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht. Um uns noch mehr dazu zu ermuntern, die Werke Gottes zu überdenken, weist der heilige Sänger uns hin auf die Schöpfung der Welt. Denn wie soll jemand glauben, dass der Menschen Sachen von Gott besorgt werden, und dass die Welt durch seinen Rat und durch seine Hand in Stand gehalten werde, solange er noch nicht erkannt hat, dass Gott der Schöpfer und Baumeister der Welt ist? Die Schöpfung der Welt führt uns dagegen mit Notwendigkeit zur Vorsehung Gottes. Aber nicht alle ziehen diesen Schluss, und nicht alle haben das richtige Urteil, dass sie überzeugt wären, dass die Welt durch dieselbe Kraft Gottes, die einmal bei der Schöpfung offenbar geworden ist, noch heute erhalten werde, sondern die meisten bilden sich ein, dass Gott müßig vom Himmel aus zuschaue, was hier auf Erden geschieht. Aber niemand glaubt wirklich daran, dass die Welt von Gott geschaffen ist, der sich nicht zugleich davon durchdringen lässt, dass sie durch ihn in Stand und Bewegung erhalten wird. Es ist also klug und passend, dass der Prophet, um uns der Vorsehung Gottes im regelmäßigen Gange der Natur gewiss zu machen, uns an die Schöpfung der Welt erinnert. Das Wort „Himmel“ steht hier für Weltall: denn der Anblick des Himmels reißt uns am meisten zur Bewunderung fort. Aus demselben Grunde wird alsbald das Heer des Himmels genannt. Gemeint sind nach gewöhnlichem Sprachgebrauch der Schrift die Gestirne, ohne deren Schmuck der Himmel kahl erscheinen müsste. Dass Gott das alles durch sein Wort und durch den Geist seines Mundes gemacht hat, ist ein herrliches Zeugnis seiner Macht: um ein so glänzendes und edles Werk zu schaffen, bedurfte es nur eines Winks, nicht irgendwelcher Hilfsmittel, noch vieler Mühe und Arbeit. Nebenher finden wir hier einen Beleg, dass die Welt durch Gottes ewiges Wort, welches der eingeborene Sohn ist, geschaffen wurde, was uns andere Stellen freilich noch deutlicher lehren (Joh. 1, 3). Dagegen ist es überfein, aus unserer Stelle die Gottheit des heiligen Geistes beweisen zu wollen. Von demselben ist hier überhaupt nicht die Rede: Geist oder Hauch des Mundes ist vielmehr nur eine weitere Bezeichnung des Wortes, welches nach seiner majestätischen Wirksamkeit sonst auch das Zepter seines Mundes heißt (beides zusammen Jes. 11, 4).

V. 7. Er hält das Wasser im Meer zusammen. Der Dichter geht nicht alle einzelnen Teile des Weltgebäudes durch, sondern führt beispielsweise nur einiges an. So zeigt er uns auf der Oberfläche der Erde das herrliche und beachtenswerte Wunder, dass Gott das Wasser, das flüssig und unbeständig ist, durch seinen Willen auf einem Haufen zusammenhält. Wie mit unsichtbaren Dämmen hat Gott das Meer umgeben und hält es damit umschlossen, dem menschlichen Geschlecht zu gute. Nicht ohne Grund weist der heilige Geist auf diesen Beweis der göttlichen Kraft auch an anderen Stellen hin (Jer. 5, 22; Hiob 38, 8). Der zweite Teil des Verses scheint eine Wiederholung, bringt aber zugleich eine neue Wendung, nämlich dass Gott nicht allein die gewaltigen Wassermassen im Meere zusammenhält, sondern auch das Wasser im Inneren der Erde durch eine wunderbare und unbegreifliche Kraft zurückhält.

V. 8 u. 9. Alle Welt fürchte den Herrn. Wenn Gott die Welt geschaffen hat und erhält, so ergibt sich mit Recht der Schluss, dass sie sich seiner Herrschaft mit Ehrfurcht zu unterwerfen hat. Denn sich vor dem Herrn fürchten und scheuen, bedeutet: sich unter seine furchtbare Macht unterwerfen. Es ist aber ein Zeichen groben Stumpfsinns, wenn man die Gegenwart des Gottes nicht wahrnimmt, von dem wir doch unser Wesen und Bestand haben. Beides erwähnt der nächste Vers: so Er spricht, so geschieht es, - die Welt entstand durch Gottes Befehl. Und: so er gebietet, so steht es da, - durch sein gebietendes Walten bleibt sie im Bestand. Die einmalige Schöpfung hätte ja nicht ausgereicht ohne die stetig wirkende Kraft, mit der Gott die Welt erhält.

