Calvin, Jean - An Nicolaus Radziwil, Pfalzgrafen von Wilna.

Nr. 687 (C. R. – 3565)

Calvin, Jean - An Nicolaus Radziwil, Pfalzgrafen von Wilna.

Für die Widmung des Kommentars zur Apostelgeschichte (vgl. 634) sandte Fürst Radziwil Calvin einen Pelzmantel und ein linnenes Handtuch, eine Arbeit aus dem Frauengemach der Fürstin; dabei aber verteidigte er den angegriffenen Blandrata warm und bat Calvin, sich mit ihm auszusöhnen. Der Brief ist einer der wenigen lateinischen, in denen der Adressat nicht mit du angeredet ist.

Rechtfertigung des Angriffs auf Blandrata.

Wenn es mir auch als Zeugnis Ihres Wohlwollens, Durchlaucht, nicht anders als lieb sein kann, dass Sie mir so freundlich zu schreiben geruhten, so wäre mir doch Ihr Brief noch weit angenehmer gewesen, wenn Sie mir darin kundgetan hätten, meine durch die Widmung ausgedrückte Ergebenheit habe Ihnen gefallen, als nun, da ich aus Ihrer Antwort merke, dass meine Widmung in Ihrer Erinnerung zur schweren Beleidigung geworden ist. Sie werfen mir vor, dass ich Ihren ausgezeichneten Freund und allerliebsten Gevatter, Giorgio Blandrata, etwas hart drannahm; für diesen persönlichen Verstoß könnte ich mich ja leicht und gut damit entschuldigen, dass ich von einer solchen Freundschaft nichts ahnte. Ich hätte sicher nie gedacht, dass ein nichtswürdiger Mensch bei Ihnen so hoch im Ansehen stünde, und da es mein Wunsch ist, dass Sie ebenso sehr durch herrlichen Ruhm als an Macht und Würden groß wären, so tut es mir nicht wenig leid, dass er sich auf ungeraden Wegen in Ihre Gunst eingeschlichen hat. Hätte ich glauben können, dass ein Mensch, dessen Gottlosigkeit mir bekannt ist, Ihr Vertrauter sei, so hätte ich mich sicher mit einer nichtöffentlichen Mahnung begnügt und sie an Ihre Person allein gerichtet. Aber um der andern willen glaubte ich ihn vielmehr öffentlich drannehmen zu müssen, damit sich alle vor dieser gefährlichen Pest hüteten. So fällt der Hauptgrund Ihrer Entrüstung dahin; denn nichts hatte ich weniger im Sinn, als indirekt Ihren guten Ruf zu verletzen; denn ich glaubte von einem Mann zu reden, der Ihnen ganz unbekannt, oder doch wenigstens durch kein Freundschafts- und Verwandtschaftsband mit Ihnen verknüpft sei. Nun ist er aber Ihr Freund. Aber doch wohl nicht mehr, als Judas es Christo war? Wenn wir nun den Jünger Christi nicht schonen, sondern ihn wegen seiner Treulosigkeit allen als abschreckendes Beispiel hinstellen, so verdienen doch die Freunde der Fürsten nicht mehr Nachsicht. Damit aber nicht ein zu langer Brief Sie verdrieße, habe ich einen kurzen Abriss der Geschichte Blandratas verfasst, aus dem Ihre Hoheit leicht erkennen kann, ob ich mit Recht oder Unrecht sein verborgenes Gift aufdeckte, damit er sich nicht noch länger heimlich ausbreite und viele in Polen anstecke. Weder persönlicher Hass, noch Neid, noch Eifersucht haben mich getrieben, die Schande eines dunkeln Gesellen aufzudecken, sondern ich tat es nur, weil ichs für Unrecht hielt, meine lieben Brüder durch mein Schweigen zu verraten. Zeigt er Reue, so solls nicht an mir liegen, wenn nicht sofort die Erinnerung an alles Frühere begraben wird; wenn er aber hartnäckig weiter behauptet, ihm sei Unrecht geschehen, was bleibt mir dann anderes übrig, als ihn für einen verstockten Ketzer zu halten? So wünschenswert es mir auch bei meiner Ergebenheit gegen Sie wäre, Ihnen willfahren zu können, so möchte ich doch Ihre Exzellenz gebeten haben, sich vor allem zu hüten, dass nicht durch Ihr Ansehen dieser Blandrata sich den Zutritt in Polen erzwinge. Ein anderes Mittel sehe ich nicht, aber vielleicht verdrießt es Sie nicht, Ihre Ansicht über ihn zu ändern, wenn Sie über den ganzen Zusammenhang unterrichtet sind. Wollen Sie mir keinen Glauben schenken, so verdient doch das Zeugnis der hiesigen italienischen Gemeinde und das des Herrn Pietro Martire solchen.

Doch genug davon. Ganz Polen und besonders Litauen gratuliere ich dazu, dass der reine Glaube immer größere Fortschritte macht und das Reich Christi durch neuen Zuwachs sich in jeder Richtung ausbreitet. Auch das ist eine nicht zu verachtende Mehrung meiner Freude, dass ich höre, mit dem Bekenntnis des Evangeliums werde auch die Kirchenzucht verbunden. Nicht umsonst pflege ich die Kirchenzucht die Muskulatur der Kirche zu nennen; denn da der menschliche Charakter nur allzu sehr zu Leichtsinn, Wollust und Frechheit neigt, so wird die Menge, wenn sie nicht im Zaum gehalten wird, üppig und unbändig. Eins wünsche ich noch: in Zukunft sollte dafür gesorgt werden, dass die Gemeinden nicht ihrer Pfarrer beraubt und entblößt bleiben und so rasch zu Grunde gehen. Schulen sind nun einmal die Pflanzstätten für Pfarrer und werden mit Recht für Schatzkammern der himmlischen Lehre gehalten. Umso mehr muss man sich mühen, dass möglichst viele junge Leute sowohl in der Theologie als auch in aller guten Wissenschaft unterwiesen werden, und es wäre für Ihre Freigebigkeit die edelste Aufgabe, durch Ihr Beispiel auch andere anzuspornen. Für Ihr Geschenk danke ich Ihnen bestens; ich wollte es in mehr Worten tun, wenn ich nicht dächte, Sie begnügten sich mit meiner aufrichtigen Gesinnung. Um nun zu schließen, bitte ich Gott inständig, er wolle Ihre Hoheit mit seinem Geiste lenken, gesund erhalten und mehr und mehr mit seinen Geistesgaben erleuchten und bereichern. Auch Ihrer Durchlaucht der Fürstin lasse ich mich ergebenst empfehlen.

Genf, 9. Oktober 1561.

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