Arndt, Friedrich - 40. Andachten zum Matthäusevangelium

Arndt, Friedrich - 40. Andachten zum Matthäusevangelium

Matth. 3,1-17.

Durch die Taufe ward unser Herr Christus eingesegnet zu seinem Amt, welches Er in seinem dreißigsten Jahr öffentlich antrat, wie auch die Leviten bei ihrem Eingang ins Amt so viele Jahre haben mussten. In der Taufe, „da fängt Christus an, ein Christus zu sein,“ sagt Luther; und unsere lieben Väter haben wohl recht gesagt: „Unsere Sünden liegen im Jordan, darin sind sie versenket. Wenn der böse Geist von deiner Sünde viel Gerede macht, so weise ihn in den Grund des Jordans, da mag er sie suchen und darüber ersaufen.“ Ja, Ambrosius saget sein: „Für uns ist Christus abgewaschen, ja, Er hat uns an seinem eignen Leibe gewaschen und gebadet.“ Das ist schon ungemein tröstlich und beruhigend für arme Sünder, wie wir sind, die wir alle Tage der Abwaschung bedürfen. – Nicht minder tröstlich ist, dass beim zweiten Adam sich der Himmel wieder geöffnet hat, der beim ersten Adam verschlossen wurde, da wir alle Nachkommen des ersten Adam sind und durch ihn einen verschlossenen Himmel von Natur über uns haben. – Vollends eine Quelle voll Trost und Friedens ist der Gottesruf: „Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Mit den Worten macht Gott aller Welt Herz lachend und fröhlich, und durchgießt alle Kreatur mit eitel göttlicher Süßigkeit und Trost. Wieso? Ei, wenn ich das weiß und gewiss bin, dass der Mensch Christus Gottes Sohn ist und dem Vater wohlgefällt, so bin ich auch gewiss, dass alles, was dieser Mensch redet und tut, das ist eitel liebes Sohnes Wort und Werk, welches auf das Allerbeste Gott muss gefallen. Wohlan, das will ich denn merken und wohl fassen. Wo ich denn nun hinfürder Christum höre reden oder sehe etwas tun, dass Er’s mir zu gute tut, wie Er denn allenthalben tut, da Er spricht: Er tue und leide Alles um meinetwillen, - so will ich an dieser Worte des Vaters gedenken, dass Er der liebe Sohn ist und dass solch Reden, Tun und Leiden Christi, das für mich geschieht, müsse Gott herzlich wohlgefallen. Ach, fühlte ich das immer und recht, mein Herz müsste vor Freuden in hunderttausend Stücken zerspringen! Um Deiner Taufe willen im Jordan und am Kreuz, Herr Jesu, hilf uns ererben, was Du uns erworben hast. Amen.

Matth. 4,1-11.

O eine tiefe Erniedrigung, Herr Jesu, dass Du, der ewige Sohn Gottes, Dich dem Teufel überlassen hast, dass Er Dich versucht, dreimal versucht, ja gar hat anreden und Dir zumuten dürfen, vor ihm niederzufallen und ihn anzubeten! Aber das hast Du gelitten, damit Du ein treuer Hoherpriester würdest, welcher versucht wurde in Allem, damit Du mit Deinen Brüdern könntest Mitleid haben. Das hast Du getan, auf dass Du diesen starken Gewappneten überwändest und uns die Kraft erwürbest, gleichen Sieg über ihn davon zu tragen. Ich danke Dir deswegen demütig für diese Deine tiefe Erniedrigung und bitte Dich, Du wollest Deine Gnade geben, die mich vorbereite auf alle satanische Versuchungen und mit in derselben Kraft zu überwinden verliehe. Denn wie Du gleich nach Deiner Taufe den Versucher um Dich gehabt hast, so empfinden Deine Gläubigen nicht weniger von ihrer Taufe an diese teuflischen Versuchungen. Was Wunder, da wir in der heiligen Taufe dem Teufel und allen seinen Werken und allem seinem Wesen absagen, so kündigen wir ja dem ganzen höllischen Heere den Krieg an. Nun, Herr Jesu, so lasse denn meine Taufgnade in mir kräftig und wirksam sein, unter Deiner Blutfahne ritterlich wider Sünde, Teufel und Welt zu streiten und die Siegeskrone davon zu tragen. – Insbesondere erkenne ich aus Deiner Versuchung, dass es in Deinem Reiche überhaupt keine geistliche Weihe gibt ohne geistliche Proben, aber auch gottlob keine geistliche Proben ohne geistliche Waffen, und vollends keine geistlichen Waffen ohne geistlichen Sieg. Noch immer schneidet das Wort Gottes als das Schwerdt des Geistes und hat bis heute noch keine Scharte bekommen; wer’s zu führen versteht, der kann bestehen in allen Anfechtungen in der Kraft des Herrn. Vor Dir und Deinem Worte muss der Teufel noch heute weichen. Hilf mir denn recht streiten und an Dich mich halten allewege. Wie selig wird die Stunde meines Todes sein, wenn ich, von allen Versuchungen Satans befreit, Dir, dem Lamme, das ewige Triumphlied anstimmen werde! Amen.

Sei willkommen, o mein Heil;
Hosianna, Du mein Teil!
Richte Du auch eine Bahn
Dir in meinem Herzen an.

Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

Matth. 5.

Es ist eins der wichtigsten Kapitel der Heiligen Schrift, das wir gelesen haben, und gegen welches wir uns so oft versündigen, indem wir bald zu viel aus dem Gesetze machen und durch des Gesetzes Werke gerecht werden wollen vor Gott, bald wieder zu wenig daraus machen, indem wir meinen, weil Du, Herr Jesu, das Gesetz erfüllt habest, so seien wir davon frei und können durch einen werklosen Glauben selig werden. Lehre Du uns die rechte Mittelstraße Deines Evangeliums, dass wir als arme Sünder in Glauben ergreifen Deine vollkommene Gesetzerfüllung, um dadurch vor Gott gerecht zu werden, hernach aber auch Deinem Lebensbeispiele zu folgen, und nach demselben das Gesetz zur Richtschnur unseres Tuns und Lassens machen in rechtschaffenem Fleiße der Heiligung. Wir wissen ja, dass Du nicht nur das Gesetz und die Propheten vor uns und für uns erfüllt hast, sondern sie auch in uns und durch uns erfüllen willst, und das Gesetz nicht aufhebest, sondern aufrichtest. Und du willst es in uns tun und in uns das Wollen und Vollbringen des Guten wirken nach Deinem Wohlgefallen, wenn wir nur glauben, nur Deine Gnadenmittel fleißig brauchen und bitten um den heiligen Geist. Wenn wir in fröhlichem Glauben die Versöhnung ergreifen, die in Dir geschehen ist, so haben wir die alten Sühnopfer vollendet; und wenn wir Dich täglich loben und preisen, dass Du uns errettet hast aus der Obrigkeit der Finsternis und versetzet in Dein Gnadenreich, so sind das unsere Dankopfer. Komm denn täglich zu uns aufs neue, Herr Jesus, am Morgen und am Abend, als unsere einzige und ewige Gerechtigkeit, als der Christus für uns und in uns; komm auch jetzt, und wasche uns von allen heutigen Sünden rein und mache uns Deinem Vater wohlgefällig und angenehm durch Dein heiliges Verdienst. Du bist des Gesetzes Ende, seine vollen Enthüllung und Erfüllung, auch in uns, und Du bist des Evangelii Inhalt und Kraft, lauter „Nein, Nein“ zu allem, was ungöttlich und schädlich ist, lauter „Ja, Ja“ zu allem, was heilig und zum wahren Besten dienlich ist. Du bist Anfang, Mittel und Ende, unser A und O, im Leben und im Sterben. Amen.

Matth. 5,22.

„Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig.“

Warum willst du noch andern zürnen? Durch solchen Zorn wirst du leicht zu einem zweifachen Mörder. Den nächsten tötest du, und dich auch.

Den nächsten tötest du mit dem Herzen, gönnst ihm das Leben nicht, sondern lieber den Tod und alles Unglück; siehst ihn unfreundlich an, kränkst seine Ehre, die ihm so lieb wie das Leben ist, und betrübst ihn mit manchem bitteren Wort. Dich selbst tötest du geistlich; denn dein Zorn trennt dich von Gott. Wo der Zorn die Herrschaft einnimmt, da geht Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, unter; Christus ist der Seele Leben, ohne Ihn bist du geistlich tot.

Willst du zürnen, so zürne besser gegen deine Sünde. Willst du strafen, so strafe besser dich. Willst du richten, so sei besser ein strenger Richter über deine eigenen Taten. - Ach, der gewöhnliche Zorn gegen andere ist meist ein sündiger, nicht hervorgegangen aus Abscheu vor der Sünde, sondern aus der Selbstsucht; nicht geübt um Gottes und der Wahrheit willen, sondern weil unser eitles, selbstverliebtes Ich verletzt worden ist. Ein solcher Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist. Denn solcher Zorn ist blind, und das Sprichwort sagt zu Recht von ihm 'Zorn macht den Menschen verworren' und 'Zornes Ausgang ist der Reue Anfang'. Er sucht im Grunde nur Rache, aber nicht Recht und Gerechtigkeit, nicht die Rettung und Besserung des Bruders.