V. 10. Der Herr macht zunichte der Heiden Rat. Nachdem die Schöpfung nur wie im Vorbeigehen erwähnt wurde, kehrt die Rede zu ihrem eigentlichen Gegenstande zurück, dass nämlich die täglichen Geschehnisse sichere Zeugnisse der göttlichen Vorsehung sind. Freilich könnte man sich über eine Darstellung wundern, die den Schein erweckt, als mache Gott die Ratschläge der Menschen viel lieber zunichte, als dass er sie unterstützte und zu einem guten Ende führte. Aber dies Beispiel wurde zum besonderen Trost der Frommen ausgewählt. Wir wissen ja, wie viel die Menschen sich fortwährend anmaßen und wider Recht und Billigkeit unternehmen, so dass sie mit ihren Künsten die ganze Welt umzukehren suchen und sich trotzig erheben, um die Guten und Einfältigen unter ihre Füße zu treten. Welch ein Elend würde es daher für uns sein, wenn es ihnen, da sie alles tun, was ihnen gefällt, freistünde, alle auszuführen! Aber da Gott aus der Höhe verkündigt, dass es seine Sache sei, alles zu vereiteln, was sie beschließen, und alles zunichte zu machen, was sie beratschlagen, so dürfen wir getrost und stille sein, wenn sie auch noch so wütend toben. Dass Gott die Gedanken der Völker wendet, d. h. an der Ausführung hindert, besagt also nicht, dass er an der Zerstörung Freude hätte, sondern nur, dass er ihrer Frechheit Schranken setzt. Denn wenn ihnen immer alles nach Wunsch ginge, so würden sie alsbald die ganze Welt auf den Kopf stellen. Ja, sie würden nicht aufhören, gegen Gott zu kämpfen, gegen alle Billigkeit anzugehen, die Braven und Unschuldigen zu quälen. Daher ist es nötig, dass Gott ihrer Wut seinen Schutz entgegenstellt. Ja, da der größte Teil der Menschen von Mäßigung nichts wissen will und sich zur wilden Zügellosigkeit fortreißen lässt, so redet der Prophet nicht nur von einzelnen Menschen, sondern von ganzen Völkern. Er will etwa sagen: Wenn die Menschen sich auch untereinander verschwören, wenn sie auch beschließen, dieses oder jenes mit großer Heeresmacht zu unternehmen, so werden doch ihre Ratschläge eitel sein, da es Gott ebenso leicht ist, große Mengen zu zerstreuen, wie wenige zu zügeln. Doch wenn es auch Gottes Absicht ist, uns hierdurch mit guter Hoffnung gegen die Frechheit der Bösen zu wappnen, so mahnt er uns zugleich auch daran, dass wir uns hüten müssen, nichts ohne seinen Befehl und ohne seine Führung zu unternehmen.

V. 11. Aber der Rat des Herrn bleibt ewiglich. Der Prophet rühmt Gottes unermessliche Macht deshalb so sehr, um seinen Glauben zu dieser Höhe zu erheben und ihn dadurch zu stärken. Denn sein Lobpreis gilt nicht einem im Himmel verborgenen Ratschluss, den er nur aus der Ferne anschauen und verehren wollte. Wenn er an wiederholten Stellen bezeugt, dass der Herr Gerechtigkeit und Recht liebt, dass er für den Gerechten und Braven sorge, dass er daran denke, seinen Verehrern zu helfen, so fügt er nunmehr hinzu, dass dies alles in Gottes Rat fest und zuverlässig beschlossen sei. Zugleich ersehen wir, wozu und weshalb Gott der Heiden Rat zunichtemacht: weil sie nämlich rücksichtslos gegen seinen Rat und Ordnung anstürmen. Zuerst müssen wir also lernen, Gottes Rat in dem Spiegel seines Wortes zu betrachten. Sind wir dann davon überzeugt worden, dass er nichts verspricht, was er nicht wirklich beschlossen hat auszuführen, so wollen wir alsbald gedenken, dass Gottes Rat so fest steht, wie es der heilige Sänger hier aussagt. Und da viele darauf aus sind, seinen Lauf durch unzählige Hindernisse zu unterbrechen, ja ganze Völker dieses zuweilen betreiben, so müssen wir auch an den vorhergehenden Satz denken, nämlich dass, wenn die Menschen auch vieles ins Werk setzen, Gott es doch in seiner Macht hat, sie zu zerstreuen. Ohne Zweifel will der heilige Geist, dass unser Glaube sich in dieser nützlichen Erkenntnis übe, denn sonst wären diese Lobpreisungen nur kalt und unfruchtbar. Aber wenn wir uns vorhalten, dass Gott die Seinen beschützen will, und dass er alle, die seinen Namen anrufen, aus allen Gefahren erretten will, so werden alle Anstrengungen und alle Versuche, die gottlose Leute machen, uns zu verderben, uns nicht im Geringsten erschrecken: denn sobald Gott ihnen gegenübertritt, ist keine List imstande, seine Pläne zu vereiteln.

