Braitmichel, Kaspar - Die Entstehung der Täuferbewegung in Zürich

Braitmichel, Kaspar - Die Entstehung der Täuferbewegung in Zürich

(ca. 1565)

… In solchem Niedergang ist das Geschwür des römischen Hofes reif geworden. Durch Martin Luther aber, einen Augustinermönch, wurde es kundgetan und jedermann bekannt gemacht. Er fing aber an im 32. Jahr der Regierung Kaiser Maximilians I. zu Wittenberg in Sachsen die Leute mit seiner Lehre, aber auch durch Schriften, zu warnen, daß sie sich vor solcher Geldkrämerei und all dem anderen Betrug Babylons hüten sollten. Deshalb wurde er bald vom Papst gen Rom beordert. Gen Augsburg aber auf den Reichstag kam er vor den päpstlichen Legaten, stellte ihm schriftlich seine Meinung zu. Weil ihm nicht gleich eine Antwort ward, zog er auf den Rat seiner Gönner wieder an seinen Ort.

Als aber der Kaiser Maximilian am 12. Januar 1519 gestorben und Karl, der fünfte dieses Namens, zum Kaiser erwählt war, trat gleich um diese Zeit Ulrich Zwingli zu Zürich im Schweizerland auch hervor, das Papsttum zu stürmen und wider die Verwüstung und den Greuel Babyloniens, der schändlichen Hure, zu lehren und zu schreiben.

Diese beiden, Luther und Zwingli, haben alle Tücke und Büberei der päpstlichen Heiligkeit kundgemacht und an den Tag gebracht, gleich als wenn sie es mit Donnerschlägen alles zu Boden schlagen wollten. Aber sie haben demgegenüber nichts Besseres aufgerichtet, sondern, sobald sie sich an die weltliche Gewalt hängten und auf Menschenhilfe vertrösteten, war es mit ihnen nicht anders, als ob einer einen alten Kessel flickt, das Loch aber nur ärger wird. Sie haben ein großes freches Volk zu sündigen erzogen und „bei ihrem Tod“ hinter sich gelassen. Im Gleichnis gesprochen: Sie haben dem Papst den Krug aus der Hand geschlagen, die Scherben aber selbst darin behalten. Es muß jedoch so nach den Worten Christi gehen: Wer im Kleinen nicht treu ist, dem wird das Größere auch nicht anvertraut, sondern das, was er zu haben meint, wird ihm genommen (Luk. 8,18; 16,10; 19,17).

Diese zwei nun, deren Namen oben genannt wurden, bekamen bald sehr viele Anhänger, die ihre Lehre für die Wahrheit hielten. Einige von ihnen ließen dafür das Leben, ohn allen Zweifel die Seligkeit in Christus dort zu finden, wie man an den zwei Klosterknaben, Johannes [Esch] und Heinrich [Voss], die zu Brüssel im Niederland verbrannt wurden, gesehen hat Anno 1523.

Dergleichen am Kaspar Tauber, einem reichen Bürger zu Wien in Österreich, von seinen eigenen Mitbürgern um des Glaubens willen zu Feuer verurteilt und verbrannt Anno 1524.

Auch andere mehr, die sonst nicht bekannt sind, preisen wir nach der Lehre Christi (Jak. 5,11) selig, weil sie erduldet und einen guten Kampf gekämpft haben. Doch wie schön der Anfang auch war, sind sie bald des Sakraments halber in zwei ruchlose Völker zerteilt worden, das neue Babel damit zu offenbaren. Denn es wurde bei ihnen überhaupt keine Besserung des Lebens gespürt, nur ein stolzes, aufgeblasenes Wissen, andere zu verachten: Fleisch essen, Weiber nehmen, Papst, Mönche und Pfaffen (wie sie es auch wohl verdient haben) ausschelten war ihr höchster Gottesdienst. Der Luther mit seinem Gefolge lehrte und meinte, des Herrn Christi Leib sei dem Wesen nach im Brot des Abendmahls und es geschehe dadurch auch eine Vergebung der Sünden. Der Zwingli und die Seinen aber lehrten und hielten es für ein Gedächtnis und eine Erinnerung des Heils und der Gnaden Christi und nicht für ein Opfer um der Sünden willen, weil Christus das am Kreuz vollbracht habe. Alle beide aber waren Kindertäufer und ließen die rechte Taufe Christi fahren, die gewißlich das Kreuz mit sich bringt, folgten dem Papst nach mit der Kindertaufe, behielten von ihm den Bodensatz, die Hefe und die Ursache allen Übels, ja den Eingang und die Pforte in das falsche Christentum, so sehr sie den Papst auch sonst immer ausschalten und obgleich er die Kindertaufe so wenig aus der Heiligen Schrift her hat wie das Fegefeuer, die Messe, Heiligenanbetung, Ablaßbriefe und dergleichen.

