Arndt, Johann Friedrich Wilhelm – 9. Predigt

Arndt, Johann Friedrich Wilhelm – 9. Predigt

Text: Matth. V., V. 13-16.

Ihr seid das Salz der Erde. wo nun das Salz dumm wird, womit soll man salzen? Es ist zu nichts hinfort mehr nütze, denn daß man es hinaus schütte und lasse es die Leute zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an, und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter, so leuchtet es denen Allen, die im Hause sind. Also lasset euer Licht leuchten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Die acht Seligpreisungen, mit denen der Herr Seine Predigt auf dem Berge in Galiläa begann und mit deren Betrachtung wir nun zu Ende gekommen sind, enthalten in gedrängten Zügen die ganze Heilslehre des Evangeliums. Sie stellen den Lebenslauf des Christen dar von der Stunde seiner Geburt an aus dem Leben des Fleisches in das Leben des Geistes. Sie bilden gleichsam eine Jacobsleiter, deren erste Sprosse auf der Erde steht und deren letzte sich in den Himmel hinein verliert. Der Anfang des neuen Lebens in Christo geschieht durch die Buße: was ist die Buße aber anders, als Erkenntniß der geistlichen Armuth, Gefühl des Schmerzes über die Sünde, und Aufhören zu widerstreben? Der Fortgang geschieht durch den Glauben: was ist der Glaube aber anders, als Hungern und Dursten nach der Gerechtigkeit Christi? Die Vollendung geschieht durch die Früchte des Glaubens: was sind diese aber anders, als im Verhältniß zu Andern die barmherzige Liebe, im Verhältniß zu uns selbst das reine Herz, im Verhältniß zum Reiche Gottes die Friedfertigkeit? Die Bewährung endlich geschieht durch die Prüfung: ist diese aber in ihrer höchsten Glorie etwas Anderes, als ein Leiden um Christi willen? So ist eines jeglichen Christen ganze Lebensgeschichte in diesen Worten enthalten. Der Anfang ist klein, wie gar nichts: Erkenntniß seiner geistlichen Armuth; und doch hängt von diesem Anfange Alles ab, und er ist entsetzlich schwer. Der Ausgang ist groß und herrlich; wir stehen vor demselben still, wie vor einer verhüllten neuen Welt, und fühlen uns völlig unwürdig, ihn auch nur zu denken, geschweige zu erfahren. Wie nun, meine Lieben? Habt ihr nicht Lust, diesen Weg einzuschlagen? Selig wollt ihr Alle werden; es führt aber nur ein Weg zu dieser Seligkeit hin: das ist der, den uns der Herr gewiesen hat in der Bergpredigt. O schlaget diesen Weg ein, Alle, Alle! je mehr, je lieber! je früher, je besser! je entschiedener, je lohnender! Schlagt ihn ein, und laßt durch die Gnade des Herrn aus euch etwas Großes und Köstliches machen, damit ihr eure Bestimmung erreichet, für die ihr erschaffen, für die ihr erlöset seid. Eure Bestimmung ist aber im Himmel die Seligkeit, und auf Erden, Christen zu werden in der That und Wahrheit, wahre Jünger des Herrn, Glieder an Seinem Leibe, Genossen Seines Reiches, Boten Seiner Freude. Größeres könnt ihr nicht werden; seid ihr das geworden, so seid ihr Alles geworden. – Dann werdet ihr auch ein Segen für die Welt sein, die im Tode liegt. Fasset die hohe Aufgabe, Geliebte! Nur wahre Jünger Jesu Christi können ein Segen sein für die Welt. Das ist es aber auch, was Jesus meint, wenn Er nach beendigter Einleitung zur Bergpredigt fortfährt mit den beiden erhabenen Bildern: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt. Sie sprechen die hehre Bedeutung der Jünger Jesu hienieden aus, und sind, wenn wir es wagen dürfen, einen menschlichen Maßstab an die Worte des Sohnes Gottes zu legen, gleichsam das Thema oder der Grundgedanke, um den die ganze Bergpredigt mit ihren Lehren und Auseinandersetzungen sich dreht. Laßt uns heute das eine, das nächste Mal das andere Bild erläutern. Ihr seid das Salz der Erde: 1) was heißt das? und 2) wie wichtig ist das?

I.

