Bengel, Johann Albrecht - Väterliche Ermahnungen

Bengel, Johann Albrecht - Väterliche Ermahnungen

  1. Bedenke immer, daß du ein Diener Jesu Christi werden sollst, ja daß du es schon sein solltest und könntest.
  2. Bete fleißig, und mit heiligen Dingen gehe niemals anders als gewissenhaft, andächtig und ehrerbietig um.
  3. Was du als Vorleser, als Aufsichtsperson oder als Diener zu tun hast, das verrichte pünktlich.
  4. Befleißige dich, alles zu verstehen und zu behalten, was du in den Unterrichtsstunden oder auch im Umgang mit andern hörst. Was dir etwas Neues ist, das schreibe in deine Bücher; schreibe aber nichts zweimal ab, sondern behalte es, wie es das erste Mal zu Papier gebracht worden ist.
  5. Wenn ein Lehrer etwas fragt, so denke nach, ob und wie du es beantworten könntest; antworte aber nicht, du werdest denn besonders aufgefordert. Antwortet ein anderer ungeschickt, so mache keine verächtliche Miene.
  6. Scheue dich nicht, einen Mitschüler um etwas zu fragen, und wenn einer dich fragt, so antworte ihm aufrichtig. Mache für keinen die Hausarbeit oder ein Gedicht, und laß auch dir nichts in ähnlichem Fall machen an Neujahrs-, Namens- oder Geburtstagen.
  7. Alle Aufgaben wie das Auswendiglernen oder das Üben von Musikstücken laß dir recht angelegen sein.
  8. Wann in den Predigten oder sonstwo Sprüche angeführt werden, die du noch nicht auswendig kannst, so lerne sie auswendig.
  9. Befleißige dich einer recht deutlichen Aussprache.
  10. Briefe, Notizbücher und alle schriftlichen Sachen verwahre gut. In der Tasche, in der das Schnupftuch sich befindet, trage sonst nichts. Schriftliche Sachen halte geheim, aber doch so, daß es nicht auf Neid hinauskomme; treibe auch kein Gepränge damit.
  11. Dein Pult und deine Truhe halte gut verschlossen, und wann du weggehst, so nimm den Schlüssel mit dir.
  12. Quäle niemand, und wann man dir etwas zuleide tut, so schweige, und sei gegen einen solchen so freundlich wie zuvor. Macht er es zu oft und zu grob, so warne ihn, du müssest dich beschweren. Drohe aber nicht mit einer Klage. Versetze niemand einen Schlag, auch wenn es nicht ernst gemeint ist.
  13. Warne auch vorher, wann du etwas siehst, das du als Vorleser oder Aufsichtsperson verpflichtet wärest anzuzeigen. Wann du etwas anzuzeigen hast, so frage vorher den Herrn, der den Wochendienst hat, ob dieses oder jenes eine Anzeige erfordere. Laß dabei nicht den Eindruck gewinnen, als ob dir's eine Freude wäre.
  14. Wann man morgens läutet, stehe ungesäumt auf und ziehe dich an. Gehe nicht lange in den Pantoffeln umher; die Schuhe sind gesünder, besonders im Winter.
  15. Die Zähne halte sauber; wasche und kämme dich sorgfältig. Wenn du dir mit dem Kämmen nicht selber helfen kannst, so bediene dich zu rechter Zeit fremder Hilfe. Sorge immer für einen gesunden und geraden Leib.
  16. Bei Tisch sei reinlich, mäßig und höflich. Greife nicht zuerst in die Schüssel, es sei denn die Reihe an dir.
  17. Leihe niemand Geld aus und entleihe auch keins. Was du hast, das zeige niemand, und laß niemand wissen, wie viel oder wie wenig es sei.
  18. Verschenke nichts von deinen Kleidern und Geräten. Vertausche und verkaufe kein Buch. Leihst du jemandem oder entlehnst du etwas, so zeichne es auf. Kaufe kein Buch ohne Genehmigung einer deiner Vorgesetzten, auch wenn du es schon loben hörst.
  19. Während der Schulpausen verschaffe dir viel Bewegung, und in der freien Zeit fliehe alle gefährlichen Gesellschaften, Wege und Häuser sowie auch das Spielen, wenn es auch um nichts wäre.
  20. Mit deinen Zimmergenossen gehe friedlich um, und gebrauche nicht einmal eine Feder, eine Schere usw., ohne daß der es weiß, dem sie gehören. In der ersten Zeit laß dich mit keinem in irgendeine Vertraulichkeit ein, bis du die Leute kennen lernst. Mit keinem fange eine besondere Bruderschaft an.
  21. Wenn es bei den Seminaristen Mißvergnügen, mürrische Redensarten usw. gibt wegen eines Vergehens und dessen Untersuchung oder wegen der Disziplin oder der Verköstigung, so beteilige dich nicht an der Klage, wenn sie schon berechtigt scheint. Fragt man dich schließlich, so sage in bescheidener Weise die Wahrheit.
  22. Wann du selber etwas mit der Disziplin zu tun hast, so
  23. lasse dein Vertrauen zu dem nicht fahren, der sie durchführt. Wenn du nicht trotzt, so wirst du immer hernach desto mehr Freundlichkeit erfahren.
  24. Beim Studium betreibe nie das am meisten, was dir das
  25. Leichteste und Bequemste ist, sondern studiere eine Weile das, worin du noch am weitesten zurück bist.
  26. Auf das brennende Licht gib sorgfältig acht, wenn du in ein Zimmer hineingehst oder aus ihm heraustrittst und auch, wenn du schlafen gehst.
  27. Die Kammertür halte des Nachts verschlossen, so daß niemand mit dem Schnürbein aufmachen kann.
  28. Im Schlafzimmer laß dir besonders die Sittsamkeit anbefohlen sein.
  29. Bequeme dich zu allem, was der Ordnung gemäß ist, und
  30. bedenke, daß man in manchem, was sonst nebensächlich wäre, dir in der Gemeinschaft nicht besondere Rechte geben kann.
  31. Diese Ermahnungen lies mehrmals und schaue sie dir wenigstens dann an, wenn ein Examen bevorsteht.
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