Kohlbrügge, Hermann Friedrich - „Aus tiefer Not“ - Zehnte Predigt.

Gehalten den 21. November 1858, vormittags.

Gesang vor der Predigt.

Psalm 72, Vers 1-3.

Gib dein Gericht, Herr! deinem Knechte,
Dem König auf dem Thron;
Verleihe deine heilgen Rechte
Forthin des Königs Sohn,
Dass er dein liebes Volk regiere
Nach Recht und Billigkeit,
Und deine Unterdrückten führe
Aus Not, Gefahr und Streit.

Die Berge werden Frieden tragen,
Die Hügel heilig Recht;
Das Volk hört nirgends jemand klagen
Und segnet sein Geschlecht.
Die Unterdrückten wird er retten,
Er steht den Armen bei;
Will Unterdrücker untertreten,
Dass keiner übrig sei.

So lang dein Mond und deine Sonne
Am Himmel uns erfreun,
Wird man, o König! dir mit Wonne
Und Ehrfurcht dankbar sein.
So wie des Himmels milder Regen
Das dürre Land erquickt,
So kommt er, und mit ihm der Segen,
Der jedermann beglückt.

Meine geliebten Brüder und Schwestern! Wenn wir den Herrn Jesum, den König der Gerechtigkeit und des Friedens, zu Gesicht bekommen, dann muss aller Schmerz und alle Traurigkeit, alle Sünde und was das Herz beschwert, weichen.

Wenn der Glaube ihn zu Gesicht bekommt, sieht er ihn in solcher Gestalt, wie unsere Gestalt ist, nämlich als einen, der gar keine Gestalt hat, so dass er gleichsam lächerlich aussieht; er sieht ihn aber zu gleicher Zeit in seiner Schöne, in seiner wundervollen Huld, Gnade und Macht. Da muss man sich doch freuen, wenn solch ein König zu uns kommt, wie er vor so viel Jahrhunderten seinem lieben Volk entgegenkam, nicht mit äußerlicher königlicher Pracht, nicht mit Rossen und Wagen, wie sonst die Könige tun, sondern auf einem Eselsfüllen. Konnte auch das Tier ihn nicht tragen, worauf er geritten kam, - denn es hatte ja noch kein Mensch darauf gesessen so dass er vielmehr das Tier trug, während das Tier ihn trug, so wollte er damit gerade andeuten, dass er uns mit seiner Macht nicht niederdrücken oder zerbrechen will; sondern wo er kommt in seiner Herrlichkeit und Majestät, da kommt er also, dass er zu gleicher Zeit all unser Elend, Jammer und arme Gestalt auf sich nimmt, und dass er dennoch, ja eben also, ein Helfer ist.

Es hat die Gemeine von jeher sich gefreut, wenn sie die Kunde vernommen hat von der Zukunft des Herrn Jesu Christi, und hat nicht anders gekonnt, denn ihn segnen, der da kommen wollte. Und während sie ihn segnete und aufs höchste erhöhte, hat sie sich selbst aufs tiefste erniedrigt, sich selbst verworfen und verdammt, und so befand sie sich in der äußersten Not und sah in ihm alles Heil. Und die das sahen, konnten auch nicht anders, als, während sie durch den Trost des Geistes: „Siehe, dein König kommt zu dir!“ über alle Gefahr sich hinweggesetzt sahen, auch alle segnen, die des Herrn sind. Solches finden wir ausgesprochen in dem Text, den wir für diese Morgenstunde zu unserer Betrachtung wählen.

Text. Psalm 118, Vers 26.
Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid.

Zwischengesang.

Psalm 34, Vers 2.

Lobt, lobt den Ewigen!
Er zeigt in seiner Größe sich.
Kommt, lasst uns gemeinschaftlich
Jetzt seinen Ruhm erhöhn!
Er hält mich immer fest.
Ich sucht und fand ihn, meinen Gott.
Seht, wie er bald aus aller Not,
Aus aller Furcht erlöst.

