Calvin, Jean - Eine Osterpredigt zu Matthäus 28,1-8

Calvin, Jean - Eine Osterpredigt zu Matthäus 28,1-8

„Man könnte es auf den ersten Blick seltsam finden, daß unser Herr Jesus den Frauen und nicht den Jüngern erschien, wenn er seine Auferstehung als gewiß bezeugen wollte. Dabei haben wir aber zu bedenken, daß er die Demut unseres Glaubens prüfen wollte. Denn wir sollen uns nicht auf menschliche Weisheit gründen, sondern ganz gehorsam annehmen, was, wie wir wissen, von ihm kommt. Andrerseits hat er auch ohne Zweifel die Jünger strafen wollen, wenn er ihnen Frauen zur Belehrung sandte; die Unterweisung, die sie aus seinem Mund empfangen hatten, hatte ihnen ja im entscheidenden Augenblick nichts genützt. Sie haben sich ja zerstreut, haben ihren Meister verlassen und sind ganz verstört vor Furcht. Was hatten sie nun davon, daß sie drei Jahre und drüber in der Schule des Sohnes Gottes gewesen waren? Solche Laxheit verdiente wahrhaftig harte Strafe, alle Erkenntnis, die sie früher empfangen hatten, sollte man ihnen nehmen, weil sie sie ja doch gleichsam mit Füßen getreten und begraben hatten. Aber unser Herr Jesus wollte sie nicht mit Strenge strafen und hat ihnen doch ihren Fehler milde zurecht gewiesen: Frauen hat er zu ihren Lehrmeisterinnen gemacht. Sie waren einst erwählt worden, um das Evangelium in aller Welt zu verkünden (es sind in Wahrheit die ersten Doktoren der Kirche); aber weil sie so leichtfertig sich verlieren konnten, so daß ihr Glaube ertötet schien, darum mußten sie zu der Einsicht gebracht werden, daß sie eigentlich keines einzigen Lehrworts unsers Herrn Jesus Christ wert seien. Darum also wurden sie an die Frauen gewiesen, bis sie ihren Fehler recht eingesehen hätten, und Jesus Christ hat sie in ihren alten Stand und auf eine frühere Stufe zurückversetzt, und war dabei noch gnädig. Im übrigen sind damit (wie gesagt) wir alle ganz allgemein angewiesen, von Gott gesandtes Zeugnis anzunehmen, auch wenn die verkündenden Menschen niedern Standes, ohne Ansehen und Weltruf sind. Wenn ein Mensch zum Vater oder sonst einem öffentlichen Amt erwählt oder ernannt ist, dann wird ja auch tatsächlich das, was er macht, als vertrauenswürdig hingenommen; niemand wird ihm bei diesem oder jenem widersprechen, sein Amt verschafft ihm Ehrerbietung unter den Menschen. Soll Gott ein geringeres Vorrecht haben als irdische Herren? Sollte nicht er seine Zeugen nach Gutdünken bestimmen dürfen, deren ganze Botschaft man ohne jede Widerrede annehmen müßte? Sicherlich muß es so sein, wenn wir nicht Empörer gegen Gott sein wollen. Soviel zum ersten. (…)

Man sieht auch hier, wie ehrerbietig diese Frauen noch gegen unsern Herrn Jesus Christ waren wie gegen ihren Meister, obwohl sie von seinem Tod her noch in Aufregung waren; wir können daraus wohl schließen, daß das Wort Gottes noch immer in ihnen Wurzel hatte. Denn wenn ihr Glaube auch schwach war, sie suchten eben doch unsern Herrn Jesus in seinem Grab. Auch ein Stück sicher unentschuldbare Unwissenheit war in ihnen; denn sie hätten wohl sich im Geist erheben und auf die Auferstehung warten dürfen, sie war ihnen ja verheißen, der dritte Tag war ihnen sogar ausdrücklich genannt. Sie sind aber so bestürzt, daß sie das Wesentliche nicht behalten, daß nämlich unser Herr Jesus Christ den Tod besiegen werde, um uns Heil und Leben zu verschaffen. Das ist nämlich das Wesentliche, ohne dies wäre das Evangelium nichts (wie St. Paul sagt [1. Kor. 15, 7]) und unser Glaube wäre wertlos. So sind ja diese armen Frauen, trotz der Liebe, mit der sie am Sohn Gottes hangen, und obwohl sie wissen, daß das ihnen gepredigte Evangelium die lautere Wahrheit Gottes ist, doch so verwirrt und durcheinander, daß sie nicht begreifen, daß er auferstehen soll; darum kommen sie mit ihren wohlriechenden Salben zum Grab. An ihrer Haltung ist also freilich Tadelnswertes. Und doch ist ihr Tun Gott angenehm, er sieht ihnen ihre Bestürzung nach, bis er sie wieder auf den rechten Weg gebracht hat. Man sieht, daran, daß, wenn der Herr unser Tun annimmt, wir es ihm deswegen wahrhaftig nicht aufrücken dürfen, als ob wir’s verdient hätten; im Gegenteil, es ist reine Güte, wenn er gut heißt, was nicht wert war, ihm dargebracht zu werden. (…)

Und darum, weil er der Verwesung entnommen wurde, sind auch wir heute der Auferstehungsherrlichkeit sicher und gewiß, weil sie an ihm schon erschienen ist. So sehen wir also den Wohlgeruch von Grab und Auferstehung unsers Herrn Jesus Christ bis zu uns Heutigen dringen, so daß wir von ihm belebt werden. Was folgt daraus? Das, daß wir ihn also nicht mehr wie diese Frauen im Grabe suchen sollen; ihre Schwachheit und Unwissenheit sollte uns genützt haben. Vielmehr sollen wir nach oben streben, wozu er uns ja selber aufgerufen und geladen hat; er hat uns ja den Weg dahin gezeigt und gesagt, daß er dazu vom himmlischen Königreich Besitz ergriffen habe, um uns dort Raum und Heimstatt zu bereiten, wenn wir ihn im Glauben dort suchen.

