Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 3.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 3.

V. 1. Und Josua machte sich frühe auf usw. Man muss festhalten, dass Josua, wie oben gesagt, erst am Tage nach der Rückkehr der Kundschafter aufgebrochen ist. Als er ihren Bericht angehört hatte, ließ er durch die Hauptleute den Befehl geben, all ihr Hab und Gut einzupacken, weil sie drei Tage darauf über den Jordan gehen sollten. Dass er sich frühe aufmacht, geschieht zur Bekanntmachung des Befehls. Als der dritte Tag geendet hatte, wurden die Hauptleute wiederum durch das ganze Lager gesandt, um das Volk über die Art und Weise des bevorstehenden Übergangs zu belehren. Zwar wird das alles nur stückweise erzählt, doch lässt sich daraus ein zusammenhängender Bericht herstellen. Wenn es nicht vorher bekannt wurde, auf welche Weise ein Weg für das Volk sich öffnen würde, so hätte die große Volksmenge, die sich dort am Ufer ausgebreitet hatte, Anlass zum Murren gehabt. Zwar ließ sich der Jordan durch Furten überschreiten, aber damals war sein Wasser sehr gestiegen und über die Ufer getreten. Daher hätten seine Fluten sogar unbehinderten Menschen ohne Gepäck den Übergang unmöglich machen können. So war keine Hoffnung vorhanden, die Weiber und Kinder, das Vieh und das Gepäck aufs andere Ufer hinüber zu schaffen. Da hätten sie wohl Grund gehabt, kleinmütig zu verzagen. Ihr Glaubensgehorsam aber, mit dem sie ruhig einen ihnen noch unklaren und unbegreiflichen Ausweg erwarten, zeigt, wie verschieden sie waren von ihren Vätern, die schon bei den geringsten Anlässen sich gegen Gott und Mose auflehnten. Solche Veränderung kam nicht ohne besondere Wirkung des göttlichen Geistes zustande.

V. 2. Nach dreien Tagen aber usw. Gerechnet wird von dem Befehl zum Aufbruch an. Denn sie blieben am Ufer nicht länger als eine Nacht. Aber weil die Zeit von drei Tagen bis zum Übergang festgesetzt worden war und sie alle Hoffnung verloren hatten, so ermuntert sie Josua nur, dass sie bei der Überwindung aller Schwierigkeiten auf Gottes Macht aufmerksam achten sollten. Was für ein Wunder geschehen sollte, wird noch nicht gesagt; aber weil die Bundeslade wie ein Feldzeichen an der Spitze des Zuges vorangeführt wurde, so war daraus zu ersehen, dass Gott etwas Ungewöhnliches vorbereitete. Während sie so in Spannung gehalten werden, wird ihr Glaube wiederum durch eine neue Prüfung bewährt. Denn es ist ein Beweis für ihre besondere Entschlossenheit, dass sie diesem Befehle so ohne weiteres gehorchen und der Lade folgen, obwohl sie noch nicht wissen, welchen Erfolg sie zu erwarten haben. Rechter Glaube zeigt sich vor allem darin, dass man nicht neugierig fragt, was Gott tun werde, und nicht lang und breit darüber verhandelt, wie seine Verheißungen in Erfüllung gehen können, sondern dass man alle quälenden Sorgen seiner Fürsorge überlässt. Weil seine Macht unermesslich ist, sollen auch wir uns auf sie verlassen, sollen unseren Sinn nach oben richten und im Glauben ergreifen, was wir mit der Vernunft nicht fassen können.

