Beck, Johann Tobias - Der ächte Gehorsam.

Beck, Johann Tobias - Der ächte Gehorsam.

Am 21. Sonntag nach Trinitatis.

Mark. 7, 31-37.
Und da er wieder ausging von den Grenzen Tyrus und Sidon, kam er an das galiläische Meer, mitten unter die Grenze der zehn Städte. Und sie brachten zu ihm einen Tauben, der stumm war, und sie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte. Und er nahm ihn von dem Volk besonders, und legte ihm die Finger in die Ohren, und spützte, und rührte seine Zunge. Und sahe auf gen Himmel, seufzte, und sprach zu ihm: Hephata! Das ist, thue dich auf. Und alsobald thaten sich seine Ohren auf, und das Band seiner Zunge ward los, und redete recht. Und er verbot ihnen, sie sollten es niemand sagen. Je mehr er aber verbot, je mehr sie es ausbreiteten, und verwunderten sich über die Maße, und sprachen: Er hat alles wohlgemacht; die Tauben macht er hörend, und die Sprachlosen redend.

Ein erleuchteter Lehrer der ältern Zeit (Carl Heinrich Rieger) ging in einer seiner Predigten mit tiefer Menschen- und Schriftkenntniß den kurzen Worten unsers Textes nach: „je mehr er es verbot, je mehr sie es ausbreiteten.“ Es ist damit ein Ungehorsam gegen des HErrn Wort bezeichnet, der wohl den Meisten ganz unbedeutend erscheint, der aber im Licht des göttlichen Worts betrachtet für uns sehr lehrreich werden kann. Ich kann es daher nicht unterlassen, heute in die Fußstapfen jenes Lehrers zu treten; denn der HErr empfiehlt der achten Schriftgelehrsamkeit, nicht nur Neues, sondern auch Altes aus dem Schatz hervorzunehmen. Es war wohl von den Leuten ganz gut gemeint, daß sie überall auch das Wunder erzählten und verbreiteten, das sie Christum an dem tauben und sprachlosen Menschen hatten verrichten sehen; auch mochte es für den Anfang keine nachtheiligen Folgen haben - bei dem Allen war aber ein ausdrückliches Verbot des HErrn dagegen; Er wollte es nicht haben, und hatte gewiß dazu seine guten Gründe, wie zu Allem, was Er wollte; dieser gute Wille, dieses bestimmte Verbot des Meisters wurde hintangesetzt, und so gut die Leute es meynen mochten, es wurde eben damit das Beste versäumt, nämlich das, was dem allein weisen und vollkommenen Gotteswillen gemäß war.

Das Gleiche findet sich nun auch jetzt noch! Wir Menschen thun oft noch, als wären wir klüger denn der HErr, und könnten eine Sache besser machen, als Er angibt; es geschieht so oft, daß man nicht genau bei dem Worte Gottes bleibt, und darnach abmißt, was wir Gott und dem Nächsten zu thun haben; man folgt dafür seiner eigenen oder anderer Leute Meynung und Gewohnheit; allein wenn man auch Gott damit einen Dienst will thun, so ist Ihm eben nicht so gedient, wie Er es haben will, und eben damit ist es kein wahrer Gottesdienst, sondern vielmehr ein Dienst, den wir uns selbst erweisen. Nicht weniger verfehlen wir uns gegen einander selbst - wenn wir einen Vorgang erzählen, oder etwas verschweigen sollen, oder ein Versprechen halten, thun wir gar oft nach eigener Meynung davon oder dazu, und bezeugen uns nicht so, wie der Nächste es erwarten konnte. Womit entschuldigt man dann solche Eigenmächtigkeiten gegen Gott und Andere? womit will man, was das Gewissen und der Mund der Wahrheit dagegen aufbringt, zum Stillschweigen bringen? damit, daß man sagt: Es ist aus guter Meynung geschehen! ich wollte den und den Nutzen damit stiften! ich hab' es wenigstens nicht bös gemeynt, und konnte nicht vorhersehen, daß es zum Uebel würde ausschlagen! Ist das aber genug, unsern Weg unsträflich zu machen, wenn wir einmal unser eigener oder Anderer Gesetzgeber wollen sein? kann die bloße, gute Meynung und Absicht die Fehler zudecken und ungeschehen machen, die wir wirklich begehen, und den Schaden heilen, welchen nothwendig ein eigenmächtiges Abweichen von dem göttlichen Worte anrichtet bei uns selbst und bei Anderen? werde ich nicht in Wahrheit dem Evangelium Gottes ungehorsam, wahrend ich mich berede, keine böse Absicht dabei zu haben, und bleibt Ungehorsam gegen Gott nicht Ungehorsam, meine Meynung dabei mag sein, welche sie will? darf man denn etwas Böses thun, damit Gutes daraus werde? dürfen wir unterlassen zu prüfen, was das Beste sey, oder von einem ausdrücklichen Gebot oder Verbot des HErrn abgehen, weil wir das eigenliebige Vertrauen zu uns haben, mit unsrer guten Meynung, mit der Eingebung unsres Herzens sehen wir oft besser berathen, als mit dem Willen Gottes?