Wir betrachten zuerst dieses „Gelobt sei er“, sodann „der da kommt“, drittens: „der da kommt im Namen des Herrn“, und endlich den Segen, womit die Armen und Elenden von der Gemeine gesegnet werden: „Wir segnen euch, die ihr vom Hause des Herrn seid“.

Gelobt oder gesegnet sei er, nämlich Jesus Christus, der Sohn Davids und Abrahams. Dies Wort wird nicht in der Fülle des Trostes verstanden, womit es ausgesprochen ist, es sei denn, dass man seines eigenen Elendes in Wahrheit inne geworden sei. Es hat die lutherische Kirche, nach der Gewohnheit der römischen, Adventssonntage, und da erinnere ich mich noch wohl, dass, wenn ich in meiner Jugend sang: „Wie soll ich dich empfangen“, ich nicht recht wusste, wie ich mir das deuten sollte; aber das hatte ich doch davon weg: ich muss ihn empfangen in mein Herz hinein und weiß doch nicht wie. Was tun wir damit, dass wir lesen: „Gesegnet sei er!“ oder dass wir singen: „Gelobt seist du, Jesus Christ, dass du Mensch geboren bist“, wenn wir nicht für uns selbst das Bedürfnis haben, ihn, den Spender alles Segens, in unser Herz hinein zu empfangen? Es verleihe und der Herr seine Gnade, dass wir bei uns selbst erwägen, wie es in einem Gemüt aussehen muss, das da spricht, ich möchte sagen, aufjauchzt: Gesegnet sei Jesus Christus! Wer das hienieden nicht erfahren hat, der schmeichle sich nicht mit einem seligen Ende, sondern er sei sich dessen wohl bewusst: Hat er den Herrn hier nicht gesegnet, hernachmals segnet er ihn auch nicht.

Es ist ein Bekenntnis der Gemeine, meine Geliebten, ein Bekenntnis des äußersten Elendes, des äußersten Jammers. Da geht in der Seele der Psalm vorab: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir; Herr, höre mein Geschrei!“ „So du, Herr, willst Sünde zurechnen, Herr, wer wird bestehen?“ Es ist also ein Bekenntnis des Elendes da, dass man nichts anderes vor sich hat als Verderben und Umkommen; es ist ein Bekenntnis da, dass man trotz aller Anstrengungen es bei sich selbst und durch sich selbst, durch all seine Bestrebungen und Werke, womit man es aufrichtig gesucht hat, doch nicht finden kann; nicht ein Bekenntnis, wobei man es aus der Luft gegriffen, sondern wo der Mensch in Wahrheit alles bei sich aufgeboten hat, um dem Gesetze Gottes entsprechend zu sein, er hat es aber nicht finden können. Da ist es nicht Leichtsinn des Glaubens, sondern es geht in die Tiefe hinein, dass man sagen muss: „Die Angst mich zu verzweifeln trieb, dass nichts denn Sterben bei mir blieb, zur Hölle musst ich sinken“. Wo also dieses Bekenntnis ist, da ist dieses „Gelobt sei er!“ ein Schrei aus der Tiefe, aus dem Grabe der Sünde heraus, aus der Verlorenheit heraus, aus der Angst heraus, weil man wirklich um und um sich verdorben und verloren sieht. Wer da von Herzen spricht: „Gesegnet sei Jesus Christus, der König!“ der hat in Wahrheit sich selbst mit allem, was um und an ihm ist, verdammt und verworfen, und er bekennt, dass er für sich selbst des Fluches und der Hölle würdig ist, dass er wahrlich für sich selbst nichts als Tod und Hölle verdient hat. Ein solcher findet an sich selbst nichts, sondern steckt in der äußersten Angst: Gott wolle seiner nicht, er könne sich seiner nicht annehmen, denn er sei zu verloren, zu verdorben, zu sündig! Und ob auch noch die stille Hoffnung im Herzen liegt, es möchte doch vielleicht noch für ihn Errettung kommen, so ist doch diese Hoffnung so in den Hintergrund gedrängt, dass in der Seele nichts spuckt denn der Tod und der Teufel, der mit Untergang und Hölle droht.

