Arndt, Friedrich - 48. Andachten zum Galaterbrief

Arndt, Friedrich - 48. Andachten zum Galaterbrief

Galater 1.

Paulus rühmt die Göttlichkeit des von ihm verkündigten Evangeliums im Gegensatze gegen die Lehre der in den Gemeinden Galatiens aufgetretenen Irrlehrer, welche neben Christo zur Erlangung der Seligkeit auch die Beschneidung und mit ihr die Verpflichtung zum jüdischen Gesetz als durchaus nothwendig lehrten, und sich dabei wahrscheinlich auf einige Apostel in Jerusalem, namentlich auf Petrus fälschlich beriefen, um dadurch den Apostel Paulus und seine Predigt herabzusetzen. Paulus erklärt dabei unter anderm: „Aber so auch wir oder ein Engel vom Himmel euch würde Evangelium predigen anders, denn das wir euch gepredigt haben, der sei verflucht.“ Ein mächtiges Wort; aber freilich nicht nach dem Geschmack der Menge. Es erschreckt heilsam die Sichern, es entzaubert die Irregeleiteten und Verblendeten, es verhilft zu richtigerem Urtheil den in Vorurtheil Befangenen, es befestigt die Zweifelnden und stählt die Gläubigen im Glauben. Wir sehen daraus, daß es Paulo nicht gleichgültig ist, ob und was ein Mensch glaubt; er verwirft jeden Indifferentismus in Glaubenssachen; er bestreitet es geradezu, was so Viele heut zu Tage sagen und lehren: „es gebe keine sichere Wahrheit; der Eine denke dies, der Andere das; wer behaupte, sie zu besitzen, sei ein hochmüthiger Schwärmer; man müsse daher sich gegenseitig dulden, und nur darauf achten, ob jemand rechtschaffen handle;“ und behauptet: „es gebe eine gewisse Wahrheit in der göttlichen Offenbarung, und diese Wahrheit habe er, die einzige, untrügliche, ganze, und wer die nicht annehme, wer Anderes denke und lehre, der sei verflucht!“ Gewiß, das ist klar gesprochen und entscheidend. Ist Pauli Wort Gottes Wort, so ist ebenfalls klar, was ich zu thun und zu glauben habe. Weg mit allen Menschensatzungen und Irrlehren! Weg mit dem ungläubigen Zeitgeiste und seinen Empörungen gegen das Wort des lebendigen Gottes! An Dich, Herr, allein glaube ich und Dein Wort ist meiner Füße Leuchte und ein Licht auf allen meinen Wegen. Amen.

Galater 2.

Petrus ist in Antiochien. Er hat erst mit den Heidenchristen gelebt wie ein Bruder; er hat mit ihnen gegessen und getrunken, als ob das Gesetz Mosis für ihn nicht mehr gälte. Kurz darauf kommen Etliche von den strengen Judenchristen aus Jerusalem nach Antiochien; sie halten noch fest an dem jüdischen Gesetze, und Petrus ist so schwach, daß er sich aus Furcht vor ihnen von den Heiden zurückzieht, fremd thut und sich der Speisen enthält, die er vorher mit ihnen gegessen hatte. Auch Barnabas wird mit in die Heuchelei hineingezogen. – Da steht Paulus auf. Er ist der Mann, den der Herr zur Säule christlicher Freiheit gesetzt hat; er kennt die Tiefe des Wortes: „So bleibet nun in der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat;“ er widersteht Petro Auge gegen Auge, er straft ihn öffentlich vor der ganzen Gemeinde wegen seiner Heuchelei, daß er sich in Anwesenheit der Judenchristen von Jerusalem anders stellt als in ihrer Abwesenheit. Petrus aber wird stille. Er hat kein Wort geantwortet. Als Paulus das Wort nahm, fiel ihm der rechte Theil in Petri eigenem Herzen sogleich bei. Das ist die rechte Demuth, wenn der Mensch sich strafen läßt. Es ist bei jeder ehrlichen Strafe ein Theil in uns, der sich freuet, daß ihm der Bruder gegen den Feind zu Hülfe gekommen ist. Petrus gedenkt hernach in seinem zweiten Briefe des Paulus als eines lieben Bruders. Petri vorgeblicher Nachfolger, der römische Papst, ist ihm nicht also nachgefolgt in der Demuth. – Paulus aber hat den Eck- und Grundstein der Kirche wieder aufgerichtet, die Lehre von der freien Gnade Gottes in Christo Jesu ohne Verdienst der menschlichen Werke. Wohl uns, daß er ihn uns erhalten, und daß Luther ihn uns aus seiner Verschüttung wieder an’s Licht gezogen hat! Nur Hochmuth und Selbstgerechtigkeit kann ihn verschütten und verwerfen. Weg mit allen Menschensatzungen außer uns und in uns! Protestire alle Tage gegen Ablaß und Selbstgerechtigkeit, und ergreife die Gerechtigkeit, die dein Herr dir erworben, im Glauben: dann hast du hier und dort das wahre, heiligende und beseligende, ewige Leben. Amen.

