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Albrecht, Ludwig - Der Buddhismus

Albrecht, Ludwig - Der Buddhismus

Bremen 1919

Die Heimat des Buddhismus ist Indien. Indien mit seinen 300 Millionen Einwohnern ist in ganz besonderen Sinne ein Land der Religion. Leben heißt für den Inder seine Religion betätigen. In Dichtung, Kunst und Wissenschaft, überall spiegelt sich das religiöse Empfinden wider. Aber trotz dieses gewaltigen Einflusses der Religion hat es in Indien niemals eine Staatsreligion im eigentlichen Sinne des Wortes gegeben. Die Religion ist Privatsache, und die Duldsamkeit gegen Andersgläubige ist kaum irgendwo so groß wie gerade in Indien.

Das heilige, in der alten Sanskritsprache abgefaßte Religionsbuch der Inder heißt Weda oder Wissen. Die Weden sind viel umfangreicher als unsere Bibel und umfassen wie diese einen Zeitraum von vielen Jahrhunderten. Unter den vier Teilen der Weden ist der wichtigste der Rigweda mit seinen Opferliedern, worin die eigentlich priesterliche Religion zum Ausdruck kommt. Die Götterwelt der Weden ist bunt und mannigfaltig. Es seien erwähnt der Gewittergott Indra und der Feuergott Agni, der den Göttern die Opfer der Menschen zuführte lind gleichsam ein Vermittler zwischen Göttern und Menschen war. Die bösen Geister waren die Mächte der Finsternis und der Tücke, gegen die man sich durch Zaubermittel und Blutspenden zu schützen suchte. Zu den guten Geistern zählten die Geister der Verstorbenen, die man in frommer Scheu verehrte. Man glaubte an ein Fortleben der Seele nach dem Tode und an eine jenseitige Vergeltung.

In der Folgezeit stellten die Priester, die den Ehrennamen Brahmanen führten, über die vielfältigen Gestalten des wedischen Götterhimmels einen höchsten Gott, den sie Pradschapati, den Herrn der Geschöpfe, nannten. Er ist der Schöpfer der Welt, der Erzeuger der Götter und der Dämonen, also der Urheber des Guten und des Bösen. Von ihm sind alle Götter abhängig, und in allen ihren Nöten, Streitigkeiten und Zweifeln kommen sie zu ihm wie die Kinder zum Vater. Aber auch Pradschapati war noch nicht vollkommen. Man fand noch etwas Höheres: das Brahman. „Durch das Brahman“, so heißt es nun, „werden Himmel und Erde zusammengehalten; das Brahman ist das Erstgeborene in diesem All.“ Dies Erstgeborene wird dann bald zu dem Ungeborene, zu dem Urgrund aller Dinge, und man preist nun das große Brahman als das All-Eine, als „das, was war und sein wird, als das Eine, Unvergängliche“. Zu dieser Vorstellung vom Brahman kam noch die neue Lehre vorn Atman. Atman heißt eigentlich Atem, Hauch, dann das Ich im Menschen, die Seele, und zugleich die Weltseele. Wie nun das Brahman das Erstgeborene im All genannt worden war, so nannte man den Atman, das Ich im Menschen, den Erstling des Alls. Damit wurden Brahman und Atman oder das göttliche und das menschliche Ich einander gleichgesetzt. Brahman ist Atman. Die unendlich kleine Menschenseele ist völlig eins mit der unendlich großen Weltseele. Die Welt, das Eine, das Göttliche ist Brahman und „Brahman bist du“. „Der Atman, das Selbst in dir, ist das wahre Brahman, von dem du durch Geburt oder Tod nur für eine Zeitlang entfremdet bist, das dich aber wieder in sich aufnimmt, sobald du nur zu ihm und zu dir selbst kommst.''

Wer dies weiß, daß Atman und Brahman dasselbe sind, der hat die Erlösung erlangt, denn:

Wer forschend alle Wesen im eignen Ich nur findet, Für den entweicht der Irrtum, und alles Leiden schwindet.

Die Erlösung ist also ein Vorgang, der sich im inneren Bewußtsein des Wissenden vollzieht, indem er in das Brahman eingeht und mit ihm eins wird. Der Nichtwissende dagegen, der den Schein der Welt für Wirklichkeit hält, muß nach dem Tode eine neue Geburt mit darauffolgendem neuem Sterben durchmachen. Hier haben wir die Lehre von der Seelenwanderung, deren Ursprung dunkel ist und die ausdrücklich als eine Geheimlehre bezeichnet wird. Die Seele erreicht mit dem Tode nicht ein endgültiges Ziel, sondern je nach dem Tun (Karman) des Menschen in diesem Leben kommt sie zu einem höheren oder niederen Dasein; sie kann als Mensch, als göttliches Wesen, aber auch als Tier und Pflanze wiedergeboren werden. Wer geringere Fehler begangen hat, wird je nach dem Grade seiner Schuld als Elefant, Löwe, Tiger oder Vogel wiedergeboren. Wer aber grausame Taten vollführt hat, wird je nach Verdienst 100 oder 1000 Jahre in der Hölle gepeinigt, dann aber in einer Reihe Geburten aus dem Bauche eines gemeinen Tieres wieder das Licht der Welt erblicken. Von diesem schrecklichen Schicksale der Seelenwanderung kann der Mensch nur durch das rechte Wissen, durch die Erkenntnis des Einen, durch die Vereinigung mit dem Brahman erlöst werden. Ist aber die Seele mit Brahman eins geworden so ist sie auch frei von allem Begehren. Und wo das Begehren aufhört, da hat auch das Tun sein Ende erreicht. Damit ist die Seele von den Banden der Endlichkeit frei geworden und zur Ruhe in dem All-Einen, in Brahman-Atman, gelangt. Darum ist selig und frei von allein Leiden, wer Atman kennt, „das große, endlose, uferlose Wesen, das durch und durch Erkenntnis ist.“

Weil alles Tun nur Leiden schafft und damit auch die Pflichterfüllung bedeutungslos wird, und weil das Nichttun oder die Ruhe das höchste Gut ist, darum ist die völlige Loslösung von der Welt die notwendige Folge der Lehre vom Brahman-Atman oder des sog. Brahmanismus. „Ihn, den Atman erkennend, lassen Brahmanen davon ab, nach Habe, weltlichem Glück oder Nachkommen zu trachten, und als Bettler ziehen sie einher.“ Aus einem Dasein, dem man durch treue Arbeit und Ringen nach edlen Zielen keinen festen Halt zu geben vermochte, floh man in die Einsamkeit, um durch Weltentsagung den Frieden der Seele zu finden. Reiche und Arme, Vornehme und Geringe, Junge und Alte, Männer und Weiber verließen Haus und Heimat, um im Mönchs- und Nonnengewande ein hartes Büßerleben zu führen. Wenn auch die Kaste, d. h. der Stand der Brahmanen, ausschließlich das Vorrecht hatte, den Göttern zu opfern, so stand es doch den Angehörigen aller Kasten oder Stände frei, das Büßerleben zu erwählen oder einem Orden beizutreten. Diesen Leuten gab man im Unterschiede von den Brahmanen, deren Würde auf ihrer Geburt beruhte, den Namen Samanas, d.h. Asketen, Büßer. Unter dem Schurze der größten Gewissensfreiheit, die je bestanden, bildeten sich die mannigfaltigsten Sekten solcher Samanas oder Büßer, die oft durch das seltsamste Leben zur Selbstbeherrschung und Selbstüberwindung kommen wollten. Einige weilten stets unter freiem Himmel, andre hausten auf den Gipfeln der Berge, wieder andre schliefen auf der nackten Erde und nährten sich von der allereinfachsten Kost. Ja, es gab solche, die sich geraume Zeit die Nahrung entzogen, sich nicht niedersetzten, nicht wuschen, die auf dornigen Lagern ruhten, die durch beständige Waschungen alle ihnen anhaftende Schuld zu tilgen suchten. Von einem Büßer wird sogar erzählt, er habe das Gelübde getan, seine Speise wie ein Hahn von der Erde aufzupicken und es überhaupt so viel wie möglich den Hähnen gleichzutun.

Der Samana aber, der unter allen indischen Büßern das größte Ansehen erlangt und eine neue vom Brahmanismus ausgehende Gemeinschaft gestiftet hat, ist Gautama, genannt der Buddha, d.h. der Erkennende, der Erleuchtete.

Wir betrachten jetzt Buddhas Leben, Lehre und Gemeinde. Dann vergleichen wir Buddhismus und Christentum. Endlich geben wir einen kurzen Überblick über die allmähliche Verbreitung des Buddhismus

Buddhas Leben

Buddha wurde um das Jahr 560 v. Chr. als der Sohn eines reichen Landedelmanns geboren. Der Stammsitz seiner Familie lag nordwestlich von der Stadt Benares an den südlichen Ausläufen des Himalayagebirges. Seine Eltern gehörten beide dem berühmten Geschlecht der Sakya (d.h. der Gewaltige) an. Daher wird Buddha auch Sakyamuni (der Weise aus dem Sakyageschlechte) genannt, Sein Familienname war Gautama. Seine Angehörigen nannten ihn auch wohl Siddhartha. Über Buddhas Jugend ist nichts Sichres bekannt. Wir wissen nur, daß er sich sehr früh vermählte und daß ihm nach etwa zehnjähriger Ehe ein Sohn geboren wurde, der den Namen Rahula erhielt.

Schon vor Rahulas Geburt empfand Gautama trotz allen äußern Glücks und Glanzes, worin er lebte, eine tiefe innere Leere. Das weltliche Treiben war ihm zuwider, und er sehnte sich hinaus in die Einsamkeit, um dort als Samana oder Büßer den wahren Herzensfrieden zu finden. Darum stimmte ihn auch die Geburt seines Sohnes nicht freudig, sondern traurig; denn er sah darin nur eine neue, starke Fessel, die ihn an die Welt binde und die er zu brechen haben werde. Aber sein Entschluß war gefaßt: 29 Jahre alt, verließ er, nur von seinem treuen Wagenlenker begleitet, heimlich zur Nachtzeit Weib und Kind, um ein bettelarmer, heimatloser Büßer zu werden. Ein altes Lied läßt ihn, während er davonzieht, begeistert ausrufen:

„Leid ist in Lust, Glück nur im Entsagen. Also erkennend will ich hingehen, mich selber bemühen. Darinnen frohlocke ich!“

Um die höhere Erleuchtung zu erlangen, stellte sich Gautama zunächst unter die Leitung zweier brahmanischer Lehrer, die er aber bald wieder verließ, weil sie ihn nicht befriedigten. Dann zog er sich nach mannigfachen Wanderungen in die Waldeseinsamkeit zurück und widmete sich sechs Jahre lang den strengsten Bußübungen, die seine Kraft verzehrten, ohne ihn zu der heiß ersehnten Erleuchtung zu führen. Schon fürchtete er, nie sein Ziel zu erreichen, als sich ihm eines Nachts, während er in stiller Betrachtung unter einem Baume saß, „das Wesen aller Dinge“ enthüllte, und er nun ein Sambuddha, „ein vollkommen Erleuchteter“ wurde. Die Irrwege der in die Seelenwanderung verschlungenen Geister taten sich seinem Auge auf, und er erkannte die Quellen, woraus das Leiden dieser Welt fließt, sowie den Weg, der zur Vernichtung alles Leidens führt. Der Pappelfeigenbaum, unter dem Gautama seine Weihe zum Buddha empfing, heißt seitdem der Baum der Erkenntnis, und jene Nacht, die für Gautama nach schwerem Seelenkampfe die große Erleuchtung brachte, ist die heilige Nacht der buddhistischen Welt. 4 mal 7 Tage blieb Buddha noch an verschiedenen Stätten in der Nähe des Baumes der Erkenntnis, „die Seligkeit der Erlösung genießend“. Anfangs war er geneigt, die errungene Erleuchtung für sich zu behalten. Aber das Mitleid mit der Welt siegte in ihm, und er beschloß, alle Empfänglichen zu belehren.