Wenn irgend Jemand auf sein Herz sich hätte verlassen, oder seinen Eingebungen und Absichten geradezu hätte folgen dürfen: so wäre es Christus gewesen, während seines ganzen Wandels auf der Erde! denn, ob Er wohl uns gleich war in allen Verhältnissen, so war Er doch die einzige Ausnahme unter uns Sündern, keiner Uebereilung, keiner bezüglichen Einbildung unterworfen, wie wir es sind. Gleichwohl ließ Er seinen ganzen Lauf durch die Welt von seinem himmlischen Vater auf's Genaueste sich vorschreiben, und in Allem, auch in Dingen, die wir Kleinigkeiten nennen, hielt Er sich pünktlich nach dem, was Gottes Rath in den Propheten Ihm vorgezeichnet hatte; so mächtig Er war in Weisheit und Kraft mit Wort und That, wollte Er doch damit nicht sich selbst ein eitles Ansehen geben, hielt es nicht für zu gering, gehorsam zu sein, zu reden und zu thun gerade so, wie Er das Gebot vom Vater empfing - es muß also geschehen, damit die Schrift, der ausgesprochene Wille Gottes, erfüllt wird, das war sein einziges Augenmerk, von dem Er durch keine noch so scheinbare Einrede sich abbringen ließ. Dadurch eben ist Er der geworden, der ungehorsame Menschen, wie wir sind, allein versöhnen kann mit Gott, hat aber auch den Weg des Gehorsams eingeweiht als den einzig sichern Weg zu Gott und seinem Erbe; damit, daß Er sich selbst dem Willen Gottes ganz zum Opfer brachte, hat Er die Erlösungskraft erworben, und kann, je länger und enger wir an Ihn uns halten, uns losmachen von unsrer Eigenliebe, vom Vertrauen auf uns selbst, von der Einbildung auf unsre gute Meynung und Absicht, und da erst sind wir auf dem Wege, auf welchem wir wahrhaft frei werden, weil uns da die eigene Person immer weniger im Wege steht, die Gebote des HErrn zu halten und in seiner Liebe zu bleiben, gleich wie Er des Vaters Gebote hielt und in seiner Liebe blieb. Darum, l. Freunde, ladet Er so herzlich uns ein, wir sollen lernen von Ihm, sollen auf uns nehmen sein sanftes Joch, bleiben an seiner Rede, und verheißt uns davon für unsre Seelen Ruhe, Erquickung und Freiheit, wie Er sie hatte. Darum ist es auch so gut, und wird dem Menschen immer besser, wenn man Ihm folgt - sein wahrhaftes Wesen gibt denen, die Ihm gehorchen, mehr Freiheit und Raum zum Wirken, als man sich verschaffen kann mit dem Vertrauen auf sich selbst und Andere, mit allen selbstgemachten guten Absichten und Wegen.

