Bengel, Johann Albrecht - Über die Schulzeit

Bengel, Johann Albrecht - Über die Schulzeit

Mein bester und größter Lehrer war Gott selber. Er hat dieses schluffrige (versuchungsreiche) Alter mit seiner stetigen Wache vor Abweichungen bewahrt. Obwohl ich von meinesgleichen und älteren Mitschülern geliebt wurde, ging doch immer etwas Wichtiges in meinem Herzen vor, das bewirkte, dass ich das Ernsthafte dem Läppischen, göttliche Dinge allen andern vorzog und nichts mehr bewunderte, als was mit gottseligem Ernst und mit Bescheidenheit vorgebracht wurde. Wann die äußere Verführung und Verderbnis an mich wollten, dann wachte eine tief in meiner Seele liegende und allezeit bereite Warnung auf und unterdrückte nicht nur die verborgenen Fehler, sondern hielt auch diese Anläufe ab. Nicht ohne besondere Vorsehung Gottes verfiel ich auf solche geistliche Bücher wie Arnds „Wahres Christentum“ und Gerhards »Heilige Betrachtungen«, die mir so gefielen, dass ich alle übrige Zeit auf das Lesen derselben und der Heiligen Schrift verwandte. Diese Bücher und die Predigten, sowie auch die ersten Gänge zum Heiligen Abendmahl hatten eine heilsame Wirkung zum kindlichen Gebet und zum Verlangen, bald bei Christus zu sein. Dieser trefflichen Schule, in die mich Gott selber geführt hat, schreibe ich es zu, dass auch meine andern Studien einen guten Fortgang hatten. Von meiner Kindheit an hat es Gott gefügt, dass ich sein Wort hören, lesen und lernen konnte; und die Kraft davon ist unvermerkt so in mein Herz eingedrungen, dass ein kindliches Vertrauen zu ihm, ein Ernst im Beten, ein Verlangen nach jenem bessern Leben, eine Freude an den Sprüchen der Heiligen Schrift, ein Geschmack an den üblichen Gesängen und auch an den schlichtesten Kindergebetlein, eine Bewahrung des Gewissens, eine Scheu vor dem Bösen und eine Liebe zum Guten entstand. Von Zeit zu Zeit mussten mir solche Bücher in die Hände kommen, aus denen ich geistliche Nahrung erhielt; vor allem wurde ich auf mancherlei Weise veranlasst, die Heilige Schrift fleißig zu lesen. Meine Jugend war ein Meer des Erbarmens und so vieler Gnade, dass hundert alte Adam darin hätten ersäuft werden mögen. Das sage ich nicht zu meinem Ruhm, sondern zur Demütigung. Die Gestalt, die sich bei einem Menschen in seiner Jugend bildet, hängt ihm meist sein Leben lang an. Sie verliert sich nicht so leicht; man nimmt sie noch mit sich in die Ewigkeit, wie die Ströme, die doch noch lange ihren Lauf beibehalten, auch wenn sie sich ins Meer stürzen. Jetzt wäre ich in meinem inneren Stand recht fest, wenn mir nicht eine gewisse Blödigkeit von meiner Jugend her noch anhinge, die mir zu schaffen macht. Ich glaube aber, es muss mir zum Besten dienen, sonst wäre ich zu scharf und zu streng.

Die sieben Bußpsalmen hat man schon vor Luther so bezeichnet. Sie enthalten viele Stücke, die auch bei Geübten und Erfahrenen sich nicht allemal so vorfinden. In meiner Jugend habe ich viel Not gehabt, weil ich mich mit dem Maß der Bußpsalmen messen und es durch erzwungene Anstrengungen herausbringen wollte. Ich achte, für zehn würde ausreichen, was ich auf diesem Weg an Not und Jammer gehabt habe.

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