So begann er denn im Alter von 36 Jahren seine öffentliche Wirksamkeit. In dem „Gazellenhain“, einem Gehölze bei der Stadt Benares, soll er zuerst seine Botschaft von der Erlösung verkündet haben. Fünf Mönche, die früher in seiner Nähe gelebt hatten, wurden hier seine ersten Jünger. Bald stieg die Zahl seiner Anhänger auf 60, die alle aus angesehenen Familien stammten. Diese 60 sandte er einzeln aus, um rings im Lande die neue Lehre zu predigen. „Geht denn hin“, So entließ er sie, „zum Gewinn für viele, aus Mitleid mit der Welt, zum Heile der Götter und Menschen. Predigt die Lehre, die herrlich ist am Anfang, herrlich in der Mitte und herrlich am Ende, nach dem Geiste und nach dem Buchstaben. Verkündigt ein vollkommenes und reines Leben.“

Während sich seine Jünger nach allen Himmelsgegenden zerstreuten, wandte sich Buddha zu der Stätte zurück, wo er seine Erleuchtung empfangen hatte. Auf dem Wege dorthin bekehrte er 30 reiche Jünglinge. Am Ziele seiner Wanderung angelangt, gewann er in kurzer Zeit 1000 neue Anhänger. Mit dieser Schar begab er sich dann zu der Hauptstadt des Königs von Magadha im östlichen Tale des Gangesflusses. Der König zog Buddha mit großem Gefolge entgegen und machte ihm seinen Lustgarten zum Geschenk. Bald darauf fanden zwei junge Brahmanen, deren einen, namens Sariputra, Buddha selbst später für den vorzüglichsten seiner Jünger erklärt haben soll, mit ihren Gefährten, 250 Wandermönchen, in die neue Genossenschaft Aufnahme. Auf seinen Wanderungen besuchte Buddha auch seine Heimat. Als ihn seine Gattin in seiner Mönchstracht erblickte fiel sie ihm weinend zu Füßen. Mit tiefstem Ernste lauschte sie seinen Lehren und trat als Nonne seinem Orden bei. Auch sein Sohn Rahula und seine Vettern Ananda und Dewadatta wurden seine Jünger. Ananda wurde Buddhas innigster Vertrauter, ihm lag auch die Sorge für des Meisters Person und tägliche Lebensbedürfnisse ob. Dewadatta dagegen wird als der Judas unter Buddhas Jüngern bezeichnet. Er soll, als der Meister schon im Greisenalter stand, von Ehrgeiz getrieben danach getrachtet haben, ihn zu ermorden, um die Leitung der Gemeinde an sich zu reißen. Aber zur Strafe für seine Bosheit nahm er ein trauriges Ende.

Bei seinem Wirken hat es Buddha nicht an Gegnern gefehlt. Der Brahmanismus zwar war nicht sein Feind, obwohl Buddha das Opferwesen abfällig beurteilte, die wedische Schriftgelehrsamkeit als Torheit geißelte und den Standeshochmut der Brahmanen nicht gerade gelinde behandelte. Denn schon längst stand im Volksbewußtsein ein Mönch so hoch wie der brahmanische Priester, und das Treiben mancher angesehener Brahmanen, die als hohe Staatsbeamte das Volk drückten und den König betrogen, hatten den ganzen Stand beim Volke mißliebig gemacht. Mögen auch gerade diese angesehenen Brahmanen Buddha in seiner Wirksamkeit vielfach entgegengearbeitet haben, so traten dafür wieder hundert andre Brahmanen für ihn ein. Gefährlichere Gegner als unter den Brahmanen fand Buddha aber in den mit ihm wetteifernden anderen Büßern und Mönchen. Wenn sich diese verschiedenen Orden auch sonst gegenseitig duldeten, ja sich nicht selten in ihren Einsiedeleien besuchten und über Glaubensfragen friedlich miteinander redeten, so traten sie doch zu Buddha schon deshalb von vornherein in scharfen Gegensatz, weil er von ihren Kasteiungen und Selbstpeinigungen, worin sie den Weg zur Erlösung sahen, nicht das mindeste wissen wollte.

Nach dem Wandern und Predigen widmet en sich Buddha und seine Jünger alljährlich während der Regenzeit, von Juni bis Oktober, der Ruhe und Zurückgezogenheit an den Stätten, wo ihnen reiche Verehrer Land und Gebäude geschenkt hatten. Um das Jahr 480 v. Chr. ereilte Buddha nach etwa 45jähriger Wirksamkeit der Tod. Mit vollkommener Fassung und unter Trostreden an seine Jünger, besonders an Ananda, starb er, ungefähr 80 Jahre alt, unter blühenden Bäumen am Ufer eines Flusses bei dem Orte Kusinara. Sein Leichnam wurde von den Adligen der Stadt unter königlichen Ehren verbrannt.

Buddha hat seine Lehre nicht schriftlich niedergelegt. Sie wurde von seiner Jüngergemeinde zunächst mündlich fortgepflanzt und erst etwa 300 Jahre später schriftlich aufgezeichnet.

Betrachten wir nun den Hauptinhalt der Lehre Buddhas.

Buddhas Lehre

Die beiden Angelpunkte, um die sich Buddhas Lehre dreht, heißen: Leiden und Erlösung.

Alles Dasein ist Leiden: mit diesem Satz beginnt Buddhas Lehre. Was ist aber das Dasein? Es ist weder Sein noch Nichtsein, sondern ein Mittleres: ein fortwährendes Entstehen und Vergehen, ein Verschwinden und Wiederkehren. Während der Brahmanismus in allein Werden das Sein zu erkennen sucht, :sieht dagegen der Buddhismus in allem Sein ein unaufhörliches Werden. Nach der Quelle des Werdens aber fragt er dabei nicht. Denn Buddha kennt keinen Schöpfer, keinen Gott Er hat es nur zu tun mit dem in Leiden versunkenen Menschen. Ihn will er sein Leiden verstehen lehren und ihm den Weg zeigen, es mit der Wurzel zu vernichten. Also das Leben allen irdischen Daseins ist es, worauf sich das buddhistische Denken ausschließlich richtet.

Die vier edlen Wahrheiten

Darum handeln auch „die vier edlen Wahrheiten“ der Lehre Buddhas vom Leiden, von der Ursache des Leidens, von der Aufhebung des Leidens und von dem Wege zur Aufhebung des Leidens.

1. Das Leiden

Geburt, Alter, Krankheit, Tod ist Leiden. Leiden ist, mit dem vereint sein, was man nicht liebt, oder von dem getrennt sein, was man liebt. Leiden ist, seine Wünsche nicht erfüllt sehen Kurz, das Haften am Dasein ist Leiden. Dann wäre es ja am einfachsten, sich von diesem Dasein durch Selbstmord zu befreien. Aber damit wäre nach buddhistischer Lehre nichts gewonnen. Denn sie läßt auf den Tod ein neues Dasein mit neuem Leiden und neuem Sterben folgen. Und zwar geschieht das nach dem Gesetze der Wiederverkörperung. Wie ist dies zu verstehen? Schon im Brahmanismus begegnet uns die Lehre von der Seelenwanderung. Buddha hat diese Lehre, die zu seiner Zeit von Gebildeten und Ungebildeten gleichmäßig geteilt wurde, übernommen, aber sie wesentlich umgestaltet.

Im Brahmanismus spielt die Seele. das Ich des Menschen, eine große Rolle. Buddha hingegen gesteht weder der Seele noch dem Körper ein selbständiges Dasein zu. Beide, Körper und Seele, sind für ihn bloße Durchgangspunkte eines immerwährenden Entstehens und Vergehens. Was wir ein beseeltes Wesen nennen, das hält der Buddhismus für nichts weiter als eine kleine Flamme in einem großen Feuermeer, und ersieht es als einen leeren Wahn an, von selbständigen Persönlichkeiten zu reden. Der Buddhismus denkt sich den Menschen als eine ganz äußerliche Verbindung von fünf verschiedenen Hauptbestandteilen oder Skandhas, die alle einem steten Wechsel unterworfen sind. Diese fünf Hauptbestand Hauptbestandteilen oder Skandhas, die alle einem steten Wechsel unterworfen sind. Diese fünf Hauptbestand teile oder Hauptgruppen des menschlichen Wesens sind:

  • die 28 körperlichen Eigenschaften oder Merkmale, u.a. Auge, Ohr, Nase, Zunge. Geruch, Geschmack, Lebenskraft, Gebärden, Sprache;
  • die sinnlichen Empfindungen;
  • die Vorstellungen;
  • die Neigungen des Gemüts ,(wörtlich: die Gestaltungen oder Sankharas), die in 52 Abteilungen zerfallen und von denen hier nur genannt sein mögen: Denkvermögen, Überlegung, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Standhaftigkeit, Gleichgültigkeit, Dummheit und Klugheit, Habsucht und Zufriedenheit, Sanftmut, Mitgefühl, Verdrießlichkeit, Eitelkeit, Stolz.

Der Hauptbestandteil des menschlichen Wesens sind die geistigen Fähigkeiten des Bewußtseins, die in 89 Klassen eingeteilt werden, je nach dem Verdienste oder dem Verschulden, das aus den verschiedenen Gedanken hervorgeht.

Wir sehen, wie verwickelt diese ganze Einteilung ist; und schon diese eine Tatsache zeigt, daß der Buddhismus dem ungeschulten Denken also der großen Masse, unverständlich bleiben muß.

In den fünf Bestandteilen der körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Kräfte des Menschen ist nun aber nichts von Dauer. Die körperlichen Eigenschaften gleichen einer Schaummasse, die sich allmählich bildet und dann zergeht. Die sinnlichen Empfindungen gleichen einer Blase, die auf der Oberfläche des Wassers schaukelt. Die Vorstellungen gleichen der unbeständigen Luftspiegelung, die im Sonnenscheine sichtbar wird. Die Neigungen des Gemüts gleichen dem Bananenstengel, der ohne Festigkeit und Haltbarkeit ist. Die Gedanken endlich gleichen einer Geistererscheinung oder einem Wahngebilde. Keiner aber von diesen Bestandteilen des menschlichen Wesens ist die Seele. Sondern wie die verschiedenen Teile eines Wagens, wenn sie verbunden sind, den Wagen bilden: so bilden auch die fünf Bestandteile, wenn sie in einem Körper vereinigt sind, ein lebendes Wesen. Eine Seele jedoch gibt es im Menschen ebensowenig, wie etwas übrigbliebe, was der Wagen wäre, wenn man alle seine Teile wegnähme. Trotzdem gibt es für Buddha nach dem Tode ein neues Leben. Da er nun nichts von einer selbständige Seele wissen Will, so muß er bei seiner Lehre von der Wiederverkörperung das Verbindungsglied zwischen diesem Leben und dem zukünftigen anderswo suchen, und er findet es in dein Gedanken vom Karma.