“Ihr seid das Salz der Erde.” Schon der neuen Wendung, die in diesen Worten die Bergpredigt nimmt, hört ihr es an, Geliebte, daß hier ein neuer Abschnitt, und zwar der Hauptabschnitt derselben, beginnt. Bisher hieß es ganz allgemein: Selig sind die…; jetzt wird die Rede bestimmt, sie wird Anrede: Ihr seid das Salz der Erde. – Wer sind nun aber diese: Ihr? Zu wem sprach zunächst der Herr diese Worte? Offenbar zu den Aposteln, denn die standen in Seiner nächsten Umgebung, zu den einfachen Fischern und Zöllnern im ersten Jahre Seines Lehramts, nachdem Er sie erst kurz zuvor auserwählt und von ihren Netzen und Zollbuden weggenommen hatte, sie also noch gar nicht das geworden waren, was sie werden sollten und später wirklich wurden. Indeß Jesus schätzte sie auch nicht nach dem, was sie bereits waren; sondern nach dem, was sie unter Seinen gesegneten Händen dereinst werden sollten, und wozu Er nach Seiner Allwissenheit die Lust und die Willigkeit in ihnen schon erkannte. Er nannte sie das Salz der Erde vor dem ganzen versammelten Volke, und stellte damit gleichsam an sie die Vollmacht dazu, und an das Volk die Anweisung aus. Wie mochten sie staunen und aufhorchen, als sie solche Anrede und Beauftragung aus Seinem Munde an sich vernahmen! In der That, sie mußten gar nicht wissen, wie ihnen geschah; erst als der Geist Gottes über sie kam und sie in alle Wahrheit leitete, konnten diese Worte in ihnen lebendig werden; denn da erst wurden sie das Salz der Erde. – Dann aber richtete Jesus diese Worte auch an alle Seine wahren Jünger, die nach der in den acht Seligpreisungen gegebenen Anleitung zum Glauben an Ihn gelangt waren und diesen Glauben in sich bewahrt und befestigt hatten. Sie Alle sollten ein Salz der Erde sein. Laßt uns das Bild auflösen in seine einzelnen Bestandtheile, um den ganzen Umfang seiner Beziehungen inne zu werden, und die hohe Bedeutung zu erkennen, welche die Jünger Jesu in der Welt haben und einnehmen sollen.

Salz ist zunächst das nothwendigste und unentbehrlichste aller irdischen Bedürfnisse. Sirach (39,31.) nennt es ausdrücklich unter den zum Leben erforderlichen Bedingungen. Wie unscheinbar an sich und unbedeutend dem Aussehen nach, ebenso unschätzbar und wichtig ist es in seiner Nutzbarkeit. Auf gleiche Weise sollen die wahren Jünger Jesu Christi, wie unscheinbar, gering, verachtet, sie auch an sich sein mögen, doch die wichtigsten und unentbehrlichsten Personen auf der Erde sein, an denen der Menschheit Alles gelegen sein muß, die sie schlechterdings nicht missen kann, und denen sie das Höchste und Herrlichste zu verdanken hat, was sie besitzt. Kein Feldherr und kein Weltweiser, kein Fürst und kein Wohlthäter kann ihr das sein und leisten, was wahrhaft Gläubige ihren Mitbrüdern sein und leisten sollen. Sie sollen der Blinden Augen, sie sollen der Lahmen Füße, sie sollen der Schwachen Stütze, sie sollen der Arm sein, der die Welt in ihren Angeln hält und trägt. Unter lauter Kranken sollen sie die Gesunden, unter lauter Armen sollen sie die Reichen, unter lauter Traurigen sollen sie die Fröhlichen, unter lauter Hülflosen und Hülfsbedürftigen sollen sie die Helfer, unter lauter Sündern sollen sie die Gerechten, unter lauter Verlorenen sollen sie die helfenden und rettenden Engel, unter lauter Ueberwundenen sollen sie die Befreier, die Bekleider der Nackten, die Besucher der Gefangenen, die Tröster der Bekümmerten, die Ernährer der Hungrigen, die Vorbilder der Anfänger sein; mit einem Worte, sie sollen die lebendige Seele sein in dem todten Körper der Welt: - welche Aufgabe! welche Bestimmung! Und sind sie es nicht auch gewesen? Als Israel durch die Wüste zog, ungehorsam und ungläubig: wer erhielt es mit Wundern und Zeichen? wer erflehte ihm Gnade und Vergebung? wer hielt das gedrohete und verdiente Strafgericht zurück? War’s nicht Moses, der treue Knecht des Herrn, Gottes Auserwählter, der den Riß aufhielt, Seinen Grimm abzuwenden, auf daß Er sie nicht gar verderbte? (Ps. 106,23.) Als Israel unter Ahab und der Isebel dem Baal diente und alle Propheten ausgerottet waren: wer stärkte die Siebentausend im Lande, die ihre Kniee nicht gebeugt hatten vor Baal? wer hielt den König ab von größerer Missethat, wer erweckte in ihm die Gefühle der Buße und der Reue? War es nicht Elias, der Fürst der Propheten, der da hervorbrach wie ein Feuer und dessen Wort brannte wie eine Fackel? (Sirach 48,1.) Als Israel an Babels Flüssen saß und weinte, so oft es an Zion gedachte: wer erweckte ihm Achtung unter den Heiden und seinem Gotte Achtung unter den Heiden und seinem Gotte Achtung bei Nebucadnezar? War es nicht Daniel, mit den offenen Sommerfenstern gen Jerusalem und den wunderbaren Deutungen der Träume? Und im neuen Bunde, sagt nicht der Herr selbst von den drangsalreichen Tagen Seiner Gerichte: “Wo diese Tage nicht würden verkürzet, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzet.”? (Matth. 24,22.) Nehmt einmal die Masse der Frommen und Gerechten hinweg aus der Welt, was für ein Elend würde allüberall entstehen! welche Sitten- und Gottlosigkeiten, welche Gräuel und Unnatürlichkeiten würden im Schwange gehen! In der That, Keiner wäre mehr seines Lebens, seines Eigenthums, seiner Freiheit sicher; Gewalt würde vor Recht ergehen, und der Listigste und Stärkste der Herr seiner Brüder werden. Fürwahr, die Erfahrung bestätigt es, je mehr die Zahl der Frommen abnimmt in einem Lande, desto trauriger steht es auch um Stadt und Land, und die Welt mag es zugeben oder nicht, es ist und bleibt doch ewig wahr, die wahren Jünger des Herrn sind zu allen Zeiten die tragenden Säulen der Welt, die allervorzüglichsten, unentbehrlichsten, ausgezeichnetsten Personen, mit einem Worte, das Salz der Erde gewesen, und sind es noch bis auf diese Stunde.

