Arndt, Friedrich - 52. Andachten zum 1. Thessalonicherbrief

Arndt, Friedrich - 52. Andachten zum 1. Thessalonicherbrief

1. Thessalonicher 1.

Die Gemeinde zu Thessalonich war von Paulus gegründet worden; durch Timotheus hatte er Nachrichten über sie erhalten, die Ihn bewogen, diesen Brief zu schreiben. Er lobt ihren Zustand im Allgemeinen, erachtet aber bei Einzelnen ernstliche Erinnerungen vor Unkeuschheit, Ungerechtigkeit und unordentlichem Wesen für nöthig. Seine Worte gelten noch immer für alle Christen. – Die drei Hauptstücke im christlichen Leben: Glaube, Liebe, Hoffnung, stellt Paulus in diesem Kapitel zusammen. Er spricht zuerst vom Werk des Glaubens, damit anzudeuten, daß derselbe nicht ein bloßer müßiger Gedanke, eine todte Speculation sein dürfe, sondern ein mächtig, geschäftig und gewaltig Ding sein müsse, das den ganzen Menschen wandelt und neugebiert. Dann redet er von der Arbeit, der Liebe; damit will er sagen, daß die Liebe nicht bloße Empfindung, Liebhaben mit der Zunge, sondern ein Leben mit der That sei, wobei man keine Arbeit, Mühe und Aufopferung scheuen dürfe; er selbst hatte in seiner Liebe zu den Thessalonichern ihnen ein Muster der wahren Liebe gegeben. Endlich redet er von der Geduld in der Hoffnung, anzuzeigen, daß die wahre, von Gott gewirkte Hoffnung nicht eine leere Einbildung, ein Gebilde der Phantasie ist, sondern eine Kraft Gottes, die in der Zeit der Noth uns stark macht zu dulden, zu leiden und durch Geduld und Stille sein zu überwinden. – Nachher rühmt er an den Thessalonichern drei Stücke, daß nämlich das Evangelium bei ihnen gewesen sei in Kraft – im heiligen Geist – und in großer Gewißheit. So leuchteten sie als lebendiges Denkmal der Gnade, als Lichter mitten in der Heidenwelt. Die Apostel standen nicht allein; ganze Gemeinden predigten mit; darum konnte sich damals das Evangelium so schnell ausbreiten. O daß Paulus, wenn er erschiene, daß vor allem Christus auch an uns etwas zu rühmen wüßte am Tage seiner großen Zukunft! Amen.

1. Thessalonicher 2.

In diesem Kapitel erinnert Paulus zuerst an sein echt apostolisches Benehmen in Thessalonich und an die erwünschte Frucht seiner Arbeit unter ihnen; zum Schluß drückt er sein Verlangen aus, sie wiederzusehen. Er kann gar nicht genug rühmen, daß die Thessalonicher so willig das Evangelium aufgenommen haben und sich durch die Schmach, die ihm in Philippi widerfahren war, nicht hatten daran hindern lassen. Freilich hatte er auch so zu ihnen gesprochen, daß sie bald inne wurden, er sei weder ein Betrogener noch ein Betrüger, er rede in göttlicher Wahrhaftigkeit als aus Gott und vor Gott, der ihn als seinen Apostel bewähre durch Zeichen und Wunder. Er ließ sie nicht die Macht seines apostolischen Ansehns fühlen, wie er wohl hätte thun können, sondern behandelte sie so mütterlich wie eine Amme, und theilte ihnen nicht nur die Milch, das Evangelium, mit, er wollte ihnen auch das Leben mittheilen; dann ermahnte er sie wieder so ernst wie ein Vater, und nahm die Stellung eines musterhaften Seelsorgers bei ihnen ein, der dreierlei an ihnen that: sie ermahnte, auf’s ernstlichste ihnen den Willen Gottes vorstellete und in sie drang, demselben Folge zu leisten; sie tröstete und wieder aufrichtete, wenn sie vor Gott sich beugten und ihren Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit kund gaben; und bezeugte, auf den Herrn hinwies, in dessen Namen er ermahnen, bitten, strafen, trösten sollte. Weil der Apostel aber war gezwungen worden, eilend und in der Nacht Thessalonich zu verlassen, darum verlangte ihn so sehr seine geliebten Kinder daselbst wieder zu sehen. Welch ein liebliches Gemälde der apostolischen Thätigkeit und des apostolischen Herzens! An ihm sieht man, was aus einem Menschen werden kann, wenn Gott der Herr ihn beruft zu seinem Reiche und er dem Rufe nicht widerstrebt, sondern Folge leistet. O Herr, mache auch aus mir etwas für Dein Reich zum Ruhme Deiner Herrlichkeit! Amen.