Das Karma

Karma heißt Tun. Der Ausdruck findet sich schon im Brahmanismus; er wird aber, ebenso wie die ganze Lehre von der Seelenwanderung, durch Buddha ganz anders aufgefaßt und gedeutet. Das Karma, das Tun des Menschen, d.h. das Ergebnis seines Denkens, Redens und Handelns, Frucht alles dessen, was er vermöge seiner Willensrichtung in seinem Leben gesät hat, mag es nun gut oder böse sein dies Tun stirbt nicht. Es bleibt, auch wenn der Mensch stirbt und die einzelnen Bestandteile seines Wesens auseinanderfallen. Dies bleibende Ergebnis des Tuns eines Menschen nimmt nun, wenn er stirbt, in einem neuen empfindenden Wesen Gestalt an. Neu ist dies Wesen in bezug auf seine Bestandteile und Kräfte, dasselbe aber ist es in bezug auf die Frucht seines Tuns. Denn gleichwie ein Geschlecht abstirbt und einem neuen Platz Macht, das die Folgen aller Tugenden und aller Laster des vorangehenden erbt: so erbt auch jedes Einzelwesen in der langen Kette des Seins das Ergebnis alles Guten und alles Bösen, das es in einem früheren Leben getan hat, ohne daß es freilich Bewußtsein davon hätte, was es früher gewesen ist oder was es in einem späteren Leben sein wird.

Die Ursache des Leidens

Was wir sind, ist also die Frucht von dein, was wir getan haben. Das Dasein, zu dem der Mensch gelangt, richtet sich nach seinem Tun in einem früheren Dasein. Bei diesem Tun ist aber nicht sowohl an das äußere, als hauptsächlich an das innere Handeln zu denken: an das Wollen und Begehren. Das von Leidenschaft begleitete Begehren erzeugt den „Durst“ (Trishna), der bald hier, bald dort Befriedigung sucht, den Durst nach sinnlicher Lust, nach Dasein und Wohlsein. Aber gerade dieser Durst ist der eigentliche Grund allen Leidens, Der Durst hat seinen Quell in der Unwissenheit. So ist denn schließlich das Nichtwissen die letzte Ursache des Leidens. Und dies Nichtwissen ist nichts andres als die Unkenntnis der schon genannten „vier edlen Wahrheiten“ des Buddhismus: der Wahrheit vorn Leiden, der Wahrheit von der Entstehung oder Ursache des Leidens, der Wahrheit von der Aufhebung des Leidens und der Wahrheit von dem Wege, der zu der Aufhebung des Leidens führt. „Wenn diese edlen Wahrheiten erfaßt und erkannt sind“, so sagt Buddha zu seinen Jüngern, „dann ist das Verlangen nach Dasein ausgerottet, dann gibt es keine weitere Geburt mehr.“ Also nur solange der Trieb des Begehrens noch nicht erloschen ist, tritt bei dem Aufhören eines Lebens sofort ein neues Leben an die Stelle, das in seiner Eigenart der Beschaffenheit des bisherigen Begehrens entspricht.

„Wie der gefällte Baum in der Wurzel fortlebt und ihr von neuem entsprießt,
So kehrt euch des Lebens Leid zurück, wenn ihr hegt des Durstes nährenden Quell.“

Die Aufhebung des Leidens

Es kommt darauf an, daß der Wille des Menschen allen Lebensdurst völlig überwinde. Das erreicht er, wenn er das echte Wissen erlangt. Solange ihm das noch fehlt, eilt er abwärts mit dem Strome seiner Begier als ein Sklave der Leidenschaft, wie die Spinne an den selbstgewobenen Fäden abwärtsläuft. Ist aber der Mensch zum rechten Willen gelangt, so schneidet er den Faden ab und läßt die Welt mit ihren Schätzen und Sorgen hinter sich. Die Aufhebung des Leidens geht also aus von dem Wissen. Der Wissende versteht den wahren Wert des Daseins. Er weiß, alles ist nichts als Schein und Täuschung. Darum haftet er auch nicht länger am Dasein, und so ist das Leiden für ihn zu Ende: er hat die Erlösung gefunden. „Der Jünger“, so heißt es, „der Lust und Begier von sich abgetan hat, der Weisheitsreiche, er hat hienieden die Erlösung vom Tode erreicht, die Ruhe, das Nirwana.“

Nirwana

Nirwana, das höchste Gut des Buddhismus, bedeutet Erlöschen. Von dem Erlöschen der Seele kann hier keine Rede sein, denn die leugnet ja der Buddhismus. Es handelt sich vielmehr um das Erlöschen des Durstes und Verlangens nach der Gütern der äußern Welt. Solange dieser Durst, dies Verlangen nicht besiegt ist, so lange muß der Mensch nach dein großen Geheimnis des Karmas eine neue Geburt zu einem neuen Dasein mit neuem Leiden und Sterben durchmachen. Ist aber aller Durst, alles Begehren völlig erloschen, so findet auch keine neue Geburt mehr statt, und alles Leiden hat ein Ende. Bevor das Nirwana erreicht wird, folgt ein Leben auf das andre, ähnlich wie eine Flamme an der andern entzündet wird. Es ist zwar nicht dieselbe Flamme, aber ohne die eine würde die andre nicht dasein. Wie nun die Flamme nicht ohne Öl bestehen kann, so kann auch die Lebensflamme eines Menschen in immer neuen Geburten nur so lange weiter bestehen, als ihr durch das Begehren immer neuer Brennstoff zugeführt wild. Ist kein Öl mehr in der Lampe, so kann man „keine neue Flamme mehr an ihr entzünden, sondern sie muß verlöschen“. So werden auch die Bestandteile eines Menschen, der nach Ertötung des Begehrens zur Vollkommenheit gelangt ist aufgelöst. Er erlischt, wie die 'Flamme einer Lampe. Sein Bewußtsein erstirbt. Sein Karma, das Ergebnis seines Tuns, wird keinem neuen Wesen zu neuem Leiden mehr mitgeteilt. Er versinkt mit dem Tode in das Nichts. Wie der Buddhismus mit der Verkündigung beginnt, das Leben sei gleichbedeutend mit Leiden, so ist das Ziel der Vollendung. das er seinen Anhängern vorhält, ein Nirwana, eine Vernichtung des Einzelwesens, ein völliges Erlöschen allen Daseins.

Der Weg zur Aufhebung des Leidens

Und wie kommt man ins Nirvana? Welcher Weg führt aus dieser Welt des Entstehens und Vergehens in jene Welt, wo aller Lebensdurst völlig erloschen und damit alles Leiden vernichtet worden ist?

Der achtteilige edle Pfad

Es ist der Weg des edlen Pfades. Dieser Weg hat 8 Teile

  • Rechtes Glauben (das frei ist von Aberglaube oder Täuschung);
  • Rechtes Entschließen (wie es dem ernsten gedankenvollen Menschen geziemt);
  • Rechtes Wort (freundliche, offene, wahre Rede);
  • Rechte Tat (die sich in Reinheit, Ehrbarkeit und Friedfertigkeit offenbart);
  • Rechtes Leben (so daß man kein lebendes Wesen gefährdet oder verletzt);
  • Rechtes Streben (indem man sich selbst in Zucht nimmt und über sich wacht);
  • Rechtes Gedenken (wobei der Geist aufmerksam und tätig ist), und
  • Rechtes Sichversenken (d.h. ernstes Nachdenken über die Rätsel des Daseins).

Die vier Stufen des edlen Pfades

Und vier Stufen führen auf diesem achtteiligen edlen Pfade ins Nirwana. Die erste Stufe ist die Bekehrung. Bekehrt ist jeder, der durch den Umgang mit Guten, durch das Hören der Lehre Buddhas, durch erleuchtetes Nachdenken und durch die Übung der Tugend zum Verständnis der „vier edlen Wahrheiten“ gelangt ist. Schon dieser erste Schritt auf dein edlen Pfade ist mehr wert als die höchsten Würden der Erde, ja als der Besitz des ganzen Weltalls. Aber auch der Bekehrte muß noch weitere sieben Geburten durchmachen, ehe er ins Nirwana kommen kann. Die höchste Stufe, die vierte, haben die Ehrwürdigen (die Arahats) erlangt: das sind alle, die schon hier auf Erden vor dem Tode das Nirwana erreichen, weil bei ihnen Freude und Leid dieser Welt völlig aufgehört hat, so daß alle Fesseln für sie gefallen sind.

Die wichtigsten sittlichen Lebensvorschriften des Buddhismus

Unter den sittlichen Lebensvorschriften des Buddhismus steht die Pflicht der Rechtschaffenheit voran. Und zwar gibt es 5 Gebote der Rechtschaffenheit:

Die fünf Gebote der Rechtschaffenheit

  • Du sollst kein lebendes Wesen töten.
  • Du sollst nicht stehlen.
  • Du sollst nicht ehebrechen.
  • Du sollst jede Unwahrheit meiden.
  • Du sollst keine berauschenden Getränke genießen.

Die zehn Sünden

Durch drei Pforten, durch Gedanken, Worte und Werke, geht alles Gute und alles Böse aus dem Menschen hervor. In Verbindung damit werden nun 10 Sünden aufgezählt, vor denen sich alle zu hüten haben.

Streitsucht, Bosheit und Zweifelsucht,

Besonders eindringlich werden die Pflichten der allgemeinen Menschenliebe, der Mildtätigkeit und Duldsamkeit eingeschärft.

Es wird lehrreich sein, hier aus den Buddhistischen Seligpreisungen und den „Lehrsprüchen“ (dem Dhammapada) einige Vorschriften anzuführen, die von einem hohen sittlichen Ernste zeugen.

Buddhistische Seligpreisungen

In den Seligpreisungen heißt es:

„Vater und Mutter unterstützen,
Frau und Kinder pflegen,
Einem friedfertigen Gewerbe nachgehn:
Das ist der höchste Segen.“

„Almosen geben und rechtes Leben führen,
Für seine Verwandten sorgen,
Untadelhafte Taten:
Das ist der höchste Segen.“

„Die Sünde verabscheuen und von ihr abstehn,
Die Enthaltsamkeit von geistigen Getränken,
Im Wohltun nimmer ermüden:
Das ist der höchste Segen.“

„Ehrfurcht und Demut,
Zufriedenheit und Dankbarkeit,
Das Anhören des Gesetzes zur rechten Zeit:
Das ist der höchste Segen.“

„Ein Gemüt, das nimmer zittert
Unter den Schlägen der Veränderlichkeit des Lebens,
Das ohne Kummer und Leidenschaft beruhigt ist:
Das ist: der höchste Segen.“

Stellen aus den "Lehrsprüchen"

In den „Lehrsprüchen“ finden sich folgende Stellen:

„Lange weiß man es: Haß tue dem Hasse weicht,
Liebe nur setzt dem Haß ein Ziel.“

„Laß dich von Eitelkeit nicht verlocken,
Noch von der Liebe Lust und Genuß.
Ernstes zur Tiefe strebendes Denken
Bringet der Freude reichliches Maß.“

„Gut ist's, den Sinn zu zähmen, den flüchtigen,
Schwer in das Joch zu beugenden, der
Rennet, wohin ihn die Lust mag treiben.
Zähmung des Sinns bringt Glückseligkeit.“

„Nicht auf der andern Menschen Verkehrtheit, die
Unerlaubtes tun und der Pflicht
Selten genügen, achte der Weise, sondern auf eigne
Säumnis und Schuld.“

„Während die böse Tat, die vollbracht ward, Früchte
Noch nicht trägt, glaubt sie der Tor
Süß wohl wie Honig. Aber wenn reif sie ward,
Dann erreicht ihn bitteres Leid.“

„Wer, was er andre lehrt, hat an sich selbe
Ausgeführt, Selbstherrschaft besitzt,
Mag andre bändigen. Schwerster der Siege
Ist eignen Ichs Bezwingung!“

„Gegen die Hasser haßfrei: so laßt uns suchen,
Im Leben glücklich zu sein.
In dieser Welt von Hassern verfolget,
Bleibe das Hassen doch von uns fern.“

„Suche den Zorn durch Liebe zu brechen,
Bösem mit Gutem zu widerstehn,
Gierige zu besiegen durch reiche Gaben und
Lügner durch wahres Wort!“

Die Weisheit

Die äußere Rechtschaffenheit, die in allen diesen Vorschriften zum Ausdruck kommt, wird aber erst durch die Weisheit zur wahren Rechtschaffenheit. Die von der Weisheit durchdrungene Seele wird völlig frei von allem Unheil: von dem Unheil der Begierde, des Werdens, des Irrtums, des Nichtwissens. Die Weisheit ist also dasselbe wie die Erlösung. Die vollkommene Erlösung kann man aber nur erreichen, wenn man die Welt verläßt und ein Glied der Gemeinde Buddhas wird.