Stellen wir nun Christo, diesem zweiten Adam, den ersten gegenüber, durch dessen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, wie durch des Andern Gehorsam viele Gerechte sollen werden. Wie geschah die erste Sünde? Nicht wahr, als die Menschen das Gebot Gottes nicht mehr bei sich gelten ließen als treues, weises Vaterwort, als sie den pünktlichen Gehorsam satt hatten? sie huben an mit ihrem eigenen Gutdünken Rath zu halten: sollte denn Gott das gesagt haben? sie wollten auf der Waage ihrer eigenen Meynung es abwägen, ob das Gebot Gottes ihnen auch zum Ziele helfe? ob es so üble Folgen könnte haben, nicht vielmehr nur gute, wenn sie einen andern Weg einschlügen? Was war die Folge? die eigene Meynung bekam gegen das göttliche Gebot die Oberhand, der Ungehorsam hatte Meisterrecht erhalten im Menschenherzen, und daran reiht sich nun die ganze Kette von Sünden bis diesen Tag; der Vorwitz des Ungehorsams, der Götze des eigenen Gutdünkens ist die Wurzel- und Brut-Sünde in unser aller Herzen. Darum eben hat der Weg, auf welchem Gott die Menschen zurück will führen in das Paradieses-Leben, immer ein Weg des Gehorsams müssen sein, das Gegentheil von dem, was aus dem Paradies uns herauswarf.

Wie nun der Ungehorsam gegen Gott von Anfang bis heute der Menschen Verderben ist, so ist der Gehorsam allein der Menschen Heilung. Nicht die bloße gute Meynung und Absicht rechtfertigt uns vor dem Gott, der uns als der allein Gute allein untrüglich sagt, was gut ist, und der will, daß wir thun, was Er sagt; prüfen, sorgfältig prüfen bei unserm Thun und Lassen, was der HErr von uns haben will, und fertig uns machen, den Willen des HErrn zu vollbringen auch gegen unser Wehnen und gegen unsre Neigungen, das heißt gesinnet sein, wie Jesus Christus gesinnet war, und macht allein vor Gott uns angenehm. Gott hat unsäglich Vieles an uns Menschen gethan, seit die Sünde unter uns herrscht, um dem Jammer und Elend ein Ende zu machen, die uns als Sünder in dieser Welt verfolgen, und bis in jene Welt verfolgen; was Er aber an den Menschen von Anfang thut, und bis diese Stunde an Jedem besonders thut durch allerlei Führungen und Schickungen, das ist alles darauf abgesehen, unsern Eigenwillen zu brechen und unsrem eignen Gutdünken uns nicht zu überlassen, weil dieses fehlgeht, und je länger je mehr abkommt vom guten Wege Gottes; durch Krankheit und Unglück, durch allerlei Offenbarungen seiner Macht und Gerechtigkeit nimmt Er uns in Lehre und Zucht, wie ein Vater seinen Sohn; denn höher als ein Vater über seinem Kinde steht, steht Er über uns!

So hat Gott auch von jeher Allen, die zu Ihm wollten wieder kommen, Manches zum Thun und Lassen aufgegeben, worauf wir selbst durch eigene Wahl und eigenes Gutdünken nimmer gekommen wären: der halsstarrige Mensch muß mit seinem Glauben und Leben sich beugen lernen unter göttliche Vorschrift und Ordnung, wenn er vom Götzen seines eigenen Kopfes und Herzens wahrhaft soll bekehrt werden. Eine solche göttliche Gehorsams-Uebung, ein Mittel der Zucht, war z. B. in frühester Zeit unter den Menschen der Opferdienst, die Heilighaltung des siebenten Tages, als des HErrn Tages, die Beschneidung als Eintritt in Gottes Bund, und später die ganze Gottesdienst-Ordnung unter dem jüdischen Volk, die bis in die kleinsten Umstände sich herabließ: es sollte dieß eine Angewöhnung sein zum verlernten Gehorsam und eine Verwahrung gegen den Ungehorsam, gegen das Zufahren des eigenen Gutdünkens und Meynens; man sollte sehen: Gott will von Denen, die wahrhaft Gemeinschaft mit Ihm haben wollen, erkannt, angebetet, versöhnt, geheiligt sein nicht gerade auf die Art, wie es Jedem selbst beliebt und Jeder sich eine Meynung davon macht, sondern so, wie Er es vorgeschrieben hat; denn des Menschen Wille und Verstand muß dem seinen unterworfen werden, weil dieser allein Himmel und Erde übersieht und in Ordnung hält.