V. 12. Wohl dem Volk, des Gott der Herr ist. Dieser Vers steht im passenden Zusammenhange mit dem vorhergehenden. Denn es würde wenig nützen, das zu wissen, was soeben über die Beständigkeit des göttlichen Ratschlusses gesagt wurde, wenn wir es nicht auch auf uns beziehen dürften. Wenn der Prophet also ausruft, dass diejenigen glücklich, die Gott in seinen Schutz genommen hat, so erinnert er daran, dass der Rat, von dem er soeben sprach, kein verborgener ist, sondern sich kräftig erweist und in der Erlösung der Gemeinde offenbart. Hieraus sehen wir, dass man noch nicht richtig an Gottes lebendiges Weltregiment glaubt, wenn man kalten Herzens über seine Macht grübelt, sondern nur, wenn man sie auf das eigene, gegenwärtige Bedürfnis bezieht. Und indem der Psalm das Glück des Menschen darein setzt, dass der Herr sich ihm zum Gott gibt, deckt er die Quelle der göttlichen Liebe zu uns auf und beschreibt zugleich mit einem einzigen Worte, was man nur zu einem glücklichen Leben wünschen kann. Denn dass der Herr die Sorge für unser Wohl übernimmt, dass er uns unter seinen Flügeln hegen, dass er für unsere Notdurft sorgen und sich herablassen will, uns Hilfe und Beistand in Gefahren zu bringen, das hängt alles davon ab, dass er uns zu seinen Kindern angenommen hat. Übrigens erinnert der Psalm ausdrücklich, dass Gott sein Volk zum Erbe erwählt hat: dass wir zu diesem Volke gehören, fließt also aus dem Quell der gnädigen Erwählung, und niemand soll wähnen, man könne solch hohes Gut durch eigene Kraft und Kunst gewinnen. Es ist allerdings wahr, dass die Menschen in Adams Person zu dem Zwecke geschaffen worden sind, Gottes Kinder zu sein, aber die Entfremdung, die aus der Sünde gefolgt ist, hat uns dieses großen Glücks beraubt. Daher sind wir alle, solange Gott uns nicht gnädig angenommen hat, von Natur elend; und die einzige Tür zum Glück für uns ist, wenn Gott uns aus reinem Wohlgefallen trotz unserer Unwürdigkeit erwählt. Es heißt also unsere Stelle in abgeschmacktester Weise verdrehen, wenn man dem Menschen zuschreibt, was hier von Gott gesagt wird, indem man so redet, als erwählten sich die Menschen ihren Gott. Gewiss geschieht es durch unseren eigenen Glauben, dass wir den wahren Gott von den Götzen unterscheiden, - aber der Grundsatz ist festzuhalten, dass wir keine Gemeinschaft mit ihm haben, wenn er uns nicht mit seiner Gnade zuvorkommt.