Buddhas Gemeinde

Die Welt ist die- Stätte der Sinnenlust; in ihr herrscht Mara, der Böse, der Fürst des Todes. Darum muß Buddhas Jünger bereit sein, gegen den Strom der Welt zu schwimmen und alle äußere Verbindung mit dem Leben aufzugeben. Denn Familie, Erwerb, Amt und gesellige Gemeinschaft: dies alles ist ein Hindernis, wenn man das Ziel der Vollendung erreichen will - jenen Zustand, wo man fühllos wird wie die Erde und der Pfeiler am Tor, wo man weder Liebe noch Haß kennt. wo man nicht mehr an gut und böse denkt, wo man ganz fessellos dasteht und keine neue Geburt mehr zu erwarten hat. So ist denn das Mönchtum für den Buddhismus die Grundlage seines ganzen geistigen Strebens. Aber das Mönchtum wird nicht um seiner selbst willen begehrt; denn Buddha hat keinen besondern Priesterstand schaffen wollen, ebensowenig wie er äußern Werken der Selbstverleugnung und Büßung irgendein Verdienst zuerkannt hat. Das Mönchtum sollte vielmehr nur Mittel zum Zweck sein: es sollte den Menschen befähigen, frei und ungehindert nach dem Ziele der Vollkommenheit zu ringen. Buddhas eigentliche Jüngergemeinde war also eine Brüderschaft von Mönchen, die sich „die Gemeinde der Bettler“ nannten. Es waren Leute, die „im Verlassen des Hauses“ das höchste Glück erkannten und Buddha zu ihrem geistigen Führer wählten.

Die Aufnahme in Buddhas Gemeinde und die zehn Vorschriften für die Mönche

Buddhas Orden, der älteste und größte, den die Welt gesehen, nahm alle ohne Unterschied auf. Zurückgewiesen wurden nur solche, die mit gewissen körperlichen und geistigen Gebrechen behaftet waren, oder die als Minderjährige nicht die Erlaubnis ihrer Eltern hatten. Anfangs ward die Aufnahme ohne besondere Bräuche vollzogen. Später aber bildete sich dafür eine bestimmte Ordnung aus. Der Aufzunehmende mußte vor allen dreimal die sogenannte Zufluchtsformel sprechen- „Ich nehme meine Zuflucht zu Buddha, ich nehme meine Zuflucht zur Lehre, ich nehme meine Zuflucht zur Gemeinde.“ Der neue Schüler wählte sich selbst seinen Lehrer, der sechs Jahre älter sein mußte als er. Wie der brahmanische Schüler, so war auch der buddhistische von früh bis spät der gehorsame Diener seines Lehrers, ja er konnte, wenn er es an Ehrfurcht gegen den Lehrer fehlen ließ, entlassen werden. Der Lehrer seinerseits war verpflichtet, den Schüler in Buddhas Lehre einzuführen und sich in gesunden und kranken Tagen wie ein Vater gegen ihn zu zeigen.

Vor dem zwanzigsten Lebensjahre kann kein Schüler vollberechtigtes Mitglied der Mönchsgemeinde Buddhas werden. Die Aufnahme muß vor mindestens zehn vollberechtigten Ordensleuten stattfinden. Der Mönch hat besonders zehn Vorschriften zu befolgen. Die ersten fünf sind dieselben, die als die 5 Gebote der Rechtschaffenheit auch für die buddhistischen Laien gelten; jedoch das 3. Gebot wird für den Mönch dahin verschärft, daß ihm, dem Ehelosen, jeder Geschlechtsverkehr untersagt ist; eine frühere Ehe gilt mit dem Eintritt in „den hauslosen Stand“ als gelöst. Die andern 5 Vorschriften, die nur der Mönch zu erfüllen hat, legen die Verpflichtung auf:

  • nach 12 Uhr mittags keine feste Nahrung mehr zu genießen;
  • nicht an Tanz, Gesang, Musik und Schauspielen teilzunehmen;
  • keine Kränze, Wohlgerüche, Salben und Schmucksachen zu verwenden;
  • kein hohes oder breites Bett zu benutzen, sondern auf hartem niedrigem Lager zu schlafen;
  • kein Gold und Silber anzunehmen, sondern in völliger Armut zu leben.

Kein Gehorsamsgelübde

Wenn nun auch der buddhistische Mönch das Gelübde der Keuschheit und Armut abzulegen hat, so ist doch nie ein Gelübde des Gehorsams von ihm gefordert worden. Und gerade hier zeigt sich ein wichtiger Unterschied zwischen dem buddhistischen und dem christlichen Mönchtum. Zwar hat auch der buddhistische Mönch seinem Vorgesetzten Achtung und Ehrfurcht zu beweisen; aber der Vorgesetzte hat keine Gewalt über den Untergebenen, wie z.B. im Jesuitenorden, wo sich der Untergebene von seinem Vorgesetzten so willenlos leiten lassen soll, als wäre er ein Stock oder Leichnam. Buddha wollte ja seinen Jüngern nicht die persönliche Freiheit rauben. Jeder sollte vielmehr ganz selbständig handeln lernen und durch eigne Kraft vollkommene Herrschaft über sich erlangen. Es wurde auch niemand durch ein Gelübde für immer an den Orden gebunden: jeder konnte wieder austreten und in die Welt zurückkehren.

Nahrung, Wohnung und Kleidung der Mönche

Für Nahrung, Wohnung und Kleidung der Mönche gibt es strenge Regeln. Seine Nahrung erlangt der buddhistische Mönch nicht durch Arbeit, sondern durch Betteln. Mit seiner Almosenschale geht er von Haus zu Haus. Er darf dabei nicht sprechen, sondern muß draußen an der Tür stehenbleiben und warten, ob ihm etwas in seine Schale gelegt wird. Geschieht das, so setzt er seinen Weg mit einem Segenswunsche für den Geber fort. Empfängt er nichts, dann geht er stillschweigend weiter. Auf seinem Almosengange besucht er die Häuser der Reichen und der Armen ohne Unterschied. Was die Wohnung der Mönche betrifft, so weilten nur sehr wenige von ihnen in der Einsamkeit und auch diese nur für eine bestimmte Zeit. Die meisten lebten gemeinschaftlich miteinander in Hainen oder Gärten; ja schon zu Buddhas Zeiten bauten fromme Laien für die Mönche schöne Klöster. Die Kleidung der Mönche, die sich ihr Haupt- und Barthaar scheren lassen mußten, besteht aus drei Gewändern:

  • einem Unterkleide,
  • einem Lendenkleide,
  • und einem Oberkleide, das den ganzen Körper mit Ausnahme der rechten Schulter bedecken soll.

Dazu kommt noch ein Gürtel

Die Gewänder sind von matter, orangegelber Farbe, die wohl deshalb gewählt wurde, weil sie der Farbe alter Baumwollumpen ähnlich ist, und weil Kleidungsstücke von dieser Farbe als wertlos angesehen wurden. Außerdem besitzt der Mönch noch: eine Almosenschale, eine Nähnadel, einen Wasserseiher zum Reinigen des Wassers, damit er nicht aus Versehen kleine Tiere verschluckt, und Bücher über die buddhistische Lehre.

Das tägliche Leben der Mönche

Das tägliche Leben der Mönche beginnt in der Morgendämmerung mit Betrachtung und mit Hersagen von Stellen aus den buddhistischen heiligen Schriften: dabei geht entweder jeder für sich allein vor seiner Hütte auf und nieder, oder es setzen sich mehrere zusammen, indem einer vorträgt und die andern zuhören oder Fragen stellen. Nach Sonnenaufgang treten die Mönche ihren Almosengang an. Nach der Rückkehr nehmen sie von den erbettelten Gaben ihre einmalige tägliche Mahlzeit ein. Nach einer kurzen Mittagsruhe sagen sie wiederum Stellen aus ihren heiligen Schriften her und widmen sich der Betrachtung. Eigentlich wissenschaftliche Tätigkeit und Handarbeit finden sich nicht in der Tagesordnung der buddhistischen Mönche. Ja der Ackerbau ist ihnen ausdrücklich verboten, damit sie nicht etwa ein lebendes Wesen, einen Wurm oder eine Ameise töten.

Eine große Rolle spielt die Betrachtung oder das Sichversenken. Bei der Betrachtung soll der Geist nach einer bestimmten Ordnung von allen störenden Eindrücken abgelenkt werden und in einen Zustand kommen, wo ihm allmählich der ganze Vorstellungs- und Denkinhalt entzogen wird, bis er erfährt, daß die ganze Welt nichts als äußrer Schein ist. Die in verschiedenen Stufen verlaufende Betrachtung wird schon in der ältesten Zeit des Buddhismus immer wieder als die eigentliche Höhe echten Jüngertums hingestellt. Auf der höchsten Stufe „ist versiegt das Leben, vollendet die Heiligkeit, gewirkt das Werk, nicht mehr ist diese Welt“. Wunderbare Kräfte werden auch vermeintlich durch diese betrachtende Hingabe erlangt, namentlich die Fähigkeit, sich seiner frühern Geburten zu erinnern. Ebenso waren Zustände von Verzückung bei den buddhistischen Mönchen in Verbindung mit dieser Betrachtung nicht selten. Sie wurden als eine hohe Gabe angesehen; aber es war streng verboten, sich solcher Erlebnisse vor den Brüdern zu rühmen. Vielleicht lassen sich diese buddhistischen Betrachtungen in gewissem Sinne mit den geistlichen Übungen der Jesuiten vergleichen.