Von dem Gesetze des alttestamentlichen Gottesdienstes sind wir Christen freilich nun losgesprochen, damit aber nicht angewiesen, daß Jeder Gott dürfe dienen, wie er selber es am besten finde, wenn er nur eine gute Meynung dabei habe - nein, an uns Christen hat Gott noch viel Größeres gethan, als an denen im Alten Testament, damit wir nicht mehr uns selber leben, nicht nach eigenen Meinungen, Neigungen und Satzungen einhergehen; sondern als die theuer Erkauften, die nicht mehr sich selber angehören, müssen wir leben nach der Regel deß, der sich selbst für uns gegeben und uns versöhnet hat; und was ist diese Regel? in Summa: daß wir thun den Willen des Gottes, der uns zuerst geliebet hat. Diese Regel drückt uns der geopferte Sohn Gottes mit seinem Sterbe-Siegel der Liebe in's Herz, pflanzt sie uns ein mit seinem heiligen Geist der Kraft, daß ein Gesetz des Herzens und des Geistes daraus wird, nicht mehr ein bloßes Gesetz des Buchstabens. Da ist denn ein neuer Bund, aber wieder ein Bund, der nur noch enger unsre Seelen an den guten Willen Gottes bindet, damit wir uns ziehen und erziehen und führen lassen von dem Worte seiner Gnade und Wahrheit, nicht mehr uns selbst wollen führen nach dem, was uns gut dünkt; daß wir Gott dienen im neuen Wesen des Geistes, nicht mehr uns selber im alten Wesen des Fleisches, das Gott nicht will unterthan sein.

Wer nun will Theil haben an Christus, und hiezu sich doch nicht bequemt, l. Freunde, sondern aus eigenem Gutmeynen ein anderes Evangelium sich macht als das Eine und alte, andere Rathgeber und Wegweiser sich wählt als die Gebote Jesu Christi: der zeigt damit, daß der Stolz seiner eitlen Vernunft oder der Dünkel seines Herzens noch nicht gebrochen ist von der Anbetung der Liebe Gottes; der lebt noch mit aller seiner Christlichkeit unter der alten Sünde des Ungehorsams, und bleibt eben daher auch unter dem alten Fluche! Glaubst du das, oder glaubst du es nicht? die Wahl ist dir frei; aber wenn du es nicht glaubst, wenn du nicht beflissen bist und dich bereitest mit dem Vermögen, das Gott darreicht, gehorsam zu seyn dem, was Gott in Jesu Christo zu thun oder zu lassen dir vorschreibt, und willst doch als Christ gelten: dann siehe zu, wie du einmal bestehen wirst vor dem Gott, der dir sagt: „bin ich dein Vater, wo ist meine Ehre?“ da du dir selbst mehr glaubst als Ihm; „bin ich dein HErr, warum thust du nicht, was ich dir sage?“ da du vielmehr thust, wie dir es um's Herz ist. oder wie du es mit deinem Verstände ausklügelst. Bringe du noch so viel guten Schein vor, wie du es ja nicht böse mit dem HErrn oder den Menschen meynest, wenn du vom HErrn verbotene Mittel und Wege dir erlaubst und in eigener Wahl anders wandelst, als es geschrieben steht; du wirst damit dem nicht gefallen, der zu Seinem Wahlspruch hatte: „also steht geschrieben, und also muß es geschehen!“ du entehrst damit die Heiligkeit und Weisheit Jesu Christi, als wäre Er gleich wie wir sind, die wir Sünden gegen Gott und Sein Wort gar leicht übersehen, wenn sie nur gut gegen uns selbst gemeynt sind. Er aber sagt nicht: ich bin zufrieden mit eurer guten Meynung, wenn ihr auch das gerade Gegentheil thue von dem, was mein Wille ist - sondern Er sagt: wer nicht den Willen thut des Vaters im Himmel (der auch sein Wille ist), der kommt nicht in's Himmelreich, den erkenne ich nicht als Christ an.