Vor solchem Zorn bewahre uns Gott! damit uns desto mehr der heilige Zorn für des Herrn Sache gegen die Sünde und alles ungöttliche Wesen in uns und außer uns durchglühe; denn dieser ist seiner innersten Natur nach nichts anderes als heilige Liebe, die nur zürnt aus Liebe, die vorsichtig wandelt, die zur rechten Zeit redet, und zur rechten Zeit schweigt. Für unsere eigene Person haben wir alles zu vergeben, und alles zu dulden; nur dann, wenn wir sagen können: ich habe keinen Feind mehr auf der Erde, sind wir recht und fähig, des Herrn Kriege zu führen und mit heiligem Feuer zu streiten.

Matth. 6.

Getreuester Jesu, Du hast mich jetzt gelehrt, wie ich am ersten nach dem Reiche Gottes und Seiner Gerechtigkeit, nämlich nach Deiner Gerechtigkeit, trachten solle. Unzähligen ist das Reich Gottes ihr Letztes, sie haben für dasselbe weder Sinn noch Zeit. Viele haben wohl eine Gerechtigkeit vor Augen, doch es ist ihre, nicht Christi Gerechtigkeit, es ist die bürgerliche, nicht die göttliche; so Mancher will Mammonsdienst und Gottesdienst verbinden und hält es mit einem halbherzigen Wesen. Diese alle haben darum keine Verheißung, und müssen darum ängstlich sorgen, wenn sie in die Zukunft blicken. – Leider kann ich vor Dir, dem Herzenskündiger, nicht leugnen, dass auch mein Herz manchmal mit ängstlichen Sorgen beladen gewesen ist, wenn mein Glaube schwach war und ich nicht recht bedachte, was für einen liebreichen Vater ich durch Deine Versöhnung im Himmel habe. Ach, vergib mir diese schwere Missetat aus Gnade und Barmherzigkeit, und vermehre mein kindliches Vertrauen, damit ich in den Armen meines himmlischen Vaters sanft und sicher ruhe, wie ein Kind in seiner Mutter Schoß. Du hast meine Seele zum ewigen Leben berufen, so wirst du auch meinem dürftigen Leibe in dem zeitlichen Leben nichts mangeln lassen. Jeder schwache Glaube an Gottes Fürsorge ist doch zuletzt eine Verunehrung Gottes und ein Zweifel, ob Er unsere Noth wisse oder ob Er ihr abhelfen könne und wolle, und stirbt, je mehr der Mensch ernstlich trachtet nach der Seligkeit, nach dem Reiche und der Gerechtigkeit seines Gottes. Hilf mir denn, dass mich künftig nichts mehr bewege, mich wegen der vergänglichen Dinge dieser Welt zu ängstigen und zu quälen, wodurch ich nur mir selbst zur Marter werden würde, da Du mich doch dazu verordnet hast, dass ich die Seligkeit und die Ruhe in Dir, schon in dem gegenwärtigen Leben, genießen soll. Ich weiß ja. „Gott trachtet auch am ersten nach dem Reiche Gottes.“ Überlasse ich mich daher Ihm, so kommt es, und mit ihm Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geiste. Amen.

Matth. 7.

So viel erhellt auch wieder aus diesen Worten, dass es nur einen doppelten Weg gibt, den einen durch die Pforte des Todes, den andern durch die Pforte des Lebens, und dass es immer und immer wieder heißt: entweder – oder. Auch wir standen an der Pforte des Todes; aber wir haben Deine Stimme gehört, Herr Jesu, die uns so mächtig zur Pforte des Lebens rief. Hier sind wir; wir haben den Tod verdient: o erbarme Dich über uns. Du hast Dein Blut für uns vergossen; in der Kraft dieses für uns vergossenen Blutes reinige uns von unserer Sünde und sprich uns los von unserer schweren Schuld. Wir dürfen es nicht hoffen; aber Deine Gnade ist überschwänglich groß, und Du willst den Tod des Sünders nicht. Herr und Heiland, Du willst nicht unsern Tod; so ergreife uns denn, Du Fürst des Lebens, mit Deiner heiligen allmächtigen Hand, und führe uns in das Reich des Lichtes und des Lebens. Du bist der einige Mittler zwischen Gott und uns; führe uns zum Throne Gottes. In unserer Unreinheit dürften wir’s nicht wagen; schmücke uns mit Deiner vollkommenen Gerechtigkeit, dass wir bestehen können vor dem heiligen Gott und Er uns annehme als seine Kinder. Der Weg ist freilich eng, der zum Leben führt, und die Pforte schmal; Feinde lauern zur Rechten und Linken; es ist schwer, ein Christ zu sein und nach dem Sinn des rechten Geistes zu leben! Viele trachten danach, wie sie ins ewige Leben hineinkommen, und es gelingt ihnen nicht; aber es ist ein seliger Weg, auf dem uns die Engel begleiten, wo wir nie allein sind, sondern derer, die für uns sind, mehr sind als derer, die wider uns sind, und wo Du in den Schwachen mächtig bist und uns stärkst, dass wir nicht abweichen noch straucheln und fallen, sondern einen guten Kampf kämpfen, den Lauf vollenden und Glauben halten bis ans Ende. Sei und bleibe Du denn unser Führer ins freudenreiche Vaterland.

O Jesu, ich soll ernstlich ringen,
Zur engen Pforte einzugehn,
Ach, hilf Du mir es selbst vollbringen,
Sonst muss ich ewig draußen stehn. Amen.

Matth. 8,1-24.

Vater über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, ich muss Dir klagen, dass mein Herz den großen Glauben des heidnischen Hauptmanns zu Kapernaum nicht besitzt, sondern manchmal so kleinmütig ist, dass der glaube kaum schimmert wie ein Fünklein unter der Asche. Ach, stärke meinen Glauben, wenn er schwach wird, erleuchte meinen Verstand, und vertreibe die finstern Wolken der Einwendungen meines Fleisches und Blutes, und lass Deine unendliche Barmherzigkeit gegen den armen Sünder sich lebendig und kräftig an meiner Seele offenbaren, dass ich Dich liebe mehr um Deinet-, als um meinetwillen. Ich winde mich in meiner Glaubensschwachheit als ein schwaches Gewächs um Dich, Herr Jesu, als den Baum des Lebens, und falle in Deine Gnadenarme: bitte Du für mich und stärke mich, dass mein Glaube nicht aufhöre. Biete mir Deine Gnadenhand, dass ich nicht gar versinke. Lass das glimmende Fünklein, das Du in mir angezündet hast, mir selbst zusprechen: was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, ich werde Ihm doch noch danken, dass Er meines Angesichts Hülfe und mein Gott ist; ich bin und bleibe doch Dein Kind, das Du lieb hast, und das Dich lieb hat, was auch das böse Dichten und Trachten des Leibes und Todes will dawider reden; ich bin selig, aber noch in Hoffnung, wenn ich schon umhüllt bin mit mancherlei Schwachheiten. Unterdes bitte ich Dich, Herr, mein Gott, mehre meinen Glauben, meine Hoffnung, meine Liebe, nimm mich mir und gib Dich mir zum alleinigen und völligen Eigentum. Gib, dass ich durch Deine stärkende Gnade im Glauben immer beständig, fröhlich in Hoffnung, getröstet in Trübsal und tätig sei in den Werken und Früchten des Glaubens, und dass ich Deine Freundlichkeit und die Süßigkeit Deiner Liebe schmecken, recht fühlen und empfinden möge bis an mein seliges Ende, und alsdann mit vollen Segeln des Glaubens einfahren in den Hafen meiner seligen Ewigkeit. Amen.

Matth. 8,23-34.

Du, ewiger Sohn Gottes, hast ehemals auch geschlafen! Du hast alle Schwachheit der Kinder Adams empfinden müssen, bis Du im Grabe die Gestalt des sündlichen Fleisches auf ewig ausziehen konntest. Aber, o wie heilig war Deine Ruhe! Ja, Herr Jesu, Du konntest sagen: „Der Vater lässt mich nie allein; denn ich tue allezeit, was Ihm gefällt.“ So schliefst Du im Schiff. Das Meer wütete und wallte, Deine Jünger sahen den Tod; Du aber konntest mit Recht fragen: „Warum seid ihr so furchtsam?“ Heiliger Heiland, Dein menschliches Leben auf dieser Erde heiligt das arme Leben Deiner Gläubigen. Jesus Christus ist für uns gestorben – so sagt Dein Wort – dass wir, wir wachen oder schlafen, zusammen mit Ihm leben sollen. (1. Thess. 5,10.) O so heilige Dir denn auch meine Ruhe in dieser Nacht, und so lange noch Sonne und Mond über mein Haupt untergehen sollen. Nun ist es finster geworden um mich her: lass mir das Licht Deines Angesichts leuchten und sei mir gnädig. Nun vergesse ich Sorge und Kummer: lass mich Dein auch im Schlafe nicht vergessen. Nun schweigen meine Lippen: lass meine Seele auch im Schlafe zu Dir beten. Herr, heilige meine Ruhe; reinige mein Herz, dass kein unreiner Traum mein Herz beflecke und Deinen Geist betrübe. Sei Du mein Traum, meine Freude und Wonne. – Der Schlaf hemmt auf einige Stunden jede meiner Beschäftigungen mit den Dingen dieser vergänglichen Welt; aber die Verbindung der Gläubigen mit ihrem Jesu ist nicht von dieser Welt. Sie ist himmlisch; denn Du bist der Herr vom Himmel. Und wenn wir in den namenlosen Augenblicken, die der Mensch Jahre nennt, das Bild des ersten Menschen getragen haben, der von der Erde und irdisch war: so sollen wir durch alle Ewigkeiten das Bild des andern Menschen tragen, der der Herr vom Himmel ist. O Immanuel, verbinde meine Seele mit Dir im festen Glauben, in der lebendigen Liebe, im unverbrüchlichen Gehorsam, und in der fröhlichen Hoffnung! In der Ewigkeit werden wir erfahren, was Du Deinen Freunden – auch schlafend geben konntest. Amen.

