Calvin, Jean - An Pfarrer Hans Lening.

Nr. 657 (C. R. – 3360)

Calvin, Jean - An Pfarrer Hans Lening.

Der 70 – jährige Pfarrer Lening gibt in seinem Brief, in dem er Calvin ängstlich vor den Intrigen des Savoyers warnt, seinen Wohnort nicht an; da er sich aber auf Bullinger beruft, so ist seine Gemeinde wohl in der Ostschweiz zu suchen. Die Niederlagen, die verschiedene militärische Bekehrungsexpeditionen durch die piemontesischen Waldenser erlitten, zwangen den Savoyer, ihnen 1561 beschränkte Religionsfreiheit zuzugestehen.

Von den Plänen und Niederlagen des Savoyers.

Da dein Brief, von Herzen verehrter Bruder, bezeugt, wie dich die Lage Genfs beschäftigt und wie besorgt du um unsrer Gefahren willen bist, so kann ich dir nur für dieses fromme, brüderliche Interesse danken. Was du meldest, haben wir früher schon mehr als genug erfahren. Denn es war klar, worauf es mit dem heimlichen Bündnis, das sich der Savoyer viel Geld kosten ließ, abgesehen war. Zuerst hatte er sich freilich öfters mit der ganzen Eidgenossenschaft verbünden wollen. Weil er das nicht erreichte, machte er sich an die Fünförtigen; schließlich zog er noch die Solothurner und Freiburger heran. Nicht weil er hoffen durfte, dass sie offen und absichtlich gegen Genf zu den Waffen griffen, sondern weil er vorhatte, wenn die Schweizer durch inneren Zwist nach seinem Plane beschäftigt wären, unversehens uns anzugreifen, da wir ihm dann so gut wie preisgegeben wären; denn darauf ruhte seine Siegeszuversicht, dass dann von unsern Verbündeten, den Bernern, keine Hilfe kommen konnte. Dass nun der Zwist unter den Eidgenossen geschlichtet ist, hat ihn enttäuscht. Dazu kommt, dass ihn Gott selbst anderswohin zieht. Denn seine eignen Untertanen in den Alpentälern, die er neulich noch wegen ihres evangelischen Bekenntnisses ausplündern und grausam verfolgen ließ, fielen trotzdem nicht vom wahren Glauben ab. So sandte er wieder einige Kompanien Militär gegen sie, und nun begannen die armen Leute, zur Verzweiflung getrieben, sich zu verteidigen und sich gegen die Gewalttaten des Tyrannen zu wehren. Sie waren nämlich ihrer Habe beraubt, ihre Häuser verbrannt worden; sie selbst hatten sich mit Weib und Kindern in die Wälder geflüchtet. Nun fassten sie Mut und haben schon bei zwei oder drei Zusammenstößen mit solchem Glück gefochten, dass die Truppen des Savoyers vernichtet sind. Noch mehr wird er von anderer Seite bedrängt. Denn die türkische Flotte naht wieder, die er von dem zu seinem Gebiet gehörenden Hafen Nizza nicht abwehren kann; letzten Sommer ist er dort beinahe selbst gefangen worden. Seine Begleiter sind tatsächlich teils getötet, teils gefangen, teils weggeschleppt worden; er selbst entwischte mit wenigen anderen voll Angst zu seiner großen Schande. Dazu kommt, dass er höchst geldbedürftig, aber schon so mit Schulden überhäuft ist, dass er niemand mehr findet, der ihm leihen will. So bläst Gott die Pläne der Gottlosen wie Nebel auseinander. Wir haben uns jetzt nur noch vor Hinterlist zu hüten, da von offener Gewalt eben jetzt anscheinend nichts zu befürchten ist, und wir hoffen, dass Gott auch fernerhin der ständige Schirmherr dieser unschuldigen Stadt sein werde, die er bis dahin behütet hat. Lebwohl, bester Bruder. Viret lässt dich vielmals grüßen. Ich will den Vater unseres Herrn Jesu Christi bitten, dass er dich leite mit seinem Geiste und dich aufrecht halte mit seiner Kraft bis ans Ende.

Genf, 14. März 1561.

Dein

Johannes Calvin.

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