V. 13 u. 14. Der Herr schaut vom Himmel. Der Dichter verfolgt denselben Gedanken weiter, nämlich dass die menschlichen Verhältnisse nicht dem Zufall unterworfen sind, sondern dass alles, was geschieht, im Verborgenen von Gott geleitet wird. Dass aber der Herr vom Himmel herabschaut, soll uns wiederum anleiten, mit den Augen des Glaubens seine unsichtbare Vorsehung anzuschauen. Denn wenn wir deren deutliche Beweise täglich vor Augen haben, so sind die meisten Menschen doch blind dafür, und in ihrer Blindheit erdichten sie sich ein blindes Geschick, ja in je reicherem und größerem Maße Gott seine Güte über uns ausschüttet, umso weniger erheben wir unsere Gedanken zu ihm; stattdessen verfallen wir in den Fehler, dass wir bei den Hilfsmitteln, die doch eigentlich Nebensache sind, stehen bleiben. Dieses unwürdige Verhalten tadelt der Prophet, da wir Gott das größte Unrecht antun, wenn wir ihn müßig in den Himmel einschließen: denn das ist ebenso, als wenn er tot im Grabe läge. Was würde das für ein Leben sein, wenn Gott nichts sehen und sich um nichts kümmern würde?

Dass Gott (V. 14) von seinem Thron ausschaut, legt uns die Folgerung nahe, dass man ihn also nicht ohne Empfindung und Verstand vorstellen darf, was ja der Gipfel der Torheit wäre. Der Himmel ist kein Luftschloss, in welchem Gott nur dem Vergnügen lebt, wie die Epikuräer sich einbilden, sondern ein Herrschersitz, von dem aus er seine Herrschaft über alle Teile der Welt ausübt. Wenn er aber in dem Heiligtum des Himmels seinen Sitz aufgeschlagen hat, um von dort aus den Erdkreis zu regieren, so folgt daraus, dass er die Dinge auf Erden durchaus nicht vernachlässigt, sondern sie mit der größten Umsicht und Weisheit lenkt.

V. 15 bis 17. Er der ihnen das Herz gebildet hat. Dies scheint absichtlich hinzugesetzt, um den Gläubigen die Gewissheit zu geben, dass die Gottlosen mit aller Schlauheit, Trug und geheimen Künsten vergeblich versuchen werden, dem Anblick Gottes zu entfliehen und sich Höhlen zum Unterschlupf zu graben: denn Gottes Augen dringen auch durch jene Finsternis. Daraus, dass Gott das Menschenherz geschaffen hat, schließt der Dichter, dass er der Menschen Pläne und Taten sicherlich auch vor sein Gericht und Urteil ziehen werde. Denn wenn auch jeder Mensch vieles heimlich in seinem Herzen verbirgt, so dass die Menschen nicht allem wunderbar voneinander verschieden, sondern auch sehr schwer zu ergründen sind, so werden doch Gottes Augen durch diesen Wirrwarr und diese Dunkelheit weder geblendet noch getrübt, da er imstande ist, seine Kreaturen zu durchschauen. Das Wort „zugleich“ bedeutet nicht, dass aller Menschen Herzen in einem Augenblick gebildet wurden, sondern dass sie alle ohne Ausnahme so gebildet sind, dass der Versuch, vor dem Blick des Schöpfers sich zu verbergen vergeblich sein wird. So regiert Gott alles, auch das, was Zufall scheint. Keinem hilft seine große Macht, sondern allein Gottes Gnade ist imstande, unser Leben zu behüten. Könige und Riesen werden insbesondere genannt, weil sie über gemeines Menschenlos hervorragen und darum sich leicht über jede Gefahr erhaben dünken oder sich aus jedem widrigen Zufall gewisse Rettung versprechen. Sie sind meist so trunken im Vertrauen auf ihre Kraft, dass sie fast gar nicht mehr daran denken, dass sie auch Sterbliche sind. In diesem ihrem Hochmut werde sie noch bestärkt durch die törichte Bewunderung der Menge, die ihre Macht anstaunt. Wird nun schon ein König nicht durch seine Truppen und ein Riese nicht durch seine Kraft im entscheidenden Augenblick errettet, so wird vollends die große Masse vergeblich nach irdischer Hilfe ausschauen, die ohne Gottes Hilfe etwas nützen könnte. Daraus folgt, dass die Starken wie die Schwachen gleich elend und jämmerlich dastehen, wenn sie sich nicht auf Gottes Schutz verlassen können.