Was brachte wohl die Leute im Evangelium darauf, daß sie. je mehr der HErr verbot, je mehr es ausbreiteten? ohne Zweifel machten sie sich ihre eigenen Gedanken über dieses Gebot des HErrn, und zwar in der Art, als wäre der HErr ebenso, wie sie selbst und wie sie Andere um sich her sahen! Sie wußten, wie wir, aus Erfahrung: Menschen wollen oft sich bescheiden stellen, und verbieten deßhalb, daß man etwas ausbreite, das ihnen zum Ruhm gereicht; unter der Hand aber sehen sie es nicht ungerne, wenn man an das Verbot sich nicht genau kehrt; so meynten sie wohl, sey es auch bei Jesus zu nehmen. Das war und ist aber unwürdig gedacht von Ihm, in deß Munde kein Betrug und keine Verstellung erfunden worden; damit wird Er angesehen als Einer, der, wie die Kinder der Welt, heimlich Stolz und Eigenliebe nachhänge, während doch in seiner ganzen Person eine so aufrichtige und ungekünstelte Demuth und Anspruchslosigkeit hervorleuchtet, sein ganzer Wandel so weit entfernt ist von aller selbstgemachten Höhe, daß Er nicht nöthig hatte, eine gefärbte Demuth vor sich her zu tragen, wie die Menschen in ihrer angenommenen Bescheidenheit. Bei Ihm ist alles Wahrheit, sowohl wenn Er sagt: „gehet hin, lehret alle Völker, was ich euch gesagt habe, und taufet sie auf meinen Namen;“ als wenn Er sagt: „gehet hin und saget Niemand etwas von dem, was ihr gesehen und gehöret habt.“ Er ist nie bescheiden, wie die Welt bescheiden ist, daß Er je heuchelte, sondern Er sagt von sich, was wahr ist, wäre es auch das Größte, z. B.: mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden; aber Er sagt es am rechten Platz und in der rechten Weise, ohne Selbstgefälligkeit; Er ist auch nie hochmüthig und begierig nach Ehre, sondern schämt sich auch der Verborgenheit und Niedrigkeit nicht, so lange es gut ist. Wenn wir daher Ihn und Seine Reden messen nach unserem Kopf und Sinn, so machen wir Ihn zu einem Sünder, wie wir sind, oder rauben Ihm die gebührende Ehre, ob wir auch gut es damit meynen.

Wer schien es besser mit dem, HErrn zu meynen, als Petrus, da er vom Leidensweg Ihm abrieth und sprach: HErr, das widerfahre Dir doch nicht! Wem aber ist sein Gutmeynen jemals schärfer heimgewiesen worden in die Grenzen des Gehorsams, als eben diesem Petrus, wenn der HErr ihm zur Antwort gab: gehe hinter mich Satan! was willst du mit deinem menschlichen Gutmeynen mich abwenden von dem Weg des Gehorsams gegen Gott? du bist mir ärgerlich, eben weil du nicht meynest, was göttlich, sondern was menschlich ist! Also ein Petrus, einer seiner eifrigsten Jünger, war Ihm ärgerlich, da er es ganz gut meynte, aber anders als Gott es wollte nach dem Zeugniß der Schrift; werden denn wir Ihm weniger ärgerlich sein, wenn wir in unsrer Meynung etwas besser wollen machen, als Gott es will und sagt? wenn wir z. B. in vermeynter Klugheit oder im Bekehrungseifer die Pforte weit und den Weg breit machen, den Er eng und schmal gemacht hat? aus sogenannter guter Meynung die Augen zudrücken zum Bösen, das Gott will gestraft haben? oder, sey es auch ohne alle böse Absicht, uns halten zu den Lust- und Hoffartswegen der Welt, die Gott will geflohen haben? oder aus lauter vermeyntlicher Liebe den Menschen gefällig sind, wo Er will haben, daß wir Ihm sollen gefallen? Werden wir mit allem unserm gutmeynenden, aber ungehorsamen Wesen den Zeugen der Wahrheit auf unsrer Seite haben? und wenn wir darinnen beharren, werden wir nicht einst fortgewesen werden vom HErrn am Tage des Gerichts? Steht nicht von alten Zeiten geschrieben: Gehorsam ist besser denn Opfer, ob man sie nun Gott oder Menschen meyne darzubringen; Ungehorsam ist eine verstrickende Zauberei-Sünde!