Wir müssen uns nun aber auch merken, was St. Matthäus noch hinzufügt; er sagt: der Engel erschien und hat die Wächter so erschreckt, daß sie tot zu sein scheinen. Die Frauen erschraken beinahe gerade so, aber der Engel hilft ihnen und sagt: ihr braucht euch nicht fürchten, ihr sucht Jesus den Gekreuzigten, er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Da sehen wir, wie Gott die Liebe und Fürsorge dieser Frauen annimmt und zugleich zurechtstellt, was er an ihnen gutheißt; durch den Engel nämlich, der in seinem Namen redet, stellt er es zurecht. Es ist, wie gesagt, einzigartige Güte Gottes, wenn er unseren unvollkommenen Dienst annimmt, obwohl er ihn verabscheuen dürfte. Was nichts wert ist, nimmt er doch von uns an, wie ein Vater von seinen Kindern Dinge annimmt, die sonst als wertloses Zeug gelten. So freundlich, sag ich, ist Gott zu uns; nur will er andrerseits dann auch, daß die Menschen sich in ihren Fehlern nicht wohlgefallen und wohlfühlen. So stellt also der Engel das Unvollkommene bei den Frauen zurecht; obwohl sie einen guten Zweck verfolgen, werden sie doch wegen des Schlechten, das damit unterläuft, zurechtgewiesen. Darum erzählt Lukas, wie sie recht hart angefahren wurden: was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? (…)

Aber die hier im Text genannte Furcht ist schlecht und zu verwerfen, denn es ist nichts als die Unruhe und Verwirrtheit der Frauen: wiewohl sie den Engel sehen und ihn reden hören, ist’s ihnen doch, als wär’s ein Traumgesicht. Dabei begreifen wir übrigens auch, wie Gott oft in uns schafft, ohne daß wir eigentlich begreifen, ob wir nun vorwärts gekommen sind oder nicht. Die Unwissenheit in uns ist ja wie Wolken, die uns die klare Sicht nehmen, und eine Menge von eingebildeten Dingen umstrickt uns. Kurz, alle Belehrung Gottes scheint umsonst zu sein, und doch haben wir in all dem ein dunkles Ahnen, daß uns Gottes Wirken an unsern Herzen empfinden lässt. Und wenn wir daher auch nur ein kleines Fünkchen Gnade haben, lasst uns den Mut nicht verlieren, sondern Gott bitten, daß er den kleinen Anfang weiterführe, daß er uns wachen lasse und befestige, bis wir zur Vollendung kommen, von der wir jetzt noch weit weg sind. Wenn es daher auch als Fehler gelten muß, daß die Frauen neben ihrer Freude so von Furcht befangen waren, Gott hat sie doch, wie wir sahen, durch seinen heiligen Geist geleitet und die Botschaft, die der Engel ihnen brachte, ist doch nicht umsonst gewesen. (…)

So kommen wir zu dem Wort: ‚Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen mich in Galiläa finden.’ Daran sehen wir, daß Gottes Sohn nicht nur Maria und ihren Gefährtinnen erschienen ist, nicht bloß sieben oder acht Leuten sich offenbarte. Er wollte vielmehr, daß diese Botschaft den Aposteln gebracht werden sollte und daß es heute uns mitgeteilt würde und auch wir Anteil daran hätten. Und in der Tat, wenn das nicht wäre, was hätten wir von dieser Auferstehungsgeschichte? Aber wenn uns berichtet wird, daß Gottes Sohn auf diese Art sich offenbarte und daß er ausdrücklich gewollt hat, der Ertrag dieses Geschehens sollte der ganzen Welt mitgeteilt werden, dann gewinnen wir mehr Geschmack daran. So wollen wir’s uns denn merken, unser Herr Jesus Christ hat gewollt, daß wir seiner Auferstehung versichert würden, weil all unsere Hoffnung auf Heil und Gerechtigkeit darin beschlossen ist, daß unser Herr Jesus wahrhaftig auferstanden ist. Nicht als hätte er uns nicht durch sein Leben und Sterben von allem Schmutz gereinigt, aber er durfte eben nicht in diesem schwachen Stande bleiben. Er mußte die Kraft seines heiligen Geistes zeigen und durch seine Auferstehung zum Sohn Gottes erklärt werden, wie St. Paul im 1. Kapitel des Römerbriefs wie auch an andern Stellen sagt. So dürfen wir also heute sicher sein, daß unser auferstandener Herr Jesus will, daß wir zu ihm kommen, und uns den Weg dazu gebahnt hat; und er wartet nicht, bis wir ihn suchen, sondern er hat schon vorgesorgt, daß wir durch die Botschaft des Evangeliums berufen würden und daß diese Botschaft aus dem Munde der von ihm erwählen Herolde erklinge. Darum sollen wir wissen, daß wir uns heut der Gerechtigkeit freuen dürfen, die wir in Jesus Christ haben und mit der wir zur himmlischen Gerechtigkeit gelangen sollen, weil er sich nicht von uns scheiden will. (…)“

Quelle: Mülhaupt, Erwin - Diener am Wort Gottes

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