Meine Geliebten! Wir erleben es oft im täglichen Leben, dass wir der Unseren wegen, oder weil wir in Bedrängnis und Not uns befinden, uns schrecklich quälen; wir können Gott dem Herrn die Sache nicht ruhig anvertrauen, können unsere Seelen nicht stille setzen, wir schreien zu Gott, lesen in der Schrift, wollen uns beruhigen, aber die Angst ist da, und wir sehen keine Hilfe. Da geschieht es wohl oft, dass, wenn es mit uns aufs äußerste gekommen ist, mit einem Mal die Hilfe erscheint, und wir pflegen dann mit einem Schrei zu sagen: „Gott sei gelobt!“ oder: „Gesegnet sei Gott! Gedankt sei Gott!“ Aber anders sieht es aus, wenn die Seele sich in sich selbst verloren und verflucht fühlt; sprich mir da nicht von Evangelium! Ich kanns für mich selbst nicht annehmen. Sprich mir nicht davon: Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben? oder: Wie bist du gerecht vor Gott? oder: Mas glaubst du von Vergebung der Sünden? Das ist alles gut und wahr für andere, ich kann es aber für mich selbst nicht für wahr halten! O, wo der Mensch sich unter dem Fluch des Gesetzes befindet, da kann nur Gott, sein König und Herr, Jesus Christus allein ihn trösten; da muss Gott der Herr selbst kommen ins Herz hinein mit dem Trost von Gnade, dass die Seele nicht umkomme in ihrer Angst.

Die Sache ist ernst. Indem ich weiß, dass ich euer Seelsorger bin, so wünsche ich, dass nicht mancher sich möge getäuscht haben an dem Tage, wann der Herr kommen wird auf den Wolken, Gericht zu halten. Das tote Holz soll aufleben! Es soll aufstehen von den Toten, was da erstorben ist, denn der Herr kommt!

Gemeinschaft pflegt der Mensch mit Vater und Mutter; Gemeinschaft pflegt der Mann mit dem Weib, das Weib mit dem Mann, und ebenso der Freund mit dem Freund; aber all dies hält gar keinen Vergleich aus mit der Gemeinschaft, in welcher die Seele mit ihrem Herrn und König lebt. Das geschieht im verborgenen, aber es wird doch an der Sprache offenbar; es wird an den Werken, an der Frucht offenbar, ob du ein Galiläer bist und also mit dem Herrn Jesu Umgang pflegst, oder ob du in Jerusalem bist und daselbst dich befindest unter den Pharisäern.

„Gesegnet sei er“ ist also ein Schrei des Glaubens: Er, Jesus Christus, ist es allein! Er allein ist es, in dem ich das finde, was genügend ist zu meiner Seligkeit, was der Forderung des geistlichen Gesetzes Gottes entspricht; er allein ist es, in dem ich vollkommene Gerechtigkeit und Heiligkeit finden kann, die ich doch haben muss nach dem Ausspruch des ewigen Wortes Gottes. Es kann keiner, der aufjauchzt: „Gesegnet sei Jesus Christus!“ in der Sünde, in Teufelei und Verkehrtheit stecken bleiben, er kann nicht mit dem Hund auf den Stein beißen, er kann nicht auf andere die Schuld werfen, sondern er ist verloren, er ist verflucht und verdammt. Er kann sich nicht damit begnügen, dass er eben so glaubt, während er doch dabei in seinem Verderben stecken bleibt, sondern er muss aus der Sünde, aus seinem Verderben heraus. Aber in seinen Werken, in seinen Bestrebungen, in seiner eigenen Gerechtigkeit und Frömmigkeit, oder in seiner Aufrichtigkeit kann er das Leben und den Frieden doch auch nicht finden; er fühlt sich mitten im Tod, und mitten im Tod ist seine Ruhe: „Allein zu dir, Herr Jesus Christ, Mein Hoffnung steht auf Erden!“