Sie sind es schon an sich durch ihre innere Beschaffenheit; sie sind es noch mehr durch den Einfluß des von ihnen ausgehenden Geistes auf Andere. Salz ist nämlich das Bild der Reinheit, seine weiße Farbe ist die Farbe der Unschuld, welche nicht minder das Gepräge der Jünger des Herrn sein soll. Sie sind die Reinen der Erde; rein sowohl um des Worts willen, das Jesus zu ihnen geredet, als um des Bluts willen, das Er für sie vergossen und das sie sich durch den Glauben zu eigen gemacht haben. Sie wären keine Christen, wenn sie die Sünde nicht verabscheueten und haßten an sich und Andern, wo sie sie finden; wenn sie ihre Schoßsünden nicht bekämpften und nicht durch himmlische Gedanken sich beherrschen ließen in Allem, was sie redeten, thäten und litten. Sie sind rein von bleibender Lieblosigkeit und Bosheit, von stehendem Stolz und Eigensinn. Schwachheitssünden können sie übereilen in unbewachten Augenblicken, weil die Sündhaftigkeit in ihnen bleibt; aber auch von diesen Schwachheitssünden reinigen sie sich sofort, indem sie sie auf der Stelle einsehen, fühlen, zum Kreuze Christi tragen, dort begraben und niederlegen im ernsten, demüthigen Bußgebet. So vereinigen sie wunderbar die beiden sich scheinbar widersprechenden Stellen der Schrift; die eine: “So wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns” (1. Joh. 1,8.); die andere: “Wer aus Gott gekommen ist, der thut nicht Sünde, und kann nicht sündigen; denn er ist aus Gott geboren.” (1. Joh. 3,9.) Ihr kennt das schöne Lied, das diesen innern Reinheitszustand so unvergleichlich malt und schildert; es ist werth, daß wir Zug für Zug es uns wiederholen und alle Tage einprägen, als einen Gottesspiegel, um zu erkennen, wie wir gestaltet sind und wie das Ebenbild des Herrn sich in uns darstellen soll.

Es glänzet der Christen inwendiges Leben,
Obgleich sie von außen die Sonne verbrannt;
Was ihnen der König des Himmels gegeben,
Ist Keinem, als ihnen nur selber, bekannt.
Was Niemand verspüret,
Was Niemand berühret,
Hat ihre erleuchteten Sinnen gezieret,
Und sie zu der göttlichen Würde geführet.

Sie scheinen von außen die schlechtesten Leute,
Ein Schauspiel der Engel, ein Esel der Welt;
Doch innerlich sind sie die lieblichsten Bräute,
Der Zierrath, die Krone, die Jesus gefällt,
Das Wunder der Zeiten,
Die hier sich bereiten,
Den König, der unter den Lilien weidet,
Zu küssen, in güldenen Stücken gekleidet.

Sonst sind sie des Adams natürliche Kinder,
Und tragen das Bilde des Irdischen auch;
Sie leiden am Fleische, wie andere Sünder,
Sie essen und trinken nach nöthigem Brauch;
In leiblichen Sachen,
Im Schlafen und Wachen,
Sieht man sie vor Andern nichts Sonderlich’s machen,
Nur daß sie die Thorheit der Weltlust verlachen.

Doch innerlich sind sie von göttlichem Stamme,
Geboren aus Gott durch Sein mächtiges Wort;
Es lodert in ihnen die himmlische Flamme,
Entzündet von Oben, genähret von dort.
Die Engel, als Brüder,
Erfreu’n sich der Lieber,
Die hier von den Lippen der Heiligen klingen
Und bis in das innerste Heiligthum dringen.

Sie wandeln auf Erden, und leben im Himmel,
Sie bleiben ohnmächtig, und schützen die Welt.
Sie schmecken den Frieden bei allem Getümmel,
Sie kriegen, die Aermsten, was ihnen gefällt.
Sie stehen in Leiden,
Und bleiben in Freuden.
Sie scheinen ertödtet den äußeren Sinnen,
Und führen das Leben des Glaubens von innen.