Wohl kann es in manchen Fällen gleichgültig und von keinen übeln Folgen zu sein scheinen, wenn man seiner guten Meynung folgt, statt zu prüfen und zu thun, was des HErrn Wille ist - aber die bittere Erfahrung folgt doch nach! Wenn der HErr im heutigen Evangelium den Leuten verbot, sie sollten vor Niemand etwas sagen von seiner wunderbaren Heilung, so konnten diese denken: warum denn nichts sagen? ist's ja ein gutes Werk, und ein gutes Werk darf das Licht nicht scheuen; auch könnten doch noch Mehrere zum Lobe Gottes aufgemuntert werden, und es ist also besser, dießmal wider das Verbot des Meisters zu handeln. Aber der HErr wußte, was Er that, als Er Stillschweigen gebot, und wer auch nur auf die Zeichen der Zeit Jesu und auf sein sonstiges Benehmen Achtung gibt, mag auch hier Ihn verstehen. Die Begierde, Zeichen und Wunder zu sehen, davon zu erzählen und zu hören, diente Ihm nicht, der das Reich Gottes wollte inwendig machen mit seiner Gnade und Wahrheit, nicht mit äußerlichen Geberden vor die Leute es treten lassen. So Viele auch fröhlich wollten sein bei Seinem Licht, so schwer hielt es, zu des Lichtes Kindern sie zu machen; so sehr man sich verwunderte über Seine Zeichen und nach ihnen verlangte, so gern überhörte man eben darüber Seine Lehre, entschlug sich wieder Seiner Worte der Wahrheit, die Er von oben brachte. Selig aber sind nicht die, die da Zeichen sehen, davon reden und hören, sondern die das Wort Gottes hören und bewahren in einem seinen, guten Herzen; selig sind nicht, die, wenn sie nicht Zeichen und Wunder sehen, auch nicht glauben, sondern die da glauben, auch wenn sie Nichts dergleichen sehen. So hatte das Volk nach der wunderbaren Speisung zwar Ihn eifrig wieder aufgesucht, aber wie Er selbst sagt, nur weil sie Brot von Ihm gegessen hatten, und gerne Brot wieder gehabt hätten - die Speise, die Er für den Hunger der Seele darbot, und die dem inwendigen Menschen Leben sollte geben, die suchten sie nicht. In diesem leichten Sinn also, der über dem äußern Genuß, welchen man vom HErrn konnte haben, den innern Mangel vergißt, und über der Beschäftigung mit den äußern Wundern das Trachten nach dem Himmelreich und seiner Gerechtigkeit hintansetzt, in diesem leichten Sinn wurden nun immer Mehrere unterhalten durch das Ausbreiten Seiner Heilungen: sie suchten etwa für ihre Leibeskrankheiten Hülfe bei Ihm, aber nicht für ihre Seelenübel; Nahrung für ihre Wundersucht, aber nicht für ihren Geist. Ferner mußte es bei diesem Ausbreiten Seiner Thaten gehen, wie es immer geht, wenn eine Erzählung durch Vieler Mund kommt: Jeder setzt nach seinem Belieben wieder etwas hinzu, oder läßt etwas hinweg, und die Sache bleibt nicht lauter und unverfälscht, sondern bekommt thörichte und fehlerhafte Anhängsel; an solche menschliche Anhängsel der göttlichen Werke hält sich dann der Unglaube, um sich zu rechtfertigen, und der Aberglaube, um, statt der Wahrheit, seinen Einbildungen und Phantasieen nachzuhängen; der wahre Glaube aber muß die Schande davon tragen, und der schwache Glaube bekommt Aergernisse: solche Aergernisse und Seelenbeschädigungen wollte der HErr ebenfalls abschneiden, als Er das Ausbreiten Seiner That untersagte. Dazu kommt endlich noch, daß der Neid und Grimm der Feinde Jesu immer mehr mußte gereizt werden, je mehr Aufsehen gemacht wurde mit Seinen Thaten; dieser Feinde Grimm zwar fürchtete der HErr nicht, sondern war bereit, einmal ihm sich in die Hand zu geben und eben damit ihn zu überwinden; aber eben vermöge Seines pünktlichen Gehorsams gegen Gott wollte Er dieß nicht vor der Zeit thun, sondern die Stunde abwarten, da Gott konnte Seinen Sohn verklären durch den Trotz seiner Feinde.

So, geliebte Freunde, hat Alles, was im Wort der Wahrheit, in unsrer Bibel, mit einem Gebot oder Verbot belegt ist. Alles hat seine guten und weisen Gründe, wenn wir schon zehn Mal für ein Mal das nicht einsehen. Wer nun nicht sich gewöhnt, immer mehr zu prüfen und zu befolgen, was die Schrift von ihm verlangt, und was nach der eigenen Lehre Jesu christlich ist, sondern er folgt eben seiner guten Meynung und dem Drang des Augenblicks: dem muß hintennach erst mit Schmerzen es noch bewiesen werden, wie sehr er an der Weisheit und Güte und Herrlichkeit Gottes sich verfehlte, und eben damit seine Seele verletzte.