Matth. 9,1-17.

Was gibst Du Gott, o meine Seele,
Gott, der dir Alles schenkt und gibt?
Was ist in deiner Leibeshöhle,
Das Ihn vergnügt und Ihm beliebt?
Es muss das Best’ und Liebste sein:
Gib Ihm, gib Ihm das Herz allein.

Meine Seele, du Verlobte deines Jesu, dein Bräutigam hat dir sein Herz geschenkt; ja, du hast Ihm solches selbst genommen: was schenkst du Ihm wieder? Geschenke erfordern Gegengeschenke. Du sprichst: „ich habe nichts, was sollte ich Jesu schenken? Ist doch schon Alles sein, was ich habe.“ Schon recht; gleichwohl bekommt Er vielmals das Beste nicht, was der Mensch hat, und was doch dieser Seelenbräutigam so sehnlich wünscht und verlangt. Was ist dieses? Das Herz. Herz gegen Herz ist sein Begehr. Hörest du nicht, wie inständig Er sich dieses Geschenk ausbittet: „Gib mir, mein Sohn, dein Herz?“ wie beweglich und durchdringend Er im Texte zum Zöllner Matthäus spricht: „folge mir,“ und wie Er so stark auch an deine Herzenstür klopft, so laut schreit und so süß dir zuspricht: „komm, komm doch her zu mir, ich will dich erquicken“? (Spr. 23,26.) Treue im Glauben, Beständigkeit im Leiden, und eine ungefärbte Liebe ist’s, was Er verlangt. (Offbg. 2,10. Lux. 8,13. Joh. 21,15.) Jeder sollte billig ein Jakobsherz haben, dass er sage: „Herr, ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn;“ ein Assaphsherz, welches spricht: „Herr, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde,“ und ein Hiobsherz, welches ausruft: „Ob mich der Herr gleich töten würde, so will ich dennoch auf Ihn hoffen.“ Ein solches Herz haben die Alten einander gewünscht; dies wünsche ich auch dir. Dein Herz ein Tempel des Heiligen Geistes, eine Ruhestätte Gottes. Das Herz ist dreieckig; anzuzeigen, dass es dem dreieinigen Gott gehöre. Es ist oben offen, unten zu; zu lehren, wie es Gott stets offen, dem Irdischen aber verschlossen sein soll. Es soll nicht lieb haben die Welt, noch was in der Welt ist; Gott aber soll es lieben von ganzem Herzen und von ganzer Seele. – Mein Christ, hast du Ihm auch dies Geschenk gegeben? ganz? hast du nicht ein Herz für Gott, ein anderes für die Welt? Was die Delila zum Simson sagte, das muss auch Gott von dir sagen: „Wie kannst du sagen, du habest mich lieb, so dein Herz doch nicht mit mir ist?“ (Richt. 16,15.) Gott nennst du, die Welt meinst du. Zweiherzig, zweizüngig. Kaltsinniger, du stoßest Gott aus deinem Herzen: wahrlich, Er wird dich wieder aus seinem stoßen! – Herr Gott, ich habe Dein Herz, hier hast Du meines wieder. Ist es unrein, reinige es. Schaff’ in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, gewissen Geist. Ist es verstockt und hart? Erweiche es. Ist es unbeständig? Befestige es. Ist es erkaltet? Flamme es an mit dem Feuer Deiner Liebe. Ist es zu schwach, Jesu zu folgen? Ziehe Du es selbst Ihm nach, so laufe ich in seinen nachgelassenen Fußtapfen. Du, Herzenskündiger, prüfst es: richte es ein nach Deinem heiligen Wohlgefallen. Welt, so ist und bleibt dir nun mein Herz verschlossen; Gott hat es gelenkt, Ihm sei es nun auch geschenkt.

Wem sollt’ ich mein Herz lieber gönnen,
Als dem, der mir das Seine gibt?
Gott muss ich meinen Herzlieb nennen,
Er hat mich bis zum Tod geliebt.
Mein Herz, sein Herz, ein Herz allein,
Soll Sein und keines Andern sein. Amen.

Matth. 9,18-36.

Welch eine Tätigkeit des Herrn! Ein Werk seiner liebe und Menschenfreundlichkeit folgt dem andern. Nicht ein Mensch ist aus seinem wohltuenden Kreise ausgeschlossen; an Alle wendet Er sich, Alle sucht Er für sich und damit für ihr eigenes Wohl zu gewinnen. Auf seinen Wanderungen durch Judäa und Galiläa, bei seinen Besuchen in den Synagogen wie bei seiner Einkehr in den Hütten der Armen, beständig mit dem Volke in Berührung gebracht, lernte der Herr aus eigenster Anschauung das sittliche Verderben und das hiermit so häufig verknüpfte leibliche Elend der Menge kennen. Dies bewegte sein gefühlvolles Herz im Innersten und es jammerte Ihn des verschmachteten, innerlich zerrissenen und unbefriedigten, und äußerlich gedrückten und unglücklichen Volkes, und nun widmete Er ihm die treueste Sorge und Geschäftigkeit ohne Rast und Ruhe. In der ganzen Welt- und Menschengeschichte gibt es kein Beispiel einer gleichen, allseitigen, herablassenden, uneigennützigen und reinen menschenfreundlichen Tätigkeit zum Heil der Sünder! – Müssen wir sie nicht bewundern, dankbar anerkennen und gläubig uns zueignen? Müssen wir nicht, erkennend, wie arm und unglücklich wir ohne Christum sein würden, glaubensvoll und froh jauchzen: Gottlob, dass Er auch an mich gedacht hat, auch mein Erlöser und Herr geworden ist!? Müssen wir nicht vor allem seine Tätigkeit auch für unser Leben und Wirken in der Zeit zum beständigen Vorbild erwählen? und namentlich derer gedenken, die noch in Finsternis und Schatten des Todes sitzen? Mehr als zwei Dritteile der Menschheit sind noch brachliegendes Ackerfeld, und was bis jetzt zur Bekehrung der Heiden geschehen, ist nur der erste Anfang von dem, was geschehen muss, bis die Fülle der Heiden eingegangen ist. Lass uns denn anhalten in der Fürbitte und Handreichung für die Veranstaltungen zur christlichen Bebauung des unfruchtbaren Ackers der Welt, darüber aber den eigenen Herzensacker niemals vergessen. Amen.

Matth. 10.

Mit dieser Rede sendete Jesus seine Jünger, lange vor seinem Tode, gleichsam auf Probe, und zugleich zum Zwecke, Ihm selbst den Weg überallhin zu bereiten, in die Städte und Marktflecken Judäas aus, den verlorenen Schafen Israels zu predigen, das Himmelreich sei nahe herbeigekommen. Er erteilte ihnen bei dieser Aussendung zugleich die nötigen Verhaltungsmaßregeln, aber auch die herzerhebenden Verheißungen zur Aufrichtung unter den Feinden und Verfolgungen, welche sie treffen würden. Auch an uns ergeht eine ähnliche Aufforderung: wir sollen den Herrn vor der Welt bekennen, mit dem Munde und mit dem Leben, als Glieder Christi, als seines Geistes Kinder, als durch sein Blut Erlöste, als Gottes Gesalbte. Warum geschieht es nicht freudiger und offener und eifriger? An Gelegenheit dazu fehlt es nicht; was hält uns ab? Es ist bald eine Art von Scham: wir fürchten die Urteile und möglichen Verspottungen der Menschen, namentlich von denen, mit denen wir vormals einerlei Sinnes waren; und diese Scham entsteht aus falscher Eigenliebe, die sich nicht demütigen lassen will. Es ist bald die Weltliebe, die unser Herz immer wieder zur Unentschiedenheit und zum Hinken auf zwei Seiten bringt: wir wollen alte Gewohnheiten, alten Umgang, alte Vorurteile nicht fahren lassen, uns nicht selber verpflichten und binden. Wäre es uns mehr Ernst mit der Heiligung, hätten wir Christum recht lieb, so würden wir nicht anstehen, von Ihm zu zeugen und uns Ihm ganz und ohne Rückhalt zu übergeben. Es ist endlich oft auch die Trägheit, die Bequemlichkeit und der Leichtsinn, was vom herzhaften Bekenntnis Christi abhält: „es hilft ja doch nichts, das macht die Menschen nicht anders, das ist wie in den Wind gesprochen.“ Ist denn unsere Liebe zum Heiland so bald müde, dass, wenn wir nicht alsbald einen Erfolg sehen, wir dann lieber gar nichts tun möchten? Und ist es uns denn so ganz einerlei, ob unser Freund das Heil findet und selig wird oder nicht? Besser, einmal zur Unzeit reden, als zur rechten Zeit nicht zu reden! Gott legt seinen Segen oft auf ein schwaches Wort, wenn es nur lauter und aus der Liebe Christi kommt. Herr, vergib uns unsere bisherige Versäumnis und mache uns in Zukunft treuer und freier. Amen.