Als die vier wertvollsten Betrachtungen gelten: die über die alles umfassende Menschenliebe, die über das Mitleid, die über die Freude, die über die Unreinheit und die über den Frieden. Bei der Betrachtung über die Liebe soll der Mönch in seinem Herzen eine unbeschränkte Liebe zu allen lebenden Wesen erwecken. Bei der Betrachtung über das Mitleid muß der Mönch mit herzlichem Mitgefühl an alle Kranken und Schwachen denken, auch mit den Tieren, selbst mit den Stechmücken, muß er Mitleid haben. Bei der Betrachtung über die Freude, dem Gegenteil der vorangehenden, denkt der Mönch an die Fröhlichkeit und das Wohlbefinden der andern und freut sich an ihrem Glücke mit. Bei der Betrachtung über die Unreinheit muß der Mönch daran denken, daß der menschliche Körper nichts ist als eine Ansammlung von unreinen Stoffen, und daß nach dem Tode Fäulnis und Würmerfraß sein Los sein wird. Bei der Betrachtung über den Frieden hat der Mönch an alle die zu denken, die friedlos sind, an die Verbrecher und alle Unglücklichen, an das gehetzte Wild auf dem Felde und an alle Verfolgten. Ferner soll er überlegen, daß er sich aus dem Treiben der Welt in die stille Einsamkeit geflüchtet hat, wo es keinen Unfrieden mehr gibt.

Da Buddha bei seiner Gottesleugnung kein Gebet und Opfer kennt, so konnte er seinen Anhängern selbstverständlich auch keine eigentlich religiösen Versammlungen geben. Einige Feiertage aber hat er trotzdem für seine Mönchsgemeinde angeordnet. Dahin gehört besonders die monatliche Beichtfeier. Dazu müssen sich alle Ordensmitglieder, die in einem 40 Kilometer im Umkreis großen Bezirke wohnen, an einem vorher genau bestimmten Orte zusammenfinden. Bei dieser Gelegenheit wird ein Verzeichnis von mehr als 200 Verstößen gegen die Ordensregel vorgelesen, und wer eine Sünde begangen hat, soll sie bekennen. Ein Mönch, der auf eine dreimalige Frage seine Sünde nicht bekennt, macht sich einer Lüge schuldig.

Die buddhistischen Nonnen

Außer den Mönchen gibt es im Buddhismus auch Nonnen. Sie bilden aber eine besondere Gemeinde, die der Gemeinde der Mönche untergeordnet ist. So hat die älteste Nonne den jüngsten Mönch zu grüßen und vor ihm aufzustehn. Bei Streitigkeiten der Nonnen untereinander walten stets Mönche als Schiedsrichter. Sonst herrscht jedoch zwischen Mönchen und Nonnen die strengste Scheidung. Nur halbmonatlich begeben sich die Nonnen zu dem Mönche, der ihnen durch Beschluß der Brüderschaft bezeichnet worden ist, um seine Ermahnung und Unterweisung entgegenzunehmen.

Die Laienschaft der "Verehrer und Verehrerinnen"

Buddhas Mönchsorden, seine Gemeinde von Bettlern und Bettlerinnen, hätte aber nicht bestehen können ohne eine Laienschaft, die sich zu Buddhas Glauben bekannte und diesen Glauben vor allem durch Werke hilfsbereiter Wohltätigkeit bewies. Man nannte diese Almosenspender „Verehrer“ und „Verehrerinnen“. Im Gegensatz zu den „hauslosen“ Mönchen bezeichnete man sie als „Hausbewohner“; ihr „Werk“ war die Übung der schon erwähnten 5 Gebote der Rechtschaffenheit. Von Strafen bei sittlichen Vergehen dieser Laien hören wir aber nichts, wie denn dem Orden an der Unterstützung dieser Leute offenbar von Anfang an auch mehr lag als an ihrem Wandel. Ohne eine hilfsbereite Laienschaft hätte Buddhas Gemeinde keine Berührung mit dem Volksleben gehabt. Darum wurde der Laienstand in jeder Weise als ein erwünschter Bundesgenosse betrachtet, dessen Freundschaft man schätzte und sich zu erhalten suchte. Bürger im Reiche der Söhne Buddhas sind jedoch die Laien nicht, Laien und Mönche sind durch eine tiefe Kluft voneinander geschieden.

Buddhismus und Christentum

Beide, Buddha und Christus, nehmen sich der in Leiden versunkenen Menschheit an. Buddha, wenn auch persönlich voll Mitgefühl, bringt indes den Mühseligen und Beladenen keinen Trost. Einer jungen Mutter, die über den Tod ihres erstgebornen Sohnes jammert, weiß er nichts andres zu sagen, als daß er ihr im Tode das ewige Gesetz alles Lebendigen zeigt. „Der Todesfürst führt wie ein reißender Strom alle Wesen mit sich fort in den Ozean der Vergänglichkeit, lange bevor ihre Wünsche erfüllt sind.“ - Christus dagegen weint nicht nur mit den Weinenden, er ist auch die Auferstehung und das Leben und wandelt alle Traurigkeit in unaussprechliche, bleibende Freude.

Leiden, Sünde und Erlösung im Christentum und im Buddhismus

Trotz seines vielen Redens vom Leiden allen Daseins gibt Buddha keine Antwort auf die Frage, woher das Leiden stammt. Als Christen wissen wir daß alles Leiden eine Folge der Sünde ist. Nun spricht zwar auch Buddha oft von Sünde, von ihrem eigentlichen Wesen aber weiß er nichts. Sünde ist für ihn nicht Übertretung eines göttlichen Gebots und Feindschaft wider Gott - denn Buddha kennt ja keinen Gott - Sünde ist ihm nichts als Hinkehr zum Vergänglichen, und ihre Wurzel liegt für ihn nur im Nichtwissen' wodurch des Menschen inneres Gleichgewicht gestört wird.

Erlösung im Sinne des Christentums ist eine Erlösung von der Sünde. Diese Erlösung hat Christus durch seinen Opfertod vollbracht, und der Mensch empfängt sie dankbar im Glauben als ein unverdientes Geschenk der göttlichen Gnade. Nach Buddhas Lehre aber ist die Erlösung nichts weiter als eine Erlösung von dem Leiden dieses Daseins. Und diese Erlösung ist des Menschen Werk, indem er der Unwissenheit entsagt, „die vier edeln Wahrheiten“ Buddhas annimmt und im „hauslosen Stande“ lebt. Aus eigner Kraft erlöst sich also der Buddhist. Er braucht dabei keinen Gott als Helfer und ist deshalb auch keinem Gott zu Dank verpflichtet.

Wir sehen hier, wie Buddha seine Jünger mit stolzem Selbstvertrauen erfüllt durch den trügerischen Wahn der Selbsterlösung. Christus hingegen verheißt den geistlich Armen das Himmelreich, und geistlich arm sind alle, die wie der Zöllner im Gleichnis ihr inneres Elend fühlen und wissen, daß sie sich selbst aus eigner Kraft nun und nimmer helfen können. Der Buddhismus verherrlicht die menschliche Kraft, das Christentum verherrlicht die göttliche Gnade. Der Buddhismus führt zu maßloser Selbstverblendung, indem er aller Erfahrung zum Trotz behauptet, der Mensch könne sich selbst gut und edel machen. Das Christentum führt zu tiefster Selbsterkenntnis, indem es den Menschen auf Grund aller ehrlichen Erfahrung zu dem Bekenntnis bringt: Ich weiß: es wohnt in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes. Ich kann wohl das Gute wollen; aber mir fehlt die Kraft, es zu vollbringen“ (Röm. 7,18). Der Buddhismus erzieht zum Hochmut, das Christentum erzieht zur Demut. Buddhas Jünger stützt sich auf seine eigne Gerechtigkeit, Christi Jünger stützt sich auf Christi Gerechtigkeit.

  • Buddha predigt Selbstvernichtung, das Christentum mahnt zur Selbstverleugnung.
  • Buddha will von einer freien Persönlichkeit nichts wissen. Das Christentum verkündigt das Recht der Persönlichkeit, die in der Freiheit der Kinder Gottes zu ihrer wahren Bestimmung kommt.
  • Christi Evangelium predigt die Gleichheit aller Menschen vor Gott: in der Kirche, der Familie Gottes, hören alle äußern Unterschiede auf; da sind alle eins in der Gemeinschaft mit Christus Jesus (Gal. 3,28). Nun hat zwar auch Buddha die Gleichheit aller Menschen gelehrt. Im Gegensatz zu der brahmanischen Engherzigkeit, die die Teilnahme an dem erlösenden Wissen abhängig machte von der unveränderlichen gesellschaftlichen Stellung in dem Stande, dem ein jeder durch seine Geburt angehörte, sprach sich Buddha dahin aus, daß auch der Niedriggeborne zur höchsten geistigen Würde emporsteigen könne und daß äußere Kasten und Standesunterschiede nichts mit der Befähigung zum Heile zu tun hätten. Aber während Christi Botschaft im Anfang besonders unter den Armen und von der Welt Verachteten Aufnahme fand, hat der Buddhismus, wenigstens in der älteren Zeit, seine Jünger doch am liebsten aus den Reihen der Reichen und Vornehmen gesammelt. Die Anhänger des Edeln aus dem alten Sakyastamme kamen vorzugsweise aus den Häusern der Adelsgeschlechter.
  • Christi Wahrheit kann auch der Ungelehrte ihrem Hauptinhalte nach erfassen, während sie anderseits der Weiseste nicht auszulernen vermag. Buddhas Lehre aber ist nur für „die starken Geister“ da. Dem Verständigen, so heißt es ausdrücklich, gehört diese Lehre, nicht dem Törichten. Und wie wäre es auch dem einfachen Manne aus dein Volke möglich, sich in den verschlungenen Gängen der buddhistischen Gedankenwelt zurechtzufinden.
  • Christi Wahrheit reinigt das Herz. Buddhas „Gesetz“ beschäftigt einseitig den Verstand.
  • Christus ruft die Kinder zu sich. Buddhas Arme sind für die Kleinen nicht geöffnet.
  • Das Christentum schenkt wahres Glauben, wahres Hoffen, wahres Lieben. Und der Buddhismus?

Der Buddhismus ist ohne Glauben

Glauben kennt er nicht, denn er hat ja keinen Gott. Er ist in der Tat eine Lehre der voll endeten Gottlosigkeit. Für den Christen ist des Glaubens Mittelpunkt der lebendige Christus, das himmlische Haupt, aus dem der Gemeinde, seinem Leibe, aller Segen, alles Heil, alle Kraft beständig zufließt. Der tote Buddha hingegen ist für seine Mönchsgemeinde nur der Lehrer, der zuerst den Weg der Erlösung gefunden hat. Doch jeder seiner Jünger, der sich zur Heiligkeit hindurchringt, ist ebenso ein Buddha, ein Erleuchteter, wie der Meister selbst. Ja der Buddhismus bliebe in allem wesentlichen, was er ist, auch wenn man die Person seines Stifters daraus fortdächte.

Im Glauben erhebt sich Christi Jünger durch das Gebet in die Himmelsluft und wird mit Friede und Freude im Geiste erfüllt. Buddhas Jünger aber kann nicht beten, weil er an keinen Gott glaubt; er will sich nur durch eine künstliche Betrachtung zur Vollkommenheit erheben und so die wahre Seelenruhe erlangen.