Wenn Christus, ihr Leben, wird offenbar werden,
Wenn Er sich einst dar in der Herrlichkeit stellt:
Dann werden sie mit Ihm, als Fürsten der Erden,
Auch herrlich erscheinen zum Wunder der Welt,
Mit Ihm triumphiren,
Und ewig regieren,
Als leuchtende Sterne des Himmels dort prangen:
Denn dann ist die Welt und das Alte vergangen.

Frohlocke, du Erde, und jauchzet, ihr Hügel,
Dieweil ihr solch’ göttlichen Samen geneußt!
Denn dort ist des Ewigen göttliches Siegel,
Zum Zeugniß, daß Er auch noch Segen verheißt.
Ihr sollt noch mit ihnen
Auf’s Prächtigste grünen,
Wenn erst ihr verborgenes Leben erscheinet,
Wonach sich eu’r Seufzen mit ihnen vereinet.

O Jesu, verborgenes Leben der Seelen,
Du heimliche Sonne der inneren Welt!
Laß Deinen verborgenen Weg uns erwählen,
Wenn gleich uns die Hülle des Kreuzes entstellt!
Hier wenig gekannt,
Und übel genannt,
Hier heimlich mit Christo im Vater gelebet;
Dort offenbar mit Ihm im Himmel geschwebet.

Wahrlich, von solchen Menschen kann die Welt auch etwas Tüchtiges erwarten. Erwartet doch der Herr selbst viel von ihnen, und sagt ausdrücklich: Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert werden!

Salz ist aber nicht bloß etwas Unschätzbares und Unentbehrliches durch seine Klarheit und Reinheit, sondern mehr noch durch seine Wirksamkeit; und zwar übt es eine dreifache Kraft aus. Es dient dem Menschen zum Arzneimittel, zum Nahrungsmittel und zum Opfermittel. Zunächst als Arzneimittel, denn es ist scharf wie Lauge, beizend wie Aetze, brennend wie Feuer; es ist gleichsam eine Verkörperung des Feuers und ihm gleich in seinen Wirkungen. Darum wendet man es an, bald zum Auflösen und Zersetzen, bald zum Zusammenziehen und Binden, bald zum Schutze und zur Bewahrung vor Fäulniß. Wahre Christen sollen nun sein und sind auch in dieser dreifachen Beziehung ein Salz der Erde, ein Arznei- und Heilmittel für das große Krankenhaus der Welt. Oder woher die wunderlichen Vorstellungen in der Welt, als sei das Christenthum etwas Trübes und Freudenstörendes, wenn nicht das wenigstens die Erfahrung lehrte, daß, wo es hingekommen, es die vernarbten Wunden der Seele aufgerissen und alte Schäden wieder jung gemacht habe? Woher die Furcht vor dem Treiben der Frommen und vor dem Zunehmen der Frömmigkeit, die in allen Blättern, Zeitungen und Gesellschaften der Welt sich ausspricht, als könnte man je zu fromm werden, wenn nicht die Erfahrung lehrte, daß das Evangelium den Leichtsinn ernst, die Unentschiedenheit fest machte, und Alles, Alter, Stand, Beruf, Erholung, Vergnügen, Haus, Schule, Staat, Kirche, mit seinem Geiste durchdränge? Woher die gewaltige Bewegung und das Leben, das an einem Orte erwacht, an welchem das Evangelium wieder in seiner Lauterkeit und Reinheit verkündet wird? Woher das Bedauern, mit welchem die Weltkinder auf diejenigen unter ihren Freunden hinblicken, die es treu meinen mit ihrem Seelenheil und mit Furcht und Zittern ihre Seligkeit schaffen, daß sie recht gute, liebe Menschen wären, wenn sie nur nicht einen Fehler hätten, ihre Frömmigkeit? Ach, das Alles, weil sie das Salz fürchten und seine arzneilich wirkende Kraft, das die Gläubigen besitzen und das sie selber sind. – Und Gottlob, daß wir sagen dürfen: sie wirken auch heilend, wie das Salz, indem sie die Stumpfheit des natürlichen Menschen auflösen, seinen Stolz demüthigen, seinen Uebermuth brechen, seine Selbstgenügsamkeit und Werkgerechtigkeit zu Schanden machen, und auf die Anerkennung seiner Schwäche, seiner Abhängigkeit, seiner Sündhaftigkeit, seines Unvermögens, sich selbst zu helfen, dringen, damit aber zugleich auf die Entsagung und Trennung seiner bisherigen Verhältnisse und Lebensordnungen, daß die Erklärung in ihnen laut wird: Entweder die Frommen haben Recht, oder ich; entweder sie sind mit ihrer Frömmigkeit in arger Selbsttäuschung begriffen, oder mir fehlt das wichtigste Kleinod des Lebens; jedenfalls erfordert die Sache Nachdenken und Untersuchung, und darf nicht so leicht und lau dahingenommen werden. – Dieser Geist der Erweckung ist die erste Wirkung der Frommen auf die Welt. – Bald wieder wirken sie heilend, indem sie die aufgerissenen Gewissenswunden verbinden, mit dem Balsam des Evangeliums die Schmerzen der Reue lindern, in Demuth und Liebe hinführen zu dem Manne der Liebe und der Schmerzen, der am Kreuze gestorben ist für die Seligkeit der Sünder, so daß die von ihnen Behandelten es fühlen: “Diese Menschen haben Frieden! könnte ich doch auch ihre Fassung, ihre Geduld, ihre Ergebung, die Klarheit ihres Gemüths, die Lieblichkeit ihres Wesens mir aneignen; könnte ich doch auch so ruhig sterben, wie diese Gläubigen sterben!” Dieser Trost in Christo ist die zweite Wirkung der Frommen auf die Welt. – Bald wirken sie vor Fäulniß bewahrend, indem sie das Scheinleben in den Erweckten und Getrösteten nach allen Seiten hin vernichten, und ihnen die Richtung auf den Himmel und die Ewigkeit mittheilen, die sie selbst durchdringt und ihren Lebensgeist ausmacht, damit sie nicht wieder in die Sinnlichkeit versinken, wieder ganz Erde werden und ihre eigenen verderbten Wege wandeln. Diese Heiligung und Reinigung der Welt ist die dritte Wirkung der Frommen unter ihren Mitbrüdern. Oder habt ihr noch nie Kinder Gottes gesehen, die einen solchen mächtigen, zauberhaften Eindruck auf euch machten, daß in ihrer Gegenwart euch so zu Muthe war, als könntet ihr keinen bösen Gedanken vor ihnen hegen? Gewiß, meine Lieben, wie schlimm es auch stehen mag in der Welt: es würde noch viel schlimmer in und mit ihr stehen, wenn nicht die Jünger des Herrn durch Wort und Exempel dem Zunehmen des Bösen auf alle Weise zu wehren sich geflissen sein ließen.