V. 4. Doch dass zwischen euch und ihr Raum sei usw. Schon den Leviten, deren Auftrag es war, die Lade zu tragen, war es streng untersagt, sie zu berühren oder auch nur unverhüllt zu betrachten (4. Mo. 4, 15). Darum wundern wir uns nicht darüber, dass das Volk durch einen großen Zwischenraum von ihr ferngehalten werden muss. Es soll die Heiligkeit der Lade dadurch anerkennen, dass es aus respektvoller Entfernung ihr die gebührende Verehrung erweist. Wir wissen ja, wie es dem Usa erging (2. Sam. 6, 6), als er sah, wie die Rinder die Lade ins Wanken brachten, und in unbedachtem Eifer mit seiner Hand zugriff. Wenn Gott uns auch freundlich zu sich lädt, so dürfen wir doch nicht ohne Scheu allzu kühn werden, vielmehr soll unser Zutrauen immer mit Ehrfurcht verbunden sein. So war denn die Bundeslade zwar ein willkommenes Pfand göttlicher Gnade, dennoch blieb ihre Majestät ehrfurchtgebietend, um den Übermut der Menschen im Zaume zu halten. Diese Mahnung zur Zurückhaltung sollte auch den Glauben des Volkes stärken. Gottes Gnade ist eben nicht durch enge Grenzen eingeschränkt, und wenn auch die Bundeslade durch einen großen Abstand von ihnen entfernt war, so sollten sie doch wissen, dass trotzdem Gottes Kraft ihnen nahe sei. – Der Schluss des Verses zeigt die Notwendigkeit göttlicher Führung auf dem unbekannten Wege; Furcht und Angst sollte sie unter dem Schutz der Bundeslade zusammenhalten.

V. 5. Und Josua sprach zum Volk usw. Gott wollte durch seine Hilfe seine außerordentliche Macht beweisen, damit nicht unentschlossenes Zögern des Volkes Aufenthalt verursache. Die Israeliten sollten sich ganz allein von Gottes Ratschluss abhängig wissen. Darum lässt sie Josua im Unklaren über die Art des Wunders. Dadurch soll sich der Glaube bewähren, dass er sich gänzlich auf Gottes Ratschluss verlässt und nicht ängstlich fragt: wie soll das zugehen, und wie wird es enden? – Das Wort, welches wir übersetzen: Heiligt euch, könnte auch heißen: „Bereitet euch vor“. Beides würde gleicherweise passen. Die geforderte Vorbereitung würde darin bestehen, dass die Kinder Israel sich im Glauben rüsteten, Gottes wunderbares Wirken zu erleben. Dass sie sich „heiligen“, würde auf die feierlichen Weihehandlungen deuten, die stattzufinden pflegten, wenn Gott sich in besonderer Nähe offenbarte. So hat Mose auch das Volk auf Gottes Befehl geheiligt, als der Herr ihm sein Gesetz gab (2. Mo. 19, 10).

V. 6. Und zu den Priestern sprach er usw. Wahrscheinlich sind die Priester darüber belehrt worden, wozu Gott die Bundeslade voranziehen ließ. So sollten sie desto williger den Befehl ausführen. Das ganze Volk sah ja bald die Unterbrechung des Wasserlaufes. Schon vorher, als die Obersten im Lager verkündeten, das Volk solle der Lade des Bundes folgen, erkannten die Priester, welches Amt sie zu übernehmen hatten. Denn es war ihnen ausdrücklich gesagt worden, dass sie als Führer an der Spitze des Zuges voranziehen sollten. Als nun alle bereit waren, verkündigte Josua öffentlich die Verheißung, welche er empfangen hatte. Deutlicher hätte ihnen Gottes Gnade nicht gezeigt werden können. Kurz darauf wird vorausgesetzt, dass das Volk über das Wunder Bescheid wusste. Daher glaube ich, dass Gott zuerst Priester und Volk in Ungewissheit gelassen hatte; als er aber ihren Gehorsam erkannte, verkündigte er, was er zu tun beabsichtigte. Daher wird zuerst erzählt, dass Josua den Priestern den Befehl gab, die Lade vor dem Volke her zu tragen. Damit aber niemand glaube, dass er leichtsinnig und eigenwillig handle, wird die Verheißung, die er empfangen hatte, gleich daran angeschlossen. Nun wird zwar nicht ausdrücklich gesagt, dass Gott den Fluss in seinem Lauf aufhalten werde, doch darf man aus Josuas Rede an das Volk schließen, dass Gott ihm ausführlicher und genauer seine Absichten kundgetan habe. Was Josua sagt, hat er aus Gottes Munde vernommen; darum fordert er das Volk zuerst auf, Gottes Wort zu hören, und weist damit auf Gott als auf die Quelle seiner Offenbarungen hin.