Solche ihre Lehren verfechten und verteidigen sie „Luther und Zwingli“ mit dem Schwert, das sie in Wirklichkeit vom Vater und Haupt des Antichristen empfangen und gelernt haben, obgleich sie wissen, daß der Christen Ritterwaffen nicht fleischlich, sondern mächtig vor Gott sind, zu zerstören alle menschlichen Anschläge (2. Kor. 10,4 ff.). So ist der Glaube nicht zu erzwingen, sondern eine Gabe Gottes (Eph. 2,8 f.). Und Christus spricht zu seinen Jüngern (Mat. 16,24): „Will mir jemand nachfolgen (beachte: so jemand will und Lust hat), der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich.“ Er sagt nicht: „das Schwert; denn das hat überhaupt keinen Platz beim Kreuz; sie passen zusammen wie Christus und Pilatus; sie vertragen sich miteinander wie Wolf und Schaf in einem Stall.

Weil aber Gott ein Volk für sich, abgesondert von allen Völkern haben wollte, hat er den wahren rechten Morgenstern des Lichts seiner Wahrheit in vollstem Schein wieder hervorbringen wollen, im besten Alter dieser Welt, besonders in deutschen Nationen und Landen, dieselben mit seinem Wort heimzusuchen und den Grund göttlicher Wahrheit zu offenbaren. Damit sein heiliges Werk jedermann bekannt und offenbar würde, hob es sich im Schweizerland durch besonderes Erwecken und Wirken Gottes zuerst folgendermaßen an: Es begab sich, daß Ulrich Zwingli und Konrad Grebel, einer vom Adel, und Felix Mantz, alle drei sehr erfahrene und in deutscher, lateinischer, griechischer und auch hebräischer Sprache gelehrte Männer, zusammenkamen, anfingen, sich miteinander in Glaubenssachen zu besprechen, und erkannten, daß die Kindertaufe unnötig und auch nicht als Taufe anzuerkennen sei.

Die zwei aber, Konrad und Felix, erkannten und glaubten im Herrn, man müsse und solle nach christlicher Ordnung und nach Einsetzung des Herrn recht getauft werden, weil Christus selbst sagt: „Wer glaubt und getauft wird, der wird selig“ (Mk. 16,16). Da wollte Ulrich Zwingli (dem vor Christi Kreuz, Schmach und Verfolgung grauste) nicht und er gab vor, es würde ein Aufruhr entstehen. Die anderen zwei aber, Konrad und Felix, sprachen, man könne deswegen Gottes lauteren Befehl und seine Anordnung nicht liegen lassen. Mittlerweile begab es sich, daß einer von Chur zu ihnen kam, nämlich ein Pfaffe mit Namen Georg vom Hause Jakob, den man sonst Blaurock nannte. Denn als sie einmal ein Gespräch in einer Versammlung über Glaubensdinge hatten, da redete dieser Jörg vom Hause Jakob auch seine Erkenntnis dazu. Da fragte man, welcher jetzt geredet habe. Darauf sprach einer, der im blauen Rock habe geredet. So bekam er den Namen danach, weil er einen blauen Rock trug. Dieser Georg kam auch aus besonderem Eifer, den er hatte, ein schlichter, einfacher Pfaffe, wofür ihn jedermann hielt. Aber in Glaubenssachen und göttlichem Eifer, der ihm aus Gottes Gnade gegeben war, hat er wunderbar und männlich gehandelt im Werke der Wahrheit.

Der kam auch zuerst zum Zwingli und verhandelte und redete viel mit ihm von Glaubenssachen, erreichte aber nichts. Da ward ihm gesagt, daß andere Männer da seien, die eifriger seien als Zwingli. Nach diesen Männern fragte er fleißig und kam zu ihnen, nämlich zum Konrad Grebel und Felix Mantz, und redete mit ihnen und sprach sich über Glaubenssachen aus. Sie wurden darin miteinander auch eins und erkannten und fanden, daß man aus göttlichem Wort und aus der Predigt einen rechten in der Liebe tätigen Glauben erlernen und auf den erkannten und bekannten Glauben hin die rechte christliche Taufe (in Verbindung mit Gott) guten Gewissens empfangen müsse, um hinfort in aller Gottseligkeit eines heiligen christlichen Lebens Gott zu dienen, auch in der Trübsal beständig zu bleiben bis ans Ende.

Und es begab sich, daß sie beieinander waren, bis die Angst anfing und auf sie kam, ja, sie in ihren Herzen bedrängte. Da fingen sie an, ihre Knie zu beugen vor dem höchsten Gott im Himmel, und riefen ihn an als einen, der die Herzen kennt, und beteten, daß er ihnen geben möge, seinen göttlichen Willen zu tun, und daß er ihnen Barmherzigkeit erweisen möge. Denn Fleisch und Blut oder menschlicher Fürwitz haben sie gar nicht getrieben, weil sie wohl wußten, was sie darüber würden dulden und leiden müssen.