Indeß das Salz ist auch ein Nahrungsmittel, eine Würze, die den Speisen Wohlgeschmack bereitet, und die Erfahrung lehrt, daß die Art und Weise, wie es würzt, eine stille und verborgne ist; es durchdringt ganze Massen, und man hört nichts von seinem Gähren und Zersetzen, man sieht nur die Wirkung, nachdem sie erfolgt ist. So ist es auch mit den Jüngern des Herrn; sie sind die wahre, eigentliche Würze der Welt. Denn erst da, w sie mit ihrem Frieden, ihrer Sanftmuth, ihrer Demuth, ihrer Freiheit, Unbefangenheit und Reinheit hinkommen, wird das Leben recht genossen, und der Lebensbesitz zugleich Lebensgenuß. Ohne Christenthum, was ist das ganze Dasein, als ein schales, langweiliges Umhertreiben in nichtsnutzigen Beschäftigungen und Genüssen? Je mehr man es genießt, desto gleichgültiger und satter wird man dagegen, und wenn das Maß voll und die Welt ausgenossen ist, was hat man dann gewonnen, als Leere und Unzufriedenheit! Selbst die Herrlichkeiten und Kleinodien des Lebens, die Genüsse der Kunst, der Wissenschaft, der Natur, der Geselligkeit: was für trübe Flimmer und Flitter sind sie gegen das Evangelium? Erst wenn das Herz den rechten Anker gefunden hat für seine Sicherheit und seinen Frieden, wird das Dasein eine dankenswerthe Gabe Gottes, genießt und benutzt man seine Freuden und Leiden, erfüllt und trägt man seine Pflichten und Sorgen, wechselt man mit seinen Gewährungen und Versagungen auf die rechte, heilbringende Weise. Das Kleinste wird groß, das Unscheinbare bedeutend, das Schwerste leicht, und das Bitterste süß, und Kunst und Wissenschaft, Natur und Gemeinschaft wird verklärt durch den Geist, der von Oben her alle Verhältnisse heiligt und verklärt.