Der Buddhismus ist ohne Hoffnung

Das Christentum schenkt wahres Hoffen. Nach aller Trübsal dieser Zeit winkt Jesu Jüngern die Herrlichkeit im Vaterhause droben. Nach aller Ungerechtigkeit auf der jetzt dem Fluch unterworfenen Erde erwartet der Christ Heil, Friede und Gerechtigkeit auf einer neuen Erde in Christi ewigem Königreiche. Diese lebendige Hoffnung macht wahrhaft Lebensfroh und damit auch geduldig und ausdauernd in allen Lebenskämpfen. Dagegen Buddhas Jünger kann seines Lebens niemals wirklich froh werden, denn das Leben ist ihm ja an sich das größte Übel. Er kennt kein seliges, herrliches Endziel eines allumfassenden göttlichen Liebesratschlusses. Er sieht als Zukunftsbild nichts andres als eine endlose Reihe von Welten, die immer wieder kommen und vergehen und die mit ihren aufeinanderfolgenden Geburten stets neues Leid und neues Sterben bringen. Dies jammervolle Dasein rollt sich in allzeit gleichem Gange wie ein Uhrwerk ab, bis endlich alle Wesen im Nirwana landen. Und dies Nirwana ist ein Todeszustand, ist Erlöschen, ist Vernichtung. Während das Christentum eine Welterneuerung verkündet, kennt der Buddhismus nur eine Weltvernichtung. Für den Christen ist das Endziel ewiges Leben für den Buddhisten ist das Endziel ewiger Tod. Das Christentum weist den Weg zum Himmel. der Buddhismus, freilich ohne es zu wissen und zu wollen, zeigt einen Weg zur Hölle: so bietet er im Grunde nichts als schauervolle Hoffnungslosigkeit. Der Buddhismus. ist ohne Glauben und ohne Hoffen. Aber predigt er denn nicht die Liebe? Und ist nicht auch im Christentum die Liebe das Größte, Edelste und Beste, das höher steht als Glaube und Hoffnung? (1. Kor. 13,13.)

Die Liebe im Buddhismus und im Christentum

Gewiß: in den „Lehrsprüchen“ des Buddhismus gibt es einige, die in schönen Worten von der Liebe, selbst von der Feindesliebe, reden. Der Zorn soll durch Liebe gebrochen werden; dem Bösen soll man, ganz wie es im Neuen Testamente heißt, mit Gutem widerstehn; dem Hasse setzt nur die Liebe ein Ziel. Doch wie verschieden ist im tiefsten Grunde die Liebe, die Buddha preist, von jener Liebe, deren Loblied Paulus in so hohen Tönen singt (1. Kor. 13). Die christliche Liebe ist frei von aller Selbstsucht, sie suchet nicht das Ihre. Die buddhistische Liebe aber birgt ein gut Teil Selbstsucht in sich. Wenn der Buddhist verzeiht und sich versöhnt, so tut er das vor allem in der Überlegung, daß ihm dies am meisten Nutzen bringt. Gegen den Hasser ist er haßfrei, wie es in den Lehrsprüchen heißt, damit er so im Leben glücklich sei. Das eigne Ich tritt also hier ganz klar hervor. In seinem Stolze meint der Buddhist auch, er stehe viel zu hoch, als daß das Tun der Menschen ihn erreichen könne. Daher zürnt er nicht über das Unrecht, das ihm widerfährt; aber erleidet auch nicht darunter. Er ist sich ja selbst genug. Und was die vielgerühmte Feindesliebe des Buddhismus angeht, so lehrt er nicht sowohl, den Feind zu lieben, als vielmehr: ihn nicht zu hassen. Der selbstzufriedene buddhistische Weise würde ja durch Haß nur seine Hoheit und Vollkommenheit beflecken. Das erlaubt jedoch sein Hochmut nicht. Die erbarmende Güte endlich, die der Buddhist gegen alle Lebewesen, selbst gegen schädliche Tiere, offenbaren soll, widerspricht oft geradezu der gesunden Vernunft. Denn wie kann der Mensch Tiere schonen, die ihn plagen oder die sogar sein Leben gefährden? Der Tierschutz der Buddhisten und ihre Enthaltung vom Fleischgenuß sind vielfach nicht ein Ausfluß von Güte und Barmherzigkeit, sondern vielmehr ein Deckmantel für eine trügerische Lehre. Einerseits lehrt nämlich der Buddhismus: das Leben ist an sich das größte Übel. Wie schon früher bemerkt, wäre der Selbstmord nach dieser Lehre das einzig Richtige und Vernünftige. Dies wird nun aber dadurch verschleiert, daß man anderseits das Leben oft ganz verkehrt und unvernünftig schützt. Mit wahrer Liebe hat dies alles nichts zu tun.

Ist's denn aber nicht ein deutlicher Beweis echt liebevoller Gesinnung, wenn der Buddhismus die Wohltätigkeit so eindringlich empfiehlt? Um hier kein falsches Bild zu gewinnen, ist zweierlei zu beachten: Einmal kommt der besitzlose buddhistische Mönch kaum jemals in die Lage, selbst Wohltätigkeit zu üben; denn er ist ja Tag für Tag zur Fristung seines Lebens auf die Wohltätigkeit andrer angewiesen. Sodann wird eine Wohltätigkeit gepriesen, die nicht nur übertrieben, sondern geradezu sinnlos ist und die im letzten Grunde nur der Selbstsucht dient. Dies kommt besonders in der Erzählung von dem Königssohn Bessantara zum Ausdruck. Der versagte niemand eine Gabe. Nun hatte er einen weißen Elefanten, der die Macht besaß, Regen zu bewirken, so oft man dessen bedurfte. Diesen Elefanten schenkte er einem Nachbarland, als dort große Dürre herrschte. Seine Volksgenossen aber wurden deshalb gegen ihn erbittert, weil er dadurch sein eignes Land schädigte, und sie zwangen den König ihn mit Weib und Kind des Landes zu verweisen. Der Königssohn fährt nun mit den Seinen als Verbannter über die Grenze. Da kommen Brahmanen des Weges und bitten ihn um seinen Wagen und seine Pferde. Er gibt sie ihnen. Dann baut er sich mit seiner Familie auf einem Berge eine Hütte und wohnt daselbst. Eines Tages bittet ihn ein Brahmane um seine Kinder. Lächelnd gibt er sie ihm. Danach kommt der Gott Indra als Brahmane verkleidet auf die Erde nieder und bittet den Königssohn um seine tugendsame, treue Gattin. Freudig gibt er sie dahin. So gibt er alles, ohne es zu achten, nur um die Erleuchtung zu gewinnen.

Diese hochgepriesene Erzählung verherrlicht eine Sinnesart, die von wahrer Liebe weit entfernt ist. Denn ein Mensch, der Weib und Kind ohne weiteres preisgibt, der lächelnd andern die überläßt, für deren Schutz er sein Leben lassen sollte: ein solcher Mensch weiß nicht, was Liebe ist. Der Königssohn handelt nun so, um die Erleuchtung zu erlangen. Sein eigen Wohl, sein Ich steht ihm also am höchsten. Das ist aber keine mildtätige Liebe, das ist nichts als Selbstsucht.

Die Stellung des Christentums und des Buddhismus zu den irdischen Pflichten und Verhältnissen

Ein Zug von Selbstsucht im Buddhismus ist es ferner, daß das Hauptgewicht des sittlichen Handelns nicht auf den Pflichten gegen andre liegt, sondern auf dem Gebiete des eignen inneren Lebens. Leugnet der Buddhismus auch die Seele und die Persönlichkeit, so erhebt er doch anderseits wieder das Ich zur entscheidenden Macht. Das Ich zu. finden ist ihm das schönste Ziel alles Suchens, das Ich zum Freunde haben ist ihm die beste Freundschaft.

Dem Ich gegenüber, das die Vollkommenheit erstrebt, verschwinden für den Jünger Buddhas alle irdischen Pflichten, besonders da ihm alles Irdische nichts als eitel Täuschung ist. Auch hier tritt der Gegensatz zwischen Christentum und Buddhismus scharf ans Licht. Das Christentum fordert treue Pflichterfüllung auf allen irdischen Gebieten; ja wer im Irdischen nicht treu ist, der kann auch im Geistlichen und Himmlischen nicht wachsen (vergl. Luk. 16,10-12). Buddha dagegen verlangt von seinen Jüngern, daß sie alle irdischen Pflichten rücksichtslos von sich werfen, um in dem „hauslosen Stande“ die Erleuchtung und das Nirwana zu erringen.

Das Christentum lehrt: „Sorgt ein Hausvater nicht für seine Hausgenossen, so hat er den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Heide“ (1. Tim. 5,8). Aber wie lehrten Buddha? Einst ward einer seiner Mönche von seiner Gattin, die er verlassen hatte, besucht. Sie trug ihr Söhnchen auf den Armen und erinnerte ihren Mann an seine Vaterpflichten. Der Mönch hört seines Weibes Klagen fühllos an und bleibt, ohne sich zu rühren, auf seinem Platze sitzen. Da legt die Mutter das Kind in des Vaters Nähe nieder und geht hinweg. Aus einiger Entfernung beobachtet sie dann, wie sich der Mann verhält. Der würdigt sein Söhnchen keines Blickes. Als die Mutter sieht, daß alles vergeblich ist, nimmt sie ihr Kind wieder auf den Arm und begibt sich auf den Heimweg. Buddha aber lobt seinen Jünger, weil er über der Gattin Kommen keine Freude und über ihr Weggehn keine Trauer empfunden habe. „Denn“, so fügt er hinzu, „den nenne ich einen Brahmanen, der von aller Anhänglichkeit frei ist.“ Fürwahr, solche Pflichtverletzung, wie sie Buddha hier empfiehlt und rühmt, ist grausam und unnatürlich, sie stellt den Menschen unter das unvernünftige Tier, das seine Jungen oft mit dem eignen Leben zu schützen sucht.

Das Christentum hat die irdischen Verhältnisse: Beruf, Ehe, Familienleben, geadelt adelt und mit einer höheren Weihe ausgestattet. Der Buddhismus will von alledem nichts wissen. Während das Christentum die treue Berufsarbeit als Gottesdienst ehrt, schätzt der Buddhismus die Arbeit gering. Das Christentum lehrt: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen (2. Thess. 3,10). Der Buddhismus aber lehrt: „Der Mönch soll sich sein Essen erbetteln.“ Bettelbrot ist für den Christen, der Gelegenheit und Kraft zur Arbeit hat, eine Schande, für Buddhas Jünger aber ist es eine Ehre. Das Christentum heiligt ferner die Ehe. Der Buddhismus warnt vor der Ehe. „Ein Weiser“ so heißt es, ,,sollte das Eheleben meiden, als wäre es eine brennende Kohlengrube.“ Durch das Christentum ist das Los der Frau gebessert und ihr die rechte Stellung angewiesen worden. Der Buddhismus hat hier nichts geändert, sondern er hat die seit alter Zeit in Indien neben der Einehe bestehende Vielweiberei weiter geduldet.

Das Christentum hat auf dem Gebiete der Kunst und Wissenschaft anregend und schöpferisch gewirkt. Der wahre Jünger Buddhas aber ist kein „Freund der Wissenschaft“. Und wie sollte sich auch die Mühe lohnen, etwas Schönes zu schaffen, da doch alles nichtig ist und einst im Nichts enden muß. Kunstwerke von dauerndem Werte hat der ältere Buddhismus nur auf dem Gebiete der Dichtkunst hervorgebracht, während erst der spätere von den Grundlehren des Stifters abgewichene Buddhismus auch in der Baukunst und der Bildhauerei Bedeutendes geleistet hat.

