Calvin, Jean - An König Sigismund August von Polen.

Nr. 472 (C. R. – 2362)

Calvin, Jean - An König Sigismund August von Polen.

Vgl. 437. Eine besondere Empfehlung an den immerhin noch nicht evangelischen König war für Lismanino nötig, weil dieser auf Calvins Rat in Genf die Mönchskutte abgelegt und geheiratet hatte. Auf der Versammlung der polnischen Reichsstände zu Petrikow hatten die Landboten ein Nationalkonzil zur Reformation der Kirche verlangt, auf dem die Bischöfe keine Stimme haben sollten und zu dem Calvin, Beza, Melanchthon, Laski und de Quesnoy (vgl. 467) zu berufen seien.

Ansporn zu rechtem Reformationseifer. Empfehlung für Lismanino.

Wenn ich mich auch, edelster König, nicht wundere oder darüber aufhalte, dass Ew. Majestät damals, als die Versammlung der Reichsstände vorzubereiten war, durch eine solche Geschäftslast und viele wichtige Dinge davon abgehalten worden ist, in Muße meine Ermahnung durchzulesen, so habe ich doch das Vertrauen, dass sich Ew. Majestät, seit mehr Ruhe eingetreten ist, doch eine kleine Weile freier Zeit dazu genommen hat, so dass schließlich meine Arbeit doch nicht unnütz war. Denn aus dem Briefe, den mir Ew. Majestät zu schicken geruhte, sehe ich, dass mein Eifer Gnade gefunden hat und mein damaliges Schreiben, in dem ich kurz die beste Art einer Kirchenreform und den passendsten Anfang dazu darzustellen versuchte, nicht hochmütig und verächtlich verworfen worden ist. Ja, weil Ew. Majestät bezeugt, es freundlich aufgenommen und gerne durchgesehen zu haben, und die Absicht ausspricht, bei mehr Muße die Einzelheiten reiflich erwägen zu wollen, so scheint mir dies ein Anlass, mit noch größerm Vertrauen wiederum zu schreiben. Wenn ich also jetzt nochmals wage, Ew. Majestät zu ermuntern, so glaube ich nicht erst um Erlaubnis bitten zu müssen und halte eine lange Entschuldigung für unnötig. Zwar weiß ich wohl und denke stets daran, wie groß der Unterschied ist zwischen der Hoheit, zu der Gott einen großen König erhoben hat, und meiner geringen und niedrigen Stellung; weil aber Ew. Majestät wohl weiß, was das göttliche Wort bedeutet, das den Königen der Erde befiehlt, den Sohn Gottes zu küssen (Psalm 2, 12), und nicht im Unklaren darüber ist, dass der äußere Brauch des Küssens hier den Gehorsam im Glauben bezeichnet, der demütig auch Ermahnungen annimmt, die von Christi Mund und Geist ausgehen, so glaube ich, aller Furcht und Bedenklichkeit überhoben zu sein. Also ich, den der höchste König zum Verkündiger seines Evangeliums und zum Diener seiner Kirche eingesetzt hat, ermahne in seinem Namen Ew. Majestät, da bereits in Polen der wahre Glaube aus dem argen Dunkel des Papsttums aufzutauchen beginnt und viele fromme, herzhafte Leute die abergläubischen Frevel wegwerfen und frei nach einem reinen Gottesdienste trachten, die Sorge dafür allen übrigen voran zu stellen. Tatsächlich, so sehr die ewige Herrlichkeit Gottes den schattenhaften hinfälligen Zustand dieser Welt übertrifft, so sehr muss unser Eifer unter Hintansetzung alles andern sich vor allem auf den Schutz und die Erhaltung reiner, frommer Lehre richten. Dass Polen bisher, beschmutzt durch die Gräuel des Papsttums und seinen verderbten und verkehrten Gottesdienst, menschlichen Phantastereien gefolgt ist, dass es schließlich, ganz untergegangen in der Flut der Irrtümer, den Anblick des himmlischen Lichtes entbehren musste, das ist ein trauriges, klägliches Schauspiel gewesen. Jetzt aber, da der Herr beginnt, auch Polen von dem Wahnsinn und Taumel, der einst auf der ganzen Welt lag, frei zu machen, da muss auch Hoch und Niedrig aus der Erstarrung geweckt werden. Dürfen da die Könige säumen, die Gott zu hohem Rang erhoben hat, damit sie darin allem Volke voranleuchten? Wie viel uns nun die echte Religion gelten muss, durch die Christi Thron unter uns wieder errichtet wird, wie viel der richtige Kultus, in dem wir ein Sinnbild seiner Gegenwart und ein lebendig leuchtendes Bild von ihm haben, das versteht Ew. Majestät, auch wenn ich nichts darüber sage. Wenn uns zur Stärkung dieser Beziehung nicht allein schon Davids Beispiel genügt, so ist unsre Trägheit unerträglich. Denn obwohl die Väter Gott damals nur in unklaren Bildern in einem irdischen Heiligtum verehrten, so wird doch berichtet, dass David feierlich schwur: „Ich will meine Augen nicht schlafen lassen, noch meine Augenlider schlummern, noch in die Hütte meines Hauses gehen, bis ich eine Stätte finde für den Herrn, zur Wohnung dem Mächtigen Jakobs (Psalm 132, 3 – 5). Wenn diesen König schon die fromme Sorge um den gesetzlichen Gottesdienst nicht ruhen ließ, so dass er Tag und Nacht ebenso ängstlich wie eifrig danach trachtete, den rechten Standort für die Bundeslade zu finden, wie viel mehr muss nun der geistliche Gottesdienst erst den Eifer eines christlichen Königs in Anspruch nehmen und in ihm alle Lust entzünden, die herrliche Ehrenpflicht zu erfüllen und Christo die gebührende Stellung zu geben! Dazu kommt noch, dass David, wiewohl ihm die Ehre nicht zu Teil ward, einen Tempel zu bauen, doch nicht säumte, sein ganzes Leben hindurch Steine und Bauholz, Silber und Gold zu sammeln, damit sein Nachfolger Salomo, mit all diesen Vorräten ausgerüstet, sich unverzüglich und umso munterer an Werk machen könne. Um wie viel tapferer noch muss doch ein christlicher König alle seine Kräfte sammeln und brauchen zum Wiederaufbau des Tempels Gottes, damit der Gottesdienst nicht länger in Vergessenheit unter unschönen Trümmern daniederliege. Und wenn auch Hemmungen nie ganz fehlen, die solch frommes Streben aufhalten, so ist doch Ew. Majestät Lage eine viel bessere, als einst die der frommen Könige Hiskia und Josia, die einen schweren, harten Kampf mit dem Trotz des widerstrebenden Volkes zu bestehen hatten, da heute der Adel Polens zum großen Teil bereit und freudig ist, sich dem christlichen Glauben zu unterwerfen. Eine solche Hilfe muss einen herzhaften König so lebendig machen, dass er seinerseits nicht minder energisch seine Hand bietet. Er darf auch sein Ohr nicht solchen Schmeichelreden leihen, mittels deren der Satan durch weltlich gesinnte Menschen die Herzen vieler mit gefährlicher Kühle und feiger Gleichgültigkeit überströmt. Nein, weg mit aller Blasiertheit! mit Hand und Fuß ans herrliche Werk, besonders wo die Gelegenheit zum Handeln so offen liegt, damit nicht diese von Gott gegebene Gelegenheit versäumt wird und man dann umsonst vor der verschlossenen Türe steht!