1. Thessalonicher 3.

Aus den ersten Versen sehen wir, wie schwer es dem Apostel wurde, in dem abgöttischen Athen, wo das Evangelium so wenig Eingang fand, allein gelassen zu werden. Alle jene herrlichen Werke der Kunst waren nicht im Stande, ihm den Jammer und das Elend Derer zu verbergen, die ohne Christum und ohne Hoffnung und ohne Gott waren in dieser Welt. Wir, die wir mitten in der Christenheit leben, haben keinen Begriff davon, wie einsam und verlassen die Boten Gottes sich oft mitten in den heidnischen Städten fanden und noch finden. – Paulus trug die zärtlichste Sorge, daß das Werk Gottes in den Herzen der Thessalonicher ja nicht in’s Stocken gerathe. Denn wenn auch unser Wissen hienieden Stückwerk ist und bleibt, unser Glaube soll nicht Stückwerk, sondern etwas Ganzes sein, den ganzen Christus, das ganze Evangelium ergreifen, es soll jeder darnach ringen, daß er vollkommen in Christo sich darstelle. Je völliger der Glaube in uns wird, je mehr er fortschreitet, desto reicher und voller entfaltet sich auch die brüderliche Liebe unter einander und gegen jedermann die Unsträflichkeit in der Heiligung und die Zubereitung auf das große Ziel aller Gläubigen, den Tag der Zukunft unseres Herrn Jesu Christi. Es ist daher alles Gerede von Unsterblichkeit, alle Ausmalungen und Beschreibungen vom Himmel und Wiedersehen, das wir bei denen finden, die Christum nicht haben, ein leeres Geschwätz oder höchstens ein ungewisses Umhertappen, ein Dämmern der Ahnung, wie wir es bei edlen Heiden auch finden; aber keine lebendige und gewisse Hoffnung, wie sie nur der auf dem göttlichen Worte gegründete Glaube an Christum zu erzeugen vermag. Welche Verkehrtheit, diese verlassen und einem elenden Brette sich anvertrauen durch das ungestüme Meer des Lebens und die Abgründe des Todes! Amen.