V. 10. Dabei sollt ihr merken usw. Der Eindruck des Wunders sollte auch nach dem Einzuge in das Land nachwirken. Und mit Recht: jetzt öffnete sich den Israeliten ein Weg ins Feindesland ohne Rückzug; damit setzten sie geradezu ihr Leben aufs Spiel. Leicht hätten sie in den Schluchten des unbekannten Landes überfallen werden können, oder sie wären infolge von Hunger und Entbehrungen umgekommen. So sagt denn Josua jetzt schon im Voraus, wenn Gott den Fluss im Laufe aufhalte, das sei geradeso, wie wenn er die Hand ausrecke, um alle Bewohner des feindlichen Landes niederzuschlagen. Die Erweisung seiner Macht beim Jordanübergang sei ein Vorzeichen des Sieges über alle Völker. Daraus erkennt ihr, so sagt er, dass ein lebendiger Gott unter euch ist. Zu welchem Zweck? Nicht nur, damit ihr mit eurem Fuß das Land Kanaan betretet, sondern auch damit ihr euch seiner bemächtigt. Was von der Unterwerfung jener Völker gesagt ist, deutet auf einen ungestörten und unbeschränkten Besitz. Das Volk, das jetzt in der Zerteilung der Wasserfluten Gottes machtvolle Nähe erkennt, soll sich auch von der Hoffnung auf dauernden Besitz erfüllen lassen, als sähe es schon, wie die Feinde unterworfen und vernichtet werden. Gott wird doch das Werk seiner Hände nicht mitten im Laufe vor der Vollendung im Stiche lassen. Er bahnte hier einen trockenen Weg durch den Jordan, um die Seinen in das verheißene Erbteil einzuführen. Verkehrt wäre es nun, bei dieser augenblicklichen Tat stehen zu bleiben, statt von der Zukunft voll Vertrauen den ungestörten Besitz des Landes zu erhoffen. Dies Beispiel soll uns also lehren, mit klugem Sinn alle Wohltaten, die Gott zu unserm Heil tut, zusammenzuschauen: dann wird ein freudiger Anfang die Hoffnung auf glücklichen Ausgang in unserer Seele nähren und fördern. – Wenn Josua sagt, das Volk solle aus dem Wunder Gottes Anwesenheit erkennen, so liegt darin ein versteckter Tadel seines Unglaubens. Schon das einfache Versprechen Gottes hätte zur unerschütterlichen Gewissheit hinreichen müssen; wenn unser Glaube sich nicht darauf stützt, so muss er plötzlich wankend werden. Obgleich aber der Glaube eigentlich allein auf Gottes Wahrhaftigkeit ruhen soll, so kann doch die erfahrungsmäßige Erkenntnis zur Unterstützung und Stärkung seiner Schwachheit dienen. Was Gott verspricht, das bestätigt er durch die Erfahrung, und alle Beweise seiner Gnade und Macht, die wir erleben, müssen seine Worte besiegeln, um alle Zweifel zu zerstören.

V. 11. Siehe, die Lade des Bundes usw. Zuerst sagt Josua, die Lade werde voranziehen, dann setzt er auseinander, zu welchem Zweck das geschehe: nämlich damit der Jordan zurücktrete, gleich als wäre er durch den Anblick Gottes erschreckt, wie es im 114. Psalm dargestellt wird. Die Andeutung (V. 12) bezüglich der zwölf Männer nimmt kurz vorweg, was später ausführlicher behandelt wird. Jetzt müssen wir nur festhalten, dass die Lade vorauszog, weil Gott in der Lenkung des Volkes seine Macht zeigen wollte. Auf diese Weise wurde den Israeliten die Heiligkeit ihres gesetzmäßigen Gottesdienstes eingeschärft. Sie sahen nämlich, dass das Symbol seiner Nähe, welches der Herr in ihre Mitte gestellt hatte, nicht leerer Schein war. Die Offenbarung göttlicher Majestät sollte das Volk zum Gehorsam zwingen. Dabei wollen wir nicht vergessen, dass Gott seine Gnade aus dem Grunde durch die Bundeslade offenbarte, weil er dort die Tafeln seines Bundes aufgestellt hatte. Weil es aber schwer war, zu glauben, so lenkt Josua ihre Gedanken auf die Betrachtung der göttlichen Macht, welche alle Schwierigkeiten überwinden kann. Die Bezeichnung Gottes (V. 13) als des Herrschers über alle Welt ist nicht inhaltslos: sie erhebt seine Herrschaft über alle Elemente dieser Welt. Israel soll nicht daran zweifeln, dass auf den Wink des Herrschers über Meere und Flüsse selbst das von Natur fließende Wasser feststehen werde.