Matth. 11.

Christus hat allein die Macht, die mühseligen und beladenen Seelen zu erquicken. Und doch versucht man es zuerst mit jedem andern Trost und Tröster, ehe man dem einen und rechten Raum gibt. Vielen Menschen darf man gar nicht von Christus reden; sie wittern gleich Bekehrungssucht oder Pietismus. Andere sind noch nicht mühselig und beladen genug; sie nippen noch gern an den Freudenbechern der Welt, auch mit einem halbkranken Herzen und einem halbgeschlagenen Gewissen. Andere erkennen wohl, dass es anders mit ihnen werden muss, aber nur heute nicht; morgen vielleicht, übermorgen gewiss. Und so geht der Freund der Mühseligen und Beladenen von einer Thür zur andern, und findet doch keinen Eingang. – Ach, Herr Jesu, mache Du mich nur recht mühselig und beladen in einer ernstlichen Buße, dass ich mein Sündenelend einsehe, schmerzlich empfinde und bereue; aber bei dem Gesetze lass mich dann nicht zu lange bleiben, mich darunter zu ängstigen und zu quälen durch einen knechtischen und furchtsamen Geist. Durch Dein gnadenreiches Evangelium rufe meiner geängstigten und betrübten Seele, dass ich mit Begierde und in Zuversicht des Glaubens zu Dir komme und mit Deinem Trost der Vergebung der Sünden innig und süß erquickt werde. Neige endlich auch meinen Nacken unter das Joch Deiner Gebote und Deines Kreuzes, und stelle Dich meinem Herzen beständig zum Beispiel der Demut und Sanftmut vor, so werde ich wahre innerliche und äußerliche, zeitliche und ewige, leibliche und geistliche Ruhe für meine Seele finden und erlangen. Ach, gib mir es in der Tat zu erfahren, was Du gesagt hast: Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht!

O sanftes Joch, o leichte Bürde, die Jesus auf die Seele legt, o höchstes Glück, o größte Würde für den, der es mit Freuden trägt! Dem, der es willig auf sich fasst, dem hilft der Heiland selbst es tragen, so dass er kann mit Wahrheit sagen: o sanftes Joch! o leichte Last! Amen.

Matth. 12,1-21.

Eine köstliche Verheißung hast Du mir da gegeben, Herr Jesu. Bin ich doch oft auch an Schwachheit des Glaubens wie ein zerstoßenes Rohr und an kaltsinniger Andacht und trägem Eifer der Heiligkeit wie ein glimmender Doch. Mein Mut ist manchmal recht klein, meinem Herzen bange; ich bin schwach, trostlos und elend, und sehe keine Hülfe; bin so verzagt, als ob mir das Licht und der Trost wohl nie wieder aufgehen möchte, und durch alle meine Bemühungen und Anstrengungen kann ich nicht bewirken, dass die Flamme des Glaubens und der Liebe wieder emporlodert, sondern ich empfinde nur den stickenden Qualm meines verderbten Herzens. Gottlob, dass Du mir da die Verheißung gegeben hast, Du wollest das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Doch nicht auslöschen, und dass Du immer wieder das Licht aufgehen lässt den Gerechten und Freude den frommen Herzen, immer wieder uns erlösest aus unseren Bekümmernissen, Ängsten, Nöten und Sünden, selbst das in uns schaffest, was uns unmöglich war, die Niedergeschlagenen aufrichtest und aus ihnen wohl gar Eichbäume der Gerechtigkeit, Pflanzen dem Herrn zum Preise, ja Pfeiler in Deinem Hause daraus machst und ihnen den Sieg verleihest! Gottlob, dass Du das kleine Fünklein des Guten in der Seele erhältst, wie Du einst auch zu Petro sprachst: „Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre,“ und wenn alles Leben wie erloschen scheint, Du es in dem Grunde der Seele bewahrest, wie im Winter den Saft der Bäume in deren Wurzel, und dies verborgene Leben zeigst in dem Kummer, Seufzen und Sehnen des Herzens. So wirst Du denn auch mir zur rechten Stunde das Oel des Geistes zugießen, dass ich Anfänger fortschreiten, ich Angefochtener neuen, innigeren Trost, Frieden, Licht, Munterkeit und Kraft in mir spüren kann, bis Du dieses Gericht in mir ausgeführt hast zum Siege Deines herrlichen Namens. Stärk uns durch Dein Wort, bis das Schwache dort in der Kraft Dir singt und das Lob der Stärke Dir für Deine Werke in den Himmel bringt. Amen.

Matth. 12,22-50.

Lieber himmlischer Vater, ich bekenne es allewege, und Du siehst auch und weißt es, dass ich allenthalben, wo ich gehe oder stehe, inwendig und auswendig, mit Haut und Haar, mit Leib und Seele in das höllische Feuer hinein gehöre. Das weißest Du auch, o Vater, dass meinethalben nichts Gutes in mir ist, nicht ein Haar auf meinem Haupt, es gehöret doch Alles in den Abgrund der Höllen, zu dem leidigen Teufel. Was soll ich viel Worte davon machen? Aber, lieber Vater, ich bitte wieder allewege, ich sei meinethalben, was ich wolle, so bitte ich dennoch, und will es von Dir auch gebeten haben alle Tage, dass Du Dein Aufsehen und Aufmerken nicht haben wollest auf mich, als auf einen solchen Sünder, wie ich bin. O es ist sonst mit mir verloren und verdorben, und wenn hunderttausend Welten auf meiner Seite wären; sondern das bitte ich Dich, Du wollest Dein Aufsehen und Aufmerken also auf mich haben, dass Du wollest Deine Augen kehren, wenden und richten auf das Angesicht Deines liebsten Sohnes Jesu Christi, Deines Gesalbten, meines Mittlers, Hohenpriesters und Fürsprechers, meines Heilandes, Erlösers und Seligmachers, und wollest mir um Seinetwillen, ich bitte Dich, lieber Vater, gnädig und barmherzig sein, und wollest mir um Deines lieben Sohnes Jesu Christi willen verleihen ein seliges Ende und eine fröhliche Auferstehung, und mir hier und dort helfen am Leib und an der Seele. Und um seines rosenfarben Blutes willen, das Er so mildiglich am Stamme des Kreuzes zu Verzeihung und Vergebung meiner Sünden vergossen hat, bitte ich, lieber himmlischer Vater, dass Du dasselbige Blut Jesu Christi, Deines lieben Sohnes, an mir armen Kreatur, meiner mannichfaltigen Sünden halber, die da nicht auszusprechen noch auszurechnen sind, nach Deiner Gerechtigkeit nicht wollest lassen verloren sein; sondern wollest es nach Deiner grundlosen Barmherzigkeit den Nutzen und die Frucht lassen schaffen und ausrichten, dazu es von Dir in Ewigkeit ist verordnet, und von Deinem lieben Sohn Jesu am Kreuz auch vergossen ist, als nämlich, dass Du mir es wollest gereichen und kommen lassen zur Vergebung meiner Sünden, auf dass, welche Stunde und welchen Augenblick bei Nacht oder bei Tag Du kommest und anklopfest, und meinen Geist, welchen Du mir erstlich hast eingeblasen, wiederum hinwegfordern wolltest, so bitte ich Dich allewege, lieber Vater, dass Du Dir denselbigen meinen Geist und meine Seele wollest ja lassen befohlen sein in Deine Hände. Amen.

Dr. Luthers tägliches Gebet.

Matth. 13,1-30.