Ja, noch mehr; nicht nur die rechte Würze erhält das Leben erst durch den Glauben, und die Erde erst durch die gläubigen Jünger des Herrn: Salz ist zuletzt auch ein Opfermittel. (2. Mose 30,35.; 3. Mose 2,11-13.; Ezech. 45,24.) Jesus selbst sagt: “Es muß Alles mit Feuer gesalzen werden, und alles Opfer wird mit Salz gesalzet.” (Marc. 9,49.) Bei den Juden wurde jedes neugeborene Kind gleich nach seiner Geburt mit Salz bestreut (Hes. 16,4.), und noch immer wird in der katholischen Kirche bei der Taufe dem Täufling Salz in den Mund gelegt mit den Worten: “Nimm das Salz der Weisheit zum ewigen Leben!” So erhält auch die Menschheit erst ihre wahrhafte Weihe und wird dem Herrn wohlgefällig durch den von den wahren Christen ausgehenden Geist der Buße und des Glaubens. Ermahnt doch der Apostel seine römische Gemeinde: “Ich ermahne euch, lieben Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst, und stellet euch nicht dieser Welt gleich.” (Röm. 12,22.) Ihr ganzes Leben ist gewidmet der Erbauung ihrer Brüder; ihre Reden sind mit Salz gewürzet (Col. 4,6.); sie haben Salz bei sich und Frieden untereinander (Marc. 9,50.); sie zeigen der Welt, was es heißt, ein verborgenes Leben führen mit Christo in Gott, und opfern täglich für die Welt die glühendsten Gebete, daß Gott sich ihrer erbarmen, sie zu sich ziehen, sie bekehren wolle vom Wege des Verderbens zum ewigen Leben; kurz, sie sind für die Welt Priester und Opfer zugleich, wie es ihr Herr, Jesus Christus, auch war; darum geht alle ihr Thun und Treiben, ihr Leiden und Dulden, ihr Leben und Sterben zuletzt in Ein großes, wohlgefälliges Opfer auf. Der Brief an die Hebräer (13,15.) ermahnt: “So laßt uns nun opfern, durch Jesum, das Lobopfer Gott allezeit, das ist die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen;” und Paulus bekennt von sich selbst: “Ich soll sein ein Diener Christi unter den Heiden, zu opfern das Evangelium Gottes, auf daß die Heiden ein Opfer werden, Gott angenehm, geheiligt durch den heiligen Geist.” (Röm. 15,16.)

Das Alles, Geliebte, liegt in den Worten: ”Ihr seid das Salz der Erde!” Wie man nun diesen klaren Worten gegenüber oft hat der Meinung sein können: es zieme sich für den Christen mehr, sich zurückzuziehen von der Welt und den Menschen, als mit ihnen zu verkehren, Einsamkeit sei besser, als Gemeinschaft, Flucht besser, als Aufsuchen, - ist unbegreiflich. Jesus hat das nimmer gethan, Er hat vielmehr gesucht die Verlorenen, um sie zu retten, und wenn Er zu Seinen Jüngern sagt: “Ihr seid das Salz der Erde!” so schickt Er ja damit Seine Jünger recht unmittelbar mitten unter die Menschen hinein, und verlangt, daß sie hintreten sollen mit der Gnade, die Er ihnen gegeben, auf den großen Schauplatz des Lebens, daselbst von Ihm zu zeugen und zu Ihm die Verblendeten hinzuführen. Wohlan denn, hört es; seid das Salz der Erde, - Jeder in seinem Kreise! ihr Eltern, unter euren Kindern, und erziehet sie in der Zucht und Vermahnung zum Herrn; ihr Kinder, bei euren Eltern, und ehret um des Herrn willen Vater und Mutter. Seid das Salz der Erde, ihr Lehrer unter euren Schülern, und gebet ihnen Anweisung, wie sie lernen und leben sollen; ihr Schüler, bei euren Lehrern, und gehorchet ihnen, denn sie wachen über eure Seelen, als die dafür Rechenschaft geben sollen, auf daß sie das mit Freuden thun, und nicht mit Seufzen; denn das ist euch nicht gut. Seid das Salz der Erde, ihr Obrigkeiten, damit ihr gerecht und weise regieret, und ihr Unterthanen, damit ihr die Gesetze haltet und Ruhe und Ordnung lieb habet. Seid das Salz der Erde, ihr Glücklichen und Reichen, und vergesset nicht wohlzuthun und mitzutheilen, und ihr Leidenden, ihr Gebeugten, ihr Armen, und zeuget durch Geduld, Genügsamkeit und Vertrauen von dem Glauben, der in euch lebt. Jeder, jeder, sei das Salz der Erde in seinem Kreise und wirke im Namen des Herrn für den Herrn, so lange es Tag ist; es kommt die Nacht, da Niemand wirken kann.

II.

