Baxter, Richard - Selbstverleugnung - Das XXVIII. Capitel.
Die Lust zu Wolergehen und Glueckseligkeit etc. muß verlaeugnet werden.
Es ist auch weiter ein fleischlich Stueck / das verlaeugnet werden muß / wenn man sich daran zu sehr ergoetzet / daß es einem gluecklich und wol ergehet / daß einem alle Anschlaege in weltlichen Dingen wol gelingen. Die Besitzung der weltlich- und irrdischen Dinge erfreuet nicht so sehr / als die Hoffnung und die Nachjagung dieselbe zu erlangen: Die Gedancken / daß das Vornehmen gluecklich werde hinaus gehen / und daß es einem nach Willen ergehen werde / und daß man werde zu hoehern Dingen / nach welchen man strebet / gelangen koennen / die sind es vornemlich / darinnen die Weltlinge ihre beste Lust und Befriedigung suchen: Die Leute meynen / daß die Welt ihnen mehr thun oder geben kan / denn in der Warheit sie kan / und daß sie suesser und lieblicher ist / denn sie in der Warheit ist / und darum bemuehen sie sich mit grossem Ernst und Eifer dieselbe zu erjagen / und machen ihnen selber Freude mit den Gedancken ihrer eingebildeten Glueckseligkeit: Wenn sie aber nun erlanget haben was sie so hefftig gesuchet und begehret haben / so befinden sie / daß es bey weitem nicht so ist / wie sie es sich eingebildet hatten: Mitler weile aber speisen sie sich immer mit Hoffnung / und gedencken / obschon dieses / welches sie erlanget haben / sie nicht moechte befriedigen / so werde es dennoch dieses oder jenes thun; Wenn sie denn das haben / so ist es doch noch etwas anders / wenn sie das haetten / so koenten sie recht zu frieden seyn; und ob sie schon nimmer finden die Glueckseligkeit und Befriedigung / derer sie sich vermuthet haetten / dennoch erfreuen sie sich / daß sie auf dem Wege sind selbige zu ueberkommen / sonderlich / wenn sie sehen / daß ihre Anschlaege ihnen gelingen. Ein armer Mann / der nach einem geringen Dinge strebet / freuet sich / wenn er siehet / daß er nicht weit davon sey dasselbe zu erlangen: Vielmehr aber freuet sich ein Reicher / wenn er siehet / wie alles sein Vornehmen ihme gluecklich hinaus gehet / und sein Reichthum vermehret wird. Solcher gestalt nun gehet an / was Salomon saget / was die Albern geluestet / toedtet sie / und der Ruchlosen Glueck bringet sie um / Prov. 1/ 32. Sticht ihre Glueckseligkeit die Gottseligen selber in die Augen / wenn sie im Stande der Versuchung sind / und urtheilen nach dem Fleisch / so ist kein Wunder / wenn dieselbe groß in ihren eigenen Augen geachtet wird / Psalmm 73/ 3. Sind die besten in Gefahr / daß sie sich fleischlicher Weise ergoetzen / und bauen auf das / welches sie erjagen moechten / und sgen in ihren Wolergehen / ich werde nimmermehr danieder liegen / Psal. 30/ 6. so ist kein Wunder / wenn andere in weit groesser Gefahr deswegen sind. Glueckseligkeit und Wolergehen ist manchen eben so eine starcke Versuchung als Creutz und Truebsal. O wie ist das Fleisch so eiferig und begierig nach dem Angel / und wie vest haelt es dasjenige / welches es erreichet!