Das heutige Verbot des HErrn weist uns namentlich hinein in Etwas, das im ganzen Leben des HErrn genau von Ihm eingehalten wird, und auch für unsere Zeit als heiliges Gesetz gilt: es ist dieß jene gesetzte, nüchterne und geräuschlose Weife, in welcher der HErr Sein Werk unter den Menschen anfängt und fortführt; die weise Vorsicht und Umsicht ohne Falsch, mit der Er Sein Reich der Wahrheit in den Herzen will aufgerichtet haben und den Glauben erbaut, nicht auf äußere Zeichen und Wundergeschichten, sondern auf Seines Wortes Geist und Kraft, und auf den innern Gotteszug der Wahrheit. Es gilt und regiert in Seinem Werk noch derselbe hohe majestätische Wahrheits-Ernst, womit Er nicht will Ehre nehmen von Menschen, womit Er auf die Innerlichkeit des Reiches Gottes und der Arbeit dafür dringt, äußerliche Zuthaten, äußerliches Aufsehen und Ausschmücken, hochfahrendes Wortgeräusch und Großthun, ob es auch immerhin zu Seines Namens Ehre soll dienen, will abgeschnitten und vermieden haben. Dieß aber dünkt auch uns noch gar zu gerne, wie die Leute im Evangelium, nicht der rechte Weg zu seyn, und in eigenmächtiger Klugheit fahren wir zu, so oder anders die Sache des HErrn und Seines Reiches mehr aufzuputzen, mehr Schein und Ansehen, äußerlichen Reiz und Schmuck, mehr Wunderklang und Großartigkeit, als sie an sich hat, vor den Leuten ihr umzulegen, durch allerlei künstliche Mittel die Sache des Christenthums mehr auszubreiten und in Aufnahme zu bringen, als es ihr nach unsrem Dafürhalten könne gelingen durch ihr einfaches Mittel des Zeugnisses der Wahrheit. So sehr wir nun dem HErrn selbst wähnen einen Dienst zu thun, so ist das nicht ein von Ihm befohlener und empfohlener, sondern ein eigenmächtig von uns selbst erwählter Dienst; wir weichen ab von dem schmalen Wege, den Er durch Wort und Beispiel als richtig und tüchtig uns vorgezeichnet hat; wir sind Uebertreter Seines Gebots, während wir uns noch dünken, um Seinen Namen und Sein. Reich uns wohlverdient zu machen. Und der Nutzen, den wir in solchen Wegen unsres eigenen Gutdünkens zu stiften wähnen, er mag uns, die wir nur sehen, was außen und zeitlich ist, mehr oder weniger groß erscheinen: vor Ihm besteht er nicht, der weiß, was innen ist und ewig besteht, der alle Pflanzen der Ausrottung verfallen weiß, die der himmlische Vater, sein Licht und Lebens-Trieb im Menschen nicht gepflanzt hat. Indem wir aber der Sache des HErrn eine äußerlich einnehmende Gestalt wollen geben, Zeichen und Wunder herumtragen, wie sie uns erscheinen und berichtet werden, mit allerlei Gerühme die Leute suchen aufzuregen und zu gewinnen: hängen wir selbst uns an die Schale und an die menschlichen Einfassungen, der Kern aber bleibt uns und den Andern verborgen; wir führen Spreu auf die Tenne des HErrn zusammen, die Er wieder muß ausfegen; wir knicken der Wahrheit ganz sänftiglich ihren Stachel ab, und was wir und die, die uns nachfolgen, für Wahrheit halten, läßt die wirkliche Wahrheit des Wortes Gottes bei uns nicht zu ihrem Recht kommen, nicht zur festen Haltung und Gestaltung und Vollbereitung im Herzen und Leben. Während wir so uns und unsre Genossen durch selbstgemachtes Christenthum, durch einen, unsrem eigenen Sinn und Wesen gleichförmigen Christus täuschen, stoßen wir Andere ab, welche es müde sind, sich sagen zu lassen: siehe, hier in dieser Form ist Christus, siehe dort in jener; sie werden feindselig gegen die Sache des HErrn und Seines Reichs, weil sie an dem Mantel, den wir ihr umhängen, kein Wohlgefallen können finden, und die Mittel und Wege, die wir in eigenem Gutdünken uns herausnehmen, nach ihrem angeborenen Sinn für Wahrheit müssen verwerfen; Feinde des Christenthums aber werden durch das unnöthige Aufsehen, das man macht, immer weiter gereizt, daß Anfechtung und Verfolgung sich erheben, ehe man zur Ehre des HErrn und zur Verklärung Seiner Sache sie bestehen kann; und mit den Aergernissen, die nie ausbleiben, wo man eigene Wege an die Stelle des HErrn-Weges fetzt und von Seinem geraden Wesen der einfachen Wahrheit und der inwendigen Geisteskraft abbiegt - mit dem hieraus erwachsenden Aergerniß entschuldigen sich eben so die Ungläubigen in ihrem Unglauben, als die Schwachgläubigen wieder umgeworfen werden oder aufgehalten.

