Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 23.

Calvin, Jean - Das Buch Josua – Kapitel 23.

In feierlicher Rede ermahnt Josua kurz vor seinem Tode das Volk zur Heilighaltung der Gottesverehrung. Die Ruhe und der Friede, den Israel unter den Kanaanitern genoss, war für sie eine außerordentliche Wohltat Gottes. Doch muss noch einmal wiederholt werden, dass ihre Trägheit sie noch immer unter den Feinden wohnen ließ, welche sie mit leichter Mühe hätten vertilgen können. Darum wird mit Recht Gottes Geduld rühmend hervorgehoben, mit der er ihre Undankbarkeit verzieh. Josuas Unruhe und Besorgtheit mag allen denen vorbildlich sein, die anderen vorgesetzt sind. Ein Familienvater hat doch damit noch nicht genug getan, dass er für die Wohnung seiner Kinder sorgte bis zu seinem Tode, ohne darüber hinaus schon Fürsorge zu treffen, soweit es ihm möglich ist. Gute Regenten und Herrscher sollen darauf bedacht sein, dass der gute Zustand, in welchem sie alles zurücklassen müssen, auch für die Zukunft möglichst gesichert und befestigt werde. So schreibt Petrus (2. Petr. 1, 15), er bemühe sich, dafür zu sorgen, dass die Gemeinde nach seinem Abscheiden von dieser Welt seine Ermahnungen nicht vergesse und dann noch Frucht davon gewinnen möge. Wenn es hier heißt, Josua habe das ganze Volk Israel gerufen, und bald darauf nur die Ältesten, Häupter, Richter und Vorsteher genannt werden, so ist das so zu verstehen, dass es allen freistand, sich zu beteiligen, dass aber die Obersten und Vorsteher kommen mussten. Das ganze Volk konnte man ja unmöglich zusammenrufen. – Aus unserem Bericht könnte man vielleicht auf eine doppelte Rede Josuas schließen (23, 2 ff.; 24, 1 ff.). Ich glaube jedoch, dass es nur eine Rede war, von welcher der Geschichtsschreiber zuerst den Hauptinhalt kurz mitteilte, um dann noch weiter auszuführen, was er übergangen hatte. In kurzen Worten ermahnt Josua das Volk zu festem Vertrauen auf Gottes unermüdliche und beständige Güte. Da sie ja Gottes Wahrhaftigkeit in allen Dingen erprobt hatten, so durften sie, ohne zu zweifeln, auch für die Zukunft ähnliche Erfolge bei der Überwindung der Feinde erhoffen. Die Verlosung, durch die er ihnen das Land verteilt hatte, war ja ein Pfand, das den sicheren Besitz garantierte. Denn nicht nach Josuas Willkür, sondern nach Gottes Befehl hatte er jedem sein Gebiet zugewiesen.

V. 6. So seid denn ganz fest darin usw. Jetzt zeigt Josua den Kindern Israel den Weg zu weiteren Siegen: sie sollen statt fleischlicher Sicherheit guten Grund zu wahrer Zuversicht haben. So verheißt er ihnen Gottes Gnade und einen günstigen Fortgang aller ihrer Unternehmungen, wenn sie im Gehorsam gegen das Gesetz beharren. Die Heuchler wollen auf Gottes Hilfe nicht verzichten, obwohl sie seiner in frecher Sicherheit spotten: sie rühmen sich mit vollen Backen seiner Verheißungen, womit sie ihn doch nur schmähen. Wahrer Glaube erhält dagegen den Menschen in rechter Gottesfurcht und verlässt sich dann auf Gott. Gott finden wir nur, wenn wir ihn eifrig suchen; und wenn wir wünschen, dass er auf uns achte, müssen wir uns davor hüten, ihm den Rücken zuzuwenden. Dass die Kinder Israel „ganz fest“ sein sollen, fordert von ihnen ein sehr ernstliches Streben: denn bei unserer großen Schwachheit wird niemand sich völlig für den Gehorsam gegen Gottes Gesetz zur Verfügung stellen, der sich nicht über seine Kraft anstrengt. Bemerkenswert ist auch die Beschreibung des wahren Gehorsams, die hier nach 5. Mo. 5, 29 wiederholt wird: weicht weder zur Rechten noch zur Linken.

V. 7. Auf dass ihr nicht unter diese Völker kommt. Nur dann können die Israeliten ihre Pflicht recht erfüllen, wenn sie sich vor jeglicher Verführung hüten. Diese Ermahnung war sehr nötig. Sie waren ja auf allen Seiten umgeben von den Schlingen des Satans, und wir wissen ja, wie sehr sie zur Abgötterei neigten. Darum verbietet Josua ihnen, sich nicht durch engeren Verkehr in die Gräuel der Heiden zu verwickeln. Denn dass sie nicht „unter diese Völker kommen“ sollen, hat etwa den gleichen Sinn, wie die Warnung des Paulus (2. Kor. 6, 14): „Zieht nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen.“ So wird Israel erstlich von allem ferngehalten, was zum Götzendienst locken und verführen könnte; sodann bezeugt Josua seinen Abscheu vor dem Götzendienst selbst. Dabei spricht er nicht im Einzelnen von bestimmten Betätigungen des Götzendienstes, weder von Kniebeugungen noch von Opfern, - sondern er schließt alles Derartige insgesamt mit den Worten aus: gedenkt nicht, noch schwört bei dem Namen ihrer Götter. Wir schließen daraus, dass man dem Herrn seine Ehre raubt, wenn man von dem, was er für sich beansprucht, auch nur ein Tüttelchen auf die Götzen überträgt. Daher zieht Josua den Schluss (V. 8), dass es gilt, dem Herrn allein anzuhangen, d. h. sich ihm gänzlich zu übergeben.