Galater 3.

In diesem Kapitel beweiset Paulus die Wahrheit seiner Verkündigung von der Gerechtigkeit vor Gott allein durch den Glauben sowohl aus der eignen Erfahrung der Galater (V. 1 bis 5.) als aus der heiligen Schrift (V. 6-11.) und aus dem Wesen und Zweck des Gesetzes selber (V. 12-29.). Auch die Heiden, die an Christum glauben, sagt er, sind durch diesen Glauben Abrahams Same und Gottes Kinder geworden, und bedürfen also nicht der Rechtfertigung durch das Gesetz. Ja, die Verheißung auf Christum ist schon da gewesen vor dem Gesetz, und das Gesetz selbst nur ein Zuchtmeister auf Christum hin; und es hört nun der Zwiespalt unter Juden und Heiden auf, ja, was noch mehr sagen will, selbst unter Knechten und Freien, Männern und Weibern; Alle sind von Gott berufen, Alle können durch den Glauben an Christum Gottes Kinder, Abrahams Same und Erben der Verheißung werden. – Heil uns, wenn dazu auch an uns das Gesetz Gottes gesegnet gewesen ist, daß es uns unsere vielen und großen Sünden vor Augen gestellt, uns unser gänzliches Unvermögen, das Gesetz zu halten, und dadurch vor Gott und selig zu werden, nachgewiesen, und uns gezwungen hat, uns nach einem andern Mittel zur Seligkeit umzusehen, und weil wir nicht aus Verdienst unserer Werke bestehen können, uns in die Arme der Gnade geworfen hat und des Verdienstes Jesu Christi! Heil uns, wenn das Gebet in uns kräftig wird: Schau auf meinen großen Jammer, stille des Gesetzes Dräun, denn dies Wort ist wie ein Hammer und zermalmt mir mein Gebein! Welche Erquickung für die Mühseligen und Beladenen! Welcher neue Trieb der Liebe und der Dankbarkeit, den Geboten Gottes treu nach Geist und Buchstaben nachzukommen! Herr, lehre mich erkennen, ob ich noch unter dem Gesetz oder schon unter der Gnade stehe, und sende mir Kraft von oben, der Gnade würdig zu leben. Amen.

Galater 4.

Nachdem Paulus die Knechtschaft unter dem Gesetz und die Kindschaft unter dem Evangelio einander gegenüber gestellt und zum Beharren im früheren Eifer ermahnt hat, schließt er das Kapitel mit einer Vergleichung der beiden Söhne Abrahams als Vorbilder derer, die unter dem Gesetz und die unter dem Evangelio sind. Letztere sind das wahre Jerusalem, die Stadt Gottes auf Erden, in der Er wohnt und wandelt, die sein Herz hat uns sich ausschließlich seiner liebenden Nähe erfreut. Sie sind das Jerusalem da droben, weil sie ihrer ganzen Herrlichkeit nach hier unten noch nicht zur Erscheinung kommen, und jedenfalls ihr Bestes droben haben. Während die Welt Alles hier unten hat, ihre Liebe, ihren Lust, die Ziele ihrer Sehnsucht, ihre Götter und ihren Himmel, haben diejenigen, die Christi sind, droben ihr wahres Vaterland und ihre Gerechtigkeit, Christum, und damit zugleich ihre Gedanken, Betrachtungen und Wünsche; sind hienieden nur Pilger, Bürger aber dort oben; ihr Wandel ist bereits im Himmel. Sie sind die Freie, gleich der Sara, die in Abrahams Hause die Herrin war, im Gegensatz der Hagar, der ägyptischen Sclavin. Frei ist ihre Rede, sie dürfen dem König aller Könige kommen, wann und womit sie wollen, bei Tag und bei Nacht. Frei ist ihre Stellung, sie unterwerfen sich dem Gesetze ihres ewigen Königs aus dem Grunde, weil sie Lust an diesem Gesetze haben und ihr innerstes Wollen damit in Einklang steht. Die Bürger Jerusalems helfen durch ihre Seufzer und Gebete die Welt regieren. Welche der Sohn frei macht, die sind recht frei. Sie sind endlich eine wahre Mutter, wohlthuend in tausendfacher Weise und Freude schaffend; ihre Hände segnende Mutterhände, ihre Augen zärtliche Mutteraugen, ihr Herz ein liebewarmes Mutterherz; das Salz wäre aus der Welt herausgenommen, ja, der Welt Säulen würden schwanken, wenn eine Gemeinde der Heiligen nicht mehr in ihr bestände. O daß ich doch auch zu dieser Gemeinde gehöre! Amen.

