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Calvin, Jean - Psalm 113.

Calvin, Jean - Psalm 113.

Inhaltsangabe: Auch in diesem Psalm wird uns aus Gottes Vorsehungswalten Stoff zu seinem Lobpreis vorgelegt. Der Gott, der in seiner Erhabenheit höher ist als alle Himmel, lässt sich doch herab, seine Augen über die Erde schweifen zu lassen, um für das Menschengeschlecht zu sorgen. Weil nun der mannigfache Wechsel, den man auf Erden sieht, die meisten in Verwirrung setzt, mahnt der Prophet mit beredten Worten, dass man in plötzlichen und unerwarteten Wechselfällen Gottes Vorsehung erwäge und nicht zweifle, dass alles durch seinen Wink und Willen geleitet wird.

1 Hallelujah!
Lobet, ihr Knechte des Herrn, lobet den Namen des Herrn! 2 Gelobet sei des Herrn Name von nun an bis in Ewigkeit! 3 Von Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobet der Name des Herrn! 4 Der Herr ist hoch über alle Heiden; seine Ehre geht, soweit der Himmel ist.

V. 1. Lobet, ihr Knechte des Herrn, lobet usw. Obwohl der Inhalt des Psalms alle Sterblichen insgemein angeht, werden insbesondere die Gläubigen angeredet: denn sie allein haben geistliche Augen, Gottes Hand zu sehen. Wenn wir bedenken, wie kalt und träge die Menschen in dieser Übung der Frömmigkeit sind, werden wir auch die verdoppelte Aufforderung nicht für überflüssig erachten. Wir gestehen zwar alle, dass wir geschaffen wurden, Gottes Namen zu preisen, - doch liegt sein Ruhm bei uns danieder. Darum will der Prophet diese sündhafte Trägheit bessern und uns zu unermüdlichem Lobe des Herrn treiben. Die Wiederholung soll unserem Eifer Dauer sowie Glut verleihen. Will jemand unter den „Knechten des Herrn“ die Leviten verstehen, die unter dem Gesetze mit dem Lobpreis Gottes beauftragt waren, so habe ich nichts dagegen: nur soll man die übrigen Gläubigen nicht ausschließen, denen ja Gott einst die Leviten zu Führern und Lehrern eben darum gegeben hatte, damit sein Volk ohne Ausnahme ihn preise. Vollends jetzt, da wir ein königliches Priestertum sind (1. Petr. 2, 9) und Sacharja (14, 21) bezeugt, dass im Reich Christi auch der geringste aus dem Volk ein Levit werden soll, ist kein Zweifel, dass lediglich mit Ausnahme der Ungläubigen, die stumm sind, wir alle eingeladen werden, dem Herrn diesen Dienst zu leisten.

V. 2. Gelobet sei des Herrn Name usw. Der Prophet bestätigt, was wir kürzlich sagten, dass Gottes Lob sich über unsern ganzen Lebenslauf ausdehnen soll. Denn wenn des Herrn Name von nun an bis in Ewigkeit preiswürdig ist, so müssen wir wenigstens in dem kurzen Zeitraum, während dessen wir auf Erden wallen, eifrig darauf bedacht sein, dass sein Gedächtnis noch über unsern Tod hinaus währe. Der nächste Vers lässt den Ruhm des Namens Gottes sich nach allen Richtungen der Erde erstrecken: so folgt, dass es eine unentschuldbare Trägheit wäre, wollten wir nicht sein Lob wechselseitig unter uns erschallen lassen. Konnte nun unter dem Gesetz Gott nirgend anders als im jüdischen Lande gepriesen werden, weil er sich nur dem auserwählten Volk bekannt gegeben hatte, so waren seine allen Heiden geoffenbarten Werke doch wert, dass man sie in der ganzen Welt verkündete. In derselben Absicht heißt es weiter (V. 4): Der Herr ist hoch über alle Heiden. Wenn er aller Sinne zu seiner Bewunderung fortreißt, so wäre es doch mehr als unwürdig, wenn wir spärlich und träg seinen Ruhm singen wollten. Hier ist kein Raum für Trägheit, und Schweigen wäre ein Verbrechen: wir sollen uns über unsere Kräfte anstrengen, so dass unsre Stimmung gleichsam über den Himmel fliegt. In dem Hinweis auf die Heiden birgt sich ein Tadel über die Gleichgültigkeit des auserwählten Volks. Wäre es doch ungereimt, dass die Augenzeugen der Herrlichkeit Gottes sein Lob unterlassen sollten, welche auch unter den Blinden erstrahlt. Denn obwohl damals Gott allein die Juden des Lichts der himmlischen Lehre gewürdigt hatte, wollte er doch auch unter den Heiden immer sein Zeugnis haben, wie Paulus dies ausführt (Apg. 14, 17; Röm. 1, 20). Allerdings ließ sich diese Erhabenheit noch besser erkennen, als durch Ausbreitung des Evangeliums der ganze Erdkreis unter seine Herrschaft gesammelt wurde.

5 Wer ist wie der Herr, unser Gott? der sich so hoch gesetzt hat 6 und auf das Niedrige sieht im Himmel und auf Erden; 7 der den Geringen aufrichtet aus dem Staube, und erhöhet den Armen aus dem Kot, 8 dass er ihn setze neben die Fürsten, neben die Fürsten seines Volks; 9 der die Unfruchtbare im Hause wohnen macht, dass sie eine fröhliche Kindermutter wird. Hallelujah!