Den guten Mann und treuen Diener Christi Francisco Lismanino habe ich deshalb, als er mich um Rat bat, veranlasst, gleich nach Polen zu reisen, da man ihn dort vielleicht brauchen könne; wenigstens habe ich seinen eignen frommen Sehnen gerne beigestimmt. Ich fürchte auch nicht, dass seine sozusagen vorzeitige Abreise Ew. Majestät missfalle, denn die Erfahrung wird zeigen, wie nützlich seine Gegenwart in mancher Beziehung sein wird. Wenn es nicht tunlich scheint, dass er gleich von Anfang offen vom König gebraucht wird, so ersuche ich Ew. Majestät doch im Namen Christi ergebenst und flehentlich, dem Mann von gutem Wandel sonst wie eine freie Bahn zu schaffen.

Unterdessen bitten wir ohne Unterlass, der Herr möge das Werk, das er in seiner wunderbaren Macht begonnen, glücklich zu Ende führen, Ew. Majestät mit Heldenmut ausrüsten und in vollem Glücke gesund erhalten.

Genf, am Tag vor dem Geburtstag des Herrn, von dem ich wünsche, wie Gott ihm die höchste Herrschaft verliehen, so ehrerbietig möge er in Ihrem Palaste aufgenommen und, wie es ihm zukommt, von allen verehrt werden.

1555.
Ew. Majestät ergebenster
Johannes Calvin.

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