Galater 5.

Hier sehe ich, was erfordert wird, wenn ich ein Christ sein und dem Heilande angehören will: kreuzigen mein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Unter Fleisch ist die Erbsünde zu verstehen oder das ganze innere Verderben, und Lüste und Begierden sind die Regungen und Gedanken, welche aus der bösen Lust und Erbsünde entstehen, der Stolz, die Wollust, die Eigenliebe, der Zorn, die irdische Weltliebe. Diese Lüste und Begierden soll ich kreuzigen, d.h. nicht blos verhüten, daß sie in keine bösen Thaten ausbrechen, sondern sie auch nicht einmal im Herzen leiden; nicht blos sie unterdrücken und andere bessere Gedanken ihnen entgegenstellen, sondern sie gänzlich ausrotten durch die Kraft der Gnade. Ein Gekreuzigter hat keine Freiheit, er ist angenagelt und kann sich nicht mehr bewegen; er empfindet Schmerzen, und endlich stirbt er nach und nach durch eine Verblutung. Dies ist aber so wenig leicht, wie eine Kreuzigung, sondern vielmehr sehr schmerzhaft. Geistesschmerzen sind stärker wie Leibesschmerzen. Ich muß den Tod meiner Begierden oft an einem Tage wiederholen. Kaum bin ich von einer Seite ruhig, so fällt mich von der andern etwas an. Böse Regungen bleiben bis ans Ende, aber jeder Tag nimmt ihnen einen Theil von ihrem leben. Der Gekreuzigte stirbt auch nicht gleich, aber er wird, wenn er nur erst am Kreuze hängt, schon von den weltlichen Gerichten als ein Gestorbener angesehen. O wenn ich es nur erst so weit gebracht habe, daß ich durch die Gnade ein feines, schnelles Gefühl erlange, welches gleich jede unlautere Regung merkt, gleich dawider sich sträubt, gleich die Waffen in die Hand nimmt und sie bekriegt. Wenn ich es erst nur so weit brächte, daß ich mich selbst kennete und nichts in mir entschuldigte. Ich will daher täglich auf mich und mein Innerstes Achtung geben. Seid denn gekreuzigt, ihr Lüste und Begierden! Jesu Tod verpflichtet mich dazu, und Er wird mir Kraft zum Siege geben. Amen.

Galater 6.

Heiliger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, ich bitte Dich durch diesen Deinen Sohn im heiligen Geiste demüthig, daß Du die Abthötung des alten Menschen, die mir täglich nöthig ist, kräftig in mir wirken wollest, damit ich nach dem inwendigen Menschen in Dir könne gestärkt werden. Es wohnt in meinem Fleische die Sünde: gieb mir Stärke des Geistes, daß ich ihr nicht die Herrschaft in mir gestatte. Meine unerkannten Sünden stellest Du in’s Licht vor Deinem Angesicht: o stelle sie, ich bitte Dich, ins Licht vor meinem Herzen, daß ich sie sehe und betraure und in Demuth die Vergebung derselben suche. Ich bin noch nicht gänzlich frei von der Inwohnung der Sünde: o laß mich, ich bitte Dich, aus Gnade frei sein von der Schuld und dem Fluch der Sünde. Das Fleisch in mir gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach: verleihe daher meinem Geiste den Reichthum Deiner Kraft und Stärke, daß er die bösen Begierden des widerstrebenden Fleisches überwinden könne. O wie schwer und hart ist es, gegen sich selbst zu kämpfen! Wie schwer ist es, einen Hausfeind zu bezwingen! Wenn Du mich in diesem Zweikampf nicht mit himmlischer Kraft anthust, so wird zu fürchten sein, daß ich gezwungen werde, wegen der verborgenen Nachstellung dieses Feindes zu unterliegen. Drücke, brenne, schneide, tödte den alten Menschen, daß ich seinem schmeichlerischen Betrug und Verführung entfliehen könne! Gieb, daß ich täglich in mir sterbe, daß ich nicht durch die Schmeicheleien des Fleisches vom wahren Leben, das in Christo ist, abgezogen werde! Entzünde in meinem Herzen das Feuer des Geistes, daß ich Dir meinen Isaak, die bösen Begierden und den Eigenwillen, zum Opfer bringe! Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Mögen sie daher in mir sterben, daß ich nicht vom Himmelreich ausgeschlossen werde! Welche nach dem Fleisch leben, die werden sterben; welche durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödten, die werden leben. Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Durchstich und kreuzige daher mein Fleisch, o Christe, der Du auf dem Altar des Kreuzes für mich durchstochen und gekreuzigt bist. Amen.

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