Das sind zwei sehr wichtige Gleichnisse aus dem Munde des Herrn. Beide fordern mich zur Selbstprüfung auf. Das erste fragt mich: welche ein Acker bist du? Feldweg? Felsboden? Dornensaat? gutes Land? Das Letzte gewiss am wenigsten, sondern aller Wahrscheinlichkeit und Wahrheit nach ein Boden, wo alle vier Ackerteile sich finden, bald eins mehr, bald ein anderes weniger, heute dieses vorherrschend, morgen jenes. Bald hindern die Zerstreuungen der Welt, bald das Strohfeuer des Herzens, bald das schlimme Gemisch Christi mit der beibehaltenen Lieblingssünde das Aufgehen des guten Samens, und es steckt auch in der sogenannten Bekehrung noch der Hochmut, der Geiz, die Wollust und die Trägheit. Herr, Herr, soll’s denn immer so bleiben? werde ich es denn nie zu einem ganzen, Dir wohlgefälligen Christentum bringen? Mache mich immer munterer im Wachen und Beten, und immer treuer im Kleinen, immer beharrlicher im eignen Generalbankerott und in der Aneignung Deiner Gnade: dann ist mir nicht bange, es geht vorwärts zum ewigen Leben. – Dann bin ich auch davor bewahrt, jemals ein Unkraut, ein Kind der Bosheit, ein Teufelssame, in Deinem Reich zu werden, im Leben unnütz und schädlich, im Tode mir selbst unerträglich und marternd: ach, die Schnitter schärfen schon ihre Sicheln und mähen jene Missgeburten im Reiche Gottes bald ab. Rotte denn, o Herr, jedes Unkraut, jede Sünde, in meinem Herzen je länger je gründlicher aus und säe an dessen Stelle Gutes, und lass das Unkraut um mich her, die bösen Taten und die bösen Menschen, und den Umgang mit ihnen mir immer mehr zum Segen gereichen, damit desto herrlicher die Wirksamkeit Deiner Gnade, dem Teufel und der Welt zum Trotz, sich an mir verherrlichen und offenbaren möge. Andrerseits aber steure auch des Satans Bosheit und lass nicht zu, dass sein Unkraut der Ärgernisse vollends Deinen Acker einnehme und den Weizen gar unterdrücke. Amen, um Deiner Verheißung willen. Amen.

Matth. 13,31-58.

Allgenugsamer Gott und Herr, der Frommen Schild und sehr großer Lohn, von Grund unserer Herzen sagen wir Deinem Namen Dank für den herrlichen Schatz Deines göttlichen Wortes, dass Du uns in dem Schoß Deiner Kirche hast lassen geboren werden, in welcher wir einen reichen Schatz Deiner Wahrheit nach dem andern können sammeln, tief in unser Herz legen und uns damit erbauen, aufrichten und trösten in unserm ganzen Leben, Leiden und Sterben. Gewiss ist das Evangelium und Reich Deines Sohnes wie ein Senfkorn klein und unscheinbar in seinen Anfängen, kräftig und bedeutsam in seinem Wachstum, wie ein Sauerteig von verborgener und doch unausbleiblicher Wirksamkeit, wie ein Netz angefüllt mit den verschiedenartigsten Herzen und Gemütsarten, aber vor allem ist es kostbar wie ein Schatz im Acker und wie eine Perle und wert, dass wir alles Andere, was wir haben, Geld und Gut, Vaterland, Freundschaft, Gemächlichkeit, Ehre und was die Welt Herrliches hat, geringschätzen und verläugnen, und sprechen: Mach mich an meiner Seele reich, so habe ich genug hier und ewiglich. Ein wahrhaftiger Schatz, der die Seele erquickt; ein nützlicher Schatz, der Trost gibt in allem Leiden; ein beständiger Schatz, den kein Feuer verbrennen, kein Dieb stehlen kann, sondern der bei uns bleibt in Lieb’ und Leid, in Not und Tod! Die Welt weiß diesen Schatz freilich nicht zu schätzen; ja, wir selbst sind manchmal so lässig und lau, dass wir Dein Wort nicht andächtig genug hören und lesen, und nicht fleißig genug bewahren, auch unser Leben und unsern Wandel so nicht danach einrichten, wie wir wohl gern wollten und billig sollten. Abba, Vater, vergib uns alle diese Unachtsamkeit und Sünde um Jesu Christi willen. Öffne Du selbst, o Gott, unsere Herzen wie der Lydia, so oft wir Dein Wort lesen und hören, dass wir sehen die Wunder in Deinem Gesetze. Lass unser Herz brennen vor Freude und heiliger Liebe der Wahrheit, wenn Du in Deinem Worte mit uns redest. Lass uns auch diesen Schatz so lieb haben, dass wir lieber Alles verlassen, was Du uns in dieser Welt gegeben hast, dass wir nur diesen Schatz, die teure Beilage unseres allerheiligsten Glaubens, behalten bis an unser seliges Ende. Lass auch heute den edelsten Schatz unserer Seele, Deinen lieben Sohn, bei uns einkehren und Wohnung bei uns machen. Haben wir Jesum, so haben wir Alles. Gönnest Du uns Reichtum und zeitliche Güter in dieser Welt, so bewahre uns doch, dass wir unsere Herzen nicht mögen daran hangen und Deiner dabei nicht vergessen. Gibst Du uns wenig in dieser Welt, so gib uns dabei ein in Dir fröhliches und vergnügtes Herz, mache unsere Seele desto reicher an Erkenntnis, Glauben, Liebe, Geduld, Hoffnung und gottseligem Wandel, und gib uns endlich den allerbesten Schatz und das schöne Kinderteil droben in dem Himmel. Amen.

Matth. 15,1-28.

O wie beschämt dieser große Glaube des Weibes meinen kleinen Glauben, Herr Jesu! Sie war eine Heidin und ich bin Christ; und doch ist ihr Glaube groß, der meinige hingegen klein. Es liegt nur an mir, da Du uns Allen gleiche Kraft zum Glauben darreichst. Würde ich mehr Begierde nach Dir haben und mein Vertrauen besser auf die zwei Grundsäulen, Deine Allmacht und Deine Güte, setzen lernen; würde ich mehr in mein Nichts einkehren, in meine Unwürdigkeit, und geduldiger anhalten in der Stunde der Versuchung und Läuterung: so sollte gewiss mein Glaube täglich größer und stärker sein und werden. Ach aber, da dies und dergleichen aus meiner eigenen Schuld fehlt, anstatt dass Du gern zu mir sagen wolltest: o Mensch, dein Glaube ist groß, so musst Du mich vielmehr, wie dort Deine Jünger, anreden und schelten: O du Kleingläubiger, wie du so gar keinen Glauben hast in deinem Herzen! Und diesen meinen Kleinglauben, ja selbst oft auch Unglauben klage ich Dir mit großer Wehmut meines Herzens und bitte Dich um Vergebung solcher Sünde des Unglaubens! Weil aber der Glaube nicht Jedermanns Ding ist und kein Werk unserer menschlichen Kräfte, so bringe ich Dir mein ungläubiges Herz, dass Du es selbst bessern und den Glauben darin pflanzen und vermehren wollest. Meine Bitte ist, um was die Jünger Dich gebeten: Herr, mehre, Herr, stärke mir den Glauben! Entferne von mir alle glaubensschwächenden Gedanken, verleihe mir Freunde, die durch innigen, lebendigen Glauben meinem Glauben neues Leben geben; was ich lese und höre, müsse meinen Glauben stärken; jede neue Erfahrung Deiner Huld müsse Nahrung meines Glaubens sein. Jede Gebetserhörung müsse meinen Glauben höher erheben. Will er wanken, so erinnere Dein Geist mich an Deine unwandelbare Treue, an Deine ewig geltenden Verheißungen, an Deine Allgenugsamkeit für alle meine Bedürfnisse, an alle Glaubenshelden, welche Menschen waren wie ich, und durch ihren Glauben Unmöglichscheinendes wirkten. Herr, ich glaube, komm zu Hülfe meinem schwachen Glauben. Amen.

Matth. 16.

Barmherziger Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, gib mir die Gnade des Heiligen Geistes, dass ich über alle Versuchungen der Welt den Sieg davon trage, und nie meine, was menschlich, sondern allezeit, was göttlich ist, und Dir nie ärgerlich, geschweige denn ein Satan werde, wie Petrus in obigen Worten. Die Welt greift mich an mit Hass, Schmeicheleien und verkehrten Beispielen: lehre mich, den Hass der Welt gering zu achten, ihre Schmeicheleien abwenden, und die Nachahmung der Bösen meiden. Was wird gegen mich der Hass der Welt vermögen, wenn Deine Gnade wie ein Schild mich deckt? Wiederum, was wird mir es nützen können, wenn alle Menschen mich mit Liebe umfassen, und Du indessen mit dem Grimm Deines Zorns mich verfolgst? Die Welt vergeht, es vergeht der Hass der Welt; Deine beständige Gnade allein aber währt ewig. Warum soll ich mich vor denen fürchten, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können? Der Glaube ist unser Sieg, der die Welt überwindet. – Aber nicht nur zur Linken greift mich die Welt mit Hass an, sondern sie sucht mich auch zur Rechten mit ihren Schmeicheleien anzulocken; sie hat einen stechenden Schwanz, aber auch ein schmeichlerisches Gesicht: gib mir, o Christe, die Lieblichkeit der himmlischen Freude zu schmecken, dass alle Liebe zur Welt in mir untergehe. Der Geschmack meiner Seele ist verdorben, sie begehrt das Irdische, und die Verachtung der weltlichen Schmeicheleien scheint ihr bitter; aber Du, der Du die Dinge nach der Wahrheit schätzest, Du hast mich gelehrt, die Reizungen der Welt zu verschmähen, und hast gewollt, dass meine Seele zum Himmlischen erhoben werde. Wende daher ab mein Herz von den Liebkosungen der Welt, dass es, zu Dir gewandt, die wahren und geistigen Ergötzungen genieße. Was hat den nun verstorbenen Liebhabern der Welt der nichtige Ruhm, die kurze Freude, die geringe Macht genützt? Nichts ist von ihnen übrig geblieben, als Asche und Würmer; jetzt wird ihr Fleisch hier den Würmern zur Speise gegeben, ihre Seele aber dort mit ewigem Feuer gepeinigt; alle ihre Herrlichkeit ist verblüht, und wie Heu auf dem Felde verdorret. Verhüte, o Gott, dass ich nicht auf ihre Wege trete, damit ich nicht zu derselben Grenze des Elendes gelange; sondern führe mich durch die Überwindung der Welt zur Krone der himmlischen Herrlichkeit. Amen.

