Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (138)

Nr. 138 (C. R. – 664)

Calvin, Jean - An Bullinger in Zürich (138)

Graf Aimar de Grignan, der Gouverneur der Provence, und der Kardinal de Tournon waren die Urheber der Waldenser-Verfolgung.

Erneute Fürbitte für die Waldenser.

Soviel ich aus den Briefen unserer Freunde vernehme, fällt das, was ich mit deiner und aller guten Leute eifriger Hilfe erreicht hatte, für die Sendung einer Gesandtschaft nach Frankreich, in nichts zusammen, wenn man nicht nochmals auf die Sache dringt. Das haben die Leute, die vom König von Frankreich Pensionen beziehen, durch ihre Lügen also erreicht, dass die Waldenser, die um dessen willen, was sie mit uns gemein haben, grausam hingemordet werden, nicht einmal unsrer Barmherzigkeit wert erachtet werden. Schon damals in Aarau, als ich dabei war, merkte ich an deutlichen Anzeichen, dass einige uns gar nicht günstig gestimmt waren, oder wenigstens nicht gerade heiße Teilnahme zeigten, weil sie durch ungünstige Gerüchte voreingenommen waren. Man hatte aber einen ganz nichtigen Vorwurf erfunden, um die armen Waldenserbrüder zu beschuldigen. Nämlich, es sei deshalb so wider sie gewütet worden, weil sie sich weigerten, den Zehnten zu zahlen. Und doch ist ihnen das nicht einmal von ihren Feinden je vorgeworfen worden. Vielmehr ist bekannt genug, dass sie stets freiwillig versprochen haben, sie wollten den Priestern, obwohl sie nun nichts mehr bei ihnen zu tun hätten, ebensoviel geben, als sie zu fordern pflegten, solange sie noch ihre Amtshandlungen vollzogen. Denn die Waldenser hatten stets vorsichtige und bescheidene Leute und ließen sich durch deren vernünftige Ratschläge leiten. Du kannst dich also auf meine wahrhafte Angabe berufen und sagen, dass das durchaus nicht der Grund der entstandenen Verfolgung war. Selbst Grignan, der jetzt als Gesandter des französischen Königs zu Worms ist, hat nicht gewagt, diesen Vorwand zu brauchen, um Hass zu erregen [gegen die Waldenser]. Und wer hätte es besser als er wissen können, der durch seine Wortbrüchigkeit diesen ganzen Brand gestiftet hat? Denn als er aus der Provence, deren Gouverneur er war, vom König [nach Paris] berufen wurde, versprach er den Brüdern, er werde ihre Sache bei Hofe treulich führen. Aber da er sich dem Kardinal de Tournon gefällig zeigen wollte, um durch seine Protektion den Gesandtenposten zu bekommen, entflammte er den Sinn des Königs gegen die Waldenser zu bisher unerhörter Wut. Nun ist es der Mühe wert, zu erfahren, wie gegenwärtig die Sachen der frommen Brüder stehen. Der König hat, um die Deutschen zufrieden zu stellen, ihnen kürzlich geschrieben, er habe einen Kommissar in die Provence gesandt, um über den geschehenen Massenmord Untersuchung einzuleiten. Aber was darf man davon hoffen? Es ist niemand da der nur zu mucksen wagt, um die Lage der armen Brüder zu erleichtern. So wird ihre Sache unterdrückt liegen bleiben. Mehr als vierhundert werden jetzt noch in Fesseln gefangen gehalten. Denn selbst die untersten Räume der Galeeren sind noch voll Gefesselter. Alle Tage geschehen Einfälle aus der Grafschaft Avignon gegen die, die noch übrig geblieben sind. Wenngleich das nicht auf Befehl des Königs geschieht, so ist doch sicher, dass es mit seiner Erlaubnis geschieht. Denn er würde es nicht so ungestraft lassen, wenn er es nicht billigte. Auch würde sich der [päpstliche] Legat [zu Avignon] nicht so viel herausnehmen, wenn er nicht des Königs Gesinnung durchschaute. Wenn je vorher, so ists auch jetzt Zeit, Hilfe zu leisten. Die meisten sind geflüchtet, hier und dort zerstreut. Andere sind verborgen bei guten Leuten, die nicht zögerten, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um die Waldenser vom Tode zu retten; andere werden gefangen gehalten. Was der König verspricht, ist keine Rettung, nicht einmal Linderung des Elends, sondern eine Grube, um die zu vergraben, die von ihnen umgekommen sind. Soll denn so unschuldiges Blut vergossen werden, und wir sollen zusehen und ruhig bleiben? Soll die Wut der Gottlosen ungestraft über unsere Brüder hereinbrechen dürfen? Hält man denn Christus für einen Spaß? Wir sehen voraus, es wird so kommen, wenn du nicht von neuem dich anstrengst, zusammen mit den andern, denen das Reich Christi am Herzen liegt. Denn in Bern und Basel erkalten die Herzen, wie ich höre, wenn man sie nicht wieder erwärmt. Wir werden nicht aufhören dafür zu arbeiten. Bewirke du mit deinen Kollegen, dass Eure Obrigkeit die Angelegenheit ernstlich angreift. Lebwohl, hochberühmter Mann, hochverehrter Kollege und Freund. Grüße in meinem Namen die Herren Pellikan, Megander, Theodor [Bibliander], Gwalther, Collin und die andern ehrerbietig. Der Herr bewahre Euch alle lange gesund und leite Euch mit seinem Geist in Ewigkeit. Amen.

Genf, 24. Juli 1545.
Dein
Johannes Calvin.

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