V. 15. Und an den Jordan kamen usw. Sehr lobenswert war die Entschlossenheit der Priester, mit der sie auch über das Ufer des Flussbettes hinaus unerschrocken vorwärts schritten, selbst in das Wasser hinein, obwohl sie fürchten mussten, augenblicklich unterzusinken. Was konnten sie denn anders erwarten, als dass sie beim Eintauchen ihrer Füße gleich einen tiefen Abgrund finden würden, der sie verschlungen hätte? Sie schraken aber nicht zurück, als sie an den Fluss kamen, sondern strebten vielmehr mutig dem ihnen angegebenen Ziele zu; dadurch bewiesen sie ihren außerordentlichen Eifer und ihr festes Vertrauen. Besonders groß wurde die Versuchung dadurch, dass der Jordan damals ausgetreten war, wie jedes Jahr im Anfang des Sommers. Da konnte man auf der weiten Wasserfläche die Uferlinie nicht erkennen und auch keine Furt finden. Die weit ausgebreitete Überschwemmung vergrößerte noch die Furcht und Sorge. Gott wollte solchen Hindernissen gegenüber sein Volk und besonders die Priester zu der Gewissheit führen, dass Glaube und Standhaftigkeit ihnen zu herrlichen Siegen verhelfen würden. Zugleich wollte er durch diese Schwierigkeiten die Herrlichkeit seiner Wundertat noch vergrößern; denn auf seinen Befehl mussten die über die Ufer gestiegenen Wasserfluten zurückweichen und sich zu festen Massen aufhäufen. Zuerst legt nun der Bericht die äußere Erscheinung des Wunders dar, um allen Zweifel zu beseitigen. Sonst würden ruchlose Menschen eifrig nach anderen Erklärungen suchen, um Gottes Gnade dadurch in Schatten zu stellen. Es war ja möglich, dass die Wasserfluten für kurze Zeit zurückgehalten wurden und eine trockene Stelle erschien, oder dass sie ihren Lauf veränderten und anderswohin flossen. Dass aber Wassermassen in hohen Haufen festgestanden hätten, ist niemals weder durch Naturereignisse noch durch Zufall bewirkt worden. Aus diesem Grunde wird gesagt (V. 16), dass das Wasser, welches zuerst von oberhalb zufloss und flussabwärts einen beständigen Abfluss fand, jetzt festgestanden habe. Ohne Zweifel hat dieses unglaubliche Schauspiel große Bestürzung erregt. Dadurch sollten die Israeliten desto klarer einsehen, dass sie mitten in Todesgefahr doch errettet würden. Was waren denn jene aufgetürmten Wassermassen anders als ein Grab, um diese große Menschenmenge zu begraben, wenn das Wasser seiner Natur entsprechend flüssig geworden wäre? Wären sie über das Wasser gewandelt, so hätte ihr Glaube ihnen die Brücke geschlagen. Nun aber, da die Wasserberge über ihren Häuptern drohen, ist es gerade, als fänden sie unter dem Wasser hier einen breiten freien Weg. Als Ort dieses Wunders werden zwei Städte genannt, damit das Andenken daran niemals verschwinde. Deshalb ließ Gott auch aus Steinen ein bleibendes Denkmal aufrichten, damit die Nachkommen aller Zeiten seine herrliche Wohltat preisen sollten.

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