Matth. 17,1-2

Bei Jesu tiefer Erniedrigung im Ölgarten schliefen die Jünger. Sie sollten Augenzeugen sein, und siehe, ihre Augen waren voll Schlafs. Das lassen wir die Nacht entschuldigen, die Traurigkeit auch. Dass sie aber bei seiner Verklärung schliefen, da sie keine Ursache zu trauern hatten, da die Sonne am Himmel schien und Er selber viel heller leuchtete, denn die Sonne am Himmel, mag nicht entschuldigt werden. Anstatt dass sie ihre Augen hätten auftun und diesem herrlichen Auftritt mit Fleiß zusehen sollen, schließen sie dieselben zu. Der Berg hatte ihre Beine müde gemacht, der Leib ihre Seele beschwert. – Ihr Schlaf war kein Entzückungsschlaf, darin Gott den Leuten das Ohr öffnet und schrecket und züchtiget sie (Hiob 33,16.); nicht ein wachender Schlaf, davon die Braut des Herrn redet: „Ich schlafe, aber mein Herz wachet;“ nicht ein loser Schlaf, der mehr ein Schlummer als ein Schlafen ist; sondern ein schwerer Schlaf, ein halber Todesschlaf. Wie geneigt sind wir doch zum Schlaf, wenn wir göttliche Dinge betrachten sollen! Da jene schliefen, säte der Feind sein Unkraut aus; Eutyches schlief und fiel. Wie rüttelt der Satan die Wiege, dass er uns bei unserer Andacht einschläfre, und wenn das geschehen, so nimmt er entweder etwas Gutes von, oder bringt etwas Böses in uns, oder setzt uns in Gefahr eines tödlichen Falls. Der Schlaf ist des Todes Bruder. Wer tot ist, der schläft nur vor Gott, wer aber schläft, da er wachen sollte, der ist tot vor Ihm. Wer in der Predigt schläft, dem wird mehr eine Leichen- als Lehrpredigt gehalten. Ein schlafsüchtiges, schlummerndes Herz ist nicht geschickt zu erscheinen vor dem Hüter Israels, der nicht schläft noch schlummert. Ach lasst uns doch eine Stunde mit dem wachen, der uns zum Besten immer wachet! Das Gebet wehret dem Schlaf. Die Tränen wischen ihn aus den Augen. Im Bethause bete mit Tränen, so hat der Schlaf keine Macht über dir. Die eine Fülle lässt die andere nicht ein. Wo man voll Andacht ist, da kann man nicht voll Schlafes sein. Durch die Mäßigkeit wird beides, das Wachen und Beten, gefördert. Darum belade deinen Leib nicht mit Fressen und Saufen, wenn du Gott dienen sollst. Viel eher brennt ein dürres als ein nasses Holz an. Viel eher lässt sich ein Strohhalm als ein Stück Blei aufheben. Sei nüchtern und mäßig zum Gebet. Amen.

Matth. 18,21-35.

Du hast, o Herr, dem Menschen das Verlangen nach Glückseligkeit eingepflanzt, und uns unter einander verbunden, damit ein jedes dieses Ziel desto eher erreiche. Aber ach, wir sündige, schwache Geschöpfe hindern und stören einander oft mehr, als dass wir uns hülfen und förderten. Auch ich trage diese Schuld. Ich liebe den Nächsten nicht so innig und aufrichtig wie ich sollte, ich kenne die Größe wahrer Nächstenliebe kaum. Ich bin der barmherzige Samariter nicht, den mir das Evangelium zum Vorbilde aufstellt, und sträube mich oft gar sehr, die hundert Groschen zu erlassen und zu vergeben. Nur bisweilen ahnet mein Herz, wie viel Herrliches auf Deiner Erde gewirkt, wie viel Seligkeit genossen werden könnte, wenn aller Hader und Streit, alle Feindschaft und Missgunst überwunden würde und uns Alle reines, lebendiges Wohlwollen beseelte! O Vater, Du Gott der Liebe, treibe doch alle feindseligen Gedanken aus mir aus; besiege mit dem allmächtigen Hauch Deiner Barmherzigkeit die unheimliche Kälte, die in den Klüften meiner Brust verborgen ist! – ich bin oft mit mir selber unzufrieden. Mein Gewissen sagt mir: Du bist doch gar nichts, denn du hast die Liebe nicht. Wenn ich mit Andern rede, ach, ich habe oft schon beleidigende Ausdrücke gebraucht; ich war finster, ungesellig, kalt und gleichgültig, oder wenn ich wärmer wurde und zärtlicher redete, so tönte mir selber mein Wort wie mattes Erz, wie eine klingende Schelle. Wenn ich auch manchmal einem armen Bruder Teilnahme bezeuge, rate und helfe, ach, so fehlt doch meinem Thun die rechte Weihe, die heilige Liebe, das Band der Vollkommenheit. Und wenn ich auch Einzelne aufrichtig liebe, so ist meine Liebe schwach, und umfasst nicht meine Mitchristen und Mitmenschen alle. O Liebe, die am Kreuze starb, lehre Du mich lieben! O Liebe, die dem Feind vergab, lehre mich verzeihen! Lehre mich beständig lieben, auch wenn ich nicht geliebt werde! Es ist so süß, geliebt zu werden; darum will ich lieben. Liebe mich, ewige Liebe, damit alle Kälte aus dem Herzen weiche. Offenbare Dich mir immer mehr in Deiner Herrlichkeit und Majestät, damit die träge Selbstgenügsamkeit und die weichliche Eigenliebe dem heiligen Eifer des Wohlwollens Platz mache und uneigennützigem Brudersinn. Amen.

Matth. 19,1-26.

Offenbar war dieser Jüngling religiös, gottesfürchtig, tugendbeflissen, und glaubte an Unsterblichkeit, Gericht und eine Welt der Seligen und Verdammten, und an eine göttliche Offenbarung, die in Mose und den Propheten, die auch in Jesu, der Propheten Jüngstem, der Welt geworden sei. Er war also ehrenwerter Vernunftgläubiger oder Rationalist. Jesus will ihn von der Oberflächlichkeit seiner sittlichen und religiösen Begriffe befreien und zu gründlicherem Nachdenken über das, was zu seinem Frieden dient, anregen. Darum verweist Er ihm das Spielen mit dem Wörtlein: „gut“ und bezeichnet alle Menschen als sündig und erlösungsbedürftig, und bahnt ihm den Weg zu der naheliegenden Folgerung, dass Er mehr als ein menschlicher Rabbi sein müsse. Man wird jedoch Christo, als dem vermittelnden Gottmenschen, nimmer die Ihm gebührende Ehre geben, so lange man noch wähnt, auch ohne Vertretung und Versöhnung zurechtkommen zu können. Deshalb suchte der Herr den Stachel der Wahrheit, dass er in sich verdammlich sei vor Gott und der Vergebung bedürfe, noch tiefer ins Herz zu drücken, indem Er ihn auf das Halten der Gebote verwies und zur Prüfung und Selbsterforschung Anregung gab. Leider bleibt der Jüngling für jetzt hier hängen, und geht betrübt hinweg, weil der Mammon ihm viel näher am Herzen liegt als der himmlische Schatz des Beifalls und der Gemeinschaft Gottes. Ob er später noch seine tiefe Sündhaftigkeit erkannt und Gnade bei Christo gesucht hat? Wir wissen es nicht; der Weg aber dahin war ihm jedenfalls gewiesen. Wer zum Leben eingehen will, - es geht nicht anders, der muss erst zu einem armen Sünder werden. Der Weg der Buße und der Selbstverleugnung ist allein der rechte Weg nach Zion. Zeige und führe mich denn diesen Weg, Herr Jesu, und da die Eigenliebe mir meine Fehler so oft verbirgt, so öffne Du mir durch die Zucht Deines Geistes die Augen, meine Fehler zu erkennen; aber behüte mich auch, dass, wenn Du mir meinen Hauptfehler zu erkennen gibst, ich ja nicht betrübt zurückgehe, sondern mich von Deiner Gnade bessern lasse. Amen.

Matth. 19,27-30. 20,1-16.