Dass (V. 17) Rosse auch nicht helfen, wird beispielsweise gesagt und will uns einprägen, dass jedermann, der sein Leben durch irdische Mittel geschützt glaubt, sich dann am gewissesten verlassen sehen wird, wenn er die Hilfe am nötigsten hätte: so lässt Gott die Menschen zu Grunde gehen, um ihre Torheit zu strafen. Richtig ist freilich, dass die Könige sich nicht umsonst mit dem Schwerte bewaffnen, dass ebenso die Rosse nicht überflüssig sind noch überhaupt alle Mittel und Kräfte, die Gott den Menschen in die Hand gibt, um ihr Leben zu schützen, - wenn die Menschen nur bei ihrem Gebrauch das rechte Maß halten. Aber die Meisten weichen, je zahlreicher die Schutzmittel sind, die sie umgeben, umso mehr von Gott ab, da sie sich der falschen Vorstellung hingeben, dass sie in einem Hafen seien, in dem sie gegen alle Unbill geschützt wären. Deshalb ist Gott im Recht, wenn er sie in dieser ihrer Torheit zu Schanden werden lässt. Das ist der Grund, weshalb die Gaben Gottes oft ohne Frucht bleiben: die Welt will die Gaben genießen, ohne des Gebers zu gedenken, - so beraubt sie sich seines Segens.

V. 18 u. 19. Siehe des Herrn Auge usw. Bisher hörten wir, dass die Schutzmittel, welche Menschen für vortrefflich zu ihrer Beschirmung halten, oft nichts nützen, ja dass sie nichts sind, wenn man von ihnen das Heil erwartet. Jetzt folgt der Gegensatz, dass die Gläubigen, wenn sie auch keine große Macht besitzen, noch über große Mittel verfügen, doch allein schon durch Gottes Gnade genügend gesichert sind, und dass sie immer unversehrt bleiben werden. Diese Gegenüberstellung, dass den Königen und Riesen ihre unbesiegbare Macht nichts nützt, während Gott die Heiligen in Hunger und Mangel am Leben erhält und sie gleichsam aus dem Tode ins Leben zurückruft, macht die Meinung des heiligen Sängers recht klar. Jetzt verstehen wir auch erst recht, weswegen er die ganze Kraft der Welt zu Boden wirft. Er tut es nicht, damit die Menschen am Boden liegen bleiben und durch Verzweiflung geknickt und um allen Mut gebracht werden, sondern damit sie allen Stolz ablegen und alle ihre Gedanken allein auf Gott richten in der festen Überzeugung, dass ihr Leben von Gottes Schutz abhängt. Übrigens besagt die Wendung, dass des Herrn Auge auf die sieht, so ihn fürchten, mehr als wenn bloß von seiner Hand und Kraft die Rede wäre, die zum Schutz der Seinen ausreicht. Denn dann könnten bei den Schwachen leicht Zweifel aufsteigen, ob Gott mit seiner Macht auch jedem einzelnen beistehen wolle; jetzt dagegen, wo wir hören, dass Gott gleichsam Wache hält, um für die Seinigen zu sorgen, liegt kein Grund zur Furcht vor, sondern ein jeder kann der gegenwärtigen Hilfe Gottes sicher sein, wenn er sich nur ruhig an seine Vorsehung hält. Hieraus geht auch deutlich hervor, wie wahr das ist, was der Psalm zuvor sagte, dass das Volk glücklich sei, dessen Gott der Herr ist. Denn alles, was außer ihm an Kraft und Hilfe vorhanden ist, wird sich endlich als trügerisch, eitel und vergänglich erweisen. Wenn aber der Herr seine Gläubigen nur mit seinem Blicke beschützt, so wird er schon dadurch ihrem Mangel abhelfen, die Hungrigen sättigen und solche, die schon dem Tode geweiht sind, am Leben erhalten. Doch wenn er auch das ganze Menschengeschlecht durch seine Vorsehung erhält, so wissen wir doch, dass er nur seine Kinder seiner besonderen väterlichen Fürsorge würdigt, weshalb auch sie es nur in Wahrheit erfahren, dass er für ihre Notdurft sorgt.

