Calvin, Jean - An Johann Sturm in Straßburg.

Nr. 607 (C. R. – 3095)

Calvin, Jean - An Johann Sturm in Straßburg.

Anfangs Juli war König Heinrich II. an den Folgen einer Verletzung beim Turnier gestorben; sein ältester Sohn, Franz II., war erst sechzehnjährig und bedurfte der Lenkung; es war nun die Frage, wer diese in die Hand nehmen werde: die Guisen, die durch die Verlobung des Königs mit ihrer Nichte, Maria Stuart, dem Hofe nahe standen, oder der König von Navarra, Antoine de Bourbon. Die Evangelischen wünschten natürlich letzteres, und Sturm hatte mit Calvin, offenbar durch Hotman, verhandelt, wie der König von Navarra dazu zu bewegen sei; Calvins Unterhändler bei Varanna (= Navarra) war Francois de Morel, der Pariser Pfarrer. Wer der „Eurige“ ist, der hinter den Straßburgern steht, ist nicht zu ermitteln; vielleicht der Pfalzgraf. Auf „sie“, d. h. die Königin-Mutter, Katharina von Medici, hatten die Evangelischen anfänglich einige Hoffnung gesetzt.

Politische Intrigen nach dem Tode Heinrichs II.

Weder Trägheit, noch Sorglosigkeit, noch Sparsamkeit ist daran schuld, dass ich seit Herrn Hotmans Abreise über die begonnene Verhandlung kein Wort gemeldet habe; vielmehr ließ mich nur der Mangel an Nachricht schweigen, denn ich schämte mich, einen nichts sagenden, inhaltlosen Brief zu senden. Seither kommen täglich neue, sich widersprechende Gerüchte von Varanna hierher. Gewiss schon mehr als zehnmal ist mir gemeldet worden, er werde morgen oder übermorgen am Hofe erwartet, während er tatsächlich noch mehr als sieben Tagereisen weit entfernt ist. Denn sobald man merkte, dass er die Reise angetreten, glaubte man, er werde sich möglichst beeilen, um sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen. Tatsächlich aber kriecht er geradezu und macht am Tag kaum mehr als vier französische Meilen. Du brauchst dich nicht zu wundern, warum ich bei solcher Ungewissheit ruhig geblieben sei; doch habe ich den, der den Auftrag hatte, mit Varanna zusammenzutreffen, scharf getadelt, weil er ihm nicht entgegengereist ist. Seine Antwort ist mir noch nicht zugekommen. Davon hängen aber heute größtenteils unsere Entschlüsse ab. Solange Heinrich lebte, war es besser, diesem Manne die Sache zu verheimlichen; nun aber, da durch seinen Tod die Lage sich geändert hat, müssen wir notwendig ein neues Verfahren wählen. Da ich ja aber nicht weiß, ob der Eurige noch auf seiner Meinung besteht, würde ich, ehe ich von seinem Willen benachrichtigt bin, nicht wagen vorzugehen, damit meine Emsigkeit nicht töricht oder allzu kühn erscheint. Übrigens wenn ich anfänglich der Meinung war, Varanna, dessen Leichtsinn mir verdächtig ist, sei ganz aus dem Spiele zu lassen, so ists doch heute, ich mag wollen oder nicht, unbedingt notwendig, zu wissen, was er im Sinne hat. Wäre er rechtzeitig an den Hof gekommen, wie man allgemein sicher von ihm erwartete, so hätte ich, durch seine Antwort längst unterrichtet darüber, was zu tun ist, keinen Augenblick gezögert; weil aber die Sendung eines Briefes unsicher war, wenn man nicht einen zuverlässigen Boten hatte, und man auch gar nicht wusste, wo man ihn finden könne, so durfte ich noch nicht handeln. Kommt Bericht, den zu erfahren in Eurem Interesse liegt, so will ich den Botenlohn nicht sparen. Die Guisen sind tollkühn, aber wie Verzweifelte. „Sie“ hat zwar den Unsern viel versprochen, hält aber nichts. So wird erst die Ankunft Varannas etwas Sicheres zu erkennen geben; vorher zu handeln wäre weder nützlich noch erlaubt. Ganz richtig sagst du von jenem Mann, er traue weder Gott noch Menschen; bei uns findest du solches Misstrauen nicht. Lebwohl, hochberühmter Mann. Der Herr leite, behüte und segne dich.

13. August 1559.

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