Also: „Gelobt oder gesegnet sei Jesus Christus!“ ist ein Bekenntnis des Glaubens: In ihm, in ihm habe ich alles, habe ich ganz und gar, was mir not tut, auf dass ich vor Gott gerecht und heilig und untadelig sei; in ihm allein habe ich ewiges Leben und ewige Seligkeit. So ist es ein Schrei des Dankes, dass man ihn gefunden hat, wenn man ihn auch nicht mit Augen sieht, dass man ihn gefunden hat in dem Wort eben als den, der von Gott uns gegeben ist als ein König der Gerechtigkeit, ein Fürst des Friedens. - So kommt es aus dem Herzen heraus, so kommt es von den Lippen, so steht es nicht allein auf dem Blatt; da sind es nicht allein Worte, ausgesprochen von der Gemeine durch so viele Jahrtausende, sondern es ist ein lebendiges Wort, ein lebendiges Wort für meine arme, geplagte, abgemattete Seele: Gesegnet sei Jesus Christus! Gelobt sei er! Er ist allein der Born alles Segens, der Spender alles Heils. Er ist allein mein König und mein Gott, der mich abgewaschen hat von allen meinen Sünden, der allein mein Friede sein kann und mein Friede ist, der allein meine Hoffnung ist, und auf dem allein all meine Hoffnung ruht, der allein die Ursache ist ewigen Lebens und ewiger Seligkeit, der der Inhaber ist der ganzen Fülle der Gnade und Gewogenheit Gottes, der Inhaber alles dessen, was im Himmel ist, um meine arme Seele zu erquicken. Man segnet sich selbst so gern, aber wer Jesum Christum segnet, der verflucht und verdammt sich selbst von Herzen, und bekennt es, dass er verflucht ist, aber also, dass er hinschwindet vor Gottes Wort, vor der Heiligkeit göttlichen Gesetzes und Befehls, so dass er sich ganz wegwirft und sich als Staub und Asche anerkennt. Da ist denn aber Jesus Christus der rechte Mann, der in dem neuen Himmel und der neuen Erde den neuen Menschen schafft aus einem Erdkloß, und seinen Odem in ihn hineinhaucht, sprechend: „Nehmt hin den Heiligen Geist“. (Joh. 20,22.)

Also, meine Geliebten, diese Worte sind, wie das ganze Evangelium, dazu da, den aufzurichten, der wahrhaftig in der Tiefe liegt; es dem anzukündigen, dass er gefunden sei, der sich wahrhaftig verloren fühlt; es dem anzusagen, dass Vergebung für ihn da ist, welcher mit dem Strick um den Hals da steht; es dem anzukündigen, dass Leben für ihn da sei, der sich des Lebens erwägt und weiß nicht anders, denn dass er des ewigen Todes sterben muss. - So lobt ihn denn so hoch, als ihr könnt, ihr Elenden und Armen; denn er ist König und Herr, und im Herrn Herrn haben wir Gerechtigkeiten und Stärke. Er ist ein solcher König, der mit seiner Majestät und Herrlichkeit nicht zerschmettert, sondern das ist seine Majestät und Herrlichkeit: dass er Sünde vergibt und Leben erteilt den Gnadenleeren, dass er die Gottlosen gerecht spricht in seinem Blut. Lobt ihn, so hoch ihr könnt, gegen Tod, Teufel, Hölle und Betrübnis der Seele an; denn er hilft allein und lässt nicht fahren die Werke seiner Hände; er ist treu und hat uns gewaschen von aller Sünde und wäscht uns von aller Sünde; gestern, heute, morgen und in Ewigkeit ist er derselbe. Ihm allein verdanken wir es, dass wir hineinkommen und unsere Füße setzen in die Stadt dort oben. Er allein hat es erworben in seiner ewigen Liebe, dass dir geholfen wurde, als du mit dem Schrei kamst: Gib mir Jesum oder ich sterbe! Er hat es allein getan, dass dir, dem Blinden und Tauben, Auge und Ohr geöffnet worden ist, dass dir, dem Stummen, die Zunge gelöst wurde, und dass du, Lahmer, aufspringen konntest wie ein Hirsch. Er schafft es allein, dass man vom Tod hindurchdringt zum Leben, dass wir Gerechtigkeit haben und gerecht sind und heilig vor Gott, dass wir Frieden haben zu Gott hin, dass wir vor Gott wandeln nach seinem Wohlgefallen, in seinen Wegen, nach seinen Geboten und Satzungen. Er hat es allein getan, dass - bis auf den heutigen Tag - wir sind, was wir sind, und dass trotz alles Unglaubens und Zagens, trotz aller Verkehrtheit und Sünde, trotzdem dass man Tag für Tag über sein hartes und heimtückisches Herz klagen muss, er dennoch uns getröstet hat mit seinem Wort und seiner Verheißung: „Ich will das steinerne Herz aus euch hinwegnehmen und euch ein Fleischernes geben“.