Wenn wir nun weiter hören (V. 19), dass der Herr im Tode und in der Teuerung Mittel bereit hat, das Leben der Frommen zu retten, so wollen wir uns dadurch erinnern lassen, dass der Gläubige der göttlichen Vorsehung nur dann die rechte Ehre erweist, wenn er auch in der äußersten Dürftigkeit den Mut nicht verliert. Vielmehr sollen wir unsere Hoffnung hoch erheben, auch wenn sie schon im Grabe liegt: denn Gott lässt die Seinen nur darum eine Zeitlang hungern, um sie darnach zu sättigen; er umgibt sie mit dem Dunkel des Todes, um ihnen das Licht des Lebens neu zu spenden. Ja, wir fangen erst dann an, unsere Zuversicht fest auf Gott zu setzen, wenn wir den Tod vor Augen haben, weil die Hilfsmittel der Welt so lange unsere Sinne gefangen halten, als wir ihre Nichtigkeit noch nicht erfahren haben. Die Gläubigen empfangen übrigens hier (V. 18) einen doppelten Ehrentitel: sie sind Leute, die den Herrn fürchten, und die auf seine Güte hoffen. Darin wird uns beschrieben, was zu einem vollkommenen Leben gehört. Was das letzte betrifft, so mögen die Heuchler sich mit vollen Backen ihres Glaubens rühmen, - aber sie haben Gottes Güte noch nicht einmal oberflächlich geschmeckt, wenn sie nicht von ihm alles erwarten, was sie bedürfen. Dass aber die Gläubigen sich mit voller Freudigkeit dem Dienst und der Verehrung Gottes ergeben, fließt eben aus ihrem Glauben. Ja das wichtigste Stück des Gottesdienstes ist dieses, dass sie sich der Abhängigkeit von seinem Erbarmen bewusst sind.

V. 20. Unsere Seele harrt auf den Herrn. Was der Dichter bisher von der Vorsehung Gottes sagte und vor allem von dem treuen Schutze, den er den Seinen angedeihen lässt, hat er nicht so sehr aus sich selbst geredet, sondern vielmehr als der Mund des heiligen Geistes; jetzt dagegen stimmt er im Namen der ganzen Gemeinde dem zu, dass es das Allerbeste sei, wenn wir unser Heil dem Herrn anvertrauen. Wir sehen also, dass er die Frucht der vorhergehenden Lehre allen Gläubigen vorhält, damit sie kein Bedenken tragen, sich sicher und mit frohem Mut der väterlichen Fürsorge Gottes zu übergeben. Aus diesem Grunde zeugt der Prophet nicht bloß von sich selbst, sondern verbindet sich mit allen Gläubigen zu der Gemeinschaft eines und desselben Glaubens. Das Wort „Seele“ ist hier von besonderem Gewicht und deutet auf eine tiefgehende Bewegung des Gemüts: die Gläubigen vertrauen sich mit ganzem und lauterem Herzen dem Herrn an, weil sie wissen, dass Er ihre Hilfe und Schild ist.

V. 21. Ja, unser Herz freut sich sein. Vielleicht ist auch der zweite Satz in der gleichen Form zu übersetzen: „Ja, wir trauen auf seinen heiligen Namen.“ Dann würden die Gläubigen sich erstens ihrer Freude und zweitens ihrer Hoffnung rühmen. Und sicherlich sind diese beiden Stücke die beste Unterlage dafür, dass man Gott treulich und unermüdlich anruft. Nicht minder passend wird aber der Sinn bei unserer Übersetzung des zweiten Gliedes: denn wir trauen auf seinen heiligen Namen. Also: wenn unsere Hoffnung sich ganz an Gott hängt, so wird Er an seinem Teil es nicht fehlen lassen, sondern wird uns immer neuen Anlass zur Freude geben. Auch die Erfahrung bestätigt, dass die Menschen von der Trauer überwältigt werden und vor Sorgen, Schmerzen und Angst vergehen, als Strafe dafür, dass sie dem Eitlen nachgegangen sind. Denn nichts ist so schwer für den Menschen, als dass er seine Hoffnung allein auf Gott setze und sich nicht durch eitle Hoffnungen betören lasse.

V. 22. Deine Güte, Herr usw. Der Psalm schließt mit einem Gebet, welches der heilige Sänger in aller Frommen Namen ausspricht, nämlich dass sie es tatsächlich erfahren möchten, dass sie sich nicht umsonst auf Gottes Güte verlassen haben. Indem der heilige Geist uns dieses als Regel fürs Gebet durch den Mund des Propheten vorschreibt, lehrt er uns zugleich, dass die Tür der Gnade uns geöffnet wird, wenn wir nirgend anderswoher das Heil suchen und erhoffen. Hieraus können wir zugleich den süßen Trost schöpfen, dass wenn nur unsere Hoffnung nicht mitten auf dem Wege erlischt, wir durchaus nicht zu fürchten brauchen, dass Gott uns sein Erbarmen nicht ununterbrochen bis ans Ende erweisen werde.

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