Wenn alle Menschen wahre Jünger Christi wären, so hätten wir schon jetzt den Himmel hier auf Erden. Wenn aber alle Menschen Jünger Buddhas würden, so könnte die Welt keine acht Tage mehr bestehen; denn auf einem gesunden Familienleben und auf der treuen Erfüllung aller irdischen Pflichten, wovon ja der buddhistische Mönch nichts wissen will, beruht das Wohl der menschlichen Gesellschaft.

Wir sehen: Christentum und Buddhismus sind himmelweit verschieden, Das Christentum als Weltreligion brächte allgemeines Glück und Heil. Der Buddhismus als Weltreligion brächte allgemeines Elend und Verderben. Der Buddhismus ist nur für einen kleinen Kreis denkbar, während das Christentum für alle Menschen ohne Unterschied bestimmt ist.

Und doch gibt es seit etwa 1880 eine Bewegung, die dem Buddhismus zur Weltherrschaft verhelfen will. In Deutschland empfehlen Zeitschriften den Buddhismus als eine der christlichen überlegene Weltanschauung. Auch buddhistische Katechismen zum Gebrauche für Eltern und Lehrer sind in deutscher Sprache erschienen. In England, in Frankreich und in der Schweiz sucht der Buddhismus ebenfalls zu werben, den größten Erfolg hat er aber bis jetzt in Nordamerika gehabt. Dieser Neubuddhismus gehört vielleicht mit zu dem falschen Prophetentum das dem Antichristen den Weg bereitet.

Geben wir nun zum Schluß noch einen kurzen Überblick über die Verbreitung des Buddhismus.

Die allmähliche Ausbreitung des Buddhismus

Hier sei zunächst bemerkt, daß wir den Buddhismus nicht als eine Lehre ansehen dürfen, die sich in ihren Grundzügen stets und überall gleich geblieben wäre. Vergebens suchen wir nach einem Lehrsatz, der alle Buddhisten von einst und jetzt miteinander verbände. Sogar die Lehre vom Leiden und von der Erlösung, mir der doch, wie man meinen sollte, der Buddhismus steht und fällt, ist vielfach umgewandelt worden. Und nicht etwa erst in späterer Zeit, sondern schon von Anfang an fehlte es dem Buddhismus sowohl an äußerer wie an innerer Einheit. Eine offene Spaltung trat schon 100 Jahre nach Buddhas Tod ein, und in der Folgezeit sollen sich dann 18 verschiedene Schulen im Buddhismus gebildet haben. Blüte des Buddhismus in Indien unter dem Könige Asoka

Seine Blütezeit erlebte der Buddhismus in Indien um die Mitte des 3. Jahrhunderts vor Chr. unter dem Könige Asoka von Magadha im Gangeslande, Dieser in mancher Hinsicht merkwürdige und verdienstvolle Herrscher nahm den damals schon volkstümlich gewordenen Buddhismus offen an. Er beschenkte die Mönche und baute viele Klöster. Auch legte er Krankenhäuser für Menschen und Tiere an. Seinen Untertanen schärfte er in vielen Verordnungen die sittlichen Lebenspflichten ein. Unter ihm begann auch die buddhistische Missionstätigkeit. Sendboten gingen aus nach dem südlichen Vorderindien, nach Ceylon und der Westküste von Hinterindien.

Der Buddhismus als Volksreligion

Um aber dem Buddhismus in den fremden Ländern Eingang zu verschaffen, kam man vielfach den dort herrschenden volkstümlichen Meinungen und Bräuchen entgegen, so daß sich die ursprüngliche Lehre Buddhas in wesentlichen Punkten änderte. Buddha selbst ward mehr und mehr als die zeitliche Ausstrahlung einer ewigen göttlichen Macht angesehn. Ferner traten die Gestalten der Bodhisatwas oder „Weisheitswesen“ hervor. Diese Wesen sind auf der Stufenleiter der Entwicklung durch immer höheres Verdienst dahin gekommen, daß sie in einer nächsten Verkörperung zu Buddhas oder Erleuchteten werden könnten. Aber sie halten sich davon zurück, um, in einem Himmel lebend, ihre Macht und Weisheit dem Glück und Wohlergehn der sie anrufenden Sterblichen zu widmen. Die Würde eines Bodhisatwas zu erringen, ward nun das Streben eines jeden buddhistischen Mönches. Weiter verdrängten volkstümliche Vorstellungen von Himmel und Hölle den ursprünglichen Gedanken des Nirwanas. Kurz, der Buddhismus, der von Hause aus nur für Mönche zugeschnitten war und den man strenggenommen überhaupt nicht als Religion bezeichnen kann, weil ihm jede Beziehung zur Gottheit fehlt, bildete sich allmählich zu einer Volksreligion um. Man nannte diese neue Richtung „das große Fahrzeug“. Ihr stand gegenüber „das kleine Fahrzeug“, das heißt eine kleine Partei, die an dem ursprünglichen Buddhismus festhielt. Das große Fahrzeug hat sich später noch weiter ausgebildet, und man unterscheidet darin wieder zwei verschiedene Richtungen: in der einen spielen Zauberkräfte, wunderwirkende Gebetsformeln und Beschwörungen die Hauptrolle.

Der Sieg des Brahmanismus über den Buddhismus in Vorderindien

In seinem Ursprungslande Vorderindien war der Buddhismus schon im 8. Jahrhundert nach Chr. in Verfall geraten und einige Jahrhunderte später verschwand er hier fast völlig. Der Brahmanismus, der sich überdies das wirklich Volkstümliche aus Gautamas Lehre angeeignet hatte, gewann mit seinen anziehenden Opferfeiern und dem Schaugepränge seiner Festlichkeiten schließlich die Oberhand über den kalten, nüchternen Buddhismus. Dabei erfuhr er aber auch selbst eine bedeutsame Umgestaltung. An Stelle des unpersönlichen Brahman hatte der Volksglaube schon vor Buddhas Auftreten einen Gott Brahma auf den Thron erhoben. Der wurde nun der höchste Gott, der Vater alles Wissens, der Lehrer aller andern Götter, der jenseits des Götterhimmels in seiner eignen Welt im höchsten Paradiese wohnt. Mit diesem höchsten Gotte Brahma wurden dann die andern beiden großen indischen Götter Wischnu und Schiwa aufs innigste verschmolzen. So bildete sich die heilige Dreigestalt des Brahmanismus, die als ein Körper mit drei Köpfen dargestellt wird; denn man denkt sich die drei als Einen, der sich in der Dreiheit entfaltet. Und zwar ist Brahma der schöpferische, Wischnu der erhaltende, Schiwa der zerstörende Gott. Aber diese Dreiheit ist in Vorderindien eigentlich nie recht volkstümlich geworden. Die große Masse deutet vielmehr die Dreigestalt in dem Sinne, daß einer der drei Götter der höchste sei. Heute ist die Verehrung Wischnus vorwiegend, aber Schiwa hat wohl die meisten Tempel in Vorderindien. Sein Dienst ist vielfach mit Zauberei, Beschwörung und Wahrsagerei verbunden, so namentlich in der Schiwasekte der Jogin, die auch mit dem arabischen Namen Fakire bezeichnet werden. Ein wüstes unsittliches Treiben, woran sich Angehörige aller Kasten oder Gesellschaftsklassen beteiligen, herrscht in der Schiwasekte des sogenannten Schaktidienstes, in dessen Mittelpunkt die Göttin Durga oder Kali steht, die als Schiwas Gattin gilt.

Die Anhänger des Brahmanismus schätzt man heute in Vorderindien auf 210 Millionen, die des Buddhismus nur auf 10 Millionen.

Während so der Buddhismus in seiner Heimat sehr zurückgedrängt worden ist, hat er sich anderseits neue, gewaltige Gebiete in Asien erobert: er ist eingedrungen in Birma, Siam, Kambodscha, Annam, Cochinchina, in die Inseln Hinterindiens, in Turkestan, Tibet, China, die Mongolei, die Mandschurei, Korea und Japan. Aber in allen diesen Ländern zeigt er ein verschiedenes Bild.

Ausbreitung des Buddhismus in China

In China hat der Buddhismus schon um 65 nach Chr. Eingang gefunden und ist dort heute weit verbreitet. Man nennt ihn Foismus, denn Fo ist das chinesische Wort für Buddha. Das eigentliche Leben Chinas wird aber von der Lehre des Konfuzius beherrscht. Diese fast 2500 Jahre alte Lehre empfiehlt eine auf das bürgerliche Leben und das Wohl des Staates abzielende Sittlichkeit. Eigentlich religiöse Gedanken hat Konfuzius nicht ausgesprochen, wenn er auch eine über dem einzelnen waltende göttliche Macht anerkannte, die er mit dem Namen Himmel bezeichnete. Den alten chinesischen Ahnendienst tastete Konfuzius mit seiner Sittenlehre nicht an. Die Mühe und die Kosten, die der Chinese auf die Verehrung seiner Ahnen verwendet, sind geradezu erstaunlich. Außer den Ahnen der eignen Familie werden auch noch allgemein die Geister vieler bedeutender Männer verehrt, die ihrer Verdienste wegen zu Göttern erhoben worden sind. Zu diesen Heldengöttern gehört auch Konfuzius, der in jeder chinesischen Stadt seinen Tempel hat und dem zweimal jährlich, im Frühling und im Herbst, zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche, besondere Opfer dar gebracht werden.

Die meisten Chinesen scheinen jedoch dem Taoismus ergeben zu sein, einer Richtung, die auf den gelehrten Denker Laotse, einen um etwa 50 Jahre älteren Landsmann des Konfuzius, zurückgeht. Tao ist die Lebenskraft. Das Tao hat alles ins Dasein gerufen, es weilt in allem Körperlichen und ist das eigentlich Lebenerhaltende. Damit beginnt nun ein Gedankengang, der sich bei der großen Masse des Volkes dahin ausgebildet hat, daß man das Tao als eine Art Zaubermacht verehrt. Man sucht dabei nach Mitteln, sich diese Macht zu sichern, vor allem, um die Lebensdauer dadurch auszudehnen; ja man glaubt durch die rechte Pflege des Tao sogar Unsterblichkeit erlangen zu können. Der vom Tao Erfüllte kann sich ferner auch gegen alle möglichen Gefahren schützen; und selbst über das innere Wesen der Dinge hat er Gewalt, so daß er unedle Metalle in Gold verwandeln kann. In Verbindung hiermit schuf sich die Einbildungskraft eine große Schar höherer Wesen, die man um Hilfe anrief, um die durch das Tao erstrebten Ziele zu erreichen. So bildete sich allmählich eine besondere Religion, die vorwiegend in dem niederen Volke breiten Raum gewonnen hat. Die berufsmäßigen mäßigen Vertreter dieser Tao-Religion heißen teils Tas ön, teils Taosse. Die Tas ön leben als Mönche in Klöstern. Die Taosse sind vielfach verheiratet und leben wie die andern Chinesen. Ihr Oberpriester führt den Ehrennamen „himmlischer Lehrer“ und gehört einer Familie an, in der diese Würde schon seit dem 2. Jahrhundert nach Chr. erblich ist. Nach dem Volksglauben hat er große Gewalt über die bösen Geister. Darum reist man oft aus weiter Ferne zu ihm, um für hohe Bezahlung seine Wunderhilfe zu erlangen. Zu den drei Hauptgöttern des Taoismus gehört Laotse; unter den Nebengöttern gibt es sogar einen Küchengott.