Zumal da der Herr noch ein ernstes, wohl zu beherzigendes Wort hinzusetzt: ”Wo nun das Salz dumm wird, d.i. stumpf, matt, geschmacklos, kraftlos, womit soll man salzen?” Wie denn, meine Brüder? kann denn auch das Salz dumm werden? können denn auch die Jünger, die ihre geistliche Armuth erkannt und bereut, und nach Gerechtigkeit gehungert und gedurstet haben, die barmherzig und reines Herzens und friedfertig geworden sind, die um Christi willen sogar Schmach und Verfolgungen ertragen, die alle diese Gnade erfahren, den Himmel in ihrer Brust gefühlt haben, die gesättigt worden sind mit den Kräften des ewigen Lebens, - auch wieder zurückfallen? auch wieder vergessen, was an ihnen geschehen ist, und den breiten Weg der Sünde betreten? Ja, sie können es! Wollten nicht die Galater, die im Geiste angefangen, schier im Fleische vollenden? Hatte nicht Demas die Welt wieder lieb gewonnen? Hatten nicht unter den Hebräern Viele, die erleuchtet waren und geschmeckt hatten die himmlischen Gaben und das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wieder den Sohn Gottes gekreuzigt und für Spott gehalten? (Gal. 3,1-3.; 2. Tim. 4,10.; Hebr. 6,4-6.) Ja, ja – es ist möglich! Auch die Besten können sich verschlimmern; auch ihr geistlich Leben kann erschlaffen; sie können verlieren die Kräfte des heiligen Geistes; auch die Jünger Jesu Christi können Jünger des Satans werden. Wie verliert das Salz aber seine Kraft? An der Lust; wenn der Geist sein Christenthum beginnt zur Schau zu tragen, mit ihm zu prunken und zu stolziren: ach, dann verliert das zu fromme Wort seine Kraft an der eigenen Seele und an der der Andern; das Salz ist geschmacklos geworden. Wie entsetzlich dann die Folgerung: “Wenn das Salz dumm wird, womit soll man salzen?” d.h. womit soll man es salzen, daß es wieder schmackhaft wird und seine Schärfe wieder erhält und zum Würzen gebraucht werden kann? und womit soll dann die Welt gesalzen werden? Ach, Verschlechterung der Bessergesinnten ist viel trauriger, als die fortgehende schlechte Gesinnung der Schlechten; ein natürlicher, sündhafter Mensch kann viel leichter für den Herrn gewonnen werden, als ein Christ, der von Gott wieder abfiel, in seinem Eifer nachließ, und durch seinen Wandel Aergerniß bereitete; die Heiligen, wenn sie treulos wurden, sind immer die größten Spötter geworden. Warum? Weil die gewöhnlichen Mittel, welche für jeden Andern von großen Erfolgen und Wirkungen begleitet sind: Ermahnungen der Liebe, Warnungen, Vorstellungen des göttlichen Worts, an ihren Ohren und Herzen wirkungslos verhallen; ja, selbst die Drohungen des Allmächtigen und die Erinnerungen an Seine Heiligkeit und Strafgerechtigkeit gleiten spurlos ab von dem abgeglätteten Spiegel ihres Innern. Sie haben ja das Alles schon durchgemacht, und verlachen deßhalb jede Mühe, die man sich aus Liebe giebt für die Rettung ihrer Seele: verachten Gottesdienst, Bibel, Kirche, Gebet, und alle diejenigen, welche dem Herrn dienen. Wer könnte ihnen da noch Handreichung thun? Wer wäre in ihren Augen fähig, sie noch eines Bessern zu belehren? Greifst Du nicht unmittelbar ein, allmächtiger Gott, und gehst ihnen nach mit Deinen Gerichten und Deinen Führungen, daß ihre abtrünnigen und verschlossenen Seelen wieder geöffnet, gebrochen und herumgebracht werden: so sind sie rettungslos verloren, und das Wort bleibt wahr, erschütternd wahr: “Es ist unmöglich, daß die, so einmal erleuchtet sind, und geschmeckt haben die himmlischen Gaben und theilhaftig worden sind des heiligen Geistes, und geschmeckt haben das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, wo sie abfallen und wiederum ihnen selbst den Sohn Gottes kreuzigen und für Spott halten, daß sie wiederum sollten erneuert werden zur Buße.” (Hebr. 6,4-6.) Wenn das Salz selbst dumm wird, womit soll man es wieder salzen? – Und womit soll dann die Welt gesalzen werden? Sind die Abtrünnigen nun nicht völlig untüchtig zur Erweckung Anderer, nicht völlig unnütz für Gottes Haushaltung, nicht völlig unbrauchbar, werthlos und verworfen, wie das dumme Salz, das nicht einmal auf den Acker taugt? Kann es ein größeres Hinderniß geben für das Werk und das Reich Gottes, als die Christen, die den Namen haben, daß sie leben, und doch todt sind; die verkündigen sollten die Tugenden Dessen, der sie berufen hat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Lichte, und statt dessen durch ihr ganzes Thun und Treiben den Herrn verläugnen, verrathen, kreuzigen und tödten? Oder warum hat das Christenthum bisher so wenig ausgerichtet unter den Kindern Israel und unter den Heiden? Darum, weil das böse Beispiel der meisten Christen wohl abstoßen, aber nicht anziehen konnte! – Und was ist dann das Ende, was muß das Ende sein? Es ist zu nichts hinfort nütze, nicht einmal zur Düngung, sagt Jesus, denn daß man es hinausschütte und lasse es die Leute zertreten. Die Gerichte Gottes müssen dann hereinbrechen, ihr Leuchter wird von ihrer Stätte hinweggerissen, wie es mit den erstorbenen Kirchen des Morgenlandes geschah, die nun von Muhamed’s Halbmonde beschienen und beherrscht werden. Das Reich Gottes wird ihnen genommen und Andern gegeben, die bessere Früchte bringen.