Groß ist der Reichtum wichtiger Lehren und Warnungen in diesem Gleichnis. Auf die Berufung der mannigfachen Nationen des Erdbodens zum Evangelio und die Einladung eines Jeglichen unter uns zum Reiche Gotte weiset es uns hin; die Verpflichtung der Berufenen, die Hoffnung der treuen Diener Christi, die last und Hitze des Tages, die Ruhe und den Lohn des Feierabends, die Gerechtigkeit, die Güte und die erfreuende Gnade des Herrn zeigt es uns im erwecklichsten Bilde. Besonders wichtig ist die Erwähnung der elften Stunde, wo der Hausvater zum letzten Mal ausgeht, um Arbeiter zu mieten in seinen Weinberg. Diese letzte Frist des menschlichen Lebens ist offenbar eine Gnadenstunde, denn sie hat auch noch die Verheißung des Lohns. Sie ist gleichwohl eine sehr ernste Stunde, weil sie eben die letzte ist in der Gnadenfrist. Dabei ist sie im höchsten Grade ungewiss: kann es nicht die gegenwärtige Stunde sein? Rühme dich nicht des morgenden Tages, denn du weißt nicht, was heute sich begeben wird. Gottlob, dass sie nach und nach gewisser wird, je länger wir leben, und immer offenbarer und deutlicher sich bei Vielen anmeldet; besonders wenn der Schnee des Alters das Haupt bedeckt und ein Glied und Sinn nach dem andern seine Dienste versagt! Wohl ist das hohe Alter dann eine schwere, oft schmerzensreiche und drückende Zeit; aber – mag sie sauer werden, die elfte Stunde: sie ist die letzte; mag es noch hart hergehen im Weinberg, sie kündigt den nahen Abend, die Ruhe, den Hingang in das Haus des Herrn, die Austeilung des ersehnten Lohnes an. Auf sie kommt die liebliche Zeit der Erquickung vor dem Angesichte des Herrn. – Wie? Wenn meine elfte Stunde schon geschlagen hätte, ohne dass ich es wüsste? Bin ich fertig und bereit? Habe ich Lust abzuscheiden und bei Christo zu sein? – Würde diese Stunde mir die süßeste und seligste meines ganzen Lebens werden? Herr, öffne mir die Augen und rüste mich selbst aus zu einem treuen Arbeiter in Deinem Weinberge, der seines Ausgangs sich freuen kann, Amen.

Matth. 20,20-28.

Gekommen ist die Zeit, wo mein Heiland wandelte nach der heiligen Stadt; bald werden sie Ihn mit Hosianna empfangen, und dann über Ihn rufen: Kreuzige Ihn! O du Fülle des Gehorsams, wer kann es dir gleich tun? O du lauterste Demut und Ergebung, wer kann sich mit dir messen? Alle Flammen sind kalt gegen die Liebe, welche in diesem göttlichen Herzen schlägt. O dass, wenn ich nun den Tag feiere, an welchem Er einzog, Er auch zu mir einziehen möchte! O dass, wenn Er nun kommt, Er nicht über mich weinen dürfte! Mein König und mein Gott, wie soll ich Dich begrüßen? Werde ich, wenn Du den Tempel meines Herzens reinigen willst, anheben und sagen: Aus was für Macht tust Du das? Oder werde ich lieber ein Unmündiger sein, aus dessen Munde Du Dir Lob zurichtest? Werde ich als ein unnützer Feigenbaum am Wege stehen, der verdorren muss; oder wirst Du Früchte des lebendigen Glaubens an mir finden? Ich habe es gesagt, und sage es noch, und werde es immer sagen: Gibst Du mir nicht, so habe ich nicht; reinigst Du mich, so werde ich rein; machst Du mich reich, so trage ich die Fülle. Darum bitte ich Dich, Du lebendige Liebe, gehe ein in meine Seele, dass sie wahrhaftig lieben könne. Lieben, - ja, Dich, der Du nun zum Ölberge wallst, und für mich, auch für mich betest: „Heilige ihn in Deiner Wahrheit,“ und für mich, auch für mich betest, dass mein Glaube nicht aufhöre, dass ich nicht verloren sei; der Du auch um meinetwillen ringest in Gethsemane, und, Jerusalems hochgekrönter König, mit stummen Lippen fragst, ob sie wissen, was sie an Dir tun? Lieben Dich, der Du die Glieder den Nägeln darreichst, mich vom ewigen Schmerz zu erretten, und Dein heiliges Leben verblutest, auf dass ein Sünder selig werde; ja, lieben, so es möglich wäre, wie Du; dulden, so es möglich wäre, wie Du; wirken endlich, so Du mich würdig hast gemacht, wirken zum großen Gemeinwohl, mit Dir, dem alle Gewalt gegeben ist, nachdem ich auch im Kleinen treu erfunden worden. Eines aber bitte ich besonders von Dir. Gleichwie in Deinem Munde kein Betrug war, und ist keine Lüge über Deine Lippen gegangen: so wollest Du mich bewahren vor aller Heuchelei, auf dass ich nicht etwa Dein Kreuz im Munde führe, und meine meinen Vorteil damit und meine Bequemlichkeit und Sinneslust; oder es mir nur ein Wahnbild sei, als ob das Holz mich könnte selig machen; oder treibe gar der Sünden desto mehr, weil ich fromm scheine und glaube – ach, wie ein Teufel, welcher zittert. Oder dass ich nicht rede von dem Göttlichen, der seine Lehre mit dem Tode besiegelt hat, und verstehe heimtückisch einen kühnen Menschen darunter, der vielleicht besser getan hätte, den großen Gang zur Stadt seiner Feinde jetzt noch nicht zu wagen, und kenne das Lamm Gottes nicht, welches der Welt Sünde trägt. Vor solchem Allen bewahre uns durch Dein blutiges Verdienst, o Herr und Heiland. So werden wir in der Wahrheit stehen, und die Wahrheit wird uns frei und wird uns weise machen. So werden wir Dir herzlich dankbar sein, und Deine rechten Jünger durch rechte Nächstenliebe, Feindesliebe, Glauben an Gott und Glauben an Dich. So werden wir nicht aus Trägheit oder Zagheit, sondern als Deine Nachfolger, Kreuz tragen und still halten, wenn wir gekreuzigt werden, bis das sündige Herz sich gar ausgeblutet hat, und das Gesetz in den Gliedern verronnen ist, und es vollbracht ist an uns, was vollbracht werden musste; bis die Felsen brechen, und Gott und Mensch uns Zeugnis gibt, und wir eingehen in die Ruhe und in das stille Land, welches aufnimmt Alle, die zu Deiner Rechten gekreuzigt sind, und deren Tage ihrer Wallfahrt unter den Irdischen eitel und böse gewesen; bis die Nacht scheidet, und das Licht anbricht, und der Lenz der höheren Ostern mit unsterblichem Blütenduft uns anweht, und die Boten aus den heiligen Tausenden im Lichtgewand uns begegnen, und wir Preis geben dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamme, das geopfert ward. Amen.

Matth. 21,1-15.

„Sei uns tausendmal gegrüßt, Du treuer Hoherpriester unserer Seelen, der Du Dein Blut vergossen hast zur Versöhnung für unsere und der ganzen Welt Sünden; sei uns gegrüßt, Du König der Herrlichkeit, der Du gekommen bist zur Tochter Zion, ein Gerechter und ein Helfer, sanftmütig und von Herzen demütig, dass in Dir alle Mühseligen und Beladenen Ruhe finden sollen für ihre Seelen. Hosianna Dir, dem Sohne Davids! Gelobet seist Du, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ So jauchzte Dein Volk Dir entgegen, da Du als König einzogst in Deine Stadt und über sie weintest und feierlich Alle beriefest in Dein Reich. Hosianna, rufen auch wir aus tiefstem Herzensgrunde, und wie sie dort ihre Kleider unserer eignen Gerechtigkeit wegwerfen und zu Deinen Füßen legen. Du aber, barmherziger Heiland, gehe ein bei uns, siehe nicht an unsere große Unwürdigkeit, in der wir freilich nicht wert sind, dass Du uns nur anblickst. Aber Du bist ja auch in jene mit Blutschulden bedeckte Stadt eingezogen als das große Opfer für die Sünden der Welt; in der Kraft dieses Opfers erbarme Dich auch über uns und verachte nicht, zu uns zu kommen. Du kannst auch aus uns, wie aus Deinem Tempel, den ganzen Kram und Markt aller irdischen Dinge austreiben, und uns heiligen zu einem reinen Bethaus, darinnen Du wohnen kannst samt dem Vater in dem heiligen Geist. O es ist Dir ein Kleines, zu machen, dass alle Täler erhöhet und alle Berge und Hügel geniedrigt werden, so bereite Dir selbst den Weg und mache Dir eine ebnen Bahn in unsere Herzen, wirf allen sadducäischen Leichtsinn und Unglauben und allen pharisäischen Sauerteig und Hochmut aus uns hinaus, und mache uns gleich den Kindern im Tempel, aus deren Munde Du Dir ein so feines Lob zugerichtet hast. Ja, zu Kindern mache uns, dass wir nichts begehren als Dich allein, Du ewige Liebe. Amen.