1. Thessalonicher 4.

Nach den einzelnen Ermahnungen zur Keuschheit, Gerechtigkeit, Bruderliebe und stillen Thätigkeit, macht der Apostel Eröffnungen über das Schicksal der Gläubigen bei der Auferstehung, und schreibt: „So wir glauben, aß Jesus gestorben und auferstanden ist, so glauben wir auch, daß Gott, die da entschlafen sind, durch Jesum und im Glauben an Ihn, mit Ihm in den Himmel führen werde; gleich wie Jesus bei seiner Himmelfahrt diejenigen, welche bei seiner Auferstehung die Gräber verließen und Vielen in Jerusalem erschienen, mit sich geführt und mit ihnen seinen herrlichen Einzug in den Himmel gehalten hat. Denn das sagen wir euch als ein Wort des Herrn, (als eine bisher verborgene Offenbarung, die Paulus unmittelbar von Christo empfangen), daß die, die da leben und überbleiben, mögen nun wir es sein oder Andere, bei der Wiederkunft des Herrn werden denen nicht zuvorkommen, die schon vorher gestorben sind, nicht vor ihnen zur Herrlichkeit erhoben werden, in dieser Beziehung keinen Vorzug vor ihnen haben; denn bei der großartigen Wiederkunft des Herrn werden zuerst die bereits Verstorbenen auferweckt werden, und unmittelbar darauf die übriggebliebenen Lebenden, verwandelt und verklärt ihrem Leibe nach, dem von einer gewissen Erhöhung über die Erde sich offenbarenden und Lebende und Auferstandene zu sich erhebenden Herrn entgegengerückt werden, und dann werden die Auferstandenen wie die Verwandelten bei dem Herrn allezeit und ohne Unterbrechung selig mit Ihm leben.“ Dieser Antheil an der Herrlichkeit Christi ist das Ziel und die Vollendung; alle Verwandlungen sind nur die Mittel und Wege dahin. Wohl jedem, der zu diesem Ziele gelangt! Wohl uns, wenn die Hoffnung der zukünftigen fröhlichen Auferstehung in uns fest gegründet ist, und diese Hoffnung uns sowohl tröstet bei allen Betrübnissen und Verlusten dieser Zeitlichkeit, als auch ermuntert und stärkt, durch Buße, Glauben und Heiligung zu wachsen bis ans Ende! Amen.

1. Thessalonicher 5.

Paulus hat Recht, wenn er bei der Unbekanntschaft mit der Zeit der Zukunft Christi uns auffordert, zu wachen und gerüstet zu sein. Hätte er die Worte 4,15: „wir, die wir leben und überbleiben“ so gemeint, als erwarte er selbst noch zu seinen Lebzeiten die Wiederkunft des Herrn, so hätte er ja allerdings von den Zeiten und Stunden geschrieben, was er hier V. 1. verneint; es hätte dann nur höchstens vierzig Jahre mit der Wiederkunft Christi anstehen können. Aber er läßt sie ausdrücklich unbestimmt, um desto nachhaltiger zur Wachsamkeit die Kinder des Lichts zu ermahnen. Denn die Kinder der Welt wachen nicht, sie liegen im tiefen Schlafe. Und wenn auch der Herr einhertritt wie die Wetter vom Mittag, wenn auch seine Pfeile ausfahren wie ein Blitz, so vernehmen die Schlaftrunkenen von dem Allen nichts, schlafen ihren Todesschlaf fort, und so sie auch einmal einen Augenblick aufgerüttelt werden durch die Schrecken ihrer Schicksale, so kommt es doch nicht zum Nüchternwerden; mit allerlei klugen Deutungen und Ausreden wiegen sie sich wieder in den Schlummer. Ein Mensch, der im Herrn lebt, verhält sich daher zu einem natürlichen Menschen wie ein Wachender zu einem Schnarchenden im tiefen Schlaf, zu einem Träumenden oder Mundsüchtigen. Um sich desto mehr an die Nothwendigkeit des Wachens zu erinnern, gebrauchten die Christen in den ersten Jahrhunderten oft den Namen Gregorius, d.h. ein Wachender. Diese Wachsamkeit ist die nothwendige Folge des Lichts, das den Gläubigen aufgegangen ist und scheint: am hellen Tage ist es schwer, zu schlafen oder nicht zu sehen. Diese Wachsamkeit ist die treuste Hüterin der Gnade; weil der Christ kein Nachtschwärmer ist, weiß er auch, was am Tage zu thun ist; er kennt die Zeit und weiß sie recht zu benutzen, er durchblickt die Gefahren und überwindet sie mit den Waffen des Lichts, er flieht die Finsterniß und sucht das Licht, bis er es ganz ertragen kann in dem ewigem Erbe. Herr, mache auch mich je länger je mehr zu einem solchen Freunde und Kinde Deines göttlichen Lichts und Lebens! Amen.

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