V. 5. Wer ist wie der Herr? usw. Hier stellt der Prophet Gottes erhabene Herrlichkeit und Macht seiner unermesslichen Güte gegenüber, um durch diesen Gegensatz sein Lob zu erhöhen. Gewiss lässt sich Gottes Güte nicht von seiner Herrlichkeit trennen: aber der Unterschied wird in Rücksicht auf die Menschen gemacht, welchen Gottes bloße Majestät erschreckend sein müsste, wenn er nicht freundlich sich herabließe und sie durch die süßen Erweise seiner Liebe zu sich lockte. Alles in allem: obgleich der Gott, der über den Himmeln wohnt, durch eine ungeheure Kluft von uns getrennt ist, hindert ihn doch diese Erhabenheit nicht, sich uns in der Nähe zu offenbaren und durch vertrauten Umgang für unser Heil zu sorgen. Dass Gott sich so hoch über alle Himmel gesetzt hat, bildet nicht nur den Hintergrund für sein Erbarmen gegen die Menschen in ihrer verächtlichen Niedrigkeit, sondern erinnert auch, dass er selbst die Engel im Himmel verachten dürfte, wenn nicht väterliche Liebe ihn herabzöge, sie mit seiner Fürsorge zu umfassen (V. 6): Er siehet auf das Niedrige im Himmel und auf Erden. Wenn nun schon sein Verkehr mit den Engeln Herablassung fordert, was vollends wollen wir von uns Menschen sagen, die wir auf der Erde kriechen und dazu in unübersehbaren Schmutz verstrickt sind! Fragt man aber, ob denn Gott nicht Himmel und Erde erfüllt, so ist die Antwort leicht. Denn die Worte des Propheten besagen nichts anderes, als dass er auch die edelsten Kreaturen mit Füßen treten, ja wegen des weiten Abstandes ganz übersehen könnte. Alles in allem sollen wir lernen, dass den Herrn nicht unsere Verwandtschaft mit ihm, sondern seine freiwillige Herablassung bewegt, für uns zu sorgen.

V. 7. Der den Geringen aufrichtet usw. Hier rühmt der Prophet an den mannigfachen Umwälzungen, die man auf Rechnung des Zufalls setzt, Gottes Vorsehungswalten. Es hängt von des einigen Gottes Willen ab, wenn unvermutete Veränderungen eintreten. Ginge alles seinen gewöhnlichen Lauf, so würde jedermann schreien: Natur! Natur! Nun aber weist der Wechsel darauf hin, dass Gottes verborgener Rat regiert. Stehen wir aber bestürzt vor unverhofften Dingen, so bilden wir uns dann ein, es mit Glücksfällen zu tun zu haben. Da wir uns so in jeder Hinsicht böswillig zeigen, heißt uns der Prophet in ungewohnten Ereignissen Gottes Vorsehung bewundern. Denn wenn Ochsenknechte oder andere ganz verachtete Menschen sich zu hohen Herrscherstellungen aufschwingen, so muss solche überraschende Neuheit unsere Sinne desto eher aufwecken. Jetzt verstehen wir die Absicht des Propheten. Er hätte, wie es sonst geschieht, den Bau des Himmels und der Erde uns vorstellen können. Weil aber gegenüber dem gewöhnlichen Naturlauf unsere Gedanken blind sind, erinnert er, dass sich in ungewöhnlichen Taten Gottes Hand noch besser sehen lässt. Das Wunder erscheint noch größer, indem unbekannte und verachtete Leute nicht bloß irgendwelche Ehren, sondern eine hervorragende Stellung im heiligen Volke gewinnen. Gott setzt sie (V. 8) neben die Fürsten seines Volks, was mehr ist, als wenn sie anderswo in der Welt Herrscher würden. Denn der Zustand der Gottesgemeinde bietet das hervorragendste und eindrücklichste Schauspiel: hier gibt und entfaltet Gott die Beweise seiner wunderbaren Macht, Weisheit und Gerechtigkeit.

V. 9. Der die Unfruchtbare im Hause, d. h. in einer Familie, wohnen macht. Dieses Werk Gottes ist zwar nicht ganz so denkwürdig, hält aber unsere Gedanken nicht weniger gefesselt. Denn wenn ein lange unfruchtbares Weib plötzlich zahlreiche Nachkommenschaft empfängt, sehen wir uns zur Verwunderung gezwungen, so stumpf wir uns auch bei Gottes alltäglichen Werken beweisen. Eine solche wird als eine fröhliche Kindermutter bezeichnet: denn ihr sind ihre Kinder das Allerliebste, wenn auch andere ihr Herz vor allem an Reichtum, Ehren, Vergnügungen und allerlei Bequemlichkeiten hängen. Wenn also Gott nicht bloß den gewohnten Lauf der Natur lenkt, sondern auch Wechselfälle eintreten lässt, indem er emporhebt, die verachtet daniederliegen, und unfruchtbaren Weibern Kinder schenkt, so wäre es ein doppelt verdammlicher Stumpfsinn, wollten wir darin nicht auf seine Hand merken.

Quelle: Müller, Karl / Menges I. - Johannes Calvins Auslegung der Heiligen Schrift - Psalter

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