Matth. 21,9

Sei willkommen, o mein Heil;
Hosianna, Du mein Teil!
Richte Du auch eine Bahn
Dir in meinem Herzen an.

Hosianna dem Sohne Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!

So sang Israel, als Jesus seinen feierlichen Einzug hielt in Jerusalem, und so singen wir heute, wo wir in ein neues Kirchenjahr eingetreten sind und der Herr seinen Einzug halten will in unsere Herzen. Die Pforten des Heils haben sich von neuem geöffnet, eine neue Reihe von Sonn- und Festtagen rückt uns entgegen und im Vordergrunde leuchtet das fröhliche Weihnachtsfest mit seinen Hirten und Engeln, als ein Fest des Himmels und der Erde zugleich, in hoher Bewegung. Wie können wir die neue Zeit des Jahres gesegneter für uns beginnen, als mit dem Rufe: Hosianna! d.h. Herr, hilf uns. Hilf uns heraus aus der alten Zeit und dem alten Wesen unseres Herzens, dass Alles, was sündhaft ist, in uns untergehe und versinke in das Meer der Vergessenheit; und hilf uns hinüber in die neue Zeit, dass Alles in uns neu werde, unser Herz neu, unser Leben neu, mit den neuen Gnadenmitteln neue Gnadenwirkungen uns zu Teil werden, mit jedem neuen Sonntage die Sonne des Heils neu belebend, erwärmend und erleuchtend uns aufgehe, und mit jedem neuen Festtage wir ein Vorgefühl der Feste erhalten, die vor Deinem Angesichte gefeiert werden ohne Aufhören immer und ewiglich. Herr, hilf uns! Du kannst, Du willst, Du wirst uns helfen; und wir bedürfen Deiner Hülfe und sind ohne Dich rettungslos verloren. - Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir begrüßen Ihn mit offenen Armen, mit den Armen unserer Hingebung und Begeisterung. Keine fröhlichere Kunde kann uns der Advent bringen, als dass Christus wieder zu uns kommt. O, wo Er kommt, da kommt mit Ihm das Heil; Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist; da werden die Herzen errettet von der Obrigkeit der Finsternis und zu Königen und Priestern gemacht im Reiche Jesu Christi. Herr Jesu, sei denn unserm Herzen willkommen! Wir wollen Dich gern und willig haben, Du bist uns ja der Allerliebste vor andern Heiligen, Engeln und Menschen. Lass unser Herz Dein königliches Adventsschloss sein, ziehe hinein, als in Deinen fürstlichen Palast und in Dein selbsterworbenes Eigentum, regiere da wie ein gebietender Herr, gebeut allen unsern Gedanken, Reden, Gebärden, Tritten, Adern, Blutstropfen und Gliedmaßen, dass sie Dir dienen! Trag' in unser Herz Deine königlichen Schätze, Gerechtigkeit, Hülfe, Sanftmut und Liebe! Verleihe uns ein recht bußfertiges Herz; hilf, dass wir unser Sündenkleid in Demut ablegen, Dich für unseres Glaubens und Lebens gebietenden Regenten erkennen und Dir ein fröhliches Hosianna klingen, so lange ein Atem in uns ist. Herr Jesu, wir schwören noch einmal zu Deiner königlichen Krone: Mit Leib und Seele alleine Dein, wollen wir, Du König der Ehren, Jesu in Ewigkeit sein! Amen.

Auf, auf, ihr Reichsgenossen!
Der König kommt heran!
Empfanget unverdrossen
Den großen Wundermann.
Ihr Christen, geht herfür!
Lasst uns vor allen Dingen
Ihm Hosianna singen
Mit heiliger Begier.

Auf, auf, ihr Vielgeplagten!
Der König ist nicht fern.
Seid fröhlich, ihr Verzagten!
Dort kommt der Morgenstern.
Der Herr will in der Not
Mit reichem Trost euch speisen,
Er will euch Hilf' erweisen,
Ja dämpfen gar den Tod.

Nun, Herr, Du gibst uns reichlich,
Die wir sind arm und schwach;
Du liebest unvergleichlich
Und eilst den Sündern nach.
Drum woll'n wir Dir allein
Die Stimmen hoch erschwingen,
Dir Hosianna singen
Und ewig dankbar sein.

Matth. 21,23-46.

Was willst Du Größeres, meine Seele, als mit dem verbunden werden, der der Erbe des Weinbergs ist und sich von den Knechten töten und kreuzigen ließ? Nur gleiches Loos vereinigt. Wer mir nachfolgen will, spricht Jesus Christus, der nehme sein Kreuz auf sich. Wer mit dem Herrn auferstehen will zum Leben der Herrlichkeit, der lasse sich mit Ihm töten. Dich selbst sollst du nicht kreuzigen aus Willkür oder Hochmut; sich kreuzigen heißt, sich kreuzigen lassen; das Leben hat Holz, Hände und Nägel genug, wodurch dieser Dienst an dir verrichtet wird. Halte du nur stille. Der Herr hat es sie geheißen: Kreuziget ihn! Theil am Kreuze haben, heißt, Theil an Christo haben. – Das verborgene Kreuz aber ist am kräftigsten. Die Zerknirschung, der man’s nicht ansieht, ist die tiefste. Der verborgene Mensch des Herzens allein ist köstlich vor Gott. Nicht nur unser Leben, sondern auch unser Tod muss verborgen sein mit Christo in Gott: das heißt, du sollst weder die Kreuzigung noch die Auferstehung zur Schau tragen. – Du sollst dich auch den menschlichen Gesellschaften nicht entziehen, Gott erlaube es denn; du sollst nicht mit Gewalt nur unter deinen Geistesverwandten zu leben suchen. Nach Gottes Willen sollst du außer der Welt in Gesellschaft, und nach Gottes Willen mitten in der Welt einsam leben. – Es gibt insbesondere ein dreifaches Kreuz im Dienste Christi: das Märtyrer- und Zeugenkreuz, das Prüfungs- und Bewährungskreuz und das Züchtigungs- und Strafkreuz. Hilf mir, Herr Jesu, dass ich mich nicht sträube gegen dieses Dein Kreuz, vielmehr in demselben Dich um so treuer bekenne, Geduld und Standhaftigkeit, Liebe und Gehorsam beweise und bewähre, und Züchtigung wohl anwende, dass sie mir eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit gebe und mich im rechten Selbstverleugnung- und Leidenssinn immer mehr übe. Amen.

Matth. 28,1-15.

O Fürst des Lebens, Herr Jesu Christe, Dich beten wir an in Deiner Kraft und Herrlichkeit, worin Du gesiegt hast über den Tod, über die Hölle und über alle Deine und unsere Feinde. Dir, o mächtiger Lebens- und Friedensfürst, wollen wir Ehre geben, Dir wollen wir huldigen als unserm Herrn und Könige; Dir wollen wir uns ergeben mit Allem, was wir sind und haben. Himmel und Erde müssen Dich anbeten; Alles müsse Dir Preis und Lob bringen. O Jesu, erbarme Dich über uns, und hilf auch uns am Auferstehungstage; lass Deinen Kampf und Deinen Sieg an uns nicht vergeblich sein. Lass es uns erfahren, dass Du lebest, dass Du Macht hast und gegenwärtig bist, uns zu helfen. Wir führen unser Leben nur allzusehr in eigner Kraft, in eignem gebrechlichen Wirken, weil wir Deinem Wirken nicht Raum geben: drücke es doch tief in unsere Herzen, dass wir nicht ablassen vom Gebet, und beständig bleiben im Anhangen an Dir und im Warten auf Dich und Deine lebendig machende Geisteskraft. Ziehe uns aus dem Grabe in Dein Leben hinein. Lass uns das Eitle und Sichtbare immer mehr nichtig, immer mehr entfremdet werden. Dein göttliches Leben werde bekannt unseren Herzen, werde uns immer lieber und wichtiger, damit wir als wahre Fremdlinge in dieser Welt leben mögen. Scheide unsern Sinn von allem, was nicht in Dein Reich gehöret; lass unsern ganzen Wandel zeigen, dass wir Dir angehören und Dich zu einem Herrn haben.

Herr, wir erkennen Deine Oberherrschaft über uns, über unser Leben, über unser Sterben, über Seele und Leib: Dir gehört Alles zu. O gib, dass wir Alles Dir willig opfern, und alle unsere Kraft zu Deinem Dienste verzehren.

Lass Dein Leben unseren Seelengrund, unsere Kräfte, alle unsere Sinnen durchdringen, dass Alles voll Deines Lebens werde. Komm, Herr und König, ziehe ein in unser Herz, befiehl, herrsche und lebe ewiglich in uns als in Deinem Eigentum.

O Du treuer Herr, lehre uns auf Dich trauen, im Leben und im Sterben, dass wir Dich für unser Eins und Alles halten und mit Dir, unserm Herrn, eingehen in Dein ewiges Reich. Jesu, erhöre uns nach dem Reichtum Deiner Gnade und zur Verherrlichung Deines großen Namens. Amen.

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