Vor allem solchen Schaden bewahrt man sich nur, wenn man es ernst und genau nimmt mit den Worten und Geboten des HErrn, auch wo sie uns scheinen von keiner so wesentlichen Bedeutung zu sein; es kommen immer Tage, die es noch klar machen, warum auch sie geschrieben stehen, warum unser Wandel in so genaue Schranken mußte gefaßt werden. Und wer die Betrüglichkeit des Menschenherzens und die Gebrechlichkeit unsres eigenen Gutmeynens einmal recht kennen gelernt hat, der dankt Gott aufrichtig, daß Er mit Seinen Worten uns leiten will wie ein Vater sein Kind, und einen Weg uns bereitet hat, da wir weder zur Rechten noch zur Linken sollen weichen - denn es ist das Leben, zu dem Er solchermaßen sicher uns bringen will; es ist der mit Nichts in der Welt zu ersetzende Seelen-Schaden und Seelen-Schmerz, vor dem Er uns bewahren will. Darum gewöhne dich, meine Freunde, immer mehr zu prüfen und verstehen zu lernen, was das Beste sey, nämlich was nach der Regel Jesu Christi von dir muß gethan oder gelassen werden, und darnach lebe, was auch deine und Anderer Meynung Anfangs dagegen möge haben; darnach sey treu im Kleinen, gerade wo die Menschen sagen, es komme nicht darauf an: dann wird dir immer mehr des Großen werden. Hintergehe dich nicht damit, daß du sagst: ich kann das nicht - fange eben im Kleinen, fange mit dem Wenigen an, was du kannst, dann wirst du immer mehr können; denn Jeder hat bereits vom Vater im Himmel Etwas empfangen, daß er habe, zu thun Seinen Willen; wer nun hält, was er hat, und thut, wie er hat, dem wird mehr gegeben, bis er am Ende die Fülle habe. Dabei kennst du den, der reich ist über Alle, die Ihn anrufen, der Seinen heiligen Geist gibt denen, die Ihn darum bitten, der uns wiedergebiert mit Seinem Wort der Wahrheit, daß wir mögen wandeln als Seine Kinder in der Wahrheit - darum halte an im Gebet, laß dich strafen vom heiligen Geiste der Wahrheit, reinige dich selbst durch das Wort der Wahrheit; thue das deine, so wird der Gott der Gnade das Seine dir immer mehr anvertrauen; es wird der alte Mensch mehr und mehr abnehmen, und der neue Mensch erwachsen und erstarken; du wirst immer größere Fertigkeit und Willigkeit erlangen, zu thun den Willen des HErrn, und so oft du ihn nicht thust, wirst du der Wahrheit die Ehre geben, und neue Vergebung deiner Sünde, neue Kraft für deine Schwachheit, neuen Eifer der Selbstbesserung suchen und gewinnen; unter allen den Kämpfen aber, die dieser Weg allerdings nach außen und innen mit sich führt, wirst du dürfen die erquickende Erfahrung machen:

Ruhe zeigt sich allermeist,
wo Gehorsam blüht!
ein in Gott gesetzter Geist
macht ein still Gemüth,
und Seelenruh!
ohne das ist keine Ruh:
eile Gott, dem Urquell, zu:
da fließt die Ruh!

Amen.

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