So kommt der Herr Jesus Christus. Der Teufel kommt, um zu töten; der Teufel kommt, einem Menschen etwas vorzurücken, aber der Herr kommt, um einen Menschen selig zu machen. Er kommt zu denen, die verloren sind, die er sich zubereitet hat mit seinem Geist, dass sie hinschwinden vor seinem Wort, die alles aufbieten möchten, nur um vor Gott in Gerechtigkeit erfunden zu sein, es aber nicht finden können, die mit ihrem Blut es unterschreiben, dass sie nach Gottes gerechtem Ausspruch sterben müssen. Er kommt nicht zu denen, die da sagen: Den Glauben haben wir und wir sind heilig! und bleiben doch stecken in ihren Sünden und heucheln vor Gott; sondern zu denen, die zerschmettert zu Boden liegen und wissen von keiner Hilfe mehr.

Wo dieser König kommt, da kommt er als König Jesus, selig zu machen ein Volk von ihren Sünden. Er kommt, um wohlzutun, Feinde zu versöhnen mit Gott, und mit seiner überraschenden Liebe sie zu seinen ewigen Freunden zu machen, um in Wahrheit alle Armut wegzunehmen und seine Reichtümer mitzuteilen; er kann nicht anders als Glück und Segen verbreiten. Und wenn er auch mit dem Kreuz kommt, so ist dennoch derjenige, der da spricht: „Gesegnet seist du, Jesus Christ!“ der glücklichste Mensch auf dem Erdboden, und säße er auch mit Hiob auf dem Misthaufen; denn dieses Glück besteht nicht im Sichtbaren und Äußerlichen, sondern es ist etwas, das in Wahrheit ewig und bleibend ist. Also kommt er, dass er den Aussätzigen berührt mit seiner eigenen Hand und nimmt den Aussatz auf sich; die Kranken macht er alle gesund, denn eine Kraft geht von ihm aus.

