Calvin, Jean - An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 620 (C. R. – 3174)

Calvin, Jean - An Johann Sturm in Straßburg.

Unter dem protestantischen Adel Frankreichs bildete sich eine Verschwörung, um den jungen König der Gewalt der Guisen zu entreißen; der Hof, der in Amboise residierte, sollte unter der Führung eines Sieur Godefroy de La Renaudie überfallen und der Herzog de Guise (im Briefe Antonius genannt) getötet werden. Calvin war angefragt worden und hatte von jeder Gewalttat abgeraten, aber das Geheimnis gewahrt. Am 17. März schlugen die Verschwörer los doch misslang der Anschlag und de La Renaudie fiel im Kampfe. In der Provence hatten sich die Evangelischen in mehreren Städten mit Gewalt der Kirchen bemächtigt.

Die Verschwörung von Amboise.

Weil seit ganzen anderthalb Monaten zwar große, wichtige Dinge im Gange sind, aber doch bei dem ganz unklaren Durcheinander nichts zu berichten ist, so trug ich Bedenken, schon zu schreiben. Auch jetzt schäme ich mich fast, einen inhaltlosen Brief zu schicken, weil ich bei der Menge des Stoffes nicht weiß, wo anfangen, noch aufhören. Als mich die ersten Befürworter des Planes gleich anfangs um Rat fragten, antwortete ich freimütig, schon die ganze Art eines solchen Vorgehens gefalle mir nicht, noch weniger könne ich es im vorliegenden Falle billigen. Den törichten Plan haben sie nun auch noch geradezu knabenhaft ungeschickt angefasst. Nun ärgert mich ihre Trägheit; die Ausführung war beschlossen vor dem 15. März, und nun weiß ich, dass fünf Tage nachher noch nichts versucht worden ist. Jeden Moment erwarten wir nun die Nachricht, dass ihre großartigen Pläne fehlgegangen sind. Du hast recht, die Hauptsache wäre gewesen, den Antonius zu vernichten; aber ich fürchte, selbst unter den Führern, die sich als die Beherztesten ausgeben, haben einige die unpassende Neigung, seine Gunst zu erhaschen. Gewiss wird vor drei Tagen irgendetwas entdeckt. Indessen haben in mehreren Städten der Provence die guten Leute mehr gewagt, als ich wollte. Ich hatte ihnen den Rat gegeben, vor der Reinigung des Hofes nicht an die Öffentlichkeit zu treten; nun wird ihre Übereilung noch größere Unruhen hervorrufen. Die Erschütterung von ganz Europa, die mir schon längst ahnte, steht mir nun sozusagen vor Augen. Aber so unentschlossen machen mich die Verhältnisse nicht, dass ich mich nicht gern zum Reisen rüstete, wenn es sein muss. Verzeih, dass mein Brief so kurz und inhaltlos ist. Ereignet sich etwas Wissenswertes, so will ich die Kosten nicht sparen, das mir Erfolg begonnene fortzuführen, oder wenns ein Unglück ist, ihm entgegenzutreten und Abhilfe zu suchen. Dir will ich rechtzeitig von allem berichten, und wenn es nötig ist, selbst rasch kommen. Lebwohl, hochberühmter, verehrter Mann.

23. März 1560.

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