V. 9. Der Herr hat vor euch vertrieben usw. Diese Erinnerung will etwa einprägen: wenn ihr nicht untreu werdet, wird noch weniger Gott euch verlassen. So dürfen sich die Kinder Israel Sieg auf Sieg versprechen, wenn sie nur in der Gnade Gottes bleiben. So wert und teuer ihnen also ihr Leben ist, so sehr sollen sie darauf bedacht sein, Gott zu lieben. Aus dieser Quelle fließt dann der rechte Gehorsam: denn eine äußere Beobachtung des göttlichen Gesetzes ohne freudige und freiwillige Hingabe des Herzens an Gottes Dienst hat keinen Wert.

V. 12. Denn wo ihr euch umwendet usw. An die Ermahnung fügt Josua noch eine Drohung: wenn Gottes Güte die Kinder Israel nicht genugsam rührt, soll Furcht sie zur Pflichttreue treiben. Es ist schändlich, dass die Menschen, die Gott freundlich einlädt, ihm nicht gleich bereitwillig gehorchen. Doch so ist des Fleisches Trägheit: es muss immer erst durch Drohungen angestachelt werden. Es ist nicht das erste Mal, dass den Israeliten gedroht wird, die Kanaaniter würden Stacheln für ihre Seiten und Dornen für ihre Augen sein, wenn sie sich mit ihnen einließen (4. Mo. 33, 55). Das von Gott geheiligte Land wollte er auch von aller Befleckung reinigen. Auch wollte er sein Volk vor der Gefahr der Verführung durch böses Beispiel bewahren. Das Volk fragte nicht viel danach, ob das Land durch die Abgötterei entheiligt würde, wenn darin Götzen statt des einigen wahren Gottes verehrt würden. Auch neigte es nur allzu sehr zu derartigen Lastern. So war es der gerechte Lohn für die schwere Verachtung Gottes, wenn sie durch eben diese Völker, denen sie Schonung gewährt hatten, belästigt und beunruhigt werden sollten. Das Richterbuch zeigt zur Genüge, wie sehr die Drohung Moses und Josuas in Erfüllung ging. Gegenwärtig aber war die Androhung göttlicher Strafe nicht ganz erfolglos; denn gleich nach Josuas Tode greift Israel zu den Waffen. Doch war der Kampfeseifer schnell verflogen, und kurz darauf beteiligten sie sich an den schändlichen Opfern der Heiden. Es zeigt es darin, wie maßlos und zügellos die Menschen zu sündhafter Verkehrung der Religion neigen. Inwiefern gilt nun dieser den Kindern Israel gegebene Auftrag auch für uns? Wir Kinder des neuen Bundes haben kein bestimmtes Land, aus welchem wir alle Gottlosen auszutilgen hätten. Wir sollen uns aber davor hüten, dass nicht ein naher Verkehr mit Gottlosen uns in ihre Freveltaten hereinziehe. Wenn wir uns mutwillig unter sie mischen, werden wir uns kaum von befleckender Ansteckung frei halten können.

V. 14. Siehe, ich gehe heute dahin usw. Da es allen Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben (Hebr. 9, 27), so weist Josua jetzt auf den ihm bevorstehenden Ausgang aus diesem Leben hin. Er will damit das Volk trösten, damit es sich nicht einem maßlosen Schmerz über den Verlust hingebe, wenn er von ihnen gerissen wird. Sicherlich wäre das verwaiste, seines Hauptes beraubte Volk von großer Sehnsucht ergriffen worden. Nun sollen sie, da Josuas Lebenslauf beendet ist, nicht erwarten, dass es ihm anders als den übrigen Gliedern des Menschengeschlechtes ergehe. Damit sagt er nicht, dass alle auf dieselbe Weise sterben. Der unvergängliche Same des himmlischen Lebens unterscheidet auch im Sterben den Gläubigen vom Ungläubigen. Er weist nur auf das gemeinsame Los aller hin, dass sie nach beendetem Lebenslauf aus dieser Welt auswandern müssen.

Mit einem Hinweis auf Gottes Wohltaten und die Erfüllung seiner Verheißungen, sie seine Wahrhaftigkeit bezeugt, schließt er, ohne dadurch seinen Drohungen ihre Kraft zu rauben, nach welchen Gott jede Entweihung strafen wird.

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