Wie steht es nun mit euch, Andächtige? Die Apostel wurden ein Salz der Erde, Lehrer und Vorbilder der Menschheit, wahrhaftige Boten der göttlichen Gnade, Propheten der neuen Zeit und treue Führer zum ewigen Leben. Sie haben geleistet, was vor ihnen und nach ihnen Niemand wieder geleistet hat. Sie haben die Welt aus ihren Angeln gehoben. Sie haben größere Wunder gethan, als Christus selber; neue Zungen, neue Sitten, neue Lebensseiten eröffnet; und unvergänglich ist der Ruhm und Vorzug vor allen Geschaffenen, der in der Beziehung ihnen zu Theil geworden.

(Wie sehr auch in den ersten, blühenden Jahrhunderten der Kirche die Christen der Sauerteig waren, der die ganze Masse der Menschheit durchsäuern sollte, lehrt folgende Schilderung, die wir einem Briefe aus jener herrlichen Zeit entnehmen: “Die Christen sondern sich weder durch ihren Wohnsitz, noch Sprachen, noch Sitten, von den übrigen Menschen ab; sie leben unter den Uebrigen, aber sie zeichnen sich durch ihren Wandel wunderbar vor Allen aus. Sie bewohnen ihr eigenes Vaterland, aber wie Fremdlinge, jedes fremde Land ist ihnen Vaterland, und jedes Vaterland wie ein fremdes Land. Sie leben im Fleisch, aber nicht nach dem Fleisch; sie wohnen auf Erden, und leben im Himmel; sie werden von Allen verkannt, verfolgt und verdammt, aber sie lieben Alle; sie sind arm, und machen Viele reich; sie haben an Allem Mangel, und an Allem Ueberfluß; sie werden beschimpft, und segnen. Mit einem Worte: was in dem Körper die Seele ist, das sind die der Welt die Christen. Die Seele ist im Körper, aber nicht von Körper; und die Christen zwar in der Welt, aber nicht von der Welt. Das Fleisch hasset die Seele, obgleich diese es nur hindert, seinen verderblichen Lüsten sich hinzugeben; und die Welt hasset die Christen, obgleich diese nur ihrem bösen Wesen widerstreben. Die Seele liebt das sie hassende Fleisch; und die Christen lieben die sie hassende Welt. Die Seele ist in dem Leibe eingeschlossen, aber sie ist es, die den Leib erhält; und die Christen sind auch in dieser Welt eingeschlossen, aber sie erhalten diese Welt. Die unsterbliche Seele wohnt in dem sterblichen Leibe; und die Christen wohnen als Fremdlinge im Vergänglichen, und erwarten das unvergängliche Leben im Himmel.” Vergl. Neander, Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Christenthums I, 74ff.

Aber wie steht es mit euch? Darf der Herr auch zu euch sprechen: “Ihr seid das Salz der Erde?” Ihr steht an der Spitze der Menschheit, als die Ausgezeichneten unter Allen? Die Welt taugt nicht, das ist gewiß; aber, Christen, taugt ihr etwas in der Welt, daß es besser mit ihr werden könne? arbeitet ihr unverdrossen an eurer eigenen Besserung, und lasset ihr euch gleichermaßen die Besserung Anderer angelegen sein? Ach, wie traurig wäre es, wenn die Welt von euch sagen müßte, was sie manchmal zur Schmach des Evangeliums gesagt hat: sie wolle es lieber zu thun haben mit Andern, als mit den sogenannten Frommen; denn Jene wären viel zuverlässiger in ihren Worten und Versprechungen, viel treuer in ihrer Freundschaft, viel dienstfertiger in ihren Leistungen, viel freier von Ehrgeiz, Hochmuth und Vornehmthuerei! Oder müßt ihr fürchten, daß das Salz bei euch dumm geworden ist, und seid bange deßhalb, möchtet es gern wieder auffrischen und beleben, und zurückkehren zur ersten Liebe? O seid nur recht bange, seufzet nur und zaget, weinet und richtet euch selbst. wer sich selbst richtet, der soll nicht gerichtet werden! Oder seid ihr bange um Anderer willen, die euch nahe stehen, und von denen ihr sagen müßt: “Sie liefen einmal fein, aber sie sind abgefallen, und werden immer sicherer, achten keiner Ermahnung und Liebe, und eilen ordentlich in die Hölle hinein”? O dann betet nur um so brünstiger für sie; das könnt ihr ja; das bleibt euch übrig. Leget sie Tag für Tag an das Herz der ewigen Liebe: die kann auch sie noch finden, auch ihr Herz noch brechen, auch sie noch ergreifen mitten auf dem Wege ihrer Sünden, ja, vom Rande des Abgrunds noch zurückrufen. Ist’s auch bei Menschen unmöglich, ihnen zu helfen, - bei Gott ist kein Ding unmöglich. Er hat Gaben auch für die Abtrünnigen. Er kann sie nimmer vergessen, denn in Seine Hände hat Er sie gezeichnet.

Herr, öffne uns die Augen. Herr, heile unsere Wunden. Herr, halte uns, daß wir unsere Krone nicht verlieren.

Amen.

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