Eben von solchem Kommen sind alle Patriarchen und Propheten von jeher erfüllt gewesen und haben sich solcher Zukunft getröstet im Leben und im Sterben. Nicht anders tat der sterbende Jakob, da er sprach: „Bis dass der Held kommt, und demselben werden die Völker anhangen“. (1. Mos. 49,10.) Auch finden wir in allen Psalmen und Propheten diese tröstliche Zukunft des Herrn Jesu Christi geweissagt. So z. B. Ps. 96. Da heißt es Vers 10 ff: „Sagt unter den Heiden, dass der Herr König sei“ der Herr Jesus Christus, - „und habe sein Reich“ - das Reich von Gnade, Vergebung von Sünden, ewigem Leben und Seligkeit - „so weit die Welt ist, bereitet, dass es bleiben soll“, so dass die Pforten der Hölle es nicht zu überwältigen vermögen „und richtet die Völker recht“ rechnet ihnen ihre Sünde nicht zu, nimmt ihre Missetat hinweg und teilt ihnen den Heiligen Geist mit. „Himmel, freue dich, und Erde, sei fröhlich; das Meer brause, und was darinnen ist. Das Feld sei fröhlich, und alles was darauf ist, und lasst rühmen alle Bäume im Walde“ - sonst werden sie abgehauen - „vor dem Herrn; denn er kommt, denn er kommt zu richten das Erdreich“, und an seinem Gerichtstag hängt er am Kreuz, so richtet er. „Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit“ mit der Predigt der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, -, und die Völker mit seiner Wahrheit“, indem er ihnen seinen Heiligen Geist gibt. Und bei Jesajas Kap. 40,9: „Zion, du Predigerin, steige auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Predigerin, hebe deine Stimme auf mit Macht, hebe auf und fürchte dich nicht. Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott! Denn siehe, der Herr Herr kommt gewaltiglich“ - den Teufel zu vernichten und seine Macht zu zerstören „sein Arm“ und seine Gnade - „wird herrschen. Siehe, sein Lohn ist bei ihm und seine Vergeltung ist vor ihm. Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte; er wird die Lämmer in seine Arme sammeln und in seinem Busen tragen und die Schafmütter führen“. Und Jer. 33,14: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass ich das gnädige Wort erwecken will“ - worauf ihr, die ihr euch gnadenlos und gnadenleer fühlt, gehofft habt „dass ich das gnädige Wort erwecken will, das ich dem Haus Israel und Juda geredet habe. In denselbigen Tagen und zur selbigen Zeit will ich dem David ein gerecht Gewächs aufgehen lassen“ - nicht ein Gewächs, das von dir verlangt, dass du noch Stroh bringst, wo du nichts mehr kannst, sondern also gerecht, dass, wo du auf dem Weg liegst und meinst, sterben zu müssen, er daher gefahren kommt mit seinem Wagen, dich aufnimmt und dich trägt samt deiner Last. Also ein gerechtes Gewächs, das aufgeben wird, wie auch alle Teufel sich bemühen, es zu zertreten, - „und soll ein König sein, der wohl regieren wird“ - der alle Pharisäer und Schriftgelehrten zu Schanden macht, aber die Armen und Elenden unter sein Zepter sammeln und sie weiden wird „und soll Recht und Gerechtigkeit anrichten auf Erden. Zu derselbigen Zeit soll Juda geholfen werden und Jerusalem sicher wohnen, und man wird ihn nennen: der Herr, der unsere Gerechtigkeit ist“. Und Hosea, 13,14: „Aber ich will sie erlösen aus der Hölle und vom Tod erretten; Tod, ich will dir ein Gift sein! Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein!“ Und Joel 2,21: „Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost!“ - Es haben Teufel und Welt gar große Dinge angerichtet, aber „der Herr kann auch große Dinge tun. Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Feld“ die ihr kein Wasser habt, denn es ist alles wüste „die Wohnungen in der Wüste sollen grünen und die Bäume ihre Früchte bringen, und die Feigenbäume und Weinstöcke sollen wohl tragen. Und ihr, Kinder Zions, freut euch und seid fröhlich im Herrn, eurem Gott, der euch“ hebräisch: „den Lehrer zur Gerechtigkeit gibt“, das ist: den wahren, einzigen Propheten, der euch den geheimen Willen Gottes zu eurer Gerechtigkeit vollkömmlich offenbaret. Und Micha 5,1: „Und du Bethlehem Ephratha, die du klein bist unter den Tausenden in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist“. Und Habakuk 2,3: „Die Weissagung wird ja noch erfüllt werden zu seiner Zeit“ wenn's aufs höchste gekommen ist mit der Not - „und wird endlich frei an den Tag kommen und nicht außen bleiben. Ob sie aber verzieht, so harre ihrer; sie wird gewisslich kommen und nicht verziehen“. Endlich - die Zeit lässt es uns nicht zu, noch mehr herzuzählen - nachdem Sacharja gesagt: „Aber du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze; siehe, dein König kommt zu dir“ (Kap. 9,9) vernehmen wir Mal. 3,1: „Siehe, ich will meinen Engel senden, der vor mir her den Weg bereiten soll. Und bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, des ihr begehrt. Siehe, er kommt, spricht der Herr“ - dem alles zu Gebote steht.