Nach dem Gebet stand Georg vom Hause Jakob auf und bat Konrad Grebel um Gottes willen, daß er ihn taufen möge mit der rechten christlichen Taufe auf seinen Glauben und seine Erkenntnis. Und da er mit solchem Bitten und Begehren niederkniete, taufte Konrad ihn, weil dazumal sonst kein verordneter Diener war, solches Werk zu tun. Als das geschehen war, begehrten die andern gleicherweise von Georg, daß er sie taufen solle, was er auf ihr Begehren auch so tat. Und sie ergaben sich so miteinander in hoher Furcht Gottes dem Namen des Herrn. Einer bestätigte den andern zum Dienst am Evangelium, und sie fingen an, den Glauben zu lehren und zu halten. Damit brach die Absonderung von der Welt und von ihren bösen Werken an.

Danach taten sich bald noch andere zu ihnen wie Balthasar Hubmaier von Friedberg, Ludwig Hätzer und andere mehr, wohlgelehrte Männer in deutscher, lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache, auch wohl kundig der Heiligen Schrift, und sonst Prediger und andere Leute, die es bald mit ihrem Blut bezeugten.

Den erwähnten Felix Mantz, den ertränkte man zu Zürich um dieses wahren Glaubens und um der Taufe willen. So bezeugte er standhaft mit seinem Leib und Leben, daß es die Wahrheit ist.

Später bezeugten Wolfgang Ullman, den man zu Waldsee, auch im Schweizerland, mit Feuer verbrannte und hinrichtete, zusammen mit zehn anderen, nämlich seinen Brüdern und Gefährten, männlich und ritterlich mit ihrem Leib und Leben bis in den Tod, daß ihr Glaube und ihre Taufe auf göttlicher Wahrheit begründet waren.

Auch Melchior Veit, der ein Gefährte des Georg vom Hause Jakob oder Blaurock war, wurde zu Ettach um des Glaubens willen verbrannt und hingerichtet.

So breitete sich die Bewegung durch Verfolgung und viel Trübsal aus. Die Gemeinde mehrte sich täglich, und des Herrn Volk nahm bald zu. Das konnte der Feind göttlicher Wahrheit nicht leiden, brauchte den Zwingli als ein Instrument, der denn auch mit Fleiß anfing zu schreiben und auf der Kanzel zu lehren, daß die Taufe der Gläubigen und der Erwachsenen unrecht sei und nicht geduldet werden sollte – entgegen seinem eigenen Bekenntnis, das er vorher geschrieben und gelehrt hatte, daß nämlich die Kindertaufe mit keinem klaren Wort Gottes bewiesen und bezeugt werden könne. Jetzt aber, weil er den Menschen und der Welt mehr als Gott gefallen wollte, stritt er wider die rechte christliche Taufe und veranlaßte die Obrigkeit, diejenigen, die Gott recht ergeben waren und die in rechter Erkenntnis den Bund eines guten Gewissens mit Gott aufgerichtet hatten, kraft kaiserlicher Rechte als Wiedertäufer zu enthaupten.

Zuletzt brachte er es auch dazu, daß man auf einmal mehr als zwanzig Männer, Witwen, schwangere Frauen und Jungfrauen elendiglich in finstere Türme warf, daß sie fortan ihr Leben lang weder Sonne noch Mond sehen und ihr Ende mit Wasser und Brot beschließen sollten, und daß sie so verurteilt waren, in den finsteren Türmen beieinander zu bleiben, zu sterben, zu verstinken und zu verfaulen, Tote und Lebende zusammen, bis keiner von ihnen mehr übrig sei. Manche von ihnen nahmen dabei in drei Tagen keinen Mund voll Brot zu sich, damit nur die andern zu essen hatten.

Auch wurden bald auf Anregung Zwinglis harte Mandate erlassen: Wenn jemand im Zürcher Gebiet weiterhin getauft würde, sollte er von Stund an ohne weiteres Verhör, ohne Möglichkeit zur Rechenschaftsablage und ohne Urteil ins Wasser geworfen und ertränkt werden. Hier sieht man, welch Geistes Kind Zwingli war und die Seinen noch sind.

Weil aber das Werk, das Gott vollbringt, nicht geändert werden kann, und weil Gottes Ratschlag in keines Menschen Gewalt steht, zogen die oben erwähnten Männer auf Veranlassung Gottes aus, das evangelische Wort und den Grund der Wahrheit zu verkündigen und zu predigen. Der Georg vom Hause Jakob oder Blaurock zog in die Grafschaft Tirol. Währenddessen kam Balthasar Hubmaier gen Nikolsburg in Mähren, fing an zu lehren und zu predigen. Das Volk aber nahm die Lehre an und es ward in kurzer Zeit viel Volks getauft.

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