Neben dem Konfuzianismus und Taoismus, die zusammen etwa 240 Millionen Anhänger zählen sollen, in China seinen Weg zu suchen, ist dem Buddhismus nicht immer leicht gewesen Öfter hat man ihn sogar hart verfolgt; aber anderseits sind auch Kaiser und Prinzen buddhistische Mönche geworden. Der Buddhismus ist jedoch in China sehr veräußerlicht. Selbst die wichtigsten Vorschriften, wie Ehelosigkeit und Besitzlosigkeit, werden von den Mönchen nicht selten außer acht gelassen.

In Korea

In Korea hat der Buddhismus schon im Jahre 372 unsrer Zeitrechnung Eingang gefunden, aber seit Jahrhunderten sein eignes Leben fast ganz verloren.

In Japan

In Japan ist der Buddhismus im 6. Jahrhundert nach Chr. eingedrungen. Die alte Landesreligion war dort der Schintoismus. Schinto heißt der Weg der Geister oder Geisterlehre. Die Wesen, die man verehrt, heißen Kami, hohe Gewalten. Zu den Kami gehören Naturgottheiten und Menschengottheiten. Unter den Menschengottheiten steht der Kaiser oder Mikado obenan. Er gilt als Nachkomme der Sonnengöttin Amaterasu. Der Schintoismus wurde allmählich immer mehr vom Buddhismus abhängig und nahm auch buddhistische Satzungen auf, zum Beispiel das Verbot der Fleischnahrung. Seit dem Jahre 1868 ist aber eine scharfe Scheidung zwischen Schintoismus und Buddhismus eingetreten. Sie ist freilich für den Schintoismus ohne wirklichen Gewinn gewesen, während der Buddhismus gerade in neuester Zeit in Japan bemerkenswerte Versuche zur Verbesserung und Vertiefung gemacht hat.

In Tibet

Eine ganz eigentümliche Gestalt hat der Buddhismus in Tibet erhalten, wo er im 7. Jahrhundert nach Chr. Eingang fand, aber erst um die Mitte des 8. Jahrhunderts durch einen aus Indien kommenden Mönch zum Siege geführt wurde. Der Buddhismus in Tibet steht im schroffsten Gegensätze zu dem ursprünglichen Buddhismus. Er schuf sich eine Götterdreiheit von Bodhisatwas oder Weisheitswesen, unter denen Avalokiresvara („der Herr, der aus der Höhe herabsieht“) als der in der Gemeinde gegenwärtige Geist der Buddhas oder Erleuchteten besonders verehrt wurde. Im 10. Jahrhundert nach Chr. erfand man noch ein neues Wesen: den Adi Buddha, d.h. den ursprünglichen Buddha, den man für unendlich, allmächtig und allwissend hielt. Dazu drangen Zauberei und Teufelsdienst ein, und scheußliche Götterbilder mit vielen Augen, Köpfen und Händen wurden in den Klöstern, Tempeln und Straßen zur Verehrung aufgestellt. Endlose Wiederholungen bestimmter Worte und Zauberformeln hielt man für besonders kräftig. So hat jeder Tibetaner einen Rosenkranz von 108 Kügelchen, um genau Rechnung zu führen über seine guten Worte, die bei ihm die Stelle guter Taten vertreten. Auch bei den religiösen Handlungen wird auf die Anzahl der Worte der größte Wert gelegt. Seltsam sind in dieser Hinsicht die Gebetsmühlen, eigentümliche Maschinen, die mit Gebeten, Zauberformeln oder Stellen aus heiligen Schriften angefüllt sind. Sie stehen auf den freien Plätzen der Städte, an den Wegen, auf den Landstraßen, in den Flüssen; ja sie werden sogar mit Hilfe von Segeln durch jeden Lufthauch in Bewegung gesetzt. Denn je mehr Worte und Zauberformeln sich dabei folgen, desto wirksamer ist es. Aus demselben Grunde werden auch im öffentlichen Tempeldienste, um möglichst viel heilige Worte herzusagen, die Gesänge in der Weise abgeleiert, daß jeder Mönch einen besonderen Vers des Gesanges anstimmt. Bei diesem Verfahren kann natürlich in derselben Zeit, die sonst für einen einzigen Vers nötig wäre, ein ganzer Gesang erledigt werden. Eigenartig sind ferner die sogenannten Bäume des Gesetzes. Das sind hohe Stangen mit seidenen Fahnen, auf denen besonders wirksame Zaubersprüche stehen. Werden nun die Fahnen vom Winde gebläht und dadurch die heiligen Worte zum Himmel hinaufgeweht, so ist das ebenso kräftig, als wenn man die Sprüche hersagte; und nicht nur der Spender der Fahne, sondern auch die ganze Gegend, wo sie gesehen wird, hat Segen davon.

Merkwürdig ist der Buddhismus in Tibet weiter dadurch, daß er, ebenfalls in scharfem Widerspruch mir Buddhas Lehre, eine zahlreiche Priesterschaft mit einer vielgliedrigen Rangordnung hat. Die buddhistischen Priester in Tibet heißen Lamas, d.h. Obere. Der höchste Priester führt den Namen Dalai Lama. Dalai bedeutet Meer. Dieser Name soll die Unendlichkeit der Macht des Oberpriesters ausdrücken. Der Dalai Lama ist der irdische Stellvertreter Adibuddhas, das unfehlbare Haupt der buddhistischen Religionsgemeinschaft, in dem Avalokitesvara, der Geist der Buddhas, ganz besonders Fleisch geworden ist. Der Dalai Lama hat seinen Sitz in der tibetanischen Hauptstadt Lhasa (Götterland), wo sich in dem anmutigen Wiesentale auf einem 100 Meter hohen Felsen sein Schloß, der „Rote“ Palast mit dem goldnen Dache, erhebt, um den sieh malerisch Tempel und Klosterbauten ordnen. Der Haupttempel, der herrlichste Bau des Buddhadienstes, heißt der Yoksang. Er hat ein langes Hauptschiff mit zwei Seitenschiffen und zwei großen Altarplätzen. In die Seitenschiffe münden auf jeder Seite vierzehn Kapellen. Am Ende des Hauptschiffes ist der heilige Ort des Tempels, der fünfzehn mit Juwelen geschmückte Täfelchen voll seltsamer Sinnbilder enthält. In der fernsten Nische ist die prächtige, goldene Bildsäule des als Gott verehrten Gautamia Buddha. Links erhebt sich der Thron des Dalai Lama, an beiden Seiten sind die Sitze der Geistlichkeit. Dem Buddhabilde gegenüber ist der Hoch- oder Opferaltar. Im Tempeldienste treten Sänger auf, Glocken klingen, Trommeln dröhnen, Posaunen schallen. Weihrauchwolken steigen auf, heiliges Wasser wird benutzt, und geheimnisvolle Bräuche werden ausgeführt.

Der sogenannte südliche Buddhismus

Höher als dieser tibetanischen Buddhismus, der auch in der Mongolei die herrschenden Religion ist und der sich von Gautamas Lehre so weit wie möglich entfernt hat, höher auch als der Buddhismus in dem großem chinesischen Reiche steht der sogenannte südliche Buddhismus, der auf der Insel Ceylon und in Hinterindien, abgesehen von Annam, herrschend ist. Diese Richtung läßt wohl Bilder Buddhas zu, aber sie werden von den Mönchen nicht verehrt. Man bringt ihnen nur Blumen. dar, und zuzeiten werden sie feierlich beleuchtet. Die Mönche des südlichen Buddhismus beobachten auch noch im ganzen die alten Ordensregeln: sie machen die Almosengänge, um sich ihre Nahrung zu erbetteln die sie aber oft nicht selbst essen; sie nehmen nach Mittag keine Speise mehr zu sich; sie widmen sich dem Studium ihrer heiligen Bücher und frommen Übungen. Aber auch im südlichen Buddhismus fehlt es nicht an mancherlei Entartungen: das Keuschheitsgelübde wird, wenigstens auf der Insel Ceylon, nicht selten verletzt; Geldgier und weltliches Treiben finden sich öfter, selbst unter den Mönchen in Birma, die sonst wohl unter allen buddhistischen Mönchen am höchsten stehn. In den Ländern des südlichen Buddhismus werden die Mönche von den Laien auch im allgemeinen sehr geachtet, und den Klöstern fließen reiche Spenden zu. Fast jeder besucht für kürzere Zeit den freilich nur dürftigen Klosterunterricht, der das einzige Mittel der Volksbildung ist. Ja die jungen Leute treten gewöhnlich am Ende der Knabenzeit sogar für eine Weile als Mönch in ein Kloster ein. Trotzdem aber hat auch der südliche Buddhismius für die Hebung des Volkslebens nur wenig getan. Die große Menge besitzt in einem rohen Aberglauben ihre wirkliche Religion. Neuerdings freilich bemüht sich der südliche Buddhismus unter dem Einfluß der europäischen Bildung, tatkräftiger an der Volkserziehung zu arbeiten.

Anzahl der Buddhisten

Fragt man nun: Wieviele Buddhisten gibt es heute etwa? so läßt sich darauf keine zuverlässige Antwort geben, wie es denn überhaupt unmöglich ist, die Zahl der Anhänger der verschiednen Religionen auf der ganzen Erde genau zu bestimmen. Sicher ist jedenfalls, daß die Zahl der echten Jünger Buddhas, d.h. der Mönche, die nach des Meisters ursprünglicher Lehre leben, außerordentlich klein ist. Das Bild ändert sich jedoch, wenn man den Buddhismus als Volksreligion ins Auge faßt und zwar in seinen mannigfaltigen, dem alten Buddhismus freilich oft sehr unähnlichen Gestalten. Unter diesem Gesichtspunkte schätzt ein namhafter englischer Forscher die Zahl der Buddhisten auf 500 Millionen. Dabei bringt er aber allein für China, „das Land der 18 Provinzen“, etwa 415 Millionen Buddhisten in Anschlag, eine Zahl, die indes sehr irreführen kann. Denn fast jeder Chinesen, der die Buddhistentempel besucht, bekennt sich wohl auch ebenso zu der Lehre des Konfuzius und bringt dazu noch in den Taotempel seine Verehrung dar. Andre zählen im ganzen 200 Millionen Buddhisten, wieder andre nur etwa 140 Millionen. Der Buddhismus ist eben keine in sich abgeschlossene Religionsgemeinschaft mit bestimmtem Bekenntnis und überzeugten Anhängern. Er ist vielmehr, wie wir gesehen haben, ursprünglich ein Orden von Bettelmönchen, und es wäre ganz verkehrt, die großen Scharen derer, die zu dem Orden in dem losen Verhältnis von Verehrern und Verehrerinnen stehen, als Genossen der buddhistischen Gemeinden zu betrachten. Tatsache bleibt es aber, daß der Sakyasproß Gautama Buddha einen gewaltigen geistigen Einfluß ausgeübt hat und daß heutigentags fast ein Drittel der ganzem Menschheit seinen Namen mit heiliger Verehrung nennt.

Es kommt jedoch die Zeit, wo auch Buddhas Name einem andern Namen weichem wird. Der Sakvasohn mit seiner falschen Erlösungsbotschaft soll vor dem Davidsohn, der die vollkommene, ewiggültige Erlösung vollbracht hat, zuschanden werden, und alle Zungen sollen einst bekennen, daß alles Heil für Zeit und Ewigkeit allein zu finden ist in Jesu, dem wahren Meister, Helfer und Erlöser.

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