Somit haben wir es vernommen, meine Geliebten: Es kommt ein König, zu richten mit Gerechtigkeit und Recht; alle guten Werke bringt er mit und erfüllt damit alles, was leer ist; alle Reichtümer bringt er mit, sie an seine Armen auszuteilen. Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn! Etliche wollen dies also lesen: Gelobt sei im Namen des Herrn, der da kommt. Wenn wir aber die Worte des hundertachtzehnten Psalmes lesen, wie sie in den Evangelien angeführt sind, so finden wir immer, dass gesagt ist: Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Markus hat sogar: „Gesegnet sei das Reich, das da kommt im Namen des Herrn“. Was will das sagen? Es herrschen allerwärts verkehrte Begriffe von Gott; allerwärts ist die Meinung, man könne sich gleichsam hinter dem Herrn Jesu vor dem Zorn Gottes verbergen; daher kommt denn auch in unseren Tagen der Missbrauch mit dem Namen Jesus, als ob es keinen Vater im Himmel gebe, der eben so gnädig ist als Jesus. Jesus aber kann und wird nicht Sünden vergeben, wenn nicht der Vater sie vergeben hat; Jesus kann nicht helfen, wenn nicht der Vater geholfen hat. Der Herr ist allerdings ein Mittler, der einzige Mittler Gottes und der Menschen; aber nicht ein Mittler, den wir gemacht oder erwählt hätten, oder der von sich selbst gekommen wäre, sondern er ist vom Vater gekommen, im Namen des Herrn“, das ist: im Auftrage, in der Machtvollkommenheit, mit der Vollmacht seines Vaters, der hier „Herr“ heißt als der Bundesgott, als der treue Bundesgott seines Volkes.