Darum sehet zu / daß ihr euch selbst in diesem Stuecke verlaeugnen moeget: Nicht daß ihr soltet Glueckseligkeit und Wolergehen verwerffen oder von euch stossen / wenn GOtt der HErr dasselbe euch giebt; sondern daß ihr euch huetet fuer die fleischliche Lust und Ergoetzung / die das Fleisch darinnen suchet seine Begierden zu vollenbringen. Nicht daß ihr soltet eure Haeuser niederreissen / oder eure Gueter wegwerffen / oder verhindern euer gutes Gedeyen und Zunehmen / sondern 1. Sehet zu / daß ihr euch nicht zu grosse Hoffnung machet von den Creaturen: Habet nicht allzu hohe Gedancken von einem glueckseligen Zustande: Urtheilet nicht davon als es dem Fleisch behaget / und bequemlich fallen moechte / sondern nachdeme es euch kan hinderlich oder befoerderlich seyn zur Seligkeit. Alsdenn werdet ihr befinden / daß es den Besten eine schwere Last ist / wo nicht eine gefaehrliche Versuchung. Ach daß ihr nur moechtet wissen / wie theuer viel ihre Glueckseligkeit bezahlen muessen / ihr wuerdet sie beklagen / und geringere Gedancken vom irrdischen Wolergehen haben. 2. Strebet nicht zu eiferig darnach / daß es euch moege in der Welt wol ergehen: Trachtet am ersten nach dem Reich GOttes und nach seiner Gerechtigketi / und faellt euch denn etwas anders zu / so nehmet es mit Danck an / doch in heiliger Furcht / und daß ihr euch selber nicht zu viel trauet / allezeit euer Hertz verdaechtig haltet / aber jaget und rennet nicht darnach. Wircket nicht Speise die vergaenglich ist / sondern die da bleibet in das ewige Leben / Joh. 6/ 27. und denn nehmet an euer taeglich Brod / als von der Vorsorge eures himmlischen Vaters: Arbeitet in der Welt / und gehet mit der Welt um in Gehorsam zu GOtt / aber arbeitet nicht um die Welt als euer Ende und Ziel. 3. Wenn GOtt der HErr euch Glueck gibt / so sehet vor allen Dingen zu / wie ihr dasselbe gebrauchet. Lasset euer fleischlich Selbst und eure verdorbene Begierde dessen nichtes gebessert seyn / ob ihr auch das gantze Land haetet; oder waeret Furesten der Welt: Sondern wie ihrs von GOtt habet / so gedencket daß ihr es auch vor GOtt habet / und vor GOtt gebrauchen muesset: Wenn das Fleisch wolte bedienet und erhaben seyn entweder mit niedlichen Essen und Trincken / oder fleischlicher Pracht / Ruhm und Ehre / oder mit Wolleben / Mueßiggang / und andern suendlichen Luesten / so versaget ihme solche Begierde / eben als wenn ihr keinen Reichthum haettet / und gebrauchet nichts davon als zu eurer Gesundheit / und zum Dienst GOttes / und saget dem Fleisch: GOtt hat mich nicht gesegnet oder Glueck bescheret / daß ich dir dienen und deine Lueste vollenbringen solte / sondern er hat es gethan um sein selbst willen; Derowegen muß und will ich nicht dir dienen oder zu gefallen leben in meinem Wolstande / sondern deme / der ihn mir verliehen hat. Meynet nur nicht / daß ihr mehr Freyheit habet euren Appetit zu gefallen / in Essen und Trincken / oder eurem Fleisch zu gefallen in unordentlichem Schlaff / Gemach / Kurtzweil / Muessiggang / weil ihr reich seyd; sondern lasset das Fleisch von euren Reichthum nicht mehr gebessert seyn / als wenn ihr wenig haettet und nur eben so viel / als euch moechte noethig seyn / euch zum Dienste GOttes geschickt zu machen.