Gott Vater nun hat dem Herrn Jesu alles übergeben; er ist es, in dessen Hand die Ausführung des ewigen Ratschlusses von unserer Seligkeit gelegt worden ist, wie er denn im hohenpriesterlichen Gebet spricht: „Gleichwie du ihm Macht hast gegeben über alles Fleisch, auf dass er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast“ (Joh. 17,2), so hat Gott im Anfang der Welt alle, die er gekannt, dem Sohn gegeben, um sie gerecht, heilig und selig zu machen. Er hat in dem ewigen Rat es ihm übergeben, Weg und Mittel zu sein, um alle Verlorenen, die ihm vom Vater gegeben sind, wiederum zu Gott gebracht zu haben. So geht die Liebe aus vom Vater, und es gibt ihm der Vater die volle Macht, um hier auf Erden zurecht zu bringen, was verloren ist, zu sammeln, was zerstreut ist. Er hat Macht, sein Leben abzulegen für die, welche der Vater ihm gegeben hat; er hat Macht, das Leben wiederum anzunehmen, um gerecht zu erklären, die ihm von dem Vater gegeben worden sind. Er hat also alle Macht im Himmel und auf Erden. Er hat sich selbst diese Ehre nicht genommen; das bezeugt Paulus Ebr. 5,4 u. 5: „Niemand nimmt ihm selbst die Ehre, sondern der auch berufen sei von Gott gleich wie Aaron. Also auch Christus hat sich nicht selbst in die Ehre gesetzt, dass er Hoherpriester würde, sondern der zu ihm gesagt hat: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt! Wie er - Gott Vater auch am anderen Orte spricht: Du bist ein Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks“. Also in der ewigen Ewigkeit hat Gott gesehen seinen Sohn Adam verloren gehen und mit ihm seinen ganzen Samen. Da sprach er zu seinem anderen Ich, da sprach er zu dem Abglanz seiner Herrlichkeit: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt!“ Auf dass nun Adam wieder ein Sohn sei, auf dass er als Kind angenommen werde, um mit dem ewigen Sohn Gottes zu erben, - sprach Gott Vater in der ewigen Ewigkeit: Es muss ein Hoherpriester kommen zur Genugtuung. Darum: „Du bist Priester in Ewigkeit, nach der Ordnung Melchisedeks“ - in diesem will ich dich abspiegeln lassen, und nun „fahr hin, meins Herzens werte Kron, und sei das Heil der Armen“. - Also geht er von Gott dem Vater aus, und er bezeugt: „Ich und der Vater sind Eins“, „der Vater ist in mir und ich bin in meinem Vater“, „die Worte, die ich rede, sind nicht mein, sondern meines Vaters, der mich gesandt hat“. So hat er des Herrn Gottes, des treuen Bundesgottes, Vollmacht, ganze Machtvollkommenheit, um zu offenbaren den Armen und Elenden den ewigen Ratschluss zur Seligkeit, zu verherrlichen die ewige Liebe, Gnade und Wundergüte, wegzunehmen alle Sünde, Schuld und Strafe, einzukommen für das arme Volk, das der Vater ihm gegeben, als Bürge und Stellvertreter, und zu sprechen: „Ich will nicht, dass dieser ins Verderben fahre, denn ich habe eine ewige Versöhnung gefunden!“ Hiob 33,24.

Meine Geliebten, die Zeit ist um. Was das andere angeht, so müssen wir es auf eine spätere Gelegenheit versparen.

Dass ich das Gesagte noch einmal kurz zusammenfasse: Jesus Christus, unser König, ist gesalbt von Gott Vater. Nicht aus eigener Autorität, sondern aus der Machtvollkommenheit des Vaters ist er ins Fleisch gekommen und so in unseren verlorenen Zustand hinein; er hat sich selbst nicht die Ehre genommen, sondern es heißt: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben“. So ist er ein von Gott gegebener König, Gerechtigkeit anzubringen, Friede zu erteilen und Vergebung von Sünden in dem Blut seines Kreuzes, Hilfe und Errettung zu verschaffen auch in diesem Leben. Er ist von dem Vater gesalbt, zu verherrlichen das gnaden- und liebevolle Vaterherz bei den Armen und Elenden.

Bittet also Gott um seine Gnade, dass ihr in Wahrheit vor ihm zerbrochen, arm und elend seid; um Gnade, dass ihr mögt erkennen die Heiligkeit und Majestät seines Gesetzes, dass ihr gewürdigt werden mögt, zu erkennen, wie ihr vor ihm so ganz und gar nichts seid, sondern lauter Eitelkeit, auf dass wir so unseres Bedürfnisses nach einem lebendigen Heilande recht inne werden; dann werden wir - es kann nicht ausbleiben - ganz gewiss erfreut werden durch seine Zukunft ins Fleisch, wie sie fortwährend eine Zukunft ist ins Herz hinein, so dass wir auch ausrufen: Gelobt, ober: Gesegnet seist du, Jesus Christ!

Amen.

Schlussgesang.

Psalm 72, Vers 9. Sein Ruhm muss ewig, ewig währen!
Seht, er ist unbegrenzt.
Sein Name strahl' in vollen Ehren,
So wie die Sonne glänzt!
Man freut sich, wünscht einander Segen,
Wo er, der Herr, regiert.
Die Heiden gehn in seinen Wegen,
Froh, dass er selbst sie führt.