Da moechte aber einer fragen: Wie / mag dann ein vornehmer reicher Mann nicht besser leben / mag er nicht mehr Zeit anwenden auf sein gut Gemach und Ergoetzung als ein Armer? oder mag er sich nicht praechtiger kleiden / als ein Armer? Darauf ist die Antwort / 1. Ein reicher Mann der ein groß Haushalten hat / muß mehr haben / so viele zu versorgen / als ein Armer der wenig zu versorgen hat. Was aber die Qualitaeten anlanget / oder wie es muß beschaffen seyn; so ist zu wissen / daß viele Arme / wegen ihrer Nothduerfftigkeit und Armuth nicht haben koennen dasjenige / welches ihnen doch zu ihrer Gesundheit wol noethig waere / und da ist es einem Reichen zugelassen / daß er moege weiter gehen / und so viel gebrauchen von den Creaturen als ihme am besten dienet seine Gesundheit zu erhalten / und ihn zum Dienst Gottes geschickt zu machen. Unterdessen aber hat der Reicheste nicht mehr Macht von GOtt zu essen oder zu trincken einen Bissen / oder einen Truncke allein seinem Fleisch zu gefallen ohne weiter Absehen denn der Alleraermeste haben mag / thun sie mehr / so suendigen sie beyderseits. Der in der Hoellen gepeiniget wird / weil er sich kleidet in Purpur und koestlichen Leinwand / und lebet alle Tage herrlich und in Freuden / das war ein reicher Mann / Luc. 16/ 9. 2. Also auch / wenn ein armer Mann wegen seiner Nothdurfft / nicht kan haben das Gemach / oder Schlaff / oder Ergoetzung / die ihn moechte geschickt machen zum Dienste Gottes; so mag doch ein Reicher desselben sich gebrauchen / aber auch nicht mehr. Er hat nicht die Macht eine Stunde laenger sich auf dem Bette zu strecken / oder eine Stunde mehr in eitelen Geschwaetz / oder Kurtzweil / oder langen Mahlzeiten zuzubringen / denn sich schicken moechte zu seinem Christlichen Ende / nemlich der Ehre GOttes / und sich zu Befoerderung derselben geschickt zu machen / er sey so reich er wolle. Die Reichen haben eben so viel zu thun als Arme / eben so viel zu wachen / zu beten / zu fasten / zu lernen / wie sie sich sollen gegen Tod und das herannahende Gericht bereiten / an welchem sie nicht werden verschonet werden / weil sie reich sind. Gehet es viel schwerer zu / daß ein Reicher ins Reich GOttes kommt / als ein Armer / nach Christi selbst eigenen Zeugnues / so ist ja offenbar / daß reiche Leute sich am meisten bemuehen muessen solche Gefahr und Schwierigkeit zu ueberkommen / und dasjenige in Richtigkeit zu bringen / darauf ihre ewige Seligkeit beruhet. 3. Was nun weiter betrifft ihre Kleidung / so gebe ich zu / daß reiche Leute / welche entweder in Obrigkeitlichen Ehren / oder in solchem Stande sind / daß sie Ehren und Standes halber etwas besser sich kleiden muessen / moegen bessere und koestlicher Kleider tragen als Arme; Allein diß muß nicht im geringsten seyn ihren fleischlichen Sinn / Stoltz und Hochmuth dadurch zu gefallen / sondern allein Gesundheit halber / und solcher Zierde wegen / als nothwendig ihr Ehren-Stand von ihnen erfordert / welcher Ehren-Stand auch muß gebrauchet werden zu GOttes Ehren / daß also GOtt und nicht Selbst das Ende und Ziel in allen Stueckens ey. Liese Stueck in Esther / cap. 2. v. 16. Du weist HErr / daß ichs thun muß / und nicht achte den herrlichen Schmuck / den ich auf meinem Haupte trage / etc. Derowegen werdet klug an dem Verderben so vieler tausend / die die Glueckseligkeit gestuertzet hat / und lernet aus vielen Oertern der Heiligen Schrifft verstehen die Gefahr derselben / und sehet zu / daß wenn euer Thun und Vornehmen euch in weltlichen Dingen wol geraethet / daß ihr solches alles GOtt wieder auffopffert / und euch selbst verlaeugnet / und lasset nicht das